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Cannabis, Marihuana, Haschisch & Co.

© 1997 bis heute / KD Mainlaw - Rechtsanwalt Tronje Döhmer, Grünberger Straße 140 (Geb 606), 35394 Gießen
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Stand: 12. Mai 2018

Nachfolgend finden Sie Zitate aus Urteilen und Aufsätzen zum Thema „Cannabis, Marihuana, Haschisch & Co.". Die Auswertung vieler Entscheidungen, die ab Anfang des Jahres 2010 veröffentlicht worden sind, belegt, dass die staatliche Ahndung des Besitzes und des Konsums weicher Drogen drastisch zugenommen hat. Das geht einher mit einer weiteren Kriminalisierung der Betroffenen. Die Staatsanwaltschaften machen von Einstellungsmöglichkeiten immer weniger Gebrauch. Selbst auf dem Hintergrund des Besitzes geringer Mengen weicher Drogen werden Durchsuchungen und erkennungsdienstliche Behandlungen angeordnet. Merkwürdige Ermittlungsmaßnahmen der Polizei an Schulen - z.B. in Mittelhessen - runden das rechtsstaatlich bedenkliche und von einem speziellen Verfolgungswahn geprägte Bild ab. Unter dem Vorwand der Verkehrssicherheit werden die Betroffenen trotz des „geringen Gefährdungspotentials des Cannabis" in einem sich anschließenden Verwaltungsverfahren mit unverhältnismäßig hohen Kosten durch den Entzug und die spätere Wiedererteilung von Fahrerlaubnissen, was in der Regel mit der Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einher geht, überzogen, existenziell gefährdet und weiter geschädigt. Die aus „Gründen der Verhältnismäßigkeit notwendige" und vom Bundesverfassungsgericht angemahnte „Entkriminalisierung" der Betroffenen findet nicht statt (siehe dazu auch Cannabisverbot gehört auf den Müll - Interview mit RiAG Andreas Müller - und Washington erlaubt Marihuana - FAZ 08.07.2014). Im Gegenteil werden ihnen in der Regel immer mehr rechtliche und wirtschaftliche Nachteile zugemutet, während sich entlang des Schicksals der Betroffnen - scheinbar vor allem in NRW - der industrielle Komplex ansonsten arbeitloser Gutachter ein erkleckliches wirtschaftliches Auskommen sichert. Das führt zu einer nicht gerechtfertigten Verschwendung staatlicher Mittel und gesellschaftlicher Ressourcen. Dieser Anteil an der Wirtschaftskraft der BRD könnte nachhaltig dafür eingesetzt werden, Rüstungsexporte einzustellen bzw. erheblich zu vermindern, Friedensarbeit für die Beendigung der vielen aktuellen Kriege und einen nachhaltigen Beitrag zur Eindämmung des Hungers in der Welt zu leisten.

Absehen von der Verfolgung - geringe Menge
Abstinenznachweis - Haarprobe
Abstinenzzeitraum von regelmäßig einem Jahr - stabiler, tiefgreifender Einstellungswandel
Abzockerei durch so genannte „Verkehrspsychologen" und „Verkehrsmediziner" - Idiotentest
Anbau von Cannabispflanzen - fristlose Kündigung der Wohnung
Anbau von Cannabispflanzen - Hanfpflanzen zur medizinischen Selbstversorgung
Anordnung des Sofortvollzugs bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis
Arzt - Entziehung der Zulassung
Aussagen bei der Polizei
Aussagen bei der Polizei - Cannabiskonsum eingeräumt
Besitz bei Cannabispflanzen in gemeinsamer Wohnung
Besitz von Cannabis und Wille zum Konsum
Besitz von nicht geringen Mengen
Besonders schwerer Fall beim Handel mit Kleinstmengen
Betäubungsmittelgesetz
Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Beweisverwertungsverbot
Beweisverwertungsverbot - Verstoß gegen § 81 a StPO
Beweisverwertungsverbot - Verstoß gegen § 81 a StPO - flächendeckende Ausheblung des Richtervorbehalts
Blutprobe - rechtswidrig erlangtes Beweismittel
Bindung an tatsächliche Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil
Cannabis als Medikament
Cannabis bei Wikipedia
Cannabis-Beschluss
Cannabisverbot gehört auf den Müll (Interview mit RiAG Andreas Müller)
Cannabis -Wechselwirkungen mit Medikamenten
Carbonsäurewert im Blut - THC-COOH -Konzentration
Dringender Tatverdacht
Drogenfahrt eines Österreichers und Gmeinschaftsrecht
Dronabinol
Durchsuchung
Eignung für den offenen Vollzug
Einlassung im Strafverfahren - keine Wahrheitspflicht - dennoch Nachteile
Einziehung eines Grundstücks
Einziehung eines Kraftfahrzeuges
Entziehung der Fahrerlaubnis
Entziehung der Fahrerlaubnis - Aussagen bei der Polizei
Entziehung der Fahrerlaubnis - Behauptung eines Erstkonsums - Mitwirkungsobliegenheit
Entziehung der Fahrerlaubnis - Besitzes von 200 g Haschisch für den Eigenbedarf - Zeitablauf
Entziehung der Fahrerlaubnis - Besitz von Cannabis und Wille zum Konsum
Entziehung der Fahrerlaubnis - Beweisverwertungsverbot
Entziehung der Fahrerlaubnis - Bindung an tatsächliche Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil
Entziehung der Fahrerlaubnis - Erstkonsum und Mitwirkungsobliegenheit
Entziehung der Fahrerlaubnis - Fahrverbot
Entziehung der Fahrerlaubnis - Fehlen der Fahreignung bei gelegentlichem Konsum von Cannabis
Entziehung der Fahrerlaubnis - früherer Drogenkonsum
Entziehung der Fahrerlaubnis - gelegentliche Einnahme von Cannabis
Entziehung der Fahrerlaubnis - Glaubhaftigkeit der Behauptung eines erstmaligen Cannabiskonsums
Entziehung der Fahrerlaubnis - Kosten einer medizinisch-psychologischen Begutachtung
Entziehung der Fahrerlaubnis - Probierkonsum bei täglichem Konsum von vier Joints
Entziehung der Fahrerlaubnis - regelmäßiger Konsum von Cannabis
Entziehung der Fahrerlaubnis - Anordnung des Sofortvollzugs bei einer Entziehung
Entziehung der Fahrerlaubnis - Teilnahme mit Kraftfahrzeug am Straßenverkehr als gelegentlicher Cannabis-Konsument
Entziehung der Fahrerlaubnis - Tilgungsfristen im Verkehrszentralregister
Entziehung der Fahrerlaubnis - Verwertbarkeit einer Aussage
Erkennungsdienstliche Behandlung § 81b StPO
Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis
Erlaubnis zur Einfuhr von Hanfsamen
Fahrerlaubnisrecht (sehr interessante und hilfreiche Seite von Rechtsanwalt Björn Schüller)
Fahrerlaubnis - Wiedererteilung der Fahrerlaubnis
Fahrlässigkeit
Fahruntüchtigkeit wegen Drogenkonsums u.a. nach § 316 StGB
Fahrverbot
Feststellung des Wirkstoffgehaltes
Fluchtgefahr
Freiheitsstrafe - kurze
Fristlose Kündigung der Wohnung
Gefährlichkeit von Haschisch
Gelegentlicher Cannabiskonsum
Gelegentlicher Konsum - zwei selbständige Konsumvorgänge - Sicherheitsabschlag
Genehmigung für den Anbau von Cannabispflanzen
Genehmigung für den Anbau von Cannabispflanzen - Linderung von Schmerzen
Genehmigung für den Anbau von Cannabispflanzen - Hanfpflanzen zur medizinischen Selbstversorgung
Genehmigung zum Erwerb von Cannabis
Genehmigung zur Einfuhr von Hanfsamen
Grenzwert für Straßenverkehr
Haaranalyse - gefälschte
Haaranalyse - Verwertbarkeit
Haarprobe - Abstinenznachweis
Handeltreiben - Begriff - Einforderung der Entlohnung
Hanfpflanzen zur medizinischen Selbstversorgung
Heilpraktikererlaubnis und Cannabiskonsum
Idiotentest
Interessenabwägung
Krankenversicherung
Krankenversicherung - Versorgung mit Dronabinol
Kräutermischungen - AMG
Langjährige Drogenkarriere
Lexikon des Strafrechts
Lockspitzeleinsatz
Luftsicherheit
Medizinische Selbstversorgung - Anbau
Medizinisch-psychologische Untersuchung
Medizinisch-psychologische Untersuchung - Aussagekraft eines Gutachtens - widersprüchliche Ausführungen
Medizinisch-psychologische Untersuchung - ärztliche Gutachten nicht fristgerecht beigebacht
Medizinisch-psychologische Untersuchung - fehlende finanzielle Mittel
Medizinisch-psychologische Untersuchung - gefälschte Haaranalyse
Medizinisch-psychologische Untersuchung - Kosten
Medizinisch-psychologische Untersuchung - Zumutbarkeit und Möglichkeit der fristgerechten Vorlage
Minder schwerer Fall
Nachweisdauer des Wirkstoffs THC - vier bis sechs Stunden
Nicht geringe Menge
Ordnung in der Haftanstalt
Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG
Passivrauchen von Cannabis
Rechtfertigender Notstand
Rechtsmittelbeschränkung und Wirkstoffgehalt
Rechtsprechung des BGH zum BtMG im Jahr - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006 - 2007
Relative Fahruntüchtigkeit
Schmerzen - Behandlung - Linderung
Schmerzlinderung - Genehmigung für den Anbau von Cannabispflanzen
Schwere der Schuld - Jugendstrafe
Sehr geringe Menge
Sofortvollzug bei Entziehung der Fahrerlaubnis
Strafrechtslexikon (bearbeitet von RA Döhmer, Gießen)
Strafzumessung und Wirkstoffgehalt
Suchthilfe Fleckenbühl
Tatprovokation
THC-Carbonsäurewert - Aussagekraft
THC-COOH -Konzentration - Carbonsäurewert im Blut
THC-Wert - von 1 ng/ml - gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis
THC-Wert - von 0,67 µg/L - unterhalb des Kalibrationsbereichs
THC-Wirkstaoff - Nachweisdauer vier bis sechs Stunden
Tilgungsfristen im Verkehrszentralregister
Transport von Haschisch - Fahrerlaubnis
Trennungsvermögen - fehlendes
Trennungsvermögen - fehlendes bei 1,0 ng/ml THC im Blutserum
Verwertbarkeit einer Aussage - Schweigerecht
Verwertungsverbot - Verstoß gegen § 81 a StPO
Verwertungsverbot - Beweisverwertungsverbot
Washington erlaubt Marihuana - FAZ 08.07.4014
Wiedererteilung der Fahrerlaubnis
Wiedererteilung der Fahrerlaubnis - Abstinenzzeitraum von regelmäßig einem Jahr - stabiler, tiefgreifender Einstellungswandel
Wiedererteilung der Fahrerlaubnis -langjährige Drogenkarriere
Widerruf der Strafaussetzung wegen neuer Straftaten
Widerruf von Lockerungs- und Urlaubsentscheidungen
Wille zum Konsum und Besitz von Cannabis
Wirkstoffgehalt bei Anbau
Wirkstoffgehalt im Grenzbereich zur nicht geringen Menge
Wirkstoffgehalt von Marihuana
Zeitsoldat - fristlose Entlassung




Absehen von der Verfolgung - geringe Menge

„... I. Der Angekl. ist durch das Urteil des AG 1996 wegen unerlaubten Anbaus von Btm (Cannabis) und unerlaubten Besitzes von Btm (Haschisch) zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden. Das AG hat die Gesamtstrafe aus einer Einsatzstrafe von 90 Tagessätzen für den Besitz des Haschisch und einer Einzelstrafe von 60 Tagessätzen für den Anbau der Cannabispflanzen gebildet. Gegen dieses Urteil hat der Angekl. form- und fristgerecht Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel in der Hauptverhandlung mit Zustimmung der StA auf das Strafmaß beschränkt. Die Berufung hatte Erfolg. (...)

III. Durch die wirksame Beschränkung der Berufung stehen der Schuldspruch und die ihn tragenden Feststellungen des AG zur Sache für die Kammer bindend fest. Danach bewahrte der Angekl. am 11. 9. 1995 in seinem Zimmer der elterlichen Wohnung einen Brocken Haschisch mit einem Gewicht von ca. 2,6 g auf, um dieses selbst zu konsumieren. Zur selben Zeit zog der Angekl. in seinem Zimmer 14 Cannabispflanzen, deren Blätter ca. 700 g wogen, in einer dafür angelegten treibhausähnlichen Vorrichtung auf, um nach Aufzucht der Pflanzen deren Blätter zu trocknen und zu rauchen.

Der Angekl. hat sich damit wegen unerlaubten Anbaus von Btm und wegen unerlaubten Besitzes von Btm strafbar gemacht §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 u. 3 BtMG, 53 StGB).

IV. Für die Strafzumessung stand der Kammer hinsichtlich beider Taten neben dem Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren vorsieht, die Strafzumessungsregel des § 29 Abs. 5 BtMG zur Verfügung. Nach dieser Vorschrift, deren Prüfung das AG ausweislich seiner Entscheidungsgründe unterlassen hat, kann von einer Bestrafung abgesehen werden, wenn die gesetzlich angeführten Tatbegehungsweisen lediglich den Eigenkonsum bezwecken und sich auf Btm in geringer Menge beziehen.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Angekl. hatte nur zum Eigenkonsum das Haschisch besessen und die Cannabispflanzen angebaut. Diese Tathandlungen betrafen auch eine jeweils lediglich geringe Menge des Btm Cannabis.

Die von dem Angekl. besessenen 2,6 g Haschisch, deren Wirkstoffgehalt nicht ermittelt worden ist, entsprachen bei einer zugunsten des Angekl. zugrundezulegenden relativ schlechten Qualität von 1,5% THC etwa 2 Konsumeinheiten (vgl. zur Berechnung zuletzt BGH, NStZ 1996, 139 142 = JZ 1996, 798, 801 m. abl.Anm. Kreuzer). Diese Menge stellt nach allen zur Gewichtsobergrenzmenge von Haschisch vertretenen Auffassungen eine geringe Menge i. S. d. § 29 Abs. 5 BtMG dar (vgl. BGH, a.a.O.: 10 g Haschisch/10 Konsumeinheiten; BayObLG, StV 1995, 529, 530 m. abl.Anm. Körner : 6 g/3 KE, Körner, BtMG, 4. A. 1995, § 29 Rdnr. 1279: 30 g; ders., StV 1995, 532: 30 KE).

Auch die - nach den Feststellungen des AG noch nicht ausgewachsenen - 14 Cannabispflanzen, deren Blätter gleichfalls nicht auf einen Wirkstoffgehalt hin untersucht wurden, sind noch als geringe Menge i. S. d § 29 Abs. 5 BtMG anzusehen. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß bei der Hanfpflanze Wirkstoffe überhaupt nur die weiblichen Pflanzen entwickeln können und von diesen sich - erst während ihrer Blüte - auch nur ein geringer Teil ihrer Bestandteile, nämlich im wesentlichen die Blütenspitzen und Kopfblätter, zur Herstellung von Marihuana eignet (vgl. Körner, a.a.O., Anhang C 1, Rdnr. 215, 217; Joachimski, BtMG 4. A. 1985, § 1 Anm. 8); aus heranwachsenden Pflanzen läßt sich noch kein Btm gewinnen (vgl. auch OLG Köln, NStZ 1985, 30). Die danach im Rahmen des § 29 Abs. 5 BtMG weiter vorzunehmende Gesamtwürdigung der tat- und täterbezogenen Umstände, bei der den gesetzlich benannten Faktoren der (geringen) Menge und des Verwendungszwecks wiederum maßgebliches Gewicht zukommt (vgl. auch OLG Hamburg, StV 1988, 109 f.), führt bei beiden Taten zu einem Absehen von Strafe.

Die Vorschrift des § 29 Abs. 5 BtMG trägt dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot, dem ultima-ratio-Charakter strafrechtlicher Sanktionen und dem damit verknüpften Gesichtspunkt Rechnung, daß der Eigenverbrauch von Betäubungsmitteln sich als eine Form der Selbstbeschädigung darstellt, deren Begehung vom deutschen Strafrecht grundsätzlich nicht unter Strafe gestellt wird (vgl. zum letztgenannten Aspekt Körner, a.a.O., § 29 Rdnr. 1259). Die Kammer hat deshalb hinsichtlich der Tatseite vor allem berücksichtigt, daß in beiden Fällen kein über die Vorbereitung des Eigenkonsums hinausgehendes sozialschädliches - weil fremdgefährdendes - Verhalten des Angekl. festzustellen ist, wie es etwa in der Begründung einer Verführungswirkung auf (insbesondere jugendliche) Dritte läge. Der festgestellte Umgang des Angekl. mit der Droge Cannabis beschränkte sich auf seine Privatsphäre.Damit handelt es sich vorliegend um eine Fallgestaltung, bei der nach der Rspr. des BVerfG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Anwendung des § 29 Abs. 5 BtMG »naheliegend« ist und die Staatsanwaltschaften »in aller Regel« bereits von der Verfolgung der in ï§ 29 Abs. 5, 31 a BtMG bezeichneten Straftaten »abzusehen haben« (BVerfGE 90, 145, 166 = StV 1994, 298, 301).

Dem nach den Tatumständen gebotenen Absehen von Strafe stehen auch keine die Persönlichkeit des Angekl. betreffenden Gesichtspunkte entgegen. Dies gilt trotz des zu Lasten des Angekl. zu wertenden Umstandes, daß er schon einschlägig wegen Btm-Delikten vorbestraft ist und die Taten während einer laufenden Bewährungszeit begangen hat. Bereits vor Schaffung der schon eine Verfahrenseinstellung erleichternden Regelung des § 31a BtMG, die eine weitgehende Entpönalisierung aller Konsumentengruppen bezweckt (vgl. Körner, a.a.O., § 31 a Rdnr. 2, 18), war in der höchstrichterlichen Rspr. anerkannt, daß § 29 Abs. 5 BtMG auch Mehrfach- und Wiederholungstätern sowie einschlägig Vorbestraften zugute kommen kann (BGH, StV 1987, 250; OLG Hamburg, StV 1988, 109 f.; Körner, a.a.O., § 29 Rdnr. 1282 m.w.N.). Nur eine dahingehende Interpretation der in ihrem Wortlaut offenen Regelung des § 29 Abs. 5 BtMG wird nunmehr auch den gesetzgeberischen Überlegungen zur Einführung der Bestimmung des § 31 a BtMG gerecht, deren Anwendung - neben den zusätzlichen Kriterien geringer Schuld und fehlenden öffentlichen Interesses - an dieselben Voraussetzungen anknüpft wie die Strafzumessungsregel des § 29 Abs. 5 BtMG (vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 31 a BtMG m.w.N. Körner, a.a.O., § 31 a Rdnr. 1 ff.; auch die - in StV 1993, 279 wiedergegebene - Richtlinie des Ltd. OStA der StA bei dem LG Hamburg v. 10. 11. 1992 geht bei nicht auszuschließender Drogenabhängigkeit von einer grundsätzlich zugrundezulegenden geringen Schuld aus »auch in den Fällen, in denen der Täter bereits mehrfach wegen Straftaten gegen das BtMG verurteilt worden ist oder die Taten während einer laufenden Bewährungszeit begangen hat«).

Bei der Würdigung der Persönlichkeit des Angekl. war zu dessen Gunsten sein ernsthaftes und erfolgreiches Bemühen zu werten, unterstützt durch eine Substitutionsbehandlung und mit Hilfe ambulanter Therapie von seiner langjährigen und bereits in jugendlichem Alter begründeten Heroinabhängigkeit frei zu werden und damit die Ursache früherer Straffälligkeit zu beseitigen. Daß sich der Angekl. sein Loskommen zu erleichtern suchte mit dem von ihm eingeräumten gelegentlichen Haschischkonsum - einem bei Heroinaussteigern häufig anzutreffenden Begleitumstand (vgl. etwa schon Ladewig u. a., Drogen unter uns, Mediz., psychol., soziale Aspekte des Drogenproblems, 4. A. 1983, S. 29), wiegt auch gemessen an seiner Drogenkarriere nach Auffassung der Kammer nicht so schwer, daß eine Bestrafung des Angekl. notwendig wäre.

Die Kammer hat schließlich bei dem Angekl. eine Uneinsichtigkeit, wie sie ihm vom AG zugeschrieben worden ist, nicht feststellen können. Mit seiner Berufungsbeschränkung und weiteren ausdrücklichen Erklärungen in der Hauptverhandlung hat der Angekl. keinen Zweifel daran gelassen, daß er die Geltung der die Strafbarkeit seines Verhaltens begründenden Normen anerkennt. Dies hatte er ausweislich des Protokolls über die Hauptverhandlung vor dem AG auch schon in seinem damaligen Schlußwort zum Ausdruck gebracht. Soweit der Angekl. im erstinstanzlichen Verfahren noch die Absicht bekundet hat, bei Gelegenheit mal wieder Haschisch konsumieren (»mitrauchen«) zu wollen, belegt auch eine solche Ankündigung keine fortbestehende Bereitschaft zum Gesetzesbruch; denn der reine Betäubungsmittelkonsum ist vom BtMG gerade nicht unter Strafe gestellt. ..." (LG Hamburg, Urteil v. 29.10.1996 - 715 Ns 14/96 - StV 1997, 307 ff.)



Arzt - Entziehung der Zulassung

Der regelmäßige Konsum von Cannaabinoiden, sei es als "Schmerz-Medikament" oder als klassischer Drogenkonsum, führt zur Ungeeignetheit für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auch ohne das Vorliegen einer klassischen Drogensucht. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung gehen die Belange der Patienten, insbesondere der Schutz von Leib und Leben, dem Interesse des Arztes an der Teilnahme am vertragsärztlichen System unbedingt vor. Ein sogenanntes Wohlverhalten kann allenfalls zu einer weiteren Teilnahme am vertragsärztlichen System führen, wenn eine mindestens 5-jährige Drogenabstinenz nachgewiesen werden kann (LSG Saarland, Urteil vom 26.11.2010 - L 3 KA 6/07).



Besonders schwerer Fall beim Handel mit Kleinstmengen

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß beim Handeltreiben mit Kleinstmengen von Haschisch ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit i. S. d. § 29 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BtMG die Annahme eines besonders schweren Falles mit Blick auf die angedrohte Mindeststrafe von einem Jahr besonders eingehender Prüfung bedarf (BGH, Beschluss v. 30.01.2001 - 4 StR 581/00, StV 2002, 235 f.).



Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

... c) Die bisher getroffenen Feststellungen zu dem Haschisch, das der Angekl. selbst weiterverkauft hat bzw. weiterverkaufen wollte, tragen eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Btm gem. § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht.

Zwar hat das LG im Ausgangspunkt zutreffend ein Handeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge angenommen und die geladene Gaspistole als Schußwaffe im Sinne dieser Vorschrift angesehen (vgl. BGH NStZ 2000, 433 [= StV 2000, 622]). Die Feststellungen dazu, ob der Angekl. die Schußwaffe beim Handeltreiben i. S. d. § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich geführt hat, sind jedoch lückenhaft.

Ein Täter führt eine Schußwaffe beim Handeltreiben dann mit sich, wenn er sie bewußt gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich ihrer jederzeit bedienen kann, sie sich also in seiner Griffweite befindet (vgl. BGHSt 43, 8, 10 [= StV 1987, 305]; BGHR BtMG § 30 a Abs. 2 Mitsichführen 5). Dies ist nicht ausreichend belegt. Zunächst ist nicht festgestellt, in welchem Raum der Wohnung die Einzelakte des Handeltreibens mit dem Haschisch wie die Lagerung, das Portionieren und der Verkauf erfolgten. Es versteht sich nicht von selbst, daß dies im Wohnzimmer war, in dem das Sofa stand, unter dem die Waffe deponiert war. Selbst wenn die Einzelakte des Handeltreibens im Wohnzimmer stattgefunden haben sollten, folgt aus der bereits aus sich heraus nicht recht verständlichen Feststellung, der Angekl. habe das Sofa des Wohnzimmers ohne große Kraftanstrengung hoch kippen können noch nicht, daß ihm die Waffe jederzeit griffbereit zur Verfügung stand. Es hätte vielmehr der konkreten Darlegung bedurft, welche Maßnahmen und welcher Zeitaufwand im einzelnen erforderlich waren, damit der Angekl. - wenigstens bei einem Teilakt des Handeltreibens - jederzeit auf die unter dem Sofa liegende Pistole zugreifen konnte ... (BGH, Urteil v. 12. 3. 2002 - 3 StR 404/01, StV 2002, 489).



Besitz bei Cannabispflanzen in gemeinsamer Wohnung

Wenn die Angeklagte zur Tatzeit lediglich Mitbesitzerin der ehelichen Wohnung war, aber keinen Tatbeitrag zur Züchtung und zum Anbau von Cannabispflanzen geleistet hat, sondern dies sogar nicht gutgeheißen hat, liegt kein unerlaubter Besitz von Btm vor. Dies gilt selbst dann, wenn die Nutzbarkeit der Wohnung für den bestimmungsgemäßen Gebrauch durch eine Vielzahl von Pflanzen drastisch eingeschränkt war. Eine Strafbarkeit wegen Unterlassens scheidet aus, da die Mitbesitzerin keine Garantenpflicht hat, die es gebieten würde, das strafbare Handeln des Ehemannes zu unterbinden bzw. aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen (OLG Celle, Beschluß v. 28. 6. 2000 - 33 Ss 28/00 - StV 2000, 624).



Besitz von nicht geringen Mengen - Verhältnis zum Herstellen

Die rechtliche Bewertung des unerlaubten Besitzes von Btm hat sich nach der Änderung des Betäubungsmittelrechts durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) v. 15. 7. 1992 (BGBl. I S. 1302) insofern geändert, als der Besitz in nicht geringer Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nunmehr als Verbrechen strafbar ist. Die Einstufung als Verbrechen ist insbes. erfolgt, um der von dem Besitz einer nicht geringen Menge von Rauschgift ausgehenden abstrakten Gefahr der Weitergabe an Dritte hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. Joachimski, BtMG, 6. A., § 29 a Rdnr. 8). Es kann nun nicht mehr davon ausgegangen werden, den unerlaubten Besitz von Btm in nicht geringer Menge als bloßen Auffangtatbestand aufzufassen, der von den Begehungsarten, die nicht zum Verbrechen hochgestuft worden sind, verdrängt werden könnte (BGH NStZ 1994, 548 [= StV 1995, 26]). Jedoch ist das Verhältnis des unerlaubten Besitzes von Btm in nicht geringer Menge zu den übrigen, ebenfalls in den Verbrechenstatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG aufgenommenen anderen Begehungsarten - hier derjenigen des unerlaubten Herstellens von Btm in nicht geringer Menge - nicht verändert worden. Im Verhältnis zu diesen in der Norm aufgeführten Verbrechenstatbeständen bleibt der Besitz wie auch im alten Betäubungsmittelrecht - trotz gleicher Strafandrohung - Auffangtatbestand, da er wegen seiner lediglich abstrakten Gefährlichkeit für Dritte gegenüber den anderen Alternativen des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG von geringerem Unrechtsgehalt ist. Diese anderen Tatbestandsalternativen des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - so auch das Herstellen - beinhalten nämlich die Schaffung einer neuen Gefährdungslage und damit schon nach Umfang und Bedeutung der tatbestandsmäßigen Handlung größeres Unrecht als der bloße Besitz (vgl. BGHSt 42, 162 [= StV 1996, 668]. Somit tritt der unerlaubte Besitz von Btm in nicht geringer Menge hier als subsidiär zurück (vgl. auch BGH MDR 1990, 458; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 19. 9. 2001 - 3 Ss 80/01 - StV 2002, 431 f).

***

Blutprobe - rechtswidrig erlangtes Beweismittel

„... Mangels zulässiger Rüge besteht daher kein Anlass, der Frage nachzugehen, ob es mit der Verfassung vereinbar ist, dass nicht nur im Einzelfall sondern nach gefestigter Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 28. Januar 2010 - 11 CS 09.1443 -, juris, Rn. 27; Beschluss vom 21. November 2011 - 11 CS 11.2247 -, juris, Rn. 11; Beschluss vom 9. Mai 2012 - 11 ZB 12.614 -, juris, Rn. 4) wie auch anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württem-berg, Beschluss vom 21. Juni 2010 - 10 S 4/10 -, juris, Rn. 11; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. November 2009 - OVG 1 S 205.09 -, juris, Rn. 3; Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vor-pommern, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 M 12/08 -, juris, Rn. 7; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. August 2008 - 12 ME 183/08 -, juris, Rn. 6; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. September 2010 - 16 B 382/10 -, juris, Rn. 2; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2010 - 10 B 11226/09 -, juris, Rn. 8; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. November 2012 - 3 O 141/12 -, juris, Rn. 7; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. Februar 2010 - 3 B 161/08 -, juris, Rn. 7; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9. Dezember 2009 - 4 MB 121/09 -, juris, Rn. 3 f.) bei der Entziehung von Führerscheinen offenbar generell die Verwertung von Erkenntnissen akzeptiert wird, die auf Blutentnahmen beruhen, welche unter Verstoß gegen den einfachgesetzlichen Richtervorbehalt in § 81a Abs. 2 StPO gewonnen wurden. Auch wenn der in § 81a Abs. 2 StPO gesetzlich angeordnete Richtervorbehalt nicht auf einer zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgabe beruhen mag (vgl. BVerfGK 14, 107 <113>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 - 2 BvR 1596/10 -, EuGRZ 2011, S. 183 <185>), bestehen doch aus rechtsstaatlicher (Art. 20 Abs. 3 GG) wie auch grundrechtlicher (Art. 2 Abs. 2 GG) Sicht erhebliche Bedenken gegen eine Praxis, die den gesetzlichen Richtervorbehalt für den Bereich verwaltungsbehördlicher Eingriffsmaßnahmen durch eine großzügige Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel (vgl. zu Beweisverwertungsverboten BVerfGE 65, 1 <43 ff.>; 106, 28 <48 ff.>; 113, 29 <61>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2006 - 2 BvR 954/02 -, NJW 2006, S. 2684 <2686>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 2010 - 2 BvR 2101/09 -, NJW 2011, S. 2417 <2419>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 - 2 BvR 1596/10 und 2 BvR 2346/10 -, juris, Rn. 18) flächendeckend aushebelt. ..." (BverfG, Beschluss vom 28.06.2014 - 1 BvR 1837/12).



Cannabis als Medikament

Das AG hat festgestellt, dass der 42 jährige Angekl. seit 1981 an einer chronischen Darmerkrankung leidet, die 1993 zu seiner Berentung führte. Die Krankheit wurde mit Cortison und Antibiotika behandelt, was Nebenwirkungen wie Sehschwierigkeiten, Gelenkschmerzen, Magenkrämpfe, Erbrechen und Wasseransammlungen im Gewebe zur Folge hatte. Im Jahre 1996 entschloß sich der Angekl., Cannabis als Medikament zu benutzen. Er rauchte Marihuana und bereitete sich damit Sitzbäder, wodurch eine spürbare Linderung seiner Beschwerden eintrat, so dass er die ihm verschriebenen Medikamente nach 2 Jahren völlig absetzen konnte und zur Zeit beschwerdefrei ist. Um das Rauschgift ständig und mit gleichbleibender Qualität zur Verfügung zu haben, baute er seit März 2000 in seiner Wohnung 59 Cannabispflanzen an. Die bei ihm sichergestellten Pflanzenteile enthielten einen Gesamtwirkstoffgehalt von etwa 21,658 g THC.

Das SchöG hat danach den objektiven Tatbestand der §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu Recht als erfüllt angesehen. Es hat auch nicht verkannt, dass in Fällen, in denen bei schweren Gesundheitsgefahren das Rauschgift als Heilmittel dienen soll, die Tat nach den §§ 34, 35 StGB gerechtfertigt oder entschuldigt sein kann (vgl. Senat, Beschl. v. 1. 11. 2001 - (4) 1 Ss 39/01 (50/01); OLG Köln StraFO 1999, 314). Die Begründung, mit der es dem Angekl. eine Rechtfertigung oder Entschuldigung versagt hat, hält rechtlicher Überprüfung hingegen nicht Stand.

Das SchöG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass zur Rechtfertigung oder Entschuldigung der Tat eine vorherige, gewissenhafte Überprüfung der Handlungsalternativen erforderlich ist. Es entspricht der st. Rspr. des BGH (vgl. BGH NStZ 1992, 487 [= StV 1993, 583]), der sich der Senat (a. a. O.) angeschlossen hat, dass sich auf eine Notstandslage nur derjenige berufen kann, der die Frage, ob die Gefahr auf andere zumutbare Weise abwendbar ist, nach besten Kräften geprüft hat (a. A. LK-Hirsch StGB, 11. A., § 34 Rdnr. 77; Schönke-Schröder-Lenckner/Perron StGB, 26. A., § 34 Rdnr. 49).

Das SchöG ist offenbar der Meinung, dass der Angekl. sich nur dann auf die §§ 34, 35 StGB hätte berufen können, wenn er vor Beginn der Selbstmedikation versucht hätte, dafür eine Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu erlangen. Das ist rechtsfehlerhaft. Den Urteilsgründen ist schon nicht zu entnehmen, dass sich der Angekl. dieser Möglichkeit überhaupt bewußt war oder hätte bewußt sein müssen. Allein aus der Tatsache, dass er einen derartigen Antrag nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens gestellt hat läßt sich das jedenfalls nicht herleiten. Außerdem kann eine Privatperson zur eigenen Heilbehandlung mit einer Ausnahmebewilligung ohnehin nicht rechnen, da die Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG stets im öffentlichen Interesse liegen muß (vgl. Körner BtMG, 5. A, § 3 Rdnr. 30). Hätte die Behörde dem Angekl. aber eine Erlaubnis erteilt, wäre eine Strafbarkeit nach den §§ 29 ff. BtMG auch ohne einen Rückgriff auf die §§ 34, 35 StGB entfallen. Das SchöG hat somit den Anwendungsbereich dieser allgemeinen Notstandsvorschriften zu Unrecht auf den Umfang der gesetzlichen Spezialregelungen zum Umgang mit nicht verkehrsfähigen Rauschmitteln eingeengt. Die erforderlichen Feststellungen zu den Umständen, die den Angekl. hier bewogen haben, sich bewußt über das strafbewehrte Verbot hinwegzusetzen, sind dementsprechend lückenhaft. Das SchöG teilt dazu neben der Krankheit, ihren Symptomen und deren Linderung durch das Rauschgift lediglich mit, dass der Angekl. sich nach der Lektüre eines Artikels über Cannabis als Medikament und »nach Rücksprache mit seinem Arzt« entschlossen hatte, Marihuana zu konsumieren. Offen bleibt, welches Ergebnis das Gespräch mit dem Arzt hatte, ob dem Angekl. dabei alternative - ähnlichen Erfolg versprechende und zumutbare - Behandlungsmethoden mit zugelassenen (z. B. tetrahydrocannabiolhaltigen) Arzneimitteln aufgezeigt worden waren und ob er auch anderen (fach)ärztlichen Rat eingeholt oder dies zumindest erwogen hatte (KG, Beschluss v. 18. 11. 2002 - (4) Ss 273/02 - StV 2003, 167 f).



Cannabis - Wechselwirkungen mit Medikamenten

Wer gelegentlich Cannabis und sonstige Arzneimittel zu sich nimmt, hat sich zu vergewissern, ob und welche Auswirkungen die Medikamente auf die Wirkungen und den Abbau der Droge haben; wer dies unterlässt und unter psychoaktiver Beeinflussung durch Cannabis ein Kraftfahrzeug führt, stellt in der Regel mangelndes Trennungsvermögen unter Beweis (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.08.2012 - OVG 1 M 84.12):

„... Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt keine unzulässige Beweisantizipation darin, dass das Verwaltungsgericht aufgrund des polizeilichen Tätigkeitsberichts (A 35-120119-1715-033374) seine Entscheidung wesentlich darauf stützt, dass der Antragsteller im Zuge seiner polizeilichen Überprüfung gelegentlichen Cannabiskonsum eingeräumt hat. Vielmehr muss das Gericht auch im summarischen, regelmäßig keine Beweisaufnahme vorsehenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, für das der Antragsteller hier Prozesskostenhilfe begehrt, den Umstand, dass dies in dem Tätigkeitsbericht so vermerkt ist, ebenso wie das Vorbringen des Antragstellers im Verfahren würdigen. Da sich die Entscheidungskriterien insoweit also nicht ändern, bestehen auch keine Bedenken, den streitigen Sachverhalt auch im Prozesskostenhilfeverfahren für die Frage der hinreichenden Erfolgsaussicht des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO in gleicher Weise zu würdigen. Gegen die Würdigung als solche ist nichts zu erinnern. Der Antragsteller hat nach dem polizeilichen Tätigkeitsbericht noch weitere Angaben gemacht, die sich nach seinem jetzigen Vorbringen anders darstellen; insbesondere hat er ausgeführt, aus neurologischen Gründen Cannabis zu konsumieren. Ein Rezept dafür hat er nicht vorlegen können, der Cannabis-Konsum sei auch nicht ärztlich verordnet worden. Von der Verschreibung und der Einnahme anderer Medikamente, geschweige denn deren Nebenwirkungen, war gegenüber den Polizisten keine Rede. Lediglich bei der Blutentnahme gegenüber der Ärztin will der Antragsteller erwähnt haben, dass er zwei vom Arzt verschriebene Antibiotika einnehme und Darmtabletten eingenommen habe. Jetzt legt er ein ärztliches Attest und Zuzahlungsbescheinigung vor, wonach er wegen Magenbeschwerden bestimmte Medikamente verschrieben bekommen und erworben hat. Ihre Einnahme soll den Abbau des Wirkstoffs des Cannabis verzögert haben und so erklären, weshalb seine Angabe trotz damit nicht in Einklang zu bringender THC-Konzentration in seiner Blutprobe zutreffend sei, einmalig am Abend des Tages vor der Kontrolle einen Joint geraucht zu haben. Wenn das Verwaltungsgericht angesichts solchen Vorbringens angenommen hat, dass die - im Übrigen auch sonst wenig einleuchtende und in vielen Details nicht mit dem Polizeibericht übereinstimmende - Darstellung des Antragstellers verfahrensangepasst ist, so ist auch das nicht zu beanstanden. Es leuchtet nämlich ein, dass der Antragsteller von seinen Äußerungen gegenüber den Polizeibeamten abrücken möchte, nachdem er begriffen hat, dass der gelegentliche Cannabiskonsum bei mangelndem Trennungsvermögen fahrerlaubnisrechtlich Bedeutung für die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hat.

Auch sonst rechtfertigt das Beschwerdevorbringen keine von der des Verwaltungsgerichts abweichende Einschätzung der Erfolgsaussichten des vorläufigen Rechtsschutzbegehrens. Denn ein verzögerter Abbau des THC durch die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten, der hier vom Antragsteller noch nicht einmal belegt, sondern nur schlicht behauptet wird, lässt das durch die Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr unter Drogeneinfluss belegte mangelnde Trennungsvermögen regelmäßig nicht entfallen. Wer neben Cannabis auch Medikamente einnimmt, muss sich vergewissern, ob diese auf die Wirkung und den Abbau von Cannabis von Einfluss sein können und sein Verhalten darauf einrichten. Wer in Unkenntnis einer etwaigen Verzögerungswirkung zu früh nach dem Konsum wieder ein Kraftfahrzeug führt, belegt damit mangelndes Trennungsvermögen. Das Beschwerdevorbringen erweist sich insoweit als voraussichtlich nicht rechtserheblich für die Frage der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen. ..."



Carbonsäurewert im Blut - THC - COOH -Konzentration

„... Soweit der Antragsteller nach wie vor behauptet, dass er nur ein einziges Mal, nämlich am 24./25. Februar 2010 Cannabis konsumiert habe, hat er mit der Beschwerde keine substantiierten Einwendungen gegen die Annahme der Behörde und des Verwaltungsgerichts vorgebracht, dass bei ihm aufgrund des festgestellten THC - COOH - Wertes von 410 ng/ml jedenfalls auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum geschlossen werden kann. Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen kann bei festgestellten THC - COOH -Konzentrationen, die über 150 ng/ml liegen, der Beweis für einen häufigeren Konsum von Cannabis als erbracht angesehen werden (st. Rspr. d. Senats, z.B. BayVGH vom 27.3.2006 Az. 11 CS 05.1559; zuletzt Beschluss vom 11.8.2010 Az. 11 CS 10.1187). Die entsprechenden Ausführungen in der bereits vom Verwaltungsgericht zitierten Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München vom 23. August 2005 werden auch durch die Untersuchungsergebnisse der 1. Maastricht - Studie gestützt, die 2005/2006 in den Niederlanden durchgeführt wurde. Danach ergaben sich auch bei einer hohen THC Aufnahme (36 mg THC pro Joint) nur Maximalwerte von 91 ng/ml THC - COOH (vgl. Möller/Kauert u.a., Leistungsverhalten und Toxikogenetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol 2006, 361/365; Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Aufl. 2010, § 3 RdNr. 110). Von diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen geht auch die Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte aus (vgl. Niedersächsisches OVG vom 10.2.2009 ZfS 2009, 358; Hessischer VGH vom 24.9.2008 NJW 2009, 1523; OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 19.12.2006 Az. 1 M 142/06). Mit der beim Antragsteller festgestellten THC - COOH - Konzentration von 410 ng/ml steht damit nach § 11 Abs. 7 FeV fest, dass er entgegen seiner Einlassung mehr als nur einmal Cannabis konsumiert hat. Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang angeregte Zeugeneinvernahme seiner Lebensgefährtin ist schon aus diesem Grund nicht geboten. Sie wäre bisher auch gar nicht möglich gewesen, weil der Antragsteller weder den Namen noch die ladungsfähige Anschrift der Lebensgefährtin angegeben hat. Davon abgesehen bedarf es im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen seines Charakters als Eilverfahren nicht der Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers fehlt einem Betroffenen bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis nicht erst dann die Fahreignung, wenn er sämtliche in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV aufgeführten Zusatztatsachen gleichzeitig erfüllt. Vielmehr genügt es für die Annahme fehlender Eignung, wenn er gelegentlich Cannabis konsumiert und zwischen Konsum und Fahren nicht trennen kann. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis - Verordnung (vgl. Beschluss d. Senats vom 3.2.2004 Az. 11 CS 04.157).

Dass der Antragsteller nicht über das erforderliche Trennvermögen verfügt, das dann angenommen wird, wenn ab einer THC - Konzentration von über 2,0 ng/ml ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt wird (vgl. BayVGH vom 7.1.2009 Az. 11 CS 08.1545), hat er mit der Beschwerdebegründung nicht in Frage gestellt.

Soweit der Antragsteller darauf abstellt, dass er seit dem 25. Februar 2010 kein Cannabis mehr konsumiert habe und völlig abstinent lebe, kann dieses Vorbringen seiner Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Denn für die Wiedergewinnung der durch gelegentlichen Cannabis - Konsum verloren gegangenen Fahreignung ist der nachgewiesene Übergang zu einem straßenverkehrsrechtlich zulässigen Gebrauch dieses Betäubungsmittels für die Dauer mindestens eines Jahres erforderlich (vgl. BayVGH vom 9.5.2005 BayVBl 2006, 18). Diese Jahresfrist ist beim Antragsteller seit seinem letzten Cannabiskonsum erst zur Hälfte abgelaufen. ..." (VGH München, Beschluss vom 24.08.2010 - 11 CS 10.1658)

***

Bei einer Konzentration von 1,0 ng/ml THC im Blutserum ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig von fehlendem Trennungsvermögen zwischen Drogenkonsum und Führen eines Kraftfahrzeugs im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auszugehen (OVG Hamburg, Beschluss vom 20.07.2012 - 2 B 341/11):

„... Dem Antragsteller fehlt das Vermögen, zwischen Drogenkonsum und Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen. An der Fähigkeit zur Trennung zwischen Konsum und Fahren fehlt es immer dann, wenn der Kraftfahrer objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht hat (vgl. B. des Senats vom 09.09.2011 - 2 B 156/11 - ).

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist umstritten, ab welchem Wert diese Schwelle überschritten ist. Die vorherrschende Meinung nimmt bei einer THC-Konzentration ab 1,0 ng/ml Serum ein Unvermögen, zwischen Drogenkonsum und Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen, an (OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 04.01.2012 - 16 A 2075/11 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 16.09.2009 - OVG 1 S 17.09 - NZV 2010, 531; VGH Baden-Württ., Urt. v. 13.12.2007 - 10 S 1271/07 - Blutalkohol 45, 210; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17.02.2009 - 4 LB 61/08 -, juris; OVG Hamburg, B. v. 15.12.2005 - 3 Bs 214/05 - NJW 2006, 1367; für einen THC-Wert, der 1,0 ng/ml Serum übersteigt: Nieders. OVG, B. v. 11.09.2008 - 12 ME 227/08 - juris; offen gelassen bei einer THC-Konzentration von unter 2,0 ng/ml Serum: OVG Bremen, Beschl. v. 14.08.2007 - 1 B 302/07 - DAR 2007, 716, B. v. 08.08.2008 - 1 B 333/08 - und B. v. 21.01.2010 - 1 B 469/09 -), während der Bayerische VGH, auf dessen Rechtsprechung der Antragsteller seine Beschwerde stützt, erst ab einer THC-Konzentration von 2,0 ng/ml Serum (B. v. 16.08.2006 - 11 CS 05.3394 - juris) mangelndes Trennungsvermögen bejaht.

Der Senat hält - wie auch das Verwaltungsgericht - die vorherrschende Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung für zutreffend. Sie trägt dem Beschluss der vom Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen einberufenen ‚Grenzwertkommission' vom 20. November 2002 - aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 - Rechnung, wonach der Grenzwert für die Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1 ng/ml Serum liegen soll. Eine solche Konzentration kann einschließlich eines entsprechenden Sicherheitszuschlags nach der Empfehlung der Grenzwertkommission bei Anwendung der Richtlinien der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie sowohl sicher nachgewiesen werden als auch quantitativ präzise bestimmt werden (vgl. dazu auch BVerfG, B. der 2. Kammer des 1. Senats v. 21.12.2004 - 1 BvR 2652/03 - NJW 1995, 270).

Bei diesem Wert sind Leistungsbeeinträchtigungen der für die Fahreignung relevanten Eigenschaften zumindest möglich. Dies belegen wissenschaftliche Studien. Neben der Studie der Universität Maastricht, auf die das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss Bezug nimmt, liegt die Untersuchung von Drasch/v. Meyer/Roider/Staack/Paul/Eisenmenger, Unfälle und reale Gefährdungen des Straßenverkehrs unter Cannabis-Wirkung (Blutalkohol 2006, 441-450) vor, die auf einer Auswertung von Blutproben in - insgesamt 135 - Verfahren basiert, in denen eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines allein Cannabis-bedingten Unfalls nach § 315c oder § 316 StGB (sog. Unfallgruppe) erfolgt war. In ihrer Untersuchung gelangen die Autoren zu der Feststellung, dass auch bei einer THC-Konzentration von unter 1 ng/ml von einer die Fahrtüchtigkeit einschränkenden Wirkung des Cannabiskonsums auszugehen ist und daher eine abstrakte Gefährdung des Straßenverkehrs im Sinne des § 24a StVG besteht. Bei 8,1 % der in der Unfallgruppe zusammengefassten Vorfälle, die zu Unfällen/Gefährdungen geführt hatten, lag die THC-Konzentration unter 1 ng/ml. Auch wurde nachgewiesen, dass die relativen Häufigkeiten einer realen Gefährdung des Straßenverkehrs im Bereich einer THC-Konzentration unter 1 ng/ml (2,0 % aller untersuchten Blutproben) und ab 1 ng/ml (2,1 % aller untersuchten Blutproben) fast identisch sind. Im Hinblick auf die in der obergerichtlichen Rechtsprechung zum Teil angenommene Grenze einer THC-Konzentration von 2,0 ng/ml (vgl. BayVGH, B. v. 25.01.2006 - 11 CS 05.1711 - VRS 110, 310 = DAR 2006, 407), ab der eine Beeinträchtigung der fahreignungsrelevanten Eigenschaften anzunehmen sei, wird ausgeführt, dass in ca. 31% der Fälle, in denen die Fahrerlaubnisinhaber wegen eines ausschließlich cannabisbedingten Unfalls verurteilt worden sind, die THC-Konzentration unter 2,0 ng/ml gelegen habe. Auch heben die Autoren der Studie hervor, dass die Unfall-/Gefährdungs-häufigkeit in der späteren Gefährdungsphase signifikant höher ist als im akuten Rauschzustand.

Das vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in der o. g. Entscheidung vom 25.01.2006 wiedergegebene Gutachten des Interdisziplinären Zentrums für Verkehrswissenschaften der Universität Würzburg, auf das auch der Antragsteller mit dem nach Ablauf der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO eingegangenen Schriftsatz vom 13.04.2012 verweist, veranlasst den Senat nicht, von einem Grenzwert über 1,0 ng/ml Serum auszugehen, denn das Gutachten vom 15.08.2001 ist durch die o. g. neueren Untersuchungen überholt und widerlegt. Entsprechendes gilt für die ebenfalls erst nach Ablauf der Begründungsfrist gegebenen Hinweise auf die von Prof. Dr. B. verfasste Stellungnahme zur Anhörung von Bündnis 90/ Die Grünen im Bundestag, (Berlin 30.11.2001) zum Thema Cannabiskonsum, Fahrerlaubnisrecht und Verfassung und die von einer Gruppe von internationalen Verkehrs- und Drogenforschern erhobene Forderung nach Einführung eines Grenzwerts, der der 0,5-Promillegrenze bei Alkohol entspreche und der bei 7 - 10 ng/ml Blut anzusetzen sei. Ungeachtet der verspäteten Darlegung dieser Beschwerdegründe kann der Antragsteller aus der zuletzt genannten Forderung auch deshalb für sich nichts herleiten, weil diese lediglich auf der Behauptung basiert, eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit im vergleichbaren Rahmen wie bei einer BAK von 0,5 ergebe sich erst bei einem Wert von 7 - 10 ng/ml Blut, ohne sich mit den Ergebnissen der o. g. wissenschaftlichen Studien auseinanderzusetzen.

Ist hiernach von einer Leistungsbeeinträchtigung der für die Fahreignung relevanten Eigenschaften bereits bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml Serum auszugehen, ist bei einer Fahrt mit einer derartigen THC-Konzentration das fehlende Trennungsvermögen belegt. Da nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Forschung eine der Bestimmung der Blutalkohol-Konzentration in Bezug auf den THC-Wirkstoff vergleichbare exakte Rückrechnung nicht möglich ist, ist von einem die Fahreignung ausschließenden charakterlich-sittlichen Mangel auszugehen, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber bei nicht auszuschließender Drogenkonsum-bedingter Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.06.2002 - 1 BvR 2062/96 - juris, Rn. 49).

Ein ausreichendes Trennungsvermögen, das eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Hinblick auf die Verkehrssicherheit hinnehmbar erscheinen lässt, ist nur gegeben, wenn der Konsument Fahren und Konsum in jedem Fall in einer Weise trennt, dass eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften durch die Einnahme von Cannabis unter keinen Umständen eintreten kann (vgl. B. des Senats v. 09.09.2011 - 2 B 156/11 -).

Bei dem hier festgestellten THC-Wert von 1,0 ng/ml Serum und dem vom Antragsteller eingeräumten gelegentlichen, d. h. mehrmaligen Cannabiskonsum, begegnet die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen des fehlenden Trennungsvermögens somit keinen Bedenken. Bei Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers ist darüber hinaus - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnis im öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs geboten mit der zwingenden Folge, dass die privaten und/oder beruflichen Interessen des Betroffenen zurückstehen müssen. ..."

***

Nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis ist die Aufnahme einer Einzelwirkdosis THC selbst bei Gelegenheitskonsumenten nur etwa vier bis sechs Stunden mit einem Wert von mehr als 1 ng/ml Serum nachweisbar (OVG NRW, Beschluss vom 10.08.2011 - 16 B 873/11).

***

Die THC-Carbonsäure ist ein Metabolit, d.h. ein rauschunwirksames Abbauprodukt von THC das bei dauerndem oder gewohnheitsmäßigem Konsum von Cannabis im Blut angereichert und nur sehr langsam abgebaut wird. Dieser Wert lässt lediglich Rückschlüsse darauf zu, inwieweit der Betroffene dauerhaft Cannabis konsumiert, nicht aber darauf, ob er zum Zeitpunkt der Fahrt unter der Wirkung von Cannabis gestanden hat (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.03.2011 - 2 Ss OWi 23/11):
„... Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am …. April 2009 die Bundesautobahn A …mit einem PKW X, amtliches Kennzeichen … aus Fahrtrichtung Stadt1 kommend in Fahrtrichtung Stadt2. In der Höhe der Anschlussstelle Stadt3 wurde der Betroffene von der Zivilstreife um 11:15 Uhr aus dem Verkehr gezogen um eine Fahrzeug- und Personenkontrolle vorzunehmen. Bei der freiwilligen Durchführung eines Urintestes reagierte dieser positiv auf den Wirkstoff THC was dazu führte, dass der Polizeibeamte eine Blutentnahme bei dem Betroffenen zur Feststellung von Drogen im Blut anordnete. Ein Versuch vorher eine richterliche Genehmigung zu erreichen wurde nicht unternommen. Nach Durchführung der Blutentnahme durch den Facharzt bei dem der Betroffene nicht ausdrücklich widersprochen hatte erbrachte das untersuchte Blut das stark positive Ergebnis bei Cannabinoiden mit 60,6 ng/ml THC-Carbonsäure.

Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 15. Februar 2011 ausgeführt hat, liegt der gerügte Verstoß gegen § 81 a StPO nicht vor.

Das Urteil kann gleichwohl keinen Bestand haben, weil das Amtsgericht den THC-Carbonsäure-Wert zugrunde gelegt hat und nicht den THC-Wert selbst.

Die THC-Carbonsäure ist ein Metabolit, d. h. ein rauschunwirksames Abbauprodukt von THC das bei dauerndem oder gewohnheitsmäßigem Konsum von Cannabis im Blut angereichert und nur sehr langsam abgebaut wird. Dieser Wert lässt lediglich Rückschlüsse darauf zu, inwieweit der Betroffene dauerhaft Cannabis konsumiert, nicht aber ob er zum Zeitpunkt der Fahrt unter der Wirkung von Cannabis gestanden hat.

Da davon auszugehen ist, dass wie sonst auch, die gewonnene Blutprobe durch ein amtliches Gutachten analysiert worden ist, kann der sogenannte aktive THC-Wert durch entsprechende nachträgliche Verwendung des Gutachtens noch ermittelt werden, so dass die notwendigen Feststellungen, ob der Betroffene bei der Fahrt tatsächlich unter Drogeneinfluss stand, in einer neuen Verhandlung geklärt werden können.

In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass auch die von der Generalstaatsanwaltschaft erfolgten Hinweise zur Feststellung von Fahrlässigkeit zu beachten seien dürften. ..."


*** (VG)

„... Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des forensisch-toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Essen vom 27. Februar 2012 festgestellte THC-Wert von 1,3 ng/ml übersteigt den zu § 24 a Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/g bzw. ml und rechtfertigt daher die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.

Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. So auch: OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2012 - 16 B 2075/11 - und 9. Januar 2012 - 16 B 1587/11 -.

Durch das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss hat der Antragsteller bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann. ..." (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 07.08.2012 - 7 L 895/12).

***

„... Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des rechtsmedizinischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Bonn vom 4. April 2012 festgestellte THC-Wert von 2,0 ng/ml übersteigt den zu § 24 a Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/g bzw. ml und rechtfertigt daher die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.

Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. So auch: OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2012 - 16 B 2075/11 - und 9. Januar 2012 - 16 B 1587/11 -

Die in Klage- und Antragsverfahren geäußerte Ansicht des Antragstellers, in seinem Falle sei nicht einmal gelegentlicher Cannabiskonsum bewiesen, sondern allenfalls einmaliger (experimenteller) Konsum, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Die darin zu sehende Behauptung eines Erstkonsums kann rechtlich allenfalls dann relevant sein, wenn ein solcher Erstkonsum konkret und glaubhaft dargelegt ist. Es spricht eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit dagegen, dass ein Erstkonsument, der im Umgang mit Cannabis unerfahren ist, sich dem hohem Risiko einer Fahrt unter Einfluss dieser Droge aussetzt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2008 - 16 B 868/08 - m.w.N.

Daran fehlt es hier, denn der Antragsteller hat nach dem Polizeibericht und auch in den gerichtlichen Verfahren keine Angaben zu seinem Cannabis-Konsum gemacht und ist damit seiner Mitwirkungsobliegenheit in einer solchen, von ihm behaupteten Ausnahmesituation nicht nachgekommen. Deshalb ist es zulässig, dieses Verhalten bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten zu berücksichtigen.

So: OVG NRW, Beschlüsse vom 12. März 2012 - 16 B 1294/11 - und vom 22. Mai 2012 - 16 B 536/12 - (nrwe.de)

Demnach ist (auch) vorliegend von (mindestens) gelegentlichem Cannabis-Konsum und deshalb von der Ungeeignetheit des Antragstellers auszugehen. Ein Ermessen steht dem Antragsgegner bei feststehender Ungeeignetheit nicht zu. Angesichts dessen bestehen auch keinerlei Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung. Die vom Antragsteller ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit erscheint zu groß, als dass sie bis zur Entscheidung der Hauptsache hingenommen werden könnte. Auf die damit verbundenen persönlichen und beruflichen Probleme muss er sich einstellen. Vielmehr besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, ihn durch eine sofort wirksame Maßnahme vorläufig von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Es bleibt ihm unbenommen, den Nachweis einer wiedergewonnenen Kraftfahreignung in einem späteren Wiedererteilungsverfahren durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) zu führen, die dann zwingend vorgeschrieben ist (§ 14 Abs. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV -). ..." (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.07.2012 - 7 L 819/12)

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THC-Wert unterhalb des Kalibrationsbereichs von 0,67 µg/L (VG München, Beschluss vom 04.07.2012 - M 6a S 12.2698):

„... Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, weil das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnisverordnung - FeV -) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen, oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

In Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV wird ausgeführt, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes nicht besteht. Sonderbestimmungen gelten im Fall von Cannabiskonsum, bei dem - im Vergleich zum Konsum sonstiger (harter) Drogen privilegierend - zu differenzieren ist. In Übereinstimmung mit Nr. 3.12.1 der auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse ergangenen Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft M 115, 2000) führen Nr. 9.2.1 und 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV aus, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis grundsätzlich nicht besteht (Nr. 9.2.1.), während die nur gelegentliche Cannabiseinnahme der Fahreignung dann nicht entgegensteht, wenn eine Trennung von Konsum und Fahren möglich ist, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt und keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust bestehen (Nr. 9.2.2).

Hiernach ist es nicht zu beanstanden, dass die Fahrerlaubnisbehörde unter Anwendung von § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 und 3, § 11 Abs. 7 FeV ohne vorherige Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens von der Fahrungeeignetheit des Antragstellers ausgegangen ist und ihm die Fahrerlaubnis entzogen hat.

Dass der Antragsteller zumindest gelegentlicher Konsument von Cannabis bzw. Marihuana ist, ergibt sich aus folgenden Umständen:

Zum einen ist aufgrund des bei der chemisch-toxikologischen Analyse festgestellten THC-Werts (9,0 µg/L) und des THC-Carbonsäurewerts (81 µg/L) der dem Antragsteller am … November 2011 um b… Uhr entnommenen Blutprobe unzweifelhaft nachgewiesen, dass der Antragsteller zeitnah vor der Verkehrskontrolle Cannabis bzw. Marihuana konsumiert hat.

Einen vorangegangenen Konsum hat der Antragsteller sowohl bei der Verkehrskontrolle (Angaben über Drogeneinnahme im polizeilichen Bericht: …11.2011/…11.2011 1-2 Joints, von der Gaststätte nach Hause/im Freien') als auch gegenüber dem Arzt, der die Blutprobe abgenommen hat (‚Medikamenten-/Drogeneinnahmen: ja, vom … auf ….11.11 1-2 Joints im Freien'), eingeräumt.

Diese Angaben des Antragstellers, die nicht anzuzweifeln sind, sind - entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten - verwertbar. Es ist damit nicht erheblich, dass er sich bei der Betroffenenanhörung nicht zur Sache äußern wollte. Die Grundsätze, die sich zu Beweisverwertungsverboten im Bereich des Strafprozessrechts herausgebildet haben, sind nur sehr eingeschränkt auf das Fahrerlaubnisrecht übertragbar. Strafprozessuale Beweisverwertungsverbote sind im Licht des besonderen Spannungsfelds zu sehen, das im Strafprozess zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch auf der einen und dem Schutz von Grundrechten des Betroffenen auf der anderen Seite besteht (BayVGH vom 5.3.2009 Az.: 11 CS 08.3046). Im Unterschied zum Strafprozess hat die Fahrerlaubnisbehörde in einem auf Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Verwaltungsverfahren maßgeblich weitere Rechtsgüter - insbesondere die Belange Drittbetroffener sowie das öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern - zu berücksichtigen. Mit dem Recht der Allgemeinheit auf vorbeugende Maßnahmen zur Abwehr von Risiken für die Verkehrssicherheit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden nicht Äußerungen eines Betroffenen in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren verwerten dürften. Im Fahrerlaubnisrecht gibt es im Übrigen keine Vorschriften, nach denen der Betroffene darüber unterrichtet werden muss, dass er keine (ihm nachteilige) Angaben zu machen braucht (vgl. BayVGH vom 9.5.2012 Az.: 11 ZB 12.614).

Damit steht ein Cannabiskonsum nicht nur nach den Feststellungen im toxikologischen Gutachten vom … November 2011 sondern auch nach den verwertbaren Angaben des Antragstellers fest.

Weiterhin steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dieser vom Institut … A… mit Gutachten vom … Dezember 2011 erhobene Befund mit einem THC-Wert von 9,0 µg/L nicht von dem vom Antragsteller sowohl gegenüber den Polizeibeamten als auch gegenüber dem Arzt bei der Blutabnahme am … November 2011 eingeräumten Konsum von ‚1-2 Joints vom …. auf den … November 2011' herrühren kann. Vielmehr muss der Antragsteller neben diesem eingeräumten Konsum auch noch in einem engeren zeitlichen Zusammenhang zur Teilnahme am Straßenverkehr und zur Blutentnahme Cannabis-Zubereitungen zu sich genommen haben. Allein aufgrund des Konsums von 1-2 Joints mit THC in der Nacht vom … auf den … November 2011 kann bei der am … November 2011 um b… Uhr erfolgten Blutentnahme, also mindestens 30 Stunden später, angesichts der Abbauzeiten von THC kein THC-Wert von 9,0 µg/L THC mehr ermittelt werden; dieser Wert kann somit nicht mehr von diesem eingeräumten Konsum von Cannabis herrühren.

Hierzu wird auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 19. Juli 2010, Az.: 11 CS 10.540 verwiesen, denen nichts hinzuzufügen ist.

‚Der psychoaktive Wirkstoff THC wird bei inhalativem Konsum von Cannabis sehr schnell vom Blut resorbiert und erreicht bereits wenige Minuten nach dem Rauchende sein Maximum (Möller in: Hettenbach/ Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Auflage 2010, § 3, RdNr. 116). Nach der Aufnahme einer Einzelwirkdosis ist THC - anders als das Abbauprodukt THC-Carbonsäure - nur etwa vier bis sechs Stunden im Blut nachweisbar (Schubert/ Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005, S. 178; vgl. ferner die dort abgedruckte Tabelle 1). Auch die von Möller (a.a.O., RdNr. 107) auf der Grundlage der Untersuchung von Huestis/Henningfield/Cone (Blood Cannabinoids I. Absorption of THC and formation of 11-OH-THC und THC-COOH during and after marijuana smoking, Journal of Analytical Toxicology 16 [1992], 276 ff.) graphisch dargestellten Mittelwerte der THC-Konzentrationen im Blutplasma zeigen, dass sich die Präsenz dieses Wirkstoffs im Blut drei bis vier Stunden nach dem Rauchvorgang gegen Null bewegt. Zu einem Abbau mit dieser Geschwindigkeit kommt es nicht nur im Anschluss an den Konsum einer Cannabiszigarette mit einem THC-Gehalt von 1,75 %, sondern auch dann, wenn der THC-Gehalt einer Zigarette auf 3,55 % erhöht - also mehr als verdoppelt - wird (vgl. auch dazu die graphische Darstellung bei Möller, a.a.O., RdNr. 107). Sowohl der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. BayVGH vom 14.7.2004 Az. 11 CS 04.1513, vom 15.4.2006 Az. 11 CS 05.2853 und vom 25.11.2008 Az. 11 CS 08.2238) als auch andere Oberverwaltungsgerichte (NdsOVG vom 11.7.2003 DAR 2003, 480; ThürOVG vom 11.5.2004 Az. 2 EO 190/04, zit. nach Juris) gehen deshalb davon aus, dass ein ‚normaler' (d.h. ein auf die Aufnahme einer wirksamen, ca. 15 mg THC umfassenden Einzeldosis beschränkter) Konsum von Cannabis nur bis zu sechs Stunden im Blut nachgewiesen werden kann.

Aktuelle Erkenntnisse über die Abbaugeschwindigkeit von Cannabis wurden auch im Rahmen der sog. ‚Maastricht-Studie' gewonnen, über deren Ergebnisse Möller/Kauert/ Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers (Blutalkohol Bd. 43 [2006], S. 361) berichten. Danach betrug die mittlere THC-Konzentration im Serum bei Verabreichung von 500 µg THC pro Kilogramm Körpergewicht (das entspreche ca. 36 mg THC je Joint) sechs Stunden nach dem Rauchende 0,9 ng/ml bei einer Standardabweichung von 0,5 ng/ml (Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, a.a.O., S. 364, Tabelle 2). Bei Zufuhr von lediglich 250 µg THC pro Kilogramm Körpergewicht (das entspreche ca. 17 mg THC je Joint) befanden sich sechs Stunden nach dem Ende des Konsumvorgangs im Durchschnitt sogar nur noch 0,5 ng THC in einem Milliliter Serum, wobei die Standardabweichung 0,4 ng/ml betrug (Möller/Kauert/Tönnes/ Schneider/Theunissen/Ramaekers, ebenda). Bei dieser niedrigen Dosierung lag der THC-Wert bei einem der 20 Versuchsteilnehmer sechs Stunden nach dem Rauchende bei 1,4 ng/ml, während alle anderen 19 Probanden eine THC-Konzentration von unter 1,0 ng/ml aufwiesen. Bei der hohen Dosierung lag die THC-Konzentration ebenfalls nach sechs Stunden im Mittel unter 1 ng/ml, lediglich bei fünf Versuchsteilnehmern waren noch THC-Konzentrationen im Serum feststellbar, die zwischen 1 und 2 ng/ml lagen, wobei ein Proband schon vor Versuchsbeginn Spuren von THC im Blut aufwies (Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, a.a.O., S. 365). Testpersonen der Maastricht-Studie waren nicht starke Cannabisraucher, sondern gelegentliche Cannabiskonsumenten (mindestens 5 mal innerhalb der letzten 12 Monate). Damit können die gewonnenen Erkenntnisse insbesondere bei der Frage berücksichtigt werden, ob ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliegt.'

Aus den oben ausgeführten Angaben des Antragstellers folgt damit (zwingend), dass der Antragsteller zwischen dem eingeräumten Cannabiskonsum vom … auf den … November 2011 und der Blutentnahme am … November 2011 um b… Uhr - mit dem weit über dem Marginalwert liegenden Befund von 9,0 µg/L - noch einmal Cannabis konsumiert haben muss; er hat damit mindestens zweimal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert (vgl. zum Begriff des gelegentlichen Konsums im Einzelnen: BayVGH vom 25. Januar 2006 Az.11 CS 05.1453; vom 27. März 2006 Az. 11 CS 05.1559; vom 14. September 2006 Az. 11 CS 06.1475; vom 31. Juli 2007 Az. 11 CS 07.928; vom 24. August 2007 Az. 11 CS 07.1567; vom 22.12.2008 Az.: 11 CS 08.2931). Dieser Cannabiskonsum würde bereits für sich allein gesehen ausreichen, um von einem wiederholten und damit gelegentlichen Cannabiskonsum sprechen zu können.

Zum anderen steht jedoch auch fest, dass in der dem Antragsteller am … Dezember 2011 um d… Uhr entnommenen Blutprobe ein THC-Wert von 0,67 µg/L (und ein THC-Carbonsäurewert von 5,2 µg/L) nachgewiesen worden ist. Dieser THC-Wert befindet sich zwar unterhalb des Kalibrationsbereichs, jedoch belegt dieser Befund nach dem Gutachten des Instituts … A… vom … Januar 2012 die vorangegangene Aufnahme von Cannabiszubereitungen wie z.B. Haschisch oder Marihuana.

Unabhängig hiervon hat der Antragsteller gegenüber den Polizeibeamten eingeräumt, am vorangehenden Freitag, und damit fünf Tage zuvor, ‚einen großen Joint' konsumiert zu haben.

Wie oben bereits ausgeführt, folgt auch aus diesen Angaben des Antragstellers, dass er zwischen dem eingeräumten Cannabiskonsum fünf Tage zuvor und der Blutentnahme am … Dezember 2011 noch einmal Cannabis konsumiert haben muss, auch wenn es sich bei der am … Dezember 2011 festgestellten THC-Konzentration nur mehr um einen äußerst niedrigen Wert gehandelt hat.

Hinsichtlich der Verwertbarkeit der Aussagen des Antragstellers insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu dem Vorfall am … November 2011 verwiesen.

Jedenfalls ist auch auf Grund des Vorfalls vom … Dezember 2011 die Annahme eines vorangegangenen Cannabis-Konsums gerechtfertigt.

Mit der Fahrt am … November 2011 hat der Antragsteller nachweislich gegen das Gebot verstoßen, zwischen Konsum und Fahren zu trennen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist für den Verlust der Fahreignung nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV wegen Verstoßes gegen das Trennungsgebot nämlich entscheidend, ob ein gelegentlicher Konsument von Cannabis bzw. Marihuana objektiv unter dem Einfluss einer THC-Konzentration von mehr als 2,0 ng/ml im Blut am Straßenverkehr teilgenommen hat, da ab dieser Wirkstoffkonzentration davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch negative Auswirkungen des Konsums auf den Betroffenen signifikant erhöht. Darauf, ob bei dem Betroffenen drogentypische Ausfallerscheinungen festgestellt wurden, kommt es nicht an. Ein einmaliges Fahren unter dem Einfluss von mehr als 2,0 ng/ml THC reicht aus (std. Rspr., vgl. etwa BayVGH vom 25.1.2006, DAR 2006, 349; vom 8.3.2006 Az. 11 CS 05.1678; vom 27.3.2006, KommPrax 2006, 230). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass etwa der VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 27.3.2006, NJW 2006, 2135 ff.), bereits ein einmaliges Fahren mit einer THC-Konzentration ab 1,0 ng/ml für die Annahme fehlender Fahreignung nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ausreichen lässt.

Besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass im Fall des Antragstellers der Betäubungsmittelkonsum entgegen der in § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9 der Anlage 4 zum Ausdruck gebrachten Regel ausnahmsweise nicht zum Verlust der Fahreignung geführt hat, sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst für das Gericht erkennbar.

Im vorliegenden Fall ist es - auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH v. 9.5.2005, Az.: 11 CS 04.2526) - ausgeschlossen, dass der Antragsteller seine Fahreignung zwischenzeitlich wiedererlangt hat.

In materieller Hinsicht kann die wegen Betäubungsmittelkonsums verloren gegangene Fahreignung gemäß Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV grundsätzlich frühestens nach einjähriger, nachgewiesener Abstinenz wiedererlangt werden. Diese Forderung einer einjährigen Abstinenz gilt nicht nur für den Fall der Abhängigkeit, sondern ist jedenfalls in entsprechender Anwendung ‚in allen Fällen eines die Fahreignung ausschließenden Betäubungsmittelkonsums (...) zu erheben' (BayVGH v. 2.7.2003, Az.: 11 CS 03.1249; v. 3.2.2004, Az.: 11 CS 04.157; v. 11.11.2004, Az.: 11 CS 04.2814; VG München v. 29.11.2004, Az. M 6b S 04.5659; v. 11.3.2005, Az.: M 6a S 05.554; v. 26.4.2005, Az.: M 6b S.05.603). Im Fall gelegentlichen Cannabiskonsums kann allerdings statt einer vollständigen Abstinenz auch der nachgewiesene Übergang zu einem mit den Anforderungen der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu vereinbarenden Konsumverhalten genügen, wobei dann aber angesichts der großen Rückfallgefahr in ein die Fahreignung ausschließendes Verhaltensmuster keine geringeren Anforderungen an die Dauer der Änderung des Konsumverhaltens gestellt werden dürfen, d.h. die Einhaltung der Einjahresfrist ist deshalb gerade in derartigen Konstellationen unverzichtbar (BayVGH v. 9.5.2005, Az.: 11 CS 04.2526). Nach einer zum Ausschluss der Fahreignung führenden Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt eine positive Beurteilung der Fahreignung in materieller Hinsicht aber nicht nur eine nachgewiesene Änderung des Konsumverhaltens, sondern auch einen stabilen Einstellungswandel voraus, d.h. eine Prognose, dass die Verhaltensänderung von Dauer ist. Es muss hinreichend wahrscheinlich sein, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhält oder zumindest zwischen dem nur gelegentlichen Cannabiskonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr trennen kann. Hierzu bedarf es grundsätzlich einer psychologischen Bewertung auf Basis einer (medizinisch-) psychologischen Begutachtung (vgl. BayVGH v. 2.4.2003, Az.: 11 CS 03.298; v. 9.5.2005, Az.: 11 CS 04.2526).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht darf die Behörde wie auch das um Rechtsschutz angerufene Verwaltungsgericht - vorbehaltlich eines atypischen Falles - bis zum Ablauf der Einjahresfrist ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Betroffene weiterhin fahrungeeignet ist Im vorliegenden Fall sind seit dem letzten nachgewiesenen Konsum von Cannabisprodukten im November 2011 (insoweit unter Außerachtlassung des Vorfalls vom … Dezember 2011) lediglich 8 Monate, nicht aber das geforderte Jahr vergangen. Deshalb steht eine Wiedererlangung der Kraftfahreignung derzeit nicht im Raum.

Der Antragsgegner hatte dem Antragsteller somit zwingend die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV entziehen müssen, ohne dass ihm ein Ermessen verblieb.

Bei dieser Sach- und Rechtslage überwiegt das Interesse der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug der Fahrerlaubnisentziehung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Wegen der schwerwiegenden Gefahren, die von ungeeigneten Kraftfahrern ausgehen, müssen die privaten Belange der Betroffenen gegenüber den öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug der Entziehung der Fahrerlaubnis grundsätzlich zurückstehen. Der Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit ist in Anbetracht der von einem ungeeigneten Kraftfahrer ausgehenden Gefährdung von so überragendem Gewicht, dass die Aussetzung der sofortigen Vollziehung nicht gerechtfertigt ist. Zu Gunsten des Antragstellers kann auch nicht berücksichtigt werden, dass er beruflich zwingend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist. Eine Gefährdung der beruflichen Existenz ist bei einer Fahrerlaubnisentziehung ohne rechtliche Bedeutung, da die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs den wirtschaftlichen und beruflichen Interessen des Einzelnen vorgeht. Im Übrigen ist gerade bei berufsbedingter und deshalb verstärkter Verkehrsteilnahme von fahrungeeigneten Kraftfahrern das öffentliche Interesse an der Entziehung der Fahrerlaubnis besonders hoch, um weitere vielfältige Straßenverkehrsgefährdungen auszuschließen. ..."

***

„Unter Zugrundelegung der Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 FeV ist der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet. Danach ist derjenige zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, der regelmäßig Cannabis konsumiert. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Antragsteller vor. Der regelmäßige Konsum von Cannabis durch den Antragsteller wird durch die bei ihm festgestellte Konzentration an THC-Carbonsäure belegt. Für die Feststellung, ob regelmäßig Cannabis konsumiert wird, kann die Konzentration von Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure (THC-COOH) im Urin bzw. Blut herangezogen werden. Nach den anerkannten, auf wissenschaftlichen Expertisen beruhenden Standards, wonach die Blutanalyse ein zuverlässiges Verfahren darstellt, um Feststellungen über die Konsumgewohnheiten bei Cannabiseinnahme zu treffen, und für die Unterscheidung eines einmaligen, gelegentlichen oder regelmäßigen Konsums wird nicht die THC-Konzentration, sondern die Konzentration des sich nur langsam abbauenden wirkungsfreien Metaboliten THC-COOH herangezogen (Himmelreich, Cannabis-Konsum und seine rechtlichen Folgen für den Führerschein im Verkehrs-Verwaltungsrecht, DAR 2002, 26, 28 f.). Dauernder oder gewohnheitsmäßiger, also regelmäßiger Konsum wird dabei ab einer THC-COOH-Konzentration im Bereich von 75 ng/ml angenommen.

Nach dem Gutachten von Prof. Dr. med. R., Institut für Rechtsmedizin ... vom 6. August 2003 betrug die Serumkonzentration der dem Antragsteller am 4. April 2003 entnommenen Blutprobe hinsichtlich des THC-Hauptstoffwechselproduktes THC-Carbonsäure 81 ng/ml und lag damit über dem Grenzwert von 75 ng/ml. Dies weist auf eine regelmäßige Einnahme von Cannabis durch den Antragsteller hin. Soweit die Ungeeignetheit nicht bereits aus Ziffer 9.1.2 der Anlage 4 FeV folgen würde, wäre der Antragsteller zumindest nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 nicht zum Führen eines Kraftfahrzeuges geeignet. Danach ist die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen, wenn der Betroffene gelegentlich Cannabis konsumiert und zwischen Konsum und Fahren nicht zu trennen vermag. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Ausweislich des toxikologischen Gutachtens von Prof. Dr. med. R. , Institut für Rechtsmedizin ... , vom 6. August 2003 wies die untersuchte Blutprobe eine THC-Konzentration von 4, 6 ng/ml, eine Hyydroxy-THC-Konzentration von 1,1 ng/ml sowie eine THC-Carbonsäure-Konzentration von 81 ng/ml auf. Aufgrund der hohen THC-Carbonsäure-Konzentration steht der gelegentliche Konsum von Cannabis durch den Antragsteller außer Frage. Seine Einlassungen im Rahmen der polizeilichen Vernehmung vom 2. Juni 2003, er habe erstmalig am 2. April 2003 Cannabis konsumiert, indem er einige Züge von einem Joint genommen habe, können vor diesem Hintergrund als widerlegt angesehen werden. Der Gutachter kam auch zu der Wertung, dass von einem aktuellen Cannabiseinfluss zum Zeitpunkt der Blutentnahme auszugehen sei. Das fehlende Trennungsvermögen ist durch die Fahrt unter Drogeneinfluss belegt. Im Übrigen wurden bei dem Kläger Auf- bzw. Ausfallerscheinungen (etwa 5 mm große Pupillen, verzögerte Reaktion auf Lichteinfall, Lidflattern) festgestellt. ... " (VG Neustadt, Beschluss vom 18.02.2004 - 3 L 0279 / 04).

***



Dringender Tatverdacht

Siehe unter „Fluchtgefahr".



Drogenfahrt eines Österreichers

Drogenfahrt eines österreichischen Staatsangehörigen in Deutschland (VG Augsburg, Beschluss vom 18.07.2012 - Au 7 S 12.801):

„... Nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 und 5, § 11 Abs. 8 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen einer Entscheidung zur Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. zur Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen, wenn der Kraftfahrer ein Gutachten grundlos nicht beibringt, das die Behörde nach § 46 Abs. 3, §§ 11 bis 14 FeV gefordert hat, um begründete Zweifel an der Fahreignung zu klären. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Entzugs der Fahrerlaubnis bzw. der Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, ist aber, dass die Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens rechtmäßig war (BVerwG vom 9.6.2005, DAR 2005, 581). Daran fehlt es vorliegend.

Die Gutachtensanforderung war rechtswidrig, da dem Antragsgegner nach Gemeinschaftsrecht die sachliche Zuständigkeit zur Überprüfung der Fahreignung des Antragstellers fehlt; der Antragsgegner war nach Gemeinschaftsrecht nicht dazu befugt, sich gegenüber dem Antragsteller auf die deutschen Vorschriften u.a. über den Entzug einer Fahrerlaubnis bzw. über die Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, zu berufen.

Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids vom 18. Mai 2012. Der gemeinschaftsrechtliche Maßstab ergibt sich aus der Richtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein 91/439/EWG (ABl EG L Nr. 237 vom 24. August 1991 S.1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl EU L Nr. 284 vom 31. Oktober 2003 S. 1). Die sog. 3. EU-Führerscheinrichtlinie, die Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl EU L Nr. 403 S.18), ist nach ihrem Art. 18 nicht anwendbar, da die in Rede stehende österreichische Fahrerlaubnis vor dem 19. Januar 2009 erteilt wurde. Zudem gilt der hier einschlägige Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/ EWG bis 19. Januar 2013 (vgl. Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2006/ 126/EG.

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG sieht nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor. Dies gilt auch für Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG, dessen Wortlaut mit dem von Art 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG übereinstimmt (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 1.3.2012 - Rs. C-467/10, Akyüz -; Urteil vom 26.4.2012 - Rs. C-419/10, Hofmann - m.w.N.). Zudem hat der Europäische Gerichtshof wiederholt ausgeführt, dass es Aufgabe des Ausstellermitgliedsstaates (hier: Republik Österreich) ist, zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere die Voraussetzungen in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung erfüllt sind und ob somit die Erteilung - ggf. die Neuerteilung - der Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Wenn die Behörden eines Mitgliedsstaates einen Führerschein gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG ausgestellt haben, sind die anderen Mitgliedsstaaten nicht befugt, die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen - vorbehaltlich der Regelungen in Art. 8 Abs. 2 und 4 dieser Richtlinie -zu prüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist als Nachweis dafür anzusehen, dass der Inhaber des Führerscheins am Tag der Erteilung diese Voraussetzungen erfüllte (vgl. EuGH, Beschluss vom 9.7.2009 - Rs. C-445/08, Wierer - m.w.N.).

Dementsprechend sind die Befugnisse der Mitgliedsstaaten nach Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG beschränkt (vgl. BVerwG Urteil vom 11.12.2008, BVerwGE 132, 315; vom 25.2.2010 - 3 C 15 und 16.09 - juris). Diese Vorschrift gestattet den Mitgliedsstaaten, sich unter bestimmten Umständen und insbesondere aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs - wie dem letzten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439/EWG zu entnehmen ist - auf ihre innerstaatlichen Vorschriften über die Einschränkung, die Aussetzung, den Entzug oder die Aufhebung der Fahrerlaubnis gegenüber jedem Inhaber eines Führerscheins zu berufen, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet hat. Der Europäische Gerichtshof hat zu Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG wiederholt darauf hingewiesen, dass die dort vorgesehene Befugnis eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine ist und aus diesem Grund eng auszulegen ist (vgl. zuletzt: EuGH, Urteil vom 1.3.2012 - Rs. C-467/10, Akyüz -). Dass die Ausnahmen vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine eng auszulegen sind, hat der Europäische Gerichtshof auch im Hinblick auf die in Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG enthaltene Verpflichtung bekräftigt (s. EuGH, Urteil vom 26.4.2012 -Rs. C-419/10, Hofmann -).

Die Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG ermächtigt, vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips, - nur - den „Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes" - den sog. Aufnahmemitgliedstaat - dazu, auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anzuwenden. Damit war der Antragsgegner bereits nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift nicht dazu befugt, die Vorschriften des deutschen Straßenverkehrsgesetzes und der Fahrerlaubnis-Verordnung auf den Antragsteller bzw. seine österreichische Fahrerlaubnis anzuwenden, um die Fahreignung des Antragstellers zu überprüfen bzw. ihm die Fahrerlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abzuerkennen.

Denn der Antragsteller hat seinen ordentlichen Wohnsitz unstreitig nicht in Deutschland, sondern in Österreich. Die Bundesrepublik Deutschland ist damit in Bezug auf den Antragsteller und dessen Fahrerlaubnis weder der Ausstellermitgliedstaat noch der Aufnahmemitgliedstaat. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen zur Bejahung der Fahreignung (noch) vorliegen, obliegt im vorliegenden Fall daher ausschließlich der Republik Österreich, die hier sowohl Aussteller- als auch Aufnahmemitgliedstaat ist.

Demzufolge waren die deutschen Behörden - hier der Antragsgegner - im Hinblick auf die durch die Drogenfahrt vom 22. Mai 2012 aufgeworfenen Eignungszweifel nach dem System der Führerscheinrichtlinie nur dazu befugt, die österreichische Führerscheinbehörde gemäß Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 91/439/EWG über die nachträglich entstandenen Eignungszweifel zu informieren.

Die Fahrt des Antragstellers unter Cannabiseinfluss am 22. Mai 2011 in … konnte daher gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG entsprechend dem straf-und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzip von den deutschen Behörden nur nach dem einschlägigen deutschen Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht geahndet werden. Mit dem Erlass des Bußgeldbescheides vom 11. August 2011 war daher die Zuständigkeit der deutschen Behörden erschöpft.

Eine Auslegung des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG über den Wortlaut hinaus, nämlich dass nicht nur der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes, sondern jeder Mitgliedsstaat bei entsprechendem Anlass auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden kann, ist nicht möglich. Eine solche Auslegung würde den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine geradezu negieren. Der Entzug der Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 in Nummer 1 des Bescheidstenors erweist sich damit als rechtswidrig.

2. Damit erweist sich auch die verfügte Vorlage zur Eintragung des Sperrvermerks in den österreichischen Führerschein (Nummer III. des Bescheidstenors) als rechtswidrig.

3. Da die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids aller Voraussicht nach erfolgreich sein wird, überwiegt das private Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache ein Kraftfahrzeug in der Bundesrepublik Deutschland führen zu können. ..."



Durchsuchung

Diese Abwägung ergibt vorliegend, daß eine Anordnung der Durchsuchung nicht hätte ergehen dürfen. Nach dem Inhalt des Durchsuchungsbeschl. bestand gegen den Verurteilten nicht etwa wie früher der Verdacht, mit Cannabis Handel zu treiben. Vielmehr war er - basierend offensichtlich auf dem Ergebnis der Urinkontrollen - verdächtig, weiterhin Cannabis zum Eigenkonsum zu erwerben. Nach der Rspr. des BVerfG ist aber bei Erwerb oder Besitz von Cannabisprodukten zum Eigenverbrauch das öffentliche Interesse an einer Bestrafung regelmäßig gering, sodaß das Übermaßverbot die allgemeine Strafbarkeit auch dieser Tatbestandsvarianten des § 29 BtMG nur deshalb nicht verbietet, weil der Gesetzgeber den Strafverfolgungsorganen ermöglicht, im Einzelfall durch Absehen von Strafe oder Strafverfolgung einem geringen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, NJW 1994, 1577, 1582). Erst recht vermag der Verdacht des Erwerbs und Besitz von Cannabis zum Eigengebrauch einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechtssphäre des Besch., wie ihn die Hausdurchsuchung darstellt, nicht zu rechtfertigen (LG Freiburg im Breisgau, Beschluß v. 11. 8. 1999 - II Qs 107/99 - StV 2000, 14 f.).



Cannabis-Beschluss

Das BVerfG hat in seinem Cannabis-Beschluß gleichfalls festgestellt, daß bei Erwerb und Besitz zum Eigenverbrauch »das Maß der von der einzelnen Tat ausgehenden Rechtsgütergefährdung und der individuellen Schuld gering sein« kann; entsprechend gering sei in aller Regel das öffentliche Interesse an einer Bestrafung. Die mögliche Feststellung einer Bagatellhaftigkeit und der Gedanke einer aus Gründen der Verhältnismäßigkeit notwendigen Entkriminalisierung sind, stellt man nicht allein auf das geringe Gefährdungspotential des Cannabis, sondern auf den primären Selbstgefährdungscharakter des Besitzes zum Eigenverbrauch ab (BVerfGE 90, 145 ff., 187 f.).



Erziehungsgedanke bei Jugendstrafe

Siehe unter „Schwere der Schuld - Jugendstrafe".

Feststellung des Wirkstoffgehaltes

Siehe unter „Wirkstoffgehalt im Grenzbereich zur nicht geringen Menge".



Fluchtgefahr

I. Der Angekl. befindet sich auf Grund des Haftbefehls des AG v. 30. 8. 2001 seit dem 27. 9. 2001 ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des auf Flucht- und Verdunklungsgefahr gestützten Haftbefehls ist der Vorwurf, er habe in der Zeit zwischen Dezember 2000 und dem 17. 2. 2001 von einem St. einmal 2 kg Haschisch mit einem THC-Gehalt von 4,7 % sowie einmal 800 g Haschisch unbekannter Qualität erworben und die Btm mit einem Gewinn in unbekannter Höhe an unbekannte Abnehmer weiterverkauft. Grundlage der Haftanordnung war die Aussage des am 5. 6. 2001 inhaftierten St. vom Folgetag:

»Ein weiterer Kunde ist der Angekl., den ich schon zuvor beschrieben habe. ... Im Haftbefehl wurde mir vorgeworfen, bei zwei Gelegenheiten von dem Angekl. 3,5 kg Haschisch erworben zu haben. Das ist nicht richtig. Ich habe von dem Angekl. zweimal Haschisch erworben. Beim ersten Mal war ich mit dem Angekl. bei P. und habe 2 kg Haschisch erworben. Dafür habe ich nach meiner Erinnerung 3,80 DM oder sogar 4,00 DM pro Gramm bezahlt. Die 2 kg habe ich direkt an den Y. weitergegeben. Das Geld hatte mir der Y. gegeben. Er hatte mir das Geld gegeben, da er selbst den X. nicht kannte. Ich habe das Geschäft nur vermittelt und keine Provision dafür erhalten.

Beim zweiten Mal hat mich jemand hochgefahren und hat dann unten am Parkplatz vor der Haustür gewartet. Wer mich gefahren hat, weiß ich jetzt nicht mehr. Ich bin dann hoch zu P. Ich wollte 2 kg haben, aber als ich dann da war und der P. das Haschisch aus seinem Versteck holte, hat er gemerkt, daß ihm einer 1 kg aus seinem Versteck geklaut hat. Soweit ich weiß hatte er mir nur etwa 800 g gegeben, weil sein Fahrer auch noch etwas haben wollte. Wohin diese 800 g gegangen sind, weiß ich jetzt nicht mehr genau. Wenn es mir einfällt, will ich aber auch dazu Angaben machen. Ob ich an den Angekl. auch Chemie verkauft habe, weiß ich jetzt nicht genau. Es kann auch sein, daß er zusammen mit dem Y. was geholt hat, bin mir aber nicht sicher. Der Angekl. ist der, den ich in meiner ersten Vernehmung schon erwähnt habe.«

Der Angekl. wurde am 27. 9. 2001 von der Polizei vernommen.

Er sagte aus, er habe in den Monaten Januar, Februar und März 2001 von P. in 4 oder 5 Fällen je 50 g bis 100 g Haschisch, insgesamt maximal 300 g bis 400 g, erworben. Den überwiegenden Teil habe er selbst konsumiert. Kleine Mengen - insgesamt etwa 20 g bis 30 g - habe er zum Selbstkostenpreis an einen A. und einen B. weitergegeben. Die im Haftbefehl aufgeführten Taten bestritt er. Auch stellte er in Abrede, von U. Ecstasy-Tabletten erhalten zu haben.

Mit Anklageschrift v. 5. 10. 2001 legt ihm die StA zur Last,
- zwischen Ende Dezember 2000 und dem 17. 2. 2001 von St. 2 kg Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 4,7 % erworben und an unbekannte Abnehmer im Raum Koblenz weiterverkauft zu haben;
- im vorgenannten Zeitraum von St. 50 Ecstasy-Tabletten zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs erworben zu haben;
- in den Monaten Januar, Februar und März 2001 bei St. in 4 Fällen je 50 g bis 100 g Haschisch teilweise zum Zwecke der Weiterveräußerung mit Gewinn erworben zu haben.

Der im Haftbefehl aufgeführte Erwerb von 800 g Haschisch ist nicht Gegenstand der Anklage (§ 154 Abs. 1 StPO). (...)

Mit Schriftsatz seiner Verteidigerin v. 13. 12. 2001 legte der Angekl. Haftbeschwerde ein, die das LG verworfen hat.

Dagegen wendet sich der Angekl. mit der weiteren Beschwerde. (...)

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Der Angekl. ist auf Grund seiner eigenen Einlassung dringend verdächtig, in den Monaten Januar bis März 2001 von St. in 4 Fällen je 50 g Haschisch erworben zu haben (§§ 53 StGB, 29 Abs. 1 Nr. 1 BtmG).

2. Im übrigen ist dringender Tatverdacht nach Aktenlagen zu verneinen.

a) Der im Haftbefehl vorgeworfene Erwerb von 800 g Haschisch ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.

b) Soweit dem Angekl. unerlaubtes Handeltreiben mit 2 kg Haschisch zur Last gelegt wird, steht Aussage gegen Aussage, wobei zu beachten ist, daß er nicht bestreitet, von St. Haschisch bezogen zu haben, sondern den Sachverhalt anders dargestellt hat. Bei dieser Konstellation kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, er sei dringend verdächtig, sowohl die von St. geschilderte Tat als auch die eingeräumten Straftaten begangen zu haben.

Erkenntnisse, die den Schluß rechtfertigen könnten, die Angaben des Besch. seien glaubhafter als die des Besch. St., wurden dem Senat nicht unterbreitet. Eine Aussage des Y., der den Angekl. nach der Schilderung des St. zumindest gesehen haben müßte, liegt nicht vor. Ob St. mit der Einlassung des Angekl. konfrontiert wurde und was er ggf. dazu gesagt hat, ist den Akten nicht zu entnehmen. Nach dem Vorbringen der Verteidigung soll St. inzwischen verurteilt worden sein. Näheres dazu findet sich in den vorgelegten Akten nicht. Ob sich die Angaben des St., soweit sie andere Personen betreffen, als richtig erwiesen haben, ist den Akten ebenfalls nicht zu entnehmen.

Die Ausführung der GStA in ihrer Stellungnahme v. 29. 1. 2002, in der Anklageschrift sei das Ermittlungsergebnis »umfassend dargelegt und gewürdigt worden«, trifft nicht zu. Die Anklageschrift enthält überhaupt keine Beweiswürdigung, sondern lediglich den Satz: »Anhaltspunkte dafür, daß der Zeuge St. den Angesch. zu Unrecht belastet hat, haben sich nicht ergeben.«

Das genügt bei »Aussage gegen Aussage« jedenfalls dann nicht, wenn auch keine Erkenntnisse vorliegen, die gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angekl. sprechen (s. a. BGH StV 1992, 97; 97, 172).

c) St. hatte am 6. 6. 2002 zunächst angegeben, der Angekl. habe »auch etwa 50 bis 100 Stück« erhalten und in diesem Zusammenhang einen X. erwähnt. Aus dem Vermerk Bl. 13 d. A. kann geschlossen werden, daß mit »Stück« Ecstasy-Tabletten gemeint gewesen waren. Nach einer mehrstündigen Unterbrechung der Vernehmung machte St. dann die oben unter I. zitierte Aussage. Sollte er mit »Chemie« ebenfalls Ecstasy gemeint haben, hätte er seine einige Stunden vorher gemachten, den Angekl. belastenden Angaben nicht mehr aufrechterhalten (was im übrigen die Zuverlässigkeit seiner gesamten Aussage in Frage stellen und ein Anhaltspunkt dafür sein könnte, daß er den Angekl. zu Unrecht belastet hatte).

Jedenfalls reicht das aus den Akten ersichtliche Ermittlungsergebnis nicht aus, um dringenden Tatverdacht bezüglich des angeklagten unerlaubten Handeltreibens mit Ecstasy-Tabletten zu bejahen.

III. Der Haftbefehl ist aufzuheben, weil der Angekl. der dort aufgeführten Taten nicht dringend verdächtig ist und, soweit der Senat - was im Beschwerdeverfahren zulässig ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. A., § 117 Rdnr. 11 m. w. N.) - dringenden Tatverdacht wegen anderer Taten bejaht (II. 1.), kein Haftgrund vorliegt.

1. Der Haftgrund der Fluchtgefahr besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Besch. sich dem Strafverfahren entziehen werde (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

Entgegen den Ausführungen der GStA vertreten die beiden Strafsenate des OLG Koblenz nicht nur »zur Zeit«, sondern - im Einklang mit allen anderen OLG und der Lit. - in st. Rspr. die Aufassung, daß allein mit der Straferwartung die Fluchtgefahr - regelmäßig - nicht begründet werden kann. Es bestand allerdings in jüngerer Zeit wiederholt Anlaß, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß auch eine erhebliche Straferwartung nur Ausgangspunkt für die Erwägung ist, ob der in ihr liegende Fluchtanreiz unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände so erheblich ist, daß die Annahme gerechtfertigt erscheint, der Besch. werde ihm nachgeben und wahrscheinlich flüchten (z. B. OLG Köln StV 95, 419; 2000, 628 m. w. N.; OLG Hamm StV 1999, 215; Senatsbeschl. v. 24. 1. 2002 - [1] 4420 BL-III-99/01).

Vorliegend ist die Fluchtgefahr zu verneinen.

Welche Strafe dem Angekl. droht, hängt, worauf die JugK im Nachhilfebeschl. zutreffend hingewiesen hat, davon ab, was ihm in der anstehenden Hauptverhandlung nachgewiesen werden kann. Ob Feststellungen getroffen werden können, die über seine Einlassung hinausgehen, ist nach Aktenlagen offen. Wegen der Taten, derer er dringend verdächtig ist, ist die Verhängung einer Einheitsjugendstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung nicht ausgeschlossen.
Im übrigen ergibt die gebotene Abwägung, daß keine höhere Wahrscheinlichkeit (KK-Boujong, StPO, 4. A., § 112 Rdnr. 15 m. w. N.) für die Annahme spricht, der Angekl. werde sich dem Verfahren entziehen, als für die Erwartung, er werde sich dem Verfahren stellen.

Der Hinweis der GStA, daß er »berufs- und arbeitslos« ist, entspricht zwar - isoliert betrachtet - den Tatsachen, hat seinen Grund aber darin, daß er bis zur Erlangung des Fachabiturs im Jahre 2001 Schüler gewesen war und ab 1. 10. 2001 den zivilen Ersatzdienst ableisten sollte. Ein Indiz für die Fluchtgefahr läßt sich daraus nicht ableiten.

Das soziale Umfeld des nicht vorbestraften Angekl. ist nach seinem Vortrag - Gegenteiliges ist mangels entsprechender Ermittlungen den Akten nicht zu entnehmen - intakt, was vorliegend gegen eine Fluchtgefahr spricht. Er lebte bis zur Festnahme bei seiner Mutter, hat auch ein gutes Verhältnis zu seinem - getrennt lebenden - Vater und seit 4 Jahren eine feste Freundin. Soweit die GStA dies unter Bezugnahme auf einen Vermerk der JVA in Zweifel zieht, ist sie nicht mehr auf dem neuesten Stand. Nach einer telefonischen Auskunft der Anstalt v. 5. 2. 2002 erhielt der Angekl. in den vergangenen beiden Monaten regelmäßig Besuch von seiner Mutter und seiner Freundin.

Der Senat übersieht nicht, daß der Angekl., der nach eigenen Angaben seit seinem 17. Lebensjahr Haschisch sowie Marihuana konsumiert hat, nicht nur von St. beliefert wurde und auch einige Male in den Niederlanden war, um Kleinmengen für den Eigenkonsum einzukaufen, Kontakte zum Drogenmilieu haben muß. Eine enge Einbindung in dieses Milieu, die ihm ein Untertauchen erheblich erleichtern könnte, ist allerdings nicht feststellbar. Bisher wurden - nach Aktenlage - noch nicht einmal die Personen vernommen, die er namentlich als Abnehmer und Begleiter bei Fahrten in die Niederlande offenbart hatte. Die vorliegenden Erkenntnisse sprechen eher dafür, daß der Drogenkonsum hier noch nicht zu einer sozialen Desintegration geführt hat, die ein gewichtiges Indiz für eine Fluchtgefahr sein könnte (OLG Koblenz, Beschluss v. 07.02.2002 - 1 Ws 159/02, StV 2002, 313 f.).

***

Gegen die Annahme von Fluchtgefahr bei dem Vorwurf des Handeltreibens mit bzw. der Einfuhr von Haschisch kann sprechen, daß es sich bei Haschisch um ein aus wissenschaftlicher Sicht weniger gefährliches Betäubungsmittel handelt, was eine Neubestimmung der nicht geringen Menge zur Folge haben kann, daß dem anwaltlich vertretenen Beschuldigten bekannt sein dürfte, daß bei der in Betracht kommenden Annahme eines minderschweren Falles die Täterpersönlichkeit und die Resozialisierungschancen von Bedeutung sind und daß sich der Beschuldigte in Kenntnis des gegen ihn bestehenden Haftbefehls selbst gestellt hat (OLG Braunschweig StV 1995, 277 ff.; vgl. OLG Köln StV 1997, 642).



Einziehung eines Grundstücks

Ein Grundstück, auf welchem eine Marihuana-Plantage betrieben wird (hier: professioneller Anbau von Cannabis im Keller und im Obergeschoss eines nicht zu Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses), kann als Tatwerkzeug nach § 74 Abs. 1 StGB eingezogen werden (LG Kleve, Urteil vom 30.05.2012 - 120 KLs 11/12).

Einziehung eines Kraftfahrzeuges

Die Einziehung eines Kraftfahrzeugs im Hinblick auf seinen Einsatz als Transportmittel von Betäubungsmitteln darf nur unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angeordnet werden, so daß sowohl die wirtschaftlichen Folgen der Einziehung für den Täter als auch die Notwendigkeit der Einziehung neben der verhängten Hauptstrafe zu bedenken sind (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.11.2001 - 2 b Ss 309/01, StV 2002, 261 f.).



Eignung für den offenen Vollzug

Zudem handelt es sich bei dem Ast. um einen Erstverbüßer und Ersttäter. Auch erscheint ein Verstoß gegen die in der Ladung erhaltene Weisung, ohne jegliche Einwirkung von Btm zum Strafantritt zu kommen, nicht dargelegt. Der Umstand alleine, daß der Ast. positiv auf Cannabis getestet worden ist, läßt einen Schluß auf einen entsprechenden Verstoß nicht zu. Denn die bei dem Test gefundenen Abbauprodukte sind noch relativ lange feststellbar, nachdem der akute Rausch bereits abgeklungen ist. Auch die Gefahr eines sog. »Flash-Back« oder Echorauschs, d. h. einem Rauschzustand, der lange Zeit nach dem Konsum auftritt, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. So ist bereits unsicher, ob es einen Echorausch überhaupt gibt. Soweit die bloße Möglichkeit eines Echorauschs von den Verwaltungsgerichten zur Begründung herangezogen wird, um Cannabiskonsumenten die Fahrerlaubnis zu entziehen, mag dies mit den besonderen Anforderungen des Straßenverkehrs zu rechtfertigen sein. Es kann damit aber nicht ein Verstoß gegen die in der Ladung enthaltene Weisung begründet werden. Anhaltspunkte dafür, daß der Ast. bei Strafantritt berauscht war, finden sich nicht (LG Darmstadt, Beschluß v. 8. 3. 2002 - StVK 1814/01 - StV 2002, 667, 668).



Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis

Der Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis zur Behandlung einer Multiple-Sklerose-Erkrankung beim Antragsteller kann nicht nach § 3 Abs. 2 BtMG mit der Begründung abgelehnt werden, eine solche Behandlung liege nicht im öffentlichen Interesse (BVerwG, Urteil vom 19.05.2005 - 3 C 17.04).

Fahrlässigkeit

Siehe unter „Fahruntüchtigkeit wegen Drogenkonsums".

Fahruntüchtigkeit wegen Drogenkonsums

Der Nachweis von Drogenwirkstoffen im Blut eines Fahrzeugführers rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme der Fahruntüchtigkeit. Bei der Prüfung drogenbedingter Ausfallerscheinungen ist zu beachten, daß der Angeklagte die Gefahr eines waghalsigen Manövers zutreffend erkannt hat, es aber gleichfalls durchgeführt hat, um sich um jeden Preis der Festnahme zu entziehen (BGH, Beschluss v. 25.05.2000 - 4 StR 171/00 - StV 2000, 618 f. zu § 316 StGB):

„...1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen "Trunkenheit am Steuer" (gemeint ist: [fahrlässige] Trunkenheit im Verkehr) kann nicht bestehen bleiben. Die Urteilsgründe belegen nicht, daß der Angeklagte (relativ) fahruntüchtig im Sinne des § 316 StGB war.

a) Nach den Feststellungen befand sich der Angeklagte, der am Vorabend Haschisch konsumiert hatte, am Tattag gegen 16.00 Uhr mit seinem Pkw auf der Fahrt zu seinem Wohnort. Er wurde wegen eines vorausgegangenen Drogengeschäfts polizeilich observiert. Als der Angeklagte die Observation bemerkte, entschlossen sich die observierenden Polizeibeamten zur Festnahme. Zu diesem Zweck fuhr ein Polizeifahrzeug von links quer vor den Pkw des Angeklagten, ein weiteres stellte sich unmittelbar hinter diesen. Aus dem vorderen Dienstfahrzeug stieg die Polizeibeamtin H. aus und stellte sich mit gezogener Dienstwaffe vor das Fahrzeug des Angeklagten. Als sich von hinten ein weiterer Polizeibeamter seinem Pkw näherte, "fuhr der Angeklagte mit voll nach rechts eingeschlagenen Rädern los". Die Polizeibeamtin H. "mußte daher in ihr Fahrzeug zurückspringen, dessen geöffnete Tür noch von der Stoßstange des Pkw´s des Angeklagten getroffen und an der Aufhängung gestaucht wurde" (UA 4). Dem Angeklagten gelang es auf diese Weise zunächst über den Gehweg zu entkommen, er wurde jedoch wenig später gestellt. Eine dem Angeklagten noch am selben Tag um 20.18 Uhr entnommene Blutprobe ergab folgende Werte: 1,6 ng/ml THC, 0,8 ng/ml Hydroxy-THC und 25,8 ng/ml THC-Carbonsäure.

b) Das Landgericht meint in Übereinstimmung mit dem angehörten Sachverständigen, der Angeklagte habe "die Fahrt .... im Zustande der Fahruntüchtigkeit unternommen" (UA 8). Das am Vorabend genossene Haschisch sei grundsätzlich geeignet, die Auffassungsgabe und Reaktionsfähigkeit eines Kraftfahrers in ähnlicher Weise wie der Genuß von Alkohol zu reduzieren. Der Angeklagte habe zum Zeitpunkt der von ihm unternommenen Fahrt aufgrund der bei ihm festgestellten THC-Werte noch unter der Wirkung der Droge gestanden und offensichtlich auf deren Wirkung zurückzuführende Ausfallerscheinungen gezeigt. Denn es sei ihm nicht mehr gelungen, seinen Pkw an der geöffneten Tür des Polizeifahrzeuges vorbei zu steuern, was zeige, daß er zu Beginn des Fluchtversuches den Abstand zwischen seinem Pkw und der geöffneten Tür des Dienstfahrzeuges nicht richtig habe einschätzen können.

c) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar geht das Landgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß der Nachweis von Drogenwirkstoffen im Blut eines Fahrzeugführers für sich allein noch nicht die Annahme der Fahruntüchtigkeit rechtfertigt (vgl. BGHSt 44, 219). Die Annahme "drogenbedingter Ausfallerscheinungen" begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die erkennende Strafkammer hat nämlich nicht bedacht, daß das Streben des Angeklagten auf Flucht ausgerichtet war (vgl. BGHR StGB § 316 Abs. 1 Fahruntüchtigkeit, alkoholbedingte 4). Sie hätte daher in ihre Überlegungen miteinbeziehen müssen, daß der Angeklagte die Gefahr einer Kollision mit der geöffneten Tür des vor ihm stehenden Fahrzeugs zwar zutreffend einschätzte, sich aber auch um deren Preis der Festnahme durch die Polizei entziehen wollte. Zwar könnte auch dann, wenn der Täter sich einer Festnahme entziehen will, eine deutlich unsichere, waghalsige und fehlerhafte Fahrweise für eine - hier: drogenbedingte - Fahruntüchtigkeit sprechen (vgl. BGHR a.a.O. für den Fall alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit). Dies versteht sich im vorliegenden Fall angesichts des eher geringfügigen Zusammenpralls mit dem Polizeifahrzeug jedoch auch mit Blick auf die im Blut des Angeklagten festgestellte Wirkstoffkonzentration nicht von selbst.

2. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr kann daher keinen Bestand haben. Dies führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe und des Maßregelausspruches, den das Landgericht ausschließlich auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 316 StGB gestützt hat. Die neu erkennende Strafkammer wird, falls sie die Voraussetzungen relativer Fahruntüchtigkeit nicht für gegeben ansieht, eine Ahndung nach § 24 a Abs. 2 StVG in Betracht zu ziehen haben. In diesem Fall wird sie auch zu prüfen haben, ob der Umstand, daß der Angeklagte sein Kraftfahrzeug zum Transport von Betäubungsmitteln verwendet hat, die Anordnung von Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB rechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 69 Rdnr. 9 b). Maatz Richter am Bundesgerichtshof ..."

***

Der Nachweis von Drogenwirkstoffen im Blut eines Fahrzeugführers rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme der Fahruntüchtigkeit. Hierfür bedarf es vielmehr regelmäßig der Feststellung weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen; die Beeinträchtigung der Sehfähigkeit aufgrund einer drogenbedingten Pupille genügt hierfür nicht ohne weiteres (BGH, Beschluss v. 03.11.1998 - 4 StR 395/98 -1999, 19 ff. zu § 316 StGB).

*** (OLG)

Bei einer Drogenfahrt kann nicht allein aus der nach der Tat gemessenen Wirkstoffkonzentration des Rauschmittels im Blut des Angeklagten auf seine Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Vielmehr bedarf es außer einem positiven Blutwirkstoffbefund weiterer, für die fahrerische Leistungsfähigkeit aussagekräftiger Beweisanzeichen, d.h. solcher Tatsachen, die über die allgemeine Drogenwirkung hinaus den sicheren Schluss zulassen, dass der Angeklagte in der konkreten Verkehrssituation fahrunsicher gewesen ist (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 28.10.2010 - Ss 104/10 (141/10).

***

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, außer Acht lässt und so pflichtwidrig handelt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt bzw. nicht voraussieht. Fahrlässigkeit liegt auch vor, wenn er die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, mit ihr aber nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten. Allerdings darf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dahingehend verstanden werden, dass Wirkstoffkonzentrationen von über 1 ng/ml THC in jedem Fall zugleich den Vorwurf der Fahrlässigkeit gegen den Betroffenen begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich festgestellt, dass der Wirkstoffnachweis ab Werten von 1 ng/ml den Rückschluss erlauben, der Betroffene habe bei seiner Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung des Rauschmittels gestanden. Damit klärt das Gericht die tatsächlichen Voraussetzungen. Fahrlässigkeit im Sinne von § 24a Abs. 2 StVG bezieht sich nicht alleine auf den Konsumvorgang sondern auch auf die Wirkung. Lässt sich ein Betroffener unwiderlegt dahingehend ein, dass der letzte Konsum drei Tage zurücklag und eine übliche Konsummenge (einen Joint) genossen wurde, so musste der Betroffene nicht ohne weiteres erkennen, dass er noch drei Tage später unter der Wirkung von Betäubungsmitteln steht (OLG Hamm, Beschluss vom 03.05.2005 - 4 Ss OWi 215/05 zu § 24a Abs. 2 StVG (NZV 2005, 428).

*** (LG)

Für die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nach dem Konsum von Drogen (hier: Amphetamin und Cannabis) hat die Rechtsprechung Wirkstoffgrenzen wie beim Konsum von Alkohol bislang nicht. Die Fahruntüchtigkeit (i.S.d. § 316 StGB) ist daher anhand einer umfassenden Würdigung sämtlicher Beweisanzeichen konkret festzustellen (LG Waldshut-Tiengen, Beschluss vom 04.06.2012 - 4 Qs 12/12).

*** (AG)

„... II. Obwohl der Angeklagte nicht im Besitz der dazu erforderlichen Fahrerlaubnis war, darüber hinaus hoch dosiert und kurz vor Fahrtantritt Cannabis konsumiert hatte, dies jeweils wusste und seine hierauf bedingte Fahruntauglichkeit erkannt hatte, setzte er sich am 20. Juli 2010 ans Steuer des Kraftfahrzeuges VW Polo mit dem amtlichen Kennzeichen und befuhr gegen 12.30 Uhr in 10585 Berlin-Charlottenburg u.a. die Otto-Suhr-Allee. Der Angeklagte war zur Tatzeit regelmäßiger - täglicher - Konsument von Cannabis. Anhand der im Einverständnis des Angeklagten am Tattag um 14.35 Uhr entnommenen Blutprobe wurden nach dem Gutachten der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle des LKA Berlin vom 24. August 2010 - LKA KT 41 - TV - 2010/33818 - UV 41/10/9030 in der Serumprobe des Angeklagten 20 ng/ml THC (Tedrahydro-cannabinol), der Wirkstoff des Haschisch, ca. 100 ng/ml THC-Carbonsäure, der Hauptmetabolit des THC und 6,1 ng/ml 11-Hydroxy-THC, ein Metabolit des THC, nachgewiesen. Nach den gutachterlichen Feststellungen lag beim Angeklagten zum Zeitpunkt der Fahrt ein sehr aktueller Konsum und ein aktueller Rauschzustand vor, der seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigte. Seine THC-Beeinflussung überschritt um das 20fache - oder deutlicher ausgedrückt: um 2000 % - den Grenzwert von 1ng/ml THC.

III. 1. Der Angeklagte hat eingeräumt, Dauerkonsument von Haschisch zum Tatzeitpunkt gewesen zu sein und täglich Joints geraucht zu haben. Am 20. Juli 2010 selbst, dem Tattag, will er aber keinen Joint geraucht haben, sondern 2 Tage zuvor am 18. Juli 2010, wobei er zunächst meinte, nur einen Joint, späterhin auf Vorhalt der sehr hohen THC-Werte vortrug, sehr viel geraucht zu haben. Konkretisieren konnte er diese Angabe auf die Rückfrage des Gerichts nicht. Er wisse, dass der Konsum von Haschisch zur Fahruntauglichkeit führe, und sich mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges nicht vereinbaren lasse. Er habe am 20. Juli 2010 auch gar nicht fahren wollen, zumal er keine Fahrerlaubnis besitze, aber er sei damals zu spät aufgestanden und in Eile gewesen, habe sich daher entschlossen, doch den Wagen zu nehmen und selbst bis nach Mitte zu fahren. Dort sei am Brandenburger Tor ein Event abzubauen gewesen. Den Wagen habe er trotz fehlender Fahrerlaubnis etwa 2 bis 3 Wochen vor der Tat vom 20. Juli 2010 erworben, weil er eine günstige Gelegenheit gewesen sei und nur 400,00 Euro gekostet habe. Er habe die Absicht gehabt, eine Fahrerlaubnis zu erwerben und schon bei diverse Fahrschulen angefragt. Mit der Führerscheinbehörde, dem Landesamt für Bürger und Ordnungsangelegenheiten in Berlin, habe er sich allerdings nicht in Verbindung gesetzt gehabt, um abzuklären, ob ihm eine Fahrerlaubnis überhaupt anvertraut werde. Diesen VW Polo habe er eigentlich auch abmelden und auf den Hof seiner damaligen Wohnung abstellen wollen, nur sei er dazu angesichts der vielen Arbeit etwa 3 bis 4 Wochen lang nicht gekommen.

Der Angeklagte berichtete sodann ausschweifend von seiner Kindheit und seinem Leben. Er sei in Dresden geboren, 1986 nach Berlin (West) mit seinen Eltern übergesiedelt, seine deutsche Mutter habe sich von seinem algerischen Vater getrennt, als er 8 Jahre alt gewesen sei. Er sei beim Vater verblieben, sein Kontakt zu der Mutter sei nach etwa einem Jahr eingeschlafen. Der Vater habe ihn mit 15 Jahren nach Algerien geschickt, wo er 3 bis 35 Jahre habe bleiben müssen. Die Zeit sei schwer gewesen, denn er habe die Landessprache nicht beherrscht, weder berberisch, noch französisch. Mit Zeichensprache habe er sich am Anfang behelfen müssen. Kurz vor seinem 18. Lebensjahr habe er sich bemüht, nach Deutschland zurückzukommen, die Deutsche Botschaft aufgesucht, bis ihn sein Vater dann selbst zurückgeholt habe. In Deutschland sei es mit dem Vater wiederholt zu Konflikten gekommen, er - der Angeklagte - habe sich eine eigene Wohnung gesucht. Eine Ausbildung habe er nicht absolviert, die Anmeldung für eine „Modulare Duale Qualifizierung Teil I" sei daran gescheitert, dass sie ihm nicht finanziert worden sei, denn der Vater habe aufgrund seiner Einkünfte den Eigenanteil erbringen müssen, dieses aber nicht gewollt. Einen Kontakt zum Vater habe er nicht mehr. Er habe sich mit seinem Gewerbe dann später selbständig gemacht.

Befragt, weshalb er sich ein Kraftfahrzeug leiste, aber nicht die offene Geldstrafe aus dem Vorgang 265 Cs 338/08 (C 14 - 3 OP Js 1359/08 VRs) bezahle, es sogar zum Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls zur Vollziehung der Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Tagen kommen müsse, meinte der Angeklagte, er habe von der offenen Forderung nichts gewusst. Die Freundin habe dies dann beglichen. Er bestätigte aber auf Vorhalt, dass es schon einmal zu derlei Ersatzfreiheitsstrafe gekommen war, nämlich mit Vollstreckungshaftbefehl vom 08.12.2009 zum Vorgang C 14 / 3012 PLs 13079/08 VRs, als er die Geldstrafe aus dem Urteil 346 Cs 15/09 nicht bezahlt hatte.

2. Der Zeuge ... wurde vernommen und führte aus, der Angeklagte sei im Rahmen der Schwerpunktkontrolle „Alkohol/Drogen im Straßenverkehr" als Fahrer des PKW VW Polo mit dem amtlichen Kennzeichen am 20. Juli 2010 um 12.30 Uhr auf der Otto-Suhr-Allee in 10585 Berlin-Charlottenburg festgestellt worden. Ihm und seinem Kollegen seien im Rahmen der Kontrolle sofort aufgefallen, dass der Angeklagte stark geweitete Pupillen gehabt sowie träge auf Lichteinfall reagiert habe. Der Angeklagte sei belehrt worden, dass er sich nicht äußern müsse. Er habe zugegeben, keinen Führerschein zu besitzen und Haschisch konsumiert zu haben. Er habe auf Nachfrage ausgeführt, er habe am Abend des 18 Juli 2010 einen Joint geraucht. Daher sei ein Urintest erbeten worden, den der Angeklagte in einem nahen Restaurant vollzogen habe. Da dieser positiv auf Cannabis angeschlagen habe, sei eine Blutentnahme erforderlich gewesen, der der Angeklagte freiwillig zugestimmt habe. Auf dem Hof der Gefangenensammelstelle habe jener von sich aus erklärt, dass er wohl glaube, dass er noch eine Geldstrafe „offen" habe. Dies sei dann geprüft und tatsächlich bestätigt worden. Ein Vollstreckungshaftbefehl sei zur Fahndung ausgeschrieben gewesen. Der Angeklagte sei die ganze Zeit in seinem Gewahrsam gewesen. Ein BTM-Konsum sei in dieser Zeit auszuschließen. Der Zeuge bestätigte auf Rückfrage des Verteidigers, dass seine Beobachtungen der stark geweitete Pupillen des Angeklagten sowie der trägen Reaktion auf Lichteinfall nicht in der Anzeige dokumentiert seien.

3. Das Gericht hat im übrigen Beweis erhoben durch Verlesung des Gutachtens der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle des LKA Berlin vom 24. August 2010 - LKA KT 41 - TV - 2010/33818 - UV 41/10/9030 - , des ärztlichen Berichtes vom 20. Juli 2010, der Einwilligung des Angeklagten zur Blutentnahme, sowie des Strafregisterauszuges, dessen Erkenntnisse der Angeklagte bestätigte.

IV. Zur Überzeugung des Gerichts ist der Sachverhalt, wie vorstehend festgestellt, erwiesen.

1. Der Angeklagte ist geständig gewesen, ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, ohne im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis gewesen zu sein. Er wusste um seine Straftat und wollte diese - nach seinen Angaben aus Gründen besonderer Eile - auch so. Das Geständnis überzeugte, bestand kein Grund für den vorbestraften Angeklagten, sich willkürlich selbst zu belasten, hatte er zudem eine konkrete Erinnerung an den Vorgang und wurde seine Einlassung bestätigt durch die Aussage des Zeuge ....

2. Des Vergehens der rauschbedingten absoluten Fahruntauglichkeit wurde er erfolgreich überführt.

Das Geständnis des Angeklagten umfasste seinen dauerhaften täglichen Haschischkonsum. Dieses Geständnis war gleichermaßen zuverlässig, wie zuvor begründet. Zudem fand der Angeklagte in dieser Einlassung Bestätigung im Gutachten des Sachverständigen vom 24. August 2010, worin ausgeführt ist, dass die anhand seiner Blutprobe festgestellten Werte den dauerhaften Konsum belegen.

Die moderaten Vorbehalte des Angeklagten hinsichtlich des Zeitpunktes seines letzten Haschischkonsums waren dagegen nicht überzeugend. Soweit er behauptete, er habe 2 Tage vor der Fahrt - also am 18. Juli 2010 - zuletzt geraucht, handelte es sich um ein Taktieren im Prozess, um eine Schutzbehauptung, die von keinerlei Wahrheitsgehalt getragen wurde. Hier versuchte der Angeklagte die aktuelle - aber umstrittene - Diskussion sich zu nutze zu machen, wonach der Rauschmittelkonsum möglichst zeitnah bei Tatbegehung erfolgt sein müsse, um ihn als Fahrer sicher zu überführen. Das Gericht stützt diese Erkenntnis auf die Tatsache, dass der Angeklagte sich mehrfach selbst widersprochen hat. So lautete seine Version zunächst, er habe am Abend des 18 Juli 2010 einen Joint geraucht. Das war seine Erklärung gegenüber dem Zeugen ... anlässlich der Kontrolle, wie dieser glaubhaft bekundete. Diese Einlassung fand auch Eingang in den polizeilichen Sachbericht zur Strafanzeige. So war es auch bei Gericht - zunächst. Denn der Angeklagte ergänzte angesichts der sehr hohen Werte, er habe zwar zuletzt am 18 Juli 2010, dafür aber sehr viel geraucht. Diese zweite Version wurde bereichert um eine dritte, nämlich um diejenige, die beim Arzt zum Zeitpunkt der Blutabnahme getätigt worden war. Ausweislich des verlesenen ärztlichen Berichtes vom 20. Juli 2010, also vom Tattage, war dem Angeklagten noch erinnerlich, „gestern" Cannabis (THC) eingenommen zu haben. Das wäre also nicht 2 Tage vorher gewesen, sondern maximal ein Tag. Eine Beschränkung auf einen Joint erfolgte im übrigen nicht. Sein viertes Angebot lautete, er konsumiere täglich Haschisch. Er sei Dauerkonsument von Haschisch zum Tatzeitpunkt gewesen und habe täglich Joints geraucht. Wenn aber der Angeklagte keinerlei Verlässlichkeit bietet in seinen Angaben und die Wahrheit nicht direkt offenbaren will, ist zu unterscheiden zwischen den Erklärungen, die einen Sinn ergeben und einen Wahrheitsgehalt haben, weil sie schlüssig eingebettet sind in den übrigen Abläufen und Beweismitteln, und solchen, die einfach nur im Raum stehen, isoliert, plakativ, also eine Fiktion darlegen. Der dauerhafte Konsum von Haschisch durch den Angeklagten wird bestätigt durch die toxikologische Analyse aus dem Gutachten. Darin wurde festgehalten, dass der hohe THC-Carbonsäurewert den regelmäßigen Konsum belegt. Der sehr aktuelle, also in Tatzusammenhang stehende Konsum, wurde ebenfalls bestätigt durch die toxikologische Analyse aus dem Gutachten. Der sehr hohe Wert des Wirkstoffes THC beweist, so heißt es darin, einen sehr aktuellen Konsum. Damit ist die Einlassung des Angeklagten, er sei Dauerkonsument von Haschisch zum Tatzeitpunkt gewesen und habe täglich Joints geraucht, konfirmiert worden. Diese Äußerung ist auch deshalb von glaubhaften Wert, weil sie eine Lebenseinstellung widerspiegelt, einen Rhythmus kund gibt, der erst einmal losgelöst zu sein scheint von der aktuell zu klärenden Straftat, weshalb sich der Angeklagte auch frei darüber unterhalten konnte. Es war eine unbefangene Schilderung, die nicht angestrengt worden ist durch ein Kalkül, mit dem das Ergebnis des Strafverfahrens ausgerechnet werden sollte. Der Angeklagte hat mithin eindeutig unmittelbar vor Fahrtantritt Haschisch geraucht. Dies wird ferner belegt durch die Beobachtungen des Beamten beim Aufgreifen des Angeklagten. Denn der Angeklagte offenbarte, wie der Zeuge aussagte, stark geweitete Pupillen und hatte träge auf Lichteinfall reagiert. Die Rüge, diese Tatsachen stünden nicht in der Anzeige, greifen nicht durch. Auf diese kommt es nicht allein an, es gilt nicht das Ausschlussprinzip, sondern die Schilderung des erlebten Sachverhalts ist relevant. Der Zeuge hatte eine deutlich präsente Erinnerung an dieses Geschehen.

Der Angeklagte war absolut fahruntauglich. Der Sachverständige führte in dem Gutachten der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle des LKA Berlin vom 24. August 2010 - LKA KT 41 - TV - 2010/33818 - UV 41/10/9030 - aus, dass nicht nur ein aktiver, deutlicher und aktueller Konsum von Haschisch durch den Angeklagten vorlag, sondern - und vorliegend entscheidend - ein aktueller Rauschzustand. In diesem akuten Rauschzustand war die Fahruntüchtigkeit beeinträchtigt. Das Gericht schließt sich dieser Bewertung nach eigener sorgfältiger Prüfung an, sie verstößt nicht gegen denklogische Gesetze, fußt eindeutig auf den aktuellen in der medizinischen Forschung erreichten Kenntnis- und Erfahrungsstand.

Nach der Empfehlung der Grenzwertekommission, die unter der Leitung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - und aufgrund der Entscheidung der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft „Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog" vom 04.09.2007 verbindliche - Grenzwerte erarbeitet hat, bei deren Vorliegen sicher eine rauschbedingte Fahruntauglichkeit anzunehmen ist (sog. absolute Grenzwerte), Grenzwerte, denen sich die Rechtsprechung insoweit angenommen hat, als dass auch Feststellungen darunter zu einer Verurteilung führen können (also erweiterte Anwendung), beträgt der analytische Grenzwert, ab dem sicher mit dem Auftreten von Ausfallerscheinungen, also mit einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen ist, für THC (Tetrahydrocannabinol) 1,0 ng/ml. Beim Angeklagten betrug der festgestellte THC-Wert 20 ng/ml, also das 20fache des von der Grenzwertekommission empfohlenen Wertes. Um es deutlich auszudrücken: der tatsächliche THC-Wert beim Angeklagten zur Tatzeit war um 2000% höher. Die Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit im Sinne von § 316 StGB ist damit erreicht, ohne dass es der Feststellung weiterer Ausfallerscheinungen oder Fahrfehler bedurfte. Gleichwohl waren erstere gegeben, offenbarte sich der Angeklagte mit stark geweiteten Pupillen und eine träge Reaktion auf Lichteinfall.

Diese hier vertretene Rechtsansicht zu absoluten Wirkstoffmengen bei Cannabis - ohne Hinzutreten von Ausfallerscheinungen oder Fahrfehlern - sind durchaus umstritten. Die - bisweilen ältere - obergerichtliche Rechtsprechung und die herrschende Ansicht in der Literatur gehen bislang davon aus, dass sich im Strafrecht für die Fahruntauglichkeit aufgrund von Betäubungsmitteln keine „absoluten" Wirkstoffgrenzen feststellen lassen. Der Nachweis von Drogenwirkstoffen im Blut eines Fahrzeugführers soll für sich allein noch nicht die Annahme der Fahruntüchtigkeit nach § 316 StGB rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 25. Mai 2000, 4 StR 171/00, zitiert in JURIS). Entscheidend seien die Gesamtschau der Umstände und die Beurteilung der Beweisanzeichen (vgl. OLG München, Beschluss vom 30.01.2006, 4St RR 11/06 zitiert in JURIS). Dieser Rechtsansicht wird nicht beigetreten. Denn sie berücksichtigt nicht die inzwischen eingetretene wissenschaftliche Entwicklung in der chemischen Analyse der Wirkstoffe sowie ihrer Abbauzeiten und -Werte sowie die mittlerweile gewonnenen Erkenntnisse über die verkehrs-medizinisch relevanten Wirkungen von Cannabis sowie über den Verlauf des Cannabisrausches. Diese Entwicklungen und Erkenntnisse werden in der Rechtsprechung zunehmend anerkannt. So reicht es - entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdelikts - aus, eine Konzentration festzustellen, die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war und dennoch am Straßenverkehr teilgenommen hat (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 30. Juni 2005, 8 Ss-OWi 103/05 zu § 24a StVG, zitiert in JURIS - Das Gericht nimmt dabei Bezug auf §24a StVG als abstraktes Gefährdungsdelikt). Es kann eine berauschende Wirkung angenommen werden, wenn die betreffende Substanz in einer Konzentration nachweisbar ist, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt (OLG Köln, aaO.). Daher wurden unter Rückgriff auf die Empfehlungen der Grenzwertkommission von der Rechtsprechung im Bußgeldbereich zu § 24a StVG Grenzen zwischen ungefährlichen und gefährlichen Wirkstoffmengen gezogen, ohne dass es für die Verurteilung auf die Feststellung und Beschreibung von Ausfallerscheinungen oder sonstigen Beweisanzeichen ankam. Das ist nunmehr im Bußgeldbereich gängige Meinung. Es besteht aber keinerlei Rechtfertigung, derlei Grenzziehung beim abstrakten Gefährdungsdelikt nach § 24a StVG zuzulassen, beim abstrakten Gefährdungsdelikt nach § 316 StGB aber abzulehnen, zumal die Rechtsprechung, die diese Unterscheidung zwischen § 316 StGB und § 24a StVG vollziehen will, sie nicht schlüssig begründen kann. Wenn ausgeführt wird, bei § 24a StVG handele es sich wegen der generell-abstrakten Gefährlichkeit des Genusses von Drogen um einen abstrakten Gefährdungstatbestand als Vorfeld- oder Auffangtatbestand gegenüber der an engere Voraussetzungen geknüpften Strafvorschrift des § 316 StGB (OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 03. Mai 2001, 1 Ss 87/01, zitiert in JURIS), handelt es sich um eine schlichte Behauptung, nicht aber um eine Begründung. Absolute Grenzwerte sind bei Alkohol längst anerkannt, nachdem sie von der Wissenschaft und Rechtsprechung entwickelt worden sind. Dies hat auch bei Rauschmitteln zu gelten. Ein Kraftfahrer, bei dem 20 ng/ml THC, der Wirkstoff des Haschisch, im Serum zur Tatzeit festgestellt wurden und bei dem der nach der Empfehlung der Grenzwertekommission für THC ermittelte verbindliche Grenzwert um mehr als das 20fache übertroffen ist, ist im Sinne von § 316 StGB fahruntauglich, ohne dass es auf den Nachweis von Ausfallerscheinungen oder Fahrfehlern ankommt. Immerhin lagen erstere - wie aufgezeigt wurde - vor.

3. Der Angeklagte handelte vorsätzlich, wusste er um seine massive Drogenbeeinflussung und seine hierdurch bedingte Fahrtauglichkeit, handelte er gleichwohl zielgerichtet wider dieser Erkenntnis und wollte er den Fahrtantritt dann doch - infolge seiner Verspätung. Der Angeklagte hat eingeräumt, Dauerkonsument von Haschisch zum Tatzeitpunkt gewesen zu sein und täglich Joints geraucht zu haben. Er weiß also nur zu gut um die Wirkung des Rauschmittels, missbraucht sie täglich. Er hat ferner eingeräumt, dass er weiß, dass der Konsum von Haschisch zur Fahruntauglichkeit führt und sich mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges nicht vereinbaren lässt. Laut Gutachter war er bei 20ng/ml THC im akuten Rauschzustand. Er spürte also die Wirkungen seines Haschischs, als er sich ans Steuer setzte, derart hoch dosiert und aktuell war sein Konsum.

4. Der Angeklagte war ohne Einschränkungen schuldfähig, denn er hatte die Lage vor Ort zielsicher erfasst, nämlich seine Verspätung, seinen fehlenden Führerschein, das Verbot zur Verkehrsteilnahme, seine Zuweisung zur Verkehrskontrolle sowie die Maßnahmen, hatte er zugleich den Entschluss zur Fahrt schlüssig erfasst und ausgeführt sowie die Abwägung seines Motivs zur Handlung vornehmen können, hatte er ferner die freiwillige Abgabe von Urin getroffen und der Blutentnahme zugestimmt. Laut ärztlichem Protokoll zur Blutentnahme waren seine Orientierung vollständig, sein Bewusstsein klar, sein Urteilsvermögen sicher und die Sprache deutlich.

V. Infolge des festgestellten Sachverhalts hat sich der Angeklagte eines Vergehens der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs.1 StGB in Tateinheit nach § 52 StGB mit dem Vergehen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs.1 Nr.1 StVG schuldig gemacht. Bei tateinheitlicher Begehung war nach § 52 StGB auf nur eine Strafe zu erkennen, wobei sich das Strafmaß nach dem Gesetz bestimmte, welches die schwerste Strafe androhte. Das blieb vorliegend ohne durchschlagende Bedeutung, sah das Gesetz nämlich zur Ahndung jeweils die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor.

Bei der Strafzumessung konnten zugunsten des Angeklagten die Umstände strafmildernd Gewichtung finden, dass er nahezu vollumfänglich geständig und hinsichtlich seines Fehlverhaltens einsichtig war. Dabei war von besonderer positiver Bedeutung, dass er Einblick gab in sein Konsumverhalten. Eine konkrete Gefährdung Dritter war zudem anlässlich seiner Fahrt nicht eingetreten. Gut und strafentlastend wirkte, dass er die Notwendigkeit für eine Therapie erkannte und jene in Angriff nahm. Demgegenüber durfte strafschärfend Beachtung finden, dass der Angeklagte bei Tatbegehung bereits mehrfach vorbestraft war, darüber hinaus - hinsichtlich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis - einschlägig. Er hatte sich die gegen ihn mehrfach verhängten Geldstrafen und die Freiheitsstrafe nicht zur Warnung dienen lassen. Er stand sogar unter laufender Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. November 2007 zum Verfahren 267 - 65/07. Gleichwohl sah er sich veranlasst, erneut straffällig zu werden. Er offenbarte hierdurch deutliche Tendenzen zur Kriminalität. Die ausschweifende Betonung seiner schweren Kindheit und Jugend vermag nicht strafmildernd zu überzeugen. Dabei stellte das Gericht die Fakten nicht in Abrede. Gegenteilige Erkenntnisse lagen nicht vor. Nur konnte aus diesen kein Nutzen glaubhaft gezogen werden. Denn der Angeklagte kehrte, wie er vortrug, kurz vor seinem 18 Lebensjahr nach Deutschland zurück, also 2003. Das bestätigte sich im Strafregister, denn im November 2003 machte er sich einer gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung schuldig. Jene Gewalt mag Ausdruck seiner Erlebnisse gewesen sein. Der Jugendrichter beließ es in dem Urteil vom November 2005 bei einer Verwarnung. Seitdem sind aber bis zur hiesigen Tatbegehung 7 Jahre vergangen. Der Angeklagte ist nicht mehr 18, sondern 25 Jahre alt. Er allein steht für sein Tun gerade, nicht Dritte. Es folgten über all diese Jahre hinweg weitere Straftaten, und mit jeder Strafverfolgung sowie Vollstreckung konnte der Angeklagte an Reife gewinnen und erkennen, dass das Argument der schweren Kindheit schlichtweg heute verbraucht ist. Es war auch deshalb wenig überzeugend, weil der Angeklagte schon vor seiner Ausreise nach Algerien kriminell gewesen ist. Er hatte sich beim Diebstahl im Februar 2000 erwischen lassen. Darauf folgte der Griff des Vaters und die Abkehr in die Heimat. Der Angeklagte ist während des Auslandsaufenthaltes nicht geläutert wieder gekommen, mehr ist aber auch nicht gewesen. Er knüpfte bei seiner Rückkehr dort wieder an, wo er schon einmal war - in der Straftatbegehung. Der Angeklagte ist Deutscher, spricht perfekt deutsch, wie in der Sitzung offenbar wurde, führt selbständig ein Gewerbe - er hat es nicht nötig, zu versuchen, mit seiner „weggelaufenen Mama und seiner Zeichensprache in Algerien" Mitleid zu erlangen. Der Reifeprozess ist längst abgeschlossen. Unter Abwägung der für und gegen ihn sprechenden Umstände reichte es nicht aus, gegen den Angeklagten eine Geldstrafe zu verhängen. Das wurde nun schon vierfach versucht. Vielmehr bedurfte es zur Verteidigung der Rechtsordnung und zur Einwirkung auf den Angeklagten dringend der Verhängung einer Freiheitsstrafe, welche das Gericht tat- und schuldangemessen auf 6 (sechs) Monate festsetze. Die Strafe steht in angemessener Relation zu der Erkenntnis vom 04. Februar 2009, bei der eine Geldstrafe von 90 Tagessätze verhängt worden waren - was einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten entspräche.

Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte nicht nach § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Denn das Gericht kam zur Überzeugung, dass sich der Angeklagte diese Strafe nicht zur Warnung dienen lassen und auch zukünftig die Rechtsordnung nicht wahren wird. Denn es handelte sich - wie aufgezeigt werden musste - nicht um die erste Freiheitsstrafe, die gegen ihn verhängt wurde. Er erwirkte eine solche schon anlässlich der Verurteilung vom 14.11.2007. Jene Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, war nicht geeignet, die gebotene Abschreckung zu bewirken. Denn der Angeklagte blieb straffällig, handelte unmittelbar danach, nämlich schon am 17.12.2007 (falsche Verdächtigung) , weswegen er am 23.10.2008 verurteilt wurde, und am 31.08.2008. Die Bewährungszeit musste verlängert werden. Dennoch wurde er - vorliegend - straffällig. Er ließ sich ohnehin nicht besonders beeindrucken, wenn er mit seinem Geld ein Kraftfahrzeug ankaufte, anstatt die Geldstrafe zu bezahlen. Er wusste - entgegen seinen Behauptungen - sehr wohl, dass die Vollstreckung gegen ihn lief und die Tilgung ausstand. Das hatte er nämlich dem Polizeibeamten aus eigenen Erwägungen offenbart. Der Angeklagte hatte ja Erfahrung mit dem Erlass von Vollstreckungshaftbefehlen gegen ihn, mit dem Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe, musste schon zum Vorgang C 14 - 3012 PLs 13079/08 Ve die Strafe aus dem Urteil vom 04.02.2009 im Verfahren 346 Cs 15/09 ebenfalls derlei beigetrieben werden. Eine Ausreise in die Schweiz am 15.04.2010 wurde ihm zum Verhängnis, Grenzbeamte fischten ihn heraus und nur die Leistung von 1.657,00 Euro befreite ihn damals vom weiteren Vollzug. Das wurde ihm nicht zur Lehre. Er machte weiter. Der Angeklagte ist darüber hinaus sozial nicht ausreichend gefestigt, geht keiner geregelten Arbeit nach. Er hat zwar ein Gewerbe angemeldet, dieses läuft aber schleppend. Das Gewerbe, das im Juli 2009 angemeldet wurde, hinderte ihn nicht an der Straftatbegehung. Im Gegenteil. Dieses Gewerbe und seine Demontagearbeit veranlasste ihn, rechtswidrig mit dem Auto zu fahren.

Durch sein Tatverhalten hat sich der Angeklagte als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 69 Abs.1, Abs.2 Nr.2 StGB erwiesen, weshalb die Verwaltungsbehörde nach § 69a Abs.1 StGB angewiesen wurde, dem Angeklagten nicht vor Ablauf von 36 (sechsunddreißig) Monaten eine Fahrerlaubnis zu erteilen. Aus eigennützigen Erwägungen setzte er sich über die Belange der Verkehrssicherheit hinweg, gab persönlichen Vorteilen den Vorzug. Gerade ein Kraftfahrer muss in der Lage sein, ganz penibel die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten und hierdurch Charakterstärke zu beweisen. Der Angeklagte versagte gleich mehrfach, indem er ohne Fahrerlaubnis und nach einem Rauschgiftkonsum ein Auto fuhr. Der Angeklagte wird nachzu-weisen haben, dass er verinnerlicht hat, dass der Konsum von Drogen - hier Cannabis - mit der Teilnahme am Straßenverkehr nicht in Einklang zu bringen ist und welche Gefahren dadurch entstehen können. Auch wird er nachzuweisen haben, dass er dem ungehemmten Rauschmittelkonsum entsagt hat. Er wird mindestens 36 Monate benötigen, um seine charakterliche Reife zurück zu gewinnen. Er verstieß massiv gegen die Anforderungen, denen er als Fahrzeuglenker unterliegt. Dabei war die Mindestsperrfrist von 12 Monaten aus § 69a Abs.3 StGB zu beachten, weil der Angeklagte in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits eine Sperrfrist verwirkt hatte, nämlich zum Verfahren 346 Cs 15/09 am 04.02.2009. Nur weil das Antragsverfahren auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angesichts des massiven BTM-Konsums geraume Zeit in Anspruch nehmen wird, der Angeklagte zudem weitgehend geständig und kooperativ auftrat, wurde seitens des Gerichts auf eine weitergehende Sperrfrist - auch auf eine solche auf Lebenszeit - verzichtet. ..." (AG Tiergarten, Urteil vom 06.04.2011 - 310 Ds 32/10)

***

Die Feststellung rauschmittelbedingter Fahrunsicherheit infolge vorangegangenen Cannabiskonsums setzt neben Feststellungen zum vorangegangenen Konsum zusätzliche Beweisanzeichen insbesondere in Form von Fahrfehlern oder sonstigen Ausfallerscheinungen des Fahrzeugführers voraus (AG Bremerhaven, Beschluss vom 18.01.2005 - 20 Ds 991 Js 4218/04, StV 2005, 444 f):

„... Das Hauptverfahren ist gem. § 204 Abs. 1 StPO aus tatsächlichen Gründen nicht zu eröffnen, da es nach dem Ergebnis des Zwischenverfahrens nicht wahrscheinlich ist, daß der Angesch. wegen der ihm zur Last gelegten Straftat der Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB in einer Hauptverhandlung verurteilt wird. Wahrscheinlich ist vielmehr, daß dem Angesch. eine auch nur relative Fahruntüchtigkeit nicht nachgewiesen werden kann.

Der Angesch. befuhr nach den bisherigen Ermittlungen am 29. 12. 2003 gegen 20.40 Uhr mit dem Pkw in B. öffentliche Straßen. Auf dem W.-Platz wurde er von einer Zivilstreife überprüft, die aus dem geöffneten Fahrzeugfenster Marihuana-Geruch wahrnahm. Aus der später durchgeführten chemisch-toxikologischen Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Hamburg ergibt sich ein vorangegangener Cannabiskonsum; es wurden 0,04674 m THC, 0,01251 m THC-OH und 0,1119 m THC-Carbonsäure pro ml zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 22.15 Uhr festgestellt.

Voraussetzung für das Vorliegen rauschbedingter Fahruntüchtigkeit ist zunächst der vorangegangene Konsum eines berauschenden Mittels, was auf das von dem Angesch. konsumierte Cannabis ohne weiteres zutrifft. Anders als bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit läßt sich nach derzeitigen rechtsmedizinischen Erkenntnissen ein Beweisgrenzwert für absolute Fahruntüchtigkeit i. S. d. § 316 StGB nicht begründen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21. 12. 2004, 1 BvR 2652/03 [= StV 2005, 383 m. Anm. Nobis]; BGH NZV 2000, 419). Dies gilt auch bei der hier festgestellten hohen Konzentration. Die Feststellung der rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit setzt daher zusätzliche Beweisanzeichen voraus, wobei neben Fahrfehlern auch sonstigen Ausfallerscheinungen im Verhalten des Fahrzeugführers besondere Bedeutung zukommt.

Zum Fahrverhalten des Angesch. haben die Polizeibeamten L., D. und L. keine besonderen Auffälligkeiten festgestellt. Der Angesch. war zuvor mit geöffnetem Fenster an ihnen vorbeigefahren und hatte den Motor seines Fahrzeugs in Höhe der Trinkhalle abgestellt. Während des auf der Wache geführten Gesprächs konnten bei dem Angesch. leichte Gefühlsschwankungen festgestellt werden. Ausweislich der weiteren, von den Polizeibeamten getroffenen Feststellungen verfügte der Angesch. über eine deutliche Aussprache und war orientiert. Das Aussteigen aus dem Fahrzeug war normal. Die Pupillen wiesen Normalgröße auf. Nach dem weiter gefertigten ärztlichen Untersuchungsbericht waren mit Ausnahme eines Tremors keine Auffälligkeiten festzustellen. Der Vertragsarzt gibt in seinem Untersuchungsbericht vielmehr an, daß »die Person derzeit nicht unter Drogeneinfluß zu stehen« scheine.

Danach sind die Voraussetzungen für das Vorliegen zumindest relativer Fahruntüchtigkeit nicht gegeben. Eine abweichende Beurteilung folgt auch nicht aus der vorzitierten Entscheidung des BVerfG v. 21. 12. 2004. Diese betrifft die Frage, ab welchem Wert ein ordnungswidriges Führen eines Kfz. unter der Wirkung berauschender Mittel i. S. d. § 24 a Abs. 2 StVG angenommen werden kann und nimmt ausdrücklich in Bezug, daß die am 1. 8. 1998 in Kraft getretene Vorschrift des § 24 a Abs. 2 StVG nach der gesetzgeberischen Intention eine zuvor vorhandene Sanktionslücke schließen sollte, die darauf beruht, daß sich der für eine Verurteilung nach § 316 StGB erforderliche Nachweis zumindest relativer Fahruntüchtigkeit häufig schwierig gestaltet. ..."



Entziehung der Fahrerlaubnis

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen verweigerter Beibringung eines behördlich angeforderten Drogenscreenings nach festgestelltem Besitz einer geringen Menge Haschisch.

A. I. Die Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen fehlender Eignung zum Führen eines Kfz bestimmt sich gegenwärtig nach § 3 StVG und nach den Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Vor Einführung dieser Bestimmungen im Jahre 1998 waren die einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen in den zwischenzeitlich geänderten bzw. aufgehobenen Vorschriften des § 4 StVG und § 15 b der StVZO enthalten. Heute wie früher ist eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Erlaubnisinhaber zum Führen von Kfz als ungeeignet erweist. Bei hinreichendem Verdacht des Vorliegens erheblicher Eignungsmängel ist die zuständige Behörde ermächtigt, dem Erlaubnisinhaber aufzugeben, bestimmte Gutachten über seine Kraftfahreignung beizubringen. Die Mißachtung einer solchen Anordnung hat regelmäßig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge.

Die vorliegende Verfassungsbeschwerde betrifft einen Fall, in dem dem Bf. in Anwendung von § 4 StVG und § 15 b StVZO in den vor 1998 geltenden Fassungen die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, nachdem er einer verkehrsbehördlichen Anordnung nicht nachgekommen war, ein Drogenscreening vorzunehmen. Nach § 4 Abs. 1 StVG in dieser hier maßgeblichen Fassung mußte die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn sich der Erlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kfz erwiesen hatte. Hierzu wurde in § 15 b Abs. 2 StVZO bestimmt:

Besteht Anlaß zur Annahme, daß der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, so kann die Verwaltungsbehörde zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung oder die Einschränkung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Auflagen je nach den Umständen die Beibringung

1. eines amts- oder fachärztlichen Gutachtens oder
2. eines Gutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle oder
3. eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr

anordnen. Die Verwaltungsbehörde kann mehrere dieser Anordnungen treffen; sie kann die Begutachtung auch auf einen Teilbereich der Eignung beschränken, insbes. darauf, ob der Inhaber der Fahrerlaubnis die nach § 11 Abs. 3 erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten noch besitzt.

II. 1. Dem Bf. ist im Jahre 1975 eine Fahrerlaubnis der (nach damaligem Recht) Klasse 3 erteilt worden.

Im März 1994 wurde der Bf. anläßlich einer Einreise aus den Niederlanden nach Deutschland einer polizeilichen Personenkontrolle unterzogen. Hierbei wurden bei ihm insgesamt 5 g Haschisch aufgefunden. Das gegen den Bf. eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren ist Ende März 1994 durch die StA eingestellt worden.

2. Mit Schreiben v. 29. 4. 1994 teilte die Stadt Freiburg i. Br. als zuständige Verkehrsbehörde dem Bf. unter Hinweis auf die ihr übermittelten Daten mit, daß erhebliche Bedenken hinsichtlich seiner Eignung zum Führen von Kfz bestünden. Es bestehe der Verdacht, daß seine körperlich-geistige Leistungsfähigkeit drogenkonsumbedingt ständig unter das erforderliche Maß herabgesetzt sei. Die Stadt forderte den Bf. in Anwendung von § 15 b Abs. 2 StVZO auf, der Behörde ein sog. Drogenscreening vorzulegen. Hierzu habe der Bf. innerhalb von drei Tagen ab Zugang des Schreibens eine Urinprobe beim Rechtsmedizinischen Institut der Universität Freiburg abzugeben und diese auf seine Kosten umfassend auf Drogenrückstände untersuchen zu lassen. Für den Fall der Weigerung oder nicht fristgerechten Abgabe der Urinprobe wurde dem Bf. die Entziehung seiner Fahrerlaubnis angedroht.

Der Bf. legte hiergegen Widerspruch ein. Die angeordnete Untersuchung ließ er nicht vornehmen.

3. Über den Widerspruch ist - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden worden. Stattdessen entzog die Stadt Freiburg i. Br. dem Bf. unter Bezugnahme auf die Weigerung mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid v. 19. 7. 1994 die Fahrerlaubnis (§ 4 Abs. 1 StVG i. V. m. § 15 b Abs. 1 StVZO). Der Vorfall im März 1994 gebe Anlaß zu erheblichen Bedenken gegen die Eignung des Bf. zum Führen von Kfz. Seine Weigerung, das von ihm geforderte fachärztliche Gutachten beizubringen, lasse darauf schließen, daß er Drogenkonsum verbergen wolle. Außerdem rechtfertige sie bereits für sich allein den Schluß auf die mangelnde Kraftfahreignung des Betroffenen.26. Oktober 2012

4. Der Bf. legte auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieses Rechtsbehelfs ...

Das VG wies den Antrag des Bf. auf vorläufigen Rechtsschutz zurück ... Die Beschwerde des Bf. gegen diesen Beschl. wurde vom VGH zurückgewiesen.

Das Regierungspräsidium Freiburg wies daraufhin durch Bescheid v. 8. 3. 1995 auch den Widerspruch des Bf. gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis zurück.

5. Die vom Bf. beim VG gegen die Bescheide der Stadt Freiburg i. Br. und des Regierungspräsidiums Freiburg erhobene Klage wurde mit Gerichtsbescheid v. 21. 8. 1995 abgewiesen ...

6. Auf Berufung des Bf. hielt der VGH in seinem - die Revision nicht zulassenden - Urt. v. 2. 4. 1996 an den im Eilrechtsschutzverfahren getroffenen Feststellungen zur Rechtmäßigkeit der behördlichen Anforderung des Drogenscreenings fest.

7. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Berufungsurteil des VGH wies das BVerwG durch Beschl. v. 23. 8. 1996 zurück (vgl. BVerwG, NJW 1997, S. 269) ...

8. In einem späteren, nicht die Person des Bf. betreffenden Verfahren, entwickelte das BVerwG seine Rspr. zur Anwendung von § 15 b StVZO bei festgestelltem Cannabiskontakt mit Urt. v. 5. 7. 2001 fort (BVerwG, NJW 2002, S. 78 ff.). Es entschied, daß ein einmaliger oder gelegentlicher Cannabiskonsum ohne konkrete Verknüpfung mit der Teilnahme am Straßenverkehr für sich allein keinen nach § 15 b Abs. 2 StVZO ausreichenden Anlaß zur Anforderung eines Drogenscreenings gebe.

B. Der Bf. hat Verfassungsbeschwerde gegen die Fahrerlaubnisentziehungsverfügung der Stadt Freiburg i. Br., den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums, den Gerichtsbescheid des VG, das Berufungsurteil des VGH sowie den Beschwerdebeschl. des BVerwG erhoben ...

C. I. Zu der Verfassungsbeschwerde bzw. zu den durch sie aufgeworfenen Fragen der Wirkungen des Konsums von Cannabis, Alkohol und anderen bewußtseinsverändernden Mitteln haben im Jahre 2001 der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen namens der Bundesregierung, die Mehrzahl der Landesregierungen, die Stadt Freiburg i. Br. sowie das BVerwG und der BGH Stellung genommen. Ebenfalls im Jahre 2001 sind ferner Stellungnahmen der Bundesanstalt für Straßenwesen, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, des Deutschen Verkehrssicherheitsrats, der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, der Gesellschaft gegen Alkohol- und Drogengefahren und des Fachverbandes Drogen und Rauschmittel als sachkundigen Dritten eingeholt worden.

1. In den Stellungnahmen wird darauf hingewiesen, daß nach den auf Bundes- und Landesebene geführten Statistiken über den Konsum berauschender Mittel als festgestellte Ursache von Verkehrsunfällen und Verkehrsgefährdungen dem Konsum von Alkohol die bei weitem größte Bedeutung zukomme. Der Konsum von Cannabis spiele im Vergleich dazu eine wesentlich geringere Rolle. Allerdings sei in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg der Zahl der Fälle zu verzeichnen, in denen der Konsum von Cannabis als Ursache eines Verkehrsunfalls oder einer Verkehrsgefährdung festzustellen war.

2. Die Frage, ob Fälle bekannt seien, in denen ein Unfall oder eine Verkehrsgefährdung auf den Eintritt eines sog. Echorausches infolge früheren Konsums von Cannabis zurückgeführt werden konnte, wurde in der Mehrzahl der abgegebenen Stellungnahmen verneint. In Bayern und Sachsen-Anhalt ist jew. ein Fall verzeichnet, in dem es sich bei der Unfallursache möglicherweise um einen Echorausch gehandelt haben könnte. In Bremen sind zwei Fälle registriert, in denen ein Unfall oder eine Verkehrsgefährdung auf den Eintritt eines Echorausches infolge früheren Cannabiskonsums zurückgeführt worden ist.

3. Gesicherte aktuelle Erkenntnisse über den Anteil der Cannabiskonsumenten in Deutschland, die sich auf einen nur gelegentlichen Konsum beschränken, sowie über den Anteil derjenigen Konsumenten, die regelmäßig Cannabinoide aufnehmen, bestehen ausweislich der eingegangenen Stellungnahmen nicht. Soweit zu diesen Fragen Erhebungen durchgeführt worden sind, liegen diesen zum Teil erheblich voneinander abweichende Annahmen zu den Kennzeichen gelegentlichen bzw. regelmäßigen Cannabiskonsums zugrunde. Ungeachtet dieser Unterschiede wird durchgängig davon ausgegangen, daß die Mehrzahl der Cannabiskonsumenten den Konsum nach Durchlaufen einer Probierphase wieder einstellt. Mehrere Stellungnahmen berichten über Studien, in denen die Gruppe der aktuellen Cannabiskonsumenten (30-Tage-Prävalenz) mit der Gruppe derjenigen Personen verglichen wird, die Cannabis aktuell konsumieren oder früher konsumiert haben (Lebenszeit-Prävalenz). In der erstgenannten Gruppe sei die Zahl der starken Konsumenten wesentlich höher als in der zweitgenannten. In anderen Stellungnahmen wird über Studien berichtet, die bei Zugrundelegung einer Ein-Jahres-Prävalenz zu dem Ergebnis geführt haben, daß nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Konsumenten Cannabis regelmäßig konsumiere.

4. Die fahrerlaubnisrelevanten Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Leistungsfähigkeit des Konsumenten wurden in den Stellungnahmen wie folgt beschrieben:

a) Während des Rausches seien Einschränkungen der Leistungsfähigkeit durch Euphorie, Antriebsminderung, Konzentrationsschwäche, Wahrnehmungsstörungen, Denkstörungen, Änderung des Zeiterlebens, Verminderung des Farbunterscheidungsvermögens und leichte Ablenkbarkeit möglich. Beeinträchtigungen der Fahrtüchtigkeit träten in erster Linie in Gestalt gestörter Aufmerksamkeit sowie verzögerter und unangemessener Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse auf. Außerdem bestünde die Gefahr atypischer Rauschverläufe. Der Betroffene könne dann in Angst, Panik oder innere Unruhe verfallen, in Verwirrung geraten, Halluzinationen ausgesetzt sein oder seine Umgebung in verzerrten Größen wahrnehmen; außerdem könnten Kreislaufstörungen bis hin zum Kreislaufkollaps auftreten. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts und die Intensität der Beeinträchtigungen seien von zahlreichen Faktoren abhängig, insbes. von der Menge des aufgenommenen Rauschmittels, von der körperlichen und geistigen Situation des Konsumenten, von seinem jeweiligen Umfeld sowie davon, ob der Drogenkonsum mit dem Konsum von Alkohol kombiniert werde.

b) In einzelnen Stellungnahmen wird davon ausgegangen, daß andauernder bzw. gewohnheitsmäßiger Konsum von Cannabis zu dauerhaften nachteiligen Veränderungen des Leistungsvermögens führen könne. Möglich seien hier sog. Hangover- bzw. Residualeffekte, der Eintritt atypischer Rauschverläufe bei erneutem Cannabiskonsum, die Auslösung von Psychosen sowie Entzugserscheinungen. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser Beeinträchtigungen, ihrer Intensität und ihres Einflusses auf die Fahrtüchtigkeit gehen die in Stellungnahmen abgegebenen Einschätzungen zum Teil deutlich auseinander.

c) Auch in Bezug auf die Frage, ob Cannabiskonsumenten in der Lage sind, drogenkonsumbedingte Einschränkungen ihrer Fahrtüchtigkeit zu erkennen und ggf. nach dieser Erkenntnis zu handeln, werden in den Stellungnahmen unterschiedliche Einschätzungen abgegeben. In mehreren Stellungnahmen wird unter Hinweis auf wissenschaftliche Studien ausgeführt, daß jedenfalls stärkere Konsumenten von Cannabis mitunter nicht in der Lage seien, drogenkonsumbedingte Beeinträchtigungen ihrer Leistungsfähigkeit zu erkennen. Darüber hinaus führe der Drogenkonsum zu einer Herabsetzung der Kritikfähigkeit und damit auch der Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Leistungsvermögen. Die Bereitschaft von Cannabiskonsumenten, zuverlässig zwischen dem Drogenkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen, wird in den Stellungnahmen überwiegend als zumeist nur gering ausgebildet eingeschätzt.

5. Auf die Frage, ob der Konsum von Cannabis-Produkten beim Konsumenten zu typischen Veränderungen der äußeren Erscheinung oder des Verhaltens führt, die im Rahmen polizeilicher Verkehrskontrollen oder bei der polizeilichen Aufnahme von Unfällen und Verkehrsgefährdungen ohne größeren Aufwand festgestellt werden können, wurde in den Stellungnahmen insbes. auf das Drogenerkennungsprogramm hingewiesen, das von der Bundesanstalt für Straßenwesen und dem Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes gemeinsam entwickelt worden ist und seit 1998 eine Grundlage für die Schulung von Polizeibeamten bildet (vgl. Drogenerkennung im Straßenverkehr, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft M 96, 1998; Möller/Bregel, in: Krüger, Drogen im Straßenverkehr, 2000, S. 208 ff.). Bei der verkehrspolizeilichen Drogenerkennung könne von geschulten Polizeikräften an sog. Ausfall- und Auffallerscheinungen angeknüpft werden, die typischerweise auf den Konsum von Drogen hindeuteten. Bei unter Cannabiseinfluß stehenden Kraftfahrern seien häufig die oben (vgl. 4. a) beschriebenen Ausfallerscheinungen festzustellen. Typische Auffallerscheinungen seien gerötete, glasig wirkende Augen des Kraftfahrers, Weitstellung seiner Pupillen trotz Lichteinfalls, Gangunsicherheiten, motivlose Heiterkeit, Müdigkeit, Apathie sowie Denk-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen. Die verkehrspolizeilichen Ermittlungen zielten zudem auf das Auffinden typischer Konsumrückstände im Fahrzeug ab (etwa Zigarettenpapier in Übergröße, Reste von »Joints« im Aschenbecher, süßlicher Duft im Fahrzeuginnern).

Die Feststellung typischer Ausfall- und Auffallerscheinungen werde regelmäßig zum Anlaß für weitere Ermittlungen genommen. In der polizeilichen Praxis finden hierbei zunehmend Drogenvortests Anwendung, mit denen orts- und zeitnah Urin-, Speichel- oder Schweißproben der betroffenen Kraftfahrer untersucht werden können.

II. Das Gericht hat zudem bei Prof. Dr. Günter Berghaus (Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln [abrufbar unter: www.medizin.uni-koeln.de/institute/rechtsmedizin/verk_1.html, »Gutachterliche Äußerung ...«]) und Prof. Dr. Hans-Peter Krüger (Interdisziplinäres Zentrum für Verkehrswissenschaften an der Universität Würzburg [abrufbar unter: www.psychologie.uni-wuerzburg. de/methoden/methff.html, »Gutachten Fahreignung«]) gutachterliche Äußerungen zu Fragen im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis eingeholt.

D. Die Voraussetzungen einer stattgebenden Kammerentscheidung sind gegeben (§ 93 c Abs. 1 BVerfGG). Der Erste Senat des BVerfG hat in seinem Beschl. v. 24. 6. 1993 (BVerfGE 89, 69) die für den vorliegenden Fall maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen geklärt. Nach den in dieser Entscheidung niedergelegten Grundsätzen sowie der Senatsrspr. zum grundrechtlichen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 80, 137 [152 ff.]) ist die Verfassungsbeschwerde begründet.

I. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Bf. in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Ob darüber hinaus auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt worden ist, bedarf keiner Entscheidung.

Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne (vgl. BVerfGE 6, 32, [36]; 97, 332 [340]; st. Rspr.). Von dieser Handlungsfreiheit ist auch das Führen von Kfz im öffentlichen Straßenverkehr erfaßt. Die Handlungsfreiheit ist allerdings nicht unbegrenzt gewährleistet. Zum Schutz eines kollidierenden Rechtsguts dürfen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Beschränkungen vorgenommen werden. Sie sind verfassungsmäßig, wenn sie zum Schutz des Rechtsguts nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgütergefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl. BVerfGE 16, 194 [201 f.]; 92, 277 [327 f.]; st. Rspr.). Dies setzt eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe voraus (vgl. BVerfGE 94, 372 [390]; st. Rspr.).

Die angegriffene Verfügung der Fahrerlaubnisentziehung und die darauf bezogenen Behörden- und Gerichtsentscheidungen enthalten einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts. Dieser Eingriff war verfassungswidrig, weil er in keinem angemessenen Verhältnis zu der Intensität der Rechtsgutgefährdung stand. Denn es fehlte als Grundlage der Überprüfung der Fahreignung des Bf. nach § 15 b Abs. 2 StVZO ein hinreichender Gefahrenverdacht, der einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen läßt (vgl. BVerfGE 89, 69 [85 f.]). Die Weigerung des Bf., sich der Begutachtung zu stellen, durfte im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren daher nicht zu seinen Lasten gewürdigt werden.

1. Die Auslegung des einfachen Rechts, die Beweiswürdigung und die Subsumtion des Sachverhalts im einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte. Haben sie ihre Rspr. im Verlauf des Verfahrens fortentwickelt, ist der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen fachgerichtlicher und verfassungsgerichtlicher Rspr. dadurch Rechnung zu tragen, daß im Verfassungsbeschwerde-Verfahren auf die aktuelle fachgerichtliche Rspr. abgestellt wird (vgl. auch BVerfG, Urt. v. 15. 1. 2002 - 1 BvR 1783/99 -, S. 25 ff. - BVerfGE 104, 337 ff.). Eine solche Fortentwicklung der Rspr. ist vorliegend im Hinblick auf die Voraussetzungen von Gefahrerforschungseingriffen bei Cannabiskonsum erfolgt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5. 7. 2001, NJW 2002, S. 78 ff.).

a) Die fachrichterliche Rspr. ist der Nachprüfung durch das BVerfG grundsätzlich entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 [92]; 89, 1 [10]; st. Rspr.). Je nachhaltiger ein Akt hoheitlicher Gewalt in die Grundrechtssphäre des Bürgers eingreift, desto weiter reichen jedoch die Überprüfungsbefugnisse des BVerfG (vgl. BVerfGE 42, 143 [148 f.]; 83, 130 [145]; st. Rspr.). Die einem belastenden Hoheitsakt zugrundegelegten Sachverhaltswürdigungen und darauf aufbauenden Abwägungen sind insbes. eingehender verfassungsgerichtlicher Prüfung zugänglich, wenn der Hoheitsakt den betroffenen Bürger dauerhaft an der Ausübung von Grundrechten hindert, denen für seine persönliche Lebensgestaltung Bedeutung zukommt. So liegt es bei der Entziehung einer Fahrerlaubnis.

b) Bei der Überprüfung der Tragfähigkeit der im Ausgangsverfahren angestellten Einschätzungen über die fehlende Fahreignung des Bf. wird der aktuelle Stand des Wissens über die Wirkungen des Konsums bestimmter Drogen sowie über die in Deutschland vorwiegend festzustellenden Drogenkonsummuster bedeutsam. Beide Themenbereiche bildeten in den vergangenen Jahren den Gegenstand eingehender wissenschaftlicher Forschung unter Verarbeitung praktischer Erfahrungen und darauf aufbauender Erörterung (vgl. aus jüngerer Zeit etwa Grotenhermen, Cannabis und Cannabinoide, 2001; Pompidou Group/Council of Europe Publishing, Road traffic and drugs, 2000; Krüger, Drogen im Straßenverkehr, 2000; Brandt, Explorative Auswertung von Drogenbefunden auf spezifische Wirkungen von Cannabis, Ecstasy und Cocain bei Verkehrs- und Kriminaldelikten, 2000; Kannheiser, Mögliche verkehrsrelevante Auswirkungen von gewohnheitsmäßigem Cannabiskonsum, NZV 2000, S. 57 ff.; Freitag/Hurrelmann, Illegale Alltagsdrogen, 1999; Kleiber/Soellner, Cannabiskonsum, 1998; Berghaus/Krüger, Cannabis im Straßenverkehr, 1998; Kleiber/Kovar, Auswirkungen des Cannabiskonsums, 1997). Dadurch ist in Deutschland das Wissen über die Gefahren des Cannabiskonsums deutlich vergrößert worden. Das bestätigen auch die vom BVerfG im Jahre 2001 eingeholten Gutachten und fachlichen Stellungnahmen. Danach ist davon auszugehen, daß aus dem Konsum von Cannabis zwar erhebliche Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs hervorgehen können, dass aber je nach der Art und Intensität des Konsums zu unterscheiden ist, sodaß weder ein pauschaler Gefährdungsausschluß noch eine pauschale Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Die Gefahren sind in früheren Jahren zum Teil überschätzt worden. Auf einer solchen Gefahrenüberschätzung beruhen die angegriffenen Entscheidungen.

aa) Unstreitig kann Cannabiskonsum die Fahreignung i. S. v. § 15 b StVZO ausschließen. Hierbei spielt es keine Rolle, in welcher Verkehrsform (Haschisch, Marihuana, Haschisch-Öl) die in der Cannabispflanze enthaltenen Cannabinoide aufgenommen werden. Von unzureichender Kraftfahreignung infolge drogenkonsumbedingter körperlich-geistiger Leistungsdefizite ist insbes. auszugehen, wenn der Konsum von Drogen beim Betroffenen dazu geführt hat, daß seine Auffassungsgabe, seine Konzentrationsfähigkeit, sein Reaktionsvermögen oder seine Selbstkontrolle ständig unter dem für ein sicheres und verkehrsgerechtes Führen von Kfz im Straßenverkehr erforderlichen Maß liegen. Fahruntauglichkeit ist ferner anzunehmen, wenn der Betroffene grundsätzlich außerstande ist, eine drogenkonsumbedingte zeitweilige Fahruntüchtigkeit rechtzeitig als solche zu erkennen oder trotz einer solchen Erkenntnis von der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr abzusehen.

bb) Die vorliegenden Erkenntnisse ergeben, daß die Fahrtüchtigkeit einer Person im akuten Haschischrausch und während der Dauer einer mehrstündigen Abklingphase aufgehoben ist (vgl. etwa Kannheiser, NZV 2000, S. 57 [59]; Brandt, a. a. O., S. 121 ff.; Geschwinde, Rauschdrogen, 4. A. 1998, Rdnr. 101; World Health Organization, Cannabis: a health perspective and research agenda, 1997, S. 15 f.; vgl. hierzu ferner BVerfGE 89, 69 [77 ff.]; 90, 145 [181]). Dies gilt jedenfalls dann, wenn relevante Mengen THC in den Körper des Konsumenten gelangen oder wenn der Konsum von Haschisch mit demjenigen anderer berauschender oder betäubender Mittel (insbes. Alkohol und Medikamente) kombiniert wird (vgl. Krüger, Gutachten, a. a. O.). In Ausnahmefällen kann der Konsum von Cannabis auch eine dauerhafte fahreignungsrelevante Absenkung der körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit des Konsumenten nach sich ziehen. Diese Fälle sind i. d. R. dadurch gekennzeichnet, daß über einen längeren Zeitraum erheblicher Drogenmißbrauch geübt worden ist (vgl. etwa Grotenhermen, a. a. O., S. 259 [262 ff.]; Kleiber/Kovar, a. a. O., S. 241 ff.; Kleiber/Soellner, in: Berghaus/Krüger, a. a. O., S. 25 [33 ff.]; World Health Organization, a. a. O., S. 16 ff.; strenger im Hinblick auf gewohnheitsmäßigen Konsum, Kannheiser, NZV 2000, S. 57 [58 ff.]). Darüber hinaus wird der Eintritt chronischer Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit bei besonders gefährdeten Personengruppen - etwa bei Jugendlichen in der Entwicklungsphase oder bei Personen, die mit latent vorhandenen Psychosen belastet sind - als möglich angesehen (vgl. Geschwinde, a. a. O., Rdnr. 199 ff.; World Health Organization, a. a. O.). In den - zahlenmäßig überwiegenden - übrigen Fällen besteht nach heutiger Erkenntnis in aller Regel kein Anlaß zu der Befürchtung, daß der Konsum von Haschisch bei den Betroffenen zu einer permanenten fahreignungsrelevanten Absenkung ihrer körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit führt (vgl. etwa Berghaus, Gutachten, a. a. O.; Kleiber, in: Schneider/Buschkamp/Follmann, Cannabis - eine Pflanze mit vielen Facetten -, 2000, S. 11 [17]).

Nach aktuellem Erkenntnisstand ist es bei einmaligem oder gelegentlichem Haschischkonsum auch nicht überwiegend wahrscheinlich, daß der Betroffene außerstande ist, eine drogenkonsumbedingte zeitweilige Fahruntüchtigkeit rechtzeitig als solche zu erkennen oder trotz einer solchen Erkenntnis von der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr abzusehen. In der einschlägigen Fachliteratur wird zwar darauf hingewiesen, daß der Verlauf eines Haschischrauschs und die Dauer seines Abklingens von zahlreichen Faktoren bestimmt werden, weshalb sie vom Konsumenten im Vorhinein kaum zuverlässig abgeschätzt werden können. Es gibt allerdings keine hinreichend verläßlichen Anhaltspunkte dafür, daß der einmalige oder gelegentliche Cannabiskonsument im Regelfall drogenkonsumbedingt außerstande ist, die seine Fahrtüchtigkeit ausschließenden Wirkungen des Haschischkonsums als solche zu erkennen oder besserer Erkenntnis zuwider eine Teilnahme am Straßenverkehr zu unterlassen (vgl. Berghaus, Gutachten, a. a. O.).

Ein bei jedem, auch dem einmaligen oder gelegentlichen Haschischkonsumenten bestehender Eignungsmangel läßt sich auch nicht mit einem relevanten Risiko des späteren Eintritts unvorhersehbarer Echoräusche (Flashbacks) begründen, wie sie bei Konsumenten mancher »harter« Drogen verzeichnet werden können. Insofern bedarf die in der Lit. umstrittene Frage keiner Klärung, ob der Konsum von Haschisch überhaupt mit einem Flashbackrisiko verbunden ist. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, so wäre das Risiko eines nicht vorhersehbaren plötzlichen Verlustes der Fahrtüchtigkeit als sehr gering einzuschätzen (vgl. etwa Krüger, Gutachten, a. a. O.; Geschwinde, a. a. O., Rdnr. 136; Kleiber/Kovar, a. a. O., S. 73 f. m. w. N.). Nach Mitteilung der hierzu um Stellungnahme gebetenen Bundesregierung und der Landesregierungen sowie sachkundiger Dritter sind bislang nur sehr wenige Fälle bekanntgeworden, in denen Anlaß zu der Annahme bestand, ein Unfall im Straßenverkehr oder eine Verkehrsgefährdung könnte möglicherweise auf den haschischkonsumbedingten Echorausch eines Verkehrsteilnehmers zurückgeführt werden; lediglich in einzelnen Fällen konnte die Möglichkeit eines Echorauschs nicht vollständig ausgeschlossen werden, der aber in keinem Fall nachweisbar war.

2. Die Abwägung der Schwere des durch die Fahrerlaubnisentziehung bewirkten Grundrechtseingriffs und des Gewichts sowie der Dringlichkeit der zu seiner Rechtfertigung benannten Gründe ergibt unter Berücksichtigung dieses allgemeinen Kenntnisstandes, daß der Bf. in unverhältnismäßiger Weise in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit beschränkt worden ist.

a) Die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 4 StVG und § 15 b Abs. 1 StVZO dient dem legitimen Zweck, den fahrungeeigneten Erlaubnisinhaber davon abzuhalten, aktiv mit einem Kfz am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Dadurch sollen von ihm ausgehende Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit verbundene Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Bürger abgewendet werden.

Ein auch verfassungsrechtlich tragfähiger Anlaß zur Entziehung einer Fahrerlaubnis besteht zum einen bei einem dauerhaften, generell die Fahreignung (und nicht lediglich situationsbedingt die Fahrtüchtigkeit) ausschließenden Eignungsmangel; der Gesetzgeber hat dem durch § 4 StVG und § 15 b Abs. 1 StVZO Rechnung getragen. In Betracht kommen hier die schon erwähnten körperlich-geistigen Mängel, also Defizite der körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit oder Fehlfunktionen, die das Unvermögen des Betroffenen zur Folge haben, ein Kfz sicher und verkehrsgerecht im Straßenverkehr zu führen. Zum anderen können charakterlich-sittliche Mängel die Fahreignung ausschließen. Solche Mängel liegen vor, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines Mangels dieser Art ist es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kfz im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (unzureichende Trennungsbereitschaft).

b) Dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs steht das private Interesse eines Bürgers am Erwerb und Bestand einer Fahrerlaubnis gegenüber. Ihr Wegfall kann die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers und seiner Familie nachhaltig beeinflussen. Die Fahrerlaubnis hat für den Bürger nicht selten existenzsichernde Bedeutung (vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 78 [79]). Ihre Entziehung kann insbes. dazu führen, daß die Ausübung des Berufs eingeschränkt oder ganz aufgegeben werden muß.

c) Diese absehbaren Folgen einer Fahrerlaubnisentziehung muß der Betroffene hinnehmen, wenn hinreichender Anlaß zu der Annahme besteht, daß aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen Sicherheit resultiert. Das Sicherheitsrisiko muß deutlich über demjenigen liegen, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kfz im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist.

Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben (vgl. BVerfGE 46, 160 [164]) gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kfz zu stellen. Eine darauf bezogene präventive Kontrolle von Kraftfahrern, wie sie in § 4 Abs. 1 StVG, § 15 b Abs. 2 StVZO vorgesehen war, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 89, 69 [85]). Auch darf der Fortbestand der Voraussetzungen einer einmal erteilten Erlaubnis überprüft werden. Setzt die Überprüfung belastende, in Grundrechte eingreifende Maßnahmen voraus, ist bei der Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit das Spannungsverhältnis zu berücksichtigen, das zwischen dem Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs einerseits und dem Interesse des Fahrerlaubnisinhabers andererseits besteht, von Gefahrerforschungseingriffen verschont zu bleiben, die mit erheblichen Belastungen für ihn verbunden sind (zu den Belastungen vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 78 [79]).

Mit Blick auf dieses Spannungsverhältnis kann auf das Erfordernis eines hinreichenden Verdachts fehlender Fahreignung nicht schon allein deshalb verzichtet werden, weil es für die zuständigen Behörden schwer ist, verdachtsauslösende Momente zu entdecken, noch bevor es zu einem drogenkonsumbedingten Verkehrsunfall oder einer Verkehrsgefährdung gekommen ist. Vorangegangener Cannabiskonsum läßt sich am Verhalten des Konsumenten zwar regelhaft schwerer erkennen als Alkoholkonsum. Polizeibeamten ist es jedoch bei entsprechender Schulung i. d. R. möglich, Anzeichen des Cannabiskonsums - etwa bei einer Fahrzeugkontrolle - anhand des Aussehens und Verhaltens des Konsumenten festzustellen und dies dann zum Anlaß weiterer Aufklärungsmaßnahmen zu nehmen. Die entsprechenden Verdachtsmomente sind zwar andere als beim Alkoholkonsum und die Anforderungen an deren Feststellung dürfen auch unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der Erkennbarkeit von Mängeln der Fahrtüchtigkeit und -eignung festgelegt werden. Ein gänzlicher Verzicht auf hinreichende Verdachtsindikatoren ist in einem Rechtsstaat jedenfalls bei einem für die persönliche Lebensführung gewichtigen Eingriff ausgeschlossen. Besteht ein hinreichender Verdacht und können mögliche Eignungsmängel nur unter aktiver Mitwirkung des Fahrerlaubnisinhabers aufgeklärt werden, ist es unbedenklich, diese Mitwirkung einzufordern und bei ihrer Verweigerung die dadurch bewirkte Vereitelung der abschließenden Aufklärung zum Nachteil des Betroffenen zu würdigen.

Die gesetzlichen Anforderungen an die Art und Intensität des Verdachts, der solche Folgen auslösen kann, müssen allgemein und ihre Rechtsanwendung muß im Einzelfall dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Die Beschränkungen sind nur angemessen, wenn die Behörde im Zuge der Ausübung der gesetzlichen Ermächtigung zur Fahreignungsüberprüfung hinreichend konkrete Verdachtsmomente feststellt, die einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 89, 69 [85 f.]). Es trägt dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Angemessenheit der eingreifenden Maßnahme im Verhältnis zum Anlaß des Einschreitens Rechnung, wenn das BVerwG in seiner neueren Rspr. davon ausgeht, daß der einmalige oder nur gelegentliche Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr nicht als hinreichendes Verdachtselement zu bewerten ist (vgl. BVerwG, NJW 2002, S. 78 [80]).


d) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze durften der beim Bf. einmalig festgestellte Haschischbesitz und die Weigerung der Teilnahme am Drogenscreening nicht als alleinige Grundlage der Entziehung der Fahrerlaubnis genommen werden.

Die Annahme der Verkehrsbehörde, daß die Feststellung des unerlaubten Besitzes einer kleinen Menge Haschisch als deutliches Indiz für beabsichtigten Eigenkonsum gewertet werden kann, stößt zwar auf keine Bedenken (vgl. Krüger, Gutachten, S. 23). Es fehlen jedoch Anhaltspunkte dafür, beim Bf. aus der einmaligen Feststellung beabsichtigten Eigenkonsums einer kleinen Menge Haschisch auf das ständige Vorhandensein fahreignungsrelevanter körperlich-geistiger Leistungsdefizite zu schließen. Ebensowenig wäre es tragfähig, aus dieser Feststellung den Schluß zu ziehen, daß der Bf. entweder nicht in der Lage oder aber nicht Willens ist, zuverlässig zwischen dem Drogenkonsum und der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen. Ergänzende Anhaltspunkte etwa derart, daß der Bf. unter Drogeneinfluß ein Kfz im öffentlichen Straßenverkehr geführt oder über einen längeren Zeitraum erheblichen Haschischmißbrauch geübt hat oder einer der besonders gefährdeten Personengruppen angehört, sind von der Verkehrsbehörde nicht ermittelt worden.

Es gibt auch keine Anzeichen für den Konsum »harter« Drogen durch den Bf. und darauf aufbauende Zweifel an der Fahreignung. Denn Feststellungen zum Umgang des Bf. mit »harten« Drogen sind im Ausgangsverfahren nicht getroffen worden. Der bloße Verdacht auf Haschischkonsum rechtfertigt für sich allein aber nicht den Schluß auf bereits erfolgten oder absehbaren Konsum »harter Drogen« (vgl. hierzu bereits BVerfGE 90, 145 [180 f.]).

II. Die angegriffene Fahrerlaubnisentziehungsverfügung der Stadt Freiburg i. Br., wie auch die diesen Bescheid im Widerspruchs- und nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren bestätigenden Behörden- und Gerichtsentscheidungen beruhen auf der festgestellten Grundrechtsverletzung. Die Entscheidungen sind daher aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Da die angegriffenen Entscheidungen keinen Bestand haben, braucht der Frage nicht nachgegangen zu werden, ob mit ihnen auch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen wurde, indem die behördliche Praxis beim bloßen Verdacht auf Haschischkonsum Ermittlungsmaßnahmen nach § 15 b Abs. 2 StVZO ergreift, bei Verdacht auf Alkoholkonsum hingegen von solchen Maßnahmen regelmäßig absieht ... (BVerfG, Beschluss vom 20.06.2002 - 1 BvR 2062/96 - StV 2002, 593 ff).

*** (BVerwG)

„... Fehlen der Fahreignung bei gelegentlichem Konsum von Cannabis, wenn die Blutprobe eine THC-Konzentration von 1,3 ng/ml ergibt

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass von einer ausreichenden Trennung von Cannabiskonsum und Fahren im Sinne der Fahrerlaubnis-Verordnung nur dann ausgegangen werden kann, wenn ein gelegentlicher Konsument von Cannabis seinen Konsum und das Fahren in jedem Fall so trennt, dass eine cannabisbedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit unter keinen Umständen eintreten kann. Davon konnte beim Kläger nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts aufgrund des bei ihm festgestellten THC-Pegels nicht ausgegangen werden.

Der Kläger wandte sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Bei ihm wurde nach einer Verkehrskontrolle wegen des Verdachts, dass er unter der Wirkung von Cannabis gefahren sei, eine Blutprobe entnommen. Bei deren Untersuchung wurde ein Wert von 1,3 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), des psychoaktiven Wirkstoffs von Cannabis, im Blutserum gemessen. Daraufhin entzog das Landratsamt dem Kläger die Fahrerlaubnis wegen gelegentlichen Cannabiskonsums und fehlender Trennung dieses Konsums vom Fahren (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision des Klägers zurückgewiesen. Es hat die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bestätigt, dass bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten der Konsum und das Fahren nur dann in der gebotenen Weise zeitlich getrennt werden, wenn eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht eintreten kann. Das Berufungsgericht durfte auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen beim Kläger von gelegentlichem Cannabiskonsum ausgehen. Ebenso wenig war zu beanstanden, dass es nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Ergebnis gelangte, dass bei ihm, wie der gemessene THC-Pegel zeige, eine ausreichende Trennung nicht gewährleistet ist. Gegen die im Revisionsverfahren als Tatsachenfeststellung nur eingeschränkt überprüfbare Annahme des Berufungsgerichts, dass eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum nicht ausgeschlossen werden könne, hatte der Kläger keine revisionsrechtlich erheblichen Rügen erhoben. Ohne Erfolg blieb auch sein Einwand, dass im Hinblick auf mögliche Messungenauigkeiten ein „Sicherheitsabschlag" vom ermittelten THC-Wert vorgenommen werden müsse. ..." PM - BVerwG, Urteil vom 23.10.2014 - 3 C 3.13)


*** (OVG/VGH)

Im Verfahren nach § 25 StVG (Fahrverbot) wird keine Entscheidung über die Eignung eines Kraftfahrzeugfahrers zum Führen von Kraftfahrzeugen getroffen. Das Fahrverbot ist als "Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme" gedacht und ausgeformt und soll in erster Linie spezialpräventiv auf nachlässige oder leichtsinnige Kraftfahrer einwirken (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.11.2012 - 3 M 599/12):

„... Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 16. Mai 2012 abgelehnt. Der Antragsgegner hat in nicht zu beanstandender Weise aus dem Konsum von Amphetaminen auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen und ihm deshalb zu Recht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis entzogen.

Auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere rechtliche oder tatsächliche Bewertung. Die vom Antragsteller mit der Beschwerde erhobenen Einwände geben keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen den streitgegenständlichen Bescheid des Antragsgegners wiederherzustellen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis erweist sich bei der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen überschlägigen Prüfung als rechtmäßig; auch besteht ein besonderes Interesse am Sofortvollzug, weil das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das Interesse des Antragstellers, vorläufig von der sofortigen Vollziehung verschont zu bleiben, überwiegt.

Erweist sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass insoweit der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessen eingeräumt ist. Nach dem vom Antragsteller mit der Beschwerdebegründung nicht in Frage gestellten Befundbericht des Instituts für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin des Universitätsklinikums H. über die am (…). März 2012 genommene Blutprobe hat der Antragsteller Amphetamine und damit sog. harte Drogen i. S. d. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV konsumiert. Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats und der nahezu einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung ausgeführt, dass bereits der einmalige Konsum eines Betäubungsmittels i. S. d. § 1 Abs. 1 BtMG (ausgenommen Cannabis) im Regelfall gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV zur Fahrungeeignetheit führt (vgl. Beschl. d. Senats v. 20.03.2012 - 3 M 74/12 - und Beschl. v. 20.01.2011 - 3 M 496/10 -; VGH BW, Beschl. v. 19.02.2007 - 10 S 3032/06 -; BayVGH, Beschl. v. 14.02.2006 - 11 ZB 05.1406 -, alle zit. nach juris, jeweils mit weiteren Nachweisen). Diesen Ansatz stellt auch die Beschwerdeschrift nicht in Frage. Vielmehr beruft der Antragsteller sich auch im Beschwerdeverfahren vorrangig darauf, er habe die Betäubungsmittel nicht wissentlich eingenommen. Soweit er einwendet, das Verwaltungsgericht überspanne die Anforderungen an den erforderlichen Nachweis, dass ihm die Drogen von Dritten unwissentlich verabreicht worden seien, hat seine Beschwerde keinen Erfolg.

Zwar kann eine im Regelfall eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln nur bei einem willentlichen Konsum angenommen werden, so dass es bei einer unwissentlichen Aufnahme von Betäubungsmitteln - wie das Verwaltungsgericht zutreffen ausführt - bereits an den Voraussetzungen für das Eingreifen der Regelannahme fehlt. Allerdings geht nach allgemeiner Lebenserfahrung einem positiven Drogennachweis typischerweise ein entsprechender Willensakt voraus. Der Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Einnahme eines Betäubungsmittels stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beitragen kann. Behauptet eine Person, in deren Körper ein Betäubungsmittel vorgefunden wurde, also, sie habe diese Droge unwissentlich eingenommen, so muss sie einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 13.04.2012 - 3 M 47/12 -; OVG NW, Beschl. v. 22.03.2012 - 16 B 231/12 -, beide zitiert nach juris).

Von diesen, in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannten Grundsätzen ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen; insbesondere hat das Verwaltungsgericht entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift weder einen lückenlosen Nachweis über den Verbleib des Antragstellers während der angegebenen Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr noch eine Bestätigung seines Verbleibs durch Augenzeugen verlangt. Vielmehr hat die Vorinstanz maßgeblich darauf abgestellt, dass aus dem von dem Antragsteller geschilderten Geschehensablauf nicht ansatzweise deutlich werde, welchen Beweggrund ein unbekannter Dritter gehabt haben könnte, dem Antragsteller Drogen beizubringen. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Da die bei dem Antragsteller festgestellten Betäubungsmittel (Methamphetamin und Amphetamin) illegal und sie zudem nicht billig sind, ist es eher unwahrscheinlich, dass Dritte einer Person Betäubungsmittel dadurch gegen ihren Willen zuführen, dass sie z.B. eine solche Substanz ohne Wissen des Betroffenen in ein für ihn bestimmtes Getränk einbringen, sofern nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise aufgezeigt wird. Derartigen Behauptungen kann mithin nur dann Beachtlichkeit zuerkannt werden, wenn überzeugend aufgezeigt werden kann, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers ein Kontakt mit Personen vorausgegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk zugänglich zu machen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 31.05.2012 - 11 CS 12.807 -, zit. nach juris, m. w. N.).

Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20. Juli 2012 angekündigt hat, „durch eine eidesstattliche Versicherung seiner Begleiterin glaubhaft zu machen, dass einer der Mitfahrer bzw. Begleiter während des Abends wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorbestraft ist, gleichermaßen nicht über eine Fahrerlaubnis verfügt und, so jedenfalls die Information, weiterhin konsumiert", ist er dieser Ankündigung bisher nicht nachgekommen. Zudem lässt sich diesem Vorbringen weder entnehmen, dass der Mitfahrer bzw. Begleiter dem Antragsteller die Drogen beigebracht hat, noch ist erkennbar, welchen Beweggrund die Begleitperson gehabt haben könnte, dem Antragsteller die Betäubungsmittel unbemerkt in ein Getränk zu mischen.

Ohne Erfolg wendet der Antragsteller schließlich mit Schriftsatz vom 27. Juli 2012 ein, dass aufgrund des parallellaufenden Ordnungswidrigkeitenverfahrens § 3 Abs. 3 Satz 1 StVO (richtig StVG) der streitbefangenen Fahrerlaubnisentziehung entgegenstehe.

Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde in einem Fahrerlaubnisentziehungsverfahren den Sachverhalt, der Gegenstand eines gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gerichteten Strafverfahrens ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommt, nicht berücksichtigen, solange das Strafverfahren anhängig ist. Mit dieser die Bindung der Fahrerlaubnisbehörde an die in dem Strafverfahren ergehende gerichtliche Entscheidung betreffenden Regelung sollen bei Vorrangigkeit des Strafverfahrens widersprüchliche Entscheidungen von Fahrerlaubnisbehörden und Gerichten vermieden werden. Der Fahrerlaubnisbehörde fehlt demnach in den in § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG genannten Fällen bis zur Einstellung des Strafverfahrens oder bis zur Rechtskraft der ergehenden Entscheidung die Befugnis, selbst über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu befinden (vgl. Dauer in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 3 StVG Rdnr. 15 f.). Hingegen ist die Fahrerlaubnisbehörde nach der nur im Verhältnis zu Strafverfahren geltenden Bestimmung des § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG nicht gehindert, die Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen, wenn wegen desselben Sachverhalts ein Ordnungswidrigkeitenverfahren - wie hier - eingeleitet, aber noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 3 StVG kommt im Verhältnis zu Ordnungswidrigkeiten nicht in Betracht (st. Rspr., OVG LSA, Beschl. v. 13.04.2012 - 3 M 47/12 -, a. a. O.; VGH BW, Beschl. v. 24.07.2007 - 10 S 306/07 -, zit. nach juris; Janker in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. 2012, § 3 StVG Rdnr. 10).

Auch wird entgegen der Auffassung des Antragstellers im Verfahren nach § 25 StVG (Fahrverbot) keine Entscheidung über die Eignung eines Kraftfahrzeugfahrers zum Führen von Kraftfahrzeugen getroffen. Mit der Verhängung eines Fahrverbots neben einer Geldbuße wird lediglich eine erzieherische Nebenfolge verfügt, nicht jedoch über die Fahreignung des Betreffenden befunden. Das Fahrverbot ist als „Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme" gedacht und ausgeformt und soll in erster Linie spezialpräventiv auf nachlässige oder leichtsinnige Kraftfahrer einwirken (vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 90; BVerfG, Beschl. v. 16.07.1969 - 2 BvL 11/69 -; BVerwG, Beschl. v. 21.01.1994 - BVerwG 11 B 116.93 -; alle zit. nach juris). Da im Bußgeldverfahren die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geprüft wird, entfalten Bußgeldentscheidungen nach § 3 Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbs. StVG für das behördliche Entziehungsverfahren auch nur insoweit Bindungswirkung, als sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen, nicht hingegen hinsichtlich der Eignungsfrage (OVG LSA, Beschl. v. 13.04.2012 - 3 M 47/12 -. a. a. O.). ..."

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„... Das Verwaltungsgericht hat zutreffend und in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschl. v. 20.01.2011 - 3 M 496/10 -) festgestellt, dass sich in der Regel bereits aus nur einer nachgewiesenen Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (außer Cannabis) ohne weiteres, also ohne weitere Sachverhaltsaufklärung oder Begutachtung, die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt. Der den Eignungsausschluss begründende einmalige Drogenkonsum steht aufgrund des rechtsmedizinischen Gutachtens vom 15. Januar 2009 fest. Besonderheiten des Einzelfalles, die gegebenenfalls ausnahmsweise eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten (vgl. dazu Nr. 3 der Vorbemerkung Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung), sind demgegenüber nicht ersichtlich; insbesondere hat es der Kläger auch mit seiner Beschwerdebegründung nicht vermocht, nachvollziehbar und überzeugend einen Sachverhalt darzulegen, der es ernsthaft möglich erscheinen lässt, dass er das in der entnommenen Blutprobe festgestellte Betäubungsmittel Cocain-Metabolite unwissentlich zu sich genommen hat.

Selbst wenn man für den Fall eines - wie auch immer erfolgten - nicht wissentlichen Drogenkonsums einen Beweisnotstand des Klägers konstatieren wollte, obliegt es dem Kläger, durch einen substanziellen und in sich schlüssigen Vortrag greifbare Anhaltspunkte dafür zu liefern, welche die von ihm aufgestellte Behauptung nachvollziehbar und plausibel erscheinen lassen. Denn der Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Einnahme eines Betäubungsmittels stellt sich als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beitragen kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss (OVG LSA, a. a. O.; OVG NW, Beschl. v. 22.03.2012 - 16 B 231/12 -, zit. nach juris). Daran fehlt es jedoch; insbesondere lässt auch die Beschwerdeschrift hierzu jeden substanziellen Vortrag vermissen, obwohl bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen hat, dass mit der Antragsschrift nicht einmal ansatzweise dargelegt wird, wie es dazu gekommen sein könnte, dass der Kläger ohne sein Wissen die Betäubungsmittel zu sich genommen habe. Stattdessen beschränkt sich die Beschwerde auf die schlichte Einlassung, der Kläger könne, da er mehrere Diskotheken besucht habe und Kontakt zu mehreren Personen gehabt habe, weder eine konkrete Diskothek noch eine konkrete Person benennen, die ihm die Drogen verabreicht haben könnte. Dies ist indes nicht ausreichend; denn von einem ernsthaft an einer Aufklärung des Sachverhalts interessierten Betroffenen ist auch ohne Hinweis des Gerichts zu erwarten, dass er die Diskotheken, die er besucht hat, und die Personen, zu denen er tatsächlich Kontakt hatte und die zumindest den Diskothekenbesuch bezeugen könnten, namentlich benennt. Auch mit Blick auf die Beschwerdebegründung erweist sich die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass der Vortrag des Klägers wenig glaubhaft erscheint, als berechtigt.

Die im Rahmen der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung im Sinne der §§ 166 VwGO, 114 ZPO erforderliche Überzeugungsbildung des Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) stellt schließlich auch keine „vorweggenommene Beweiswürdigung" dar, zumal aufgrund des unsubstanziierten Sachvortrags des Klägers eine Beweisaufnahme im Rahmen des Klageverfahrens ohnehin nicht ernsthaft in Betracht kommt.

Der angefochtene Bescheid ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deswegen rechtsfehlerhaft, weil der Beklagte in der Begründung lediglich Bezug nimmt auf „§ 2 Abs. 4 StVG und die Anlagen 4, 5 oder 6 zu den §§ 11, 13, 14 FeV"; denn der Beklagte hat nach der anfänglichen Darstellung der anzuwendenden allgemeinen Rechtsnormen unzweifelhaft in der nachfolgenden Begründung den festgestellten Konsum „harter Drogen" und dessen Wirkung auf die Fahreignung unter „Punkt 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV" subsumiert und die Fahreignung des Klägers verneint.

Soweit der Kläger darüber hinaus erstinstanzlich in seinem Klageentwurf eingewendet hat, die von einem Polizeibeamten angeordnete Blutentnahme sei rechtswidrig gewesen, so dass deren Resultat im vorliegenden Verfahren einem Beweisverwertungsverbot unterliege, greift dieser Einwand ebenfalls nicht durch; denn - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - würde sich, selbst wenn die Einholung einer richterlichen Gestattung ohne Gefährdung des Untersuchungserfolges noch möglich und die durch die Polizei angeordnete Blutentnahme damit objektiv rechtswidrig gewesen sein sollte, daraus für das vorliegende (Fahrerlaubnisentziehungs-)Verfahren kein Beweisverwertungsverbot ergeben. Die Grundsätze, nach denen die Ergebnisse einer Blutuntersuchung nach den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 81a Abs. 2 StPO einem Verwertungsverbot unterliegen können, haben sich im Bereich der Strafprozessordnung herausgebildet - wie hier der vom Kläger zitierte Beschluss des OLG Hamm (Beschl. v. 12.03.2009 - 3 Ss 31/09 -, zit. nach juris, zur Verletzung des Richtervorbehalts bei Anordnung einer Blutprobe) - und können nicht ohne weiteres auf das Fahrerlaubnisrecht übertragen werden. Im Unterschied zum strafprozessualen Verfahren hat jedenfalls im Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis die Behörde maßgeblich weitere Rechtsgüter auch Drittbetroffener wie das öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor Fahrerlaubnisinhabern, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, zu beachten. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, dass sich etwa der Umstand, dass ein Gutachten über die Fahreignung unberechtigterweise von der Fahrerlaubnisbehörde angeordnet wurde, dann auf die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht auswirkt, wenn das Gutachten dennoch erstellt worden ist und - wie hier - ein eindeutig negatives Ergebnis ausweist. Ein Verstoß gegen § 81 a Abs. 2 StPO steht deshalb der Verwertung des entsprechenden Blutprobenergebnisses nicht entgegen (st. Rspr. d. Senats, vgl. OVG LSA, Beschl. v. 12.04.2011 - 3 M 199/11 - und Beschl. v. 18.09.2008 - 3 M 511/08 -; ebenso OVG NW, Beschl. v. 03.09.2010 - 16 B 382/10 -; VGH BW, Beschl. v. 21.06.2010 - 10 S 4/10 -; SächsOVG, Beschl. v. 01.02.2010 - 3 B 161/08 -; OVG RP, Beschl. v. 29.01.2010 - 10 B 11226/09 -; BayVGH, Beschl. v. 28.01.2010 - 11 CS 09.1443 -; NdsOVG, Beschl. v. 16.12.2009 - 12 ME 234/09 -; OVG SH, Beschl. v. 09.12.2009 - 4 MB 121/09 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 03.11.2009 - OVG 1 S 205.09 -; OVG MP, Beschl. v. 20.03. 2008 - 1 M 12/08 -; alle zit. nach juris). ..." (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01.11.2012 - 3 O 141/12)

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„... Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der streitgegenständliche Entziehungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Normzweck ist der Schutz der Allgemeinheit (BVerwG vom 27.9.1995 NZV 1996, 84) und der Individualrechtsgüter der Straßenverkehrsteilnehmer vor unfähigen oder ungeeigneten Führern solcher Kraftfahrzeuge, für die eine Fahrerlaubnis benötigt wird (Jagow, Fahrerlaubnis- und Zulassungsrecht, Loseblattkommentar, § 46 FeV Anm. A). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Entzugs der Fahrerlaubnis ist regelmäßig derjenige der letzten Behördenentscheidung, also im Fall der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens der Erlass des Widerspruchsbescheids. Die „Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Verwaltungsgerichten uneingeschränkt nachgeprüft werden kann. Soweit im maßgeblichen Zeitpunkt die Fahreignung des Betroffenen weder positiv noch negativ feststeht, hat das Gericht - soweit möglich - selbst Spruchreife herzustellen.

2. Fahrungeeignet ist nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung derjenige, der regelmäßig Cannabis einnimmt. Das Tatbestandsmerkmal der Regelmäßigkeit ist zumindest im Normalfall nur dann erfüllt, wenn Haschisch oder Marihuana täglich oder nahezu täglich konsumiert wird (vgl. etwa BayVGH vom 8.2.2008 Az. 11 CS 07.3017). Dafür ist das Rauchen von ein bis zwei Joints täglich über einen Zeitraum von etwas mehr als einem halben Jahr ausreichend (BayVGH vom 18.5.2010 SVR 2010, 310).

Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis ist Fahreignung nur dann gegeben, wenn der Betroffene zwischen dem Konsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen ausreichend sicher trennen kann (vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Gelegentliche Einnahme von Cannabis liegt vor im Fall von mindestens zwei selbständigen Konsumakten (BayVGH vom 31.3.2011 Az. 11 CS 11.256).

3. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Bekanntwerden von Tatsachen ist dabei im weitesten Sinn zu verstehen. Anhaltspunkte für Zweifel an der Fahreignung können sich aus der Amtsermittlung der Behörde ergeben, aber auch aus Mitteilungen anderer Behörden und sogar von dritter Seite. Es muss sich um konkrete Tatsachen handeln, ein vager Verdacht genügt nicht. Die Anordnung einer Untersuchungsmaßnahme darf nicht auf einen bloßen Verdacht hin „ins Blaue hinein" erfolgen.

Teilt die Polizei einen Sachverhalt mit, bei dessen Ermittlung sie gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat, führt das nicht unbedingt zu einem Verwertungsverbot für das Fahrerlaubnisentziehungsverfahren. Denn aus der behördlich angeordneten Fahrerlaubnisentziehung ergeben sich keine Auswirkungen für das im Hinblick auf den betreffenden Vorfall durchgeführte Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Andererseits dürfen auch im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren jedenfalls solche Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden, die unter Missachtung fundamentaler Rechtsgrundsätze gewonnen wurden. Hierzu gehören jedenfalls alle Verstöße, bei denen die Menschenwürde des Betroffenen verletzt wird (BayVGH vom 28.1.2010 Az. 11 CS 09.1443).

Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Entziehung der Fahrerlaubnis darauf gestützt, dass der Kläger regelmäßiger Cannabiskonsument sei. Dies ergebe sich aus den Angaben, die er im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung am 25. April 2009 gemacht habe. Der Bevollmächtigte des Klägers hält dem entgegen, die durch die Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 25. April 2009 gewonnenen Informationen seien unverwertbar, weil die Polizei die Wohnung des Klägers unrechtmäßigerweise betreten habe, ohne dass zu diesem Zeitpunkt der hinreichende Verdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorgelegen habe. Alle sich hieran anschließenden Erkenntnisse seien gleichsam mit dem „Makel" dieser Rechtswidrigkeit behaftet und dürften deshalb ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Dies gelte insbesondere für die vom Kläger während der anschließenden polizeilichen Vernehmung gemachten Angaben.

Grundsätzlich entfalten gesetzliche Beweisverwertungsverbote keine sog. Fernwirkung. Das bedeutet, dass auf der Basis der unzulässigen Beweisergebnisse selbständig gewonnene Erkenntnisse verwertet werden können. Eine Ausnahme gilt, wenn sich der „Makel" auch auf die neuen Beweise erstreckt. Ob das der Fall ist, ist anhand der Besonderheiten des Einzelfalls zu entscheiden. Ungeschriebene Beweisverwertungsverbote können sich unmittelbar aus der Verfassung ergeben. Ein Verbot der Verwertung eines Beweisergebnisses kann sich auch aus einem Verstoß gegen einen Obersatz des Grundgesetzes ergeben (vgl. zum Ganzen Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, § 86, Rn. 23a m.w.N.).

Die im Rahmen der polizeilichen Vernehmung gemachten Angaben des Klägers sind im Verhältnis zu den Ergebnissen der Wohnungsdurchsuchung selbständig gewonnen worden, weil der Kläger ausweislich des Vernehmungsprotokolls auf sein Recht, sich nicht zur Sache äußern zu müssen, hingewiesen wurde, aber dennoch Angaben gemacht hat. Ob diese dort gewonnenen Erkenntnisse mit dem „Makel" der möglicherweise rechtswidrigen Wohnungsdurchsuchung behaftet sind, kann jedoch dahinstehen. Gleichfalls kann dahinstehen, ob die im Rahmen der polizeilichen Vernehmung gemachten Angaben des Klägers - wie sein Bevollmächtigter vorträgt - deshalb nicht verwertet werden können, weil der Kläger nach eigenen Angaben, die sein Bevollmächtigter später schriftsätzlich wiederholt hat, ca. drei Stunden vor der Vernehmung einen Joint geraucht hat und deshalb in entsprechender Anwendung des § 136a StPO nicht vernehmungsfähig war. Ebensowenig kommt es darauf an, ob dem Schriftsatz der damaligen Klägerbevollmächtigten vom 20. Juli 2009 die Bedeutung zugemessen werden kann, dass damit die vom Kläger im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung gemachten Angaben nochmals ausdrücklich eingeräumt wurden und deshalb auf dieser Grundlage berücksichtigt werden könnten.

4. Als berücksichtigungsfähige Tatsache steht jedenfalls fest, dass der Kläger Cannabiskonsument war, nachdem zwei selbständige Konsumakte eines Joints (nämlich am 21. August 2008 und 25. April 2009) bekannt sind und berücksichtigt werden können. Den Konsum am 21. August 2008 hat der Kläger nicht bestritten. Gegen die Richtigkeit des polizeilichen Schlussvermerks vom 18. Dezember 2008 wurde nichts vorgetragen; unabhängig hiervon hat der Senat auch keinen Anlass, an dessen Richtigkeit zu zweifeln. Den Konsum eines Joints am 25. April 2009 hat neben dem Kläger selbst auch der Bevollmächtigte des Klägers eingeräumt. Davon, dass das Eingeständnis dieses Konsumvorgangs durch den Bevollmächtigten des Klägers ebenfalls einer möglichen Fernwirkung eines möglichen Beweisverwertungsverbots im Zusammenhang mit der Wohnungsdurchsuchung unterliegt, kann keine Rede sein. Denn dieser Vortrag steht im Zusammenhang mit einer selbständigen Argumentation, die unabhängig von der möglichen Rechtswidrigkeit der Wohnungsdurchsuchung und ihrer Fernwirkung die Verwertbarkeit der im Rahmen der polizeilichen Vernehmung des Klägers gemachten Angaben infrage stellen soll.

Weiter steht aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers fest, dass er im Januar 2009 Cannabis in einer Menge von 100 g widerrechtlich erworben hat. Ein Kraftfahrer muss in einem Fahrerlaubnisentziehungsverfahren eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung mit dem darin festgestellten Sachverhalt gegen sich gelten lassen, sofern sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts ergeben (BVerwG vom 3.9.1992 NVwZ-RR 1993, 165). Die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts hat der Kläger nicht infrage gestellt. Er kann im fahrerlaubnisrechtlichen Entziehungsverfahren auch nicht mit dem Argument gehört werden, das Strafgericht hätte etwaige Beweisverwertungsverbote zu Unrecht nicht berücksichtigt, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Es wäre dem Kläger unbenommen geblieben, einen solchen Vortrag im strafgerichtlichen Verfahren einzubringen oder das Urteil mit Rechtsmitteln anzugreifen.

Damit liegen insgesamt ausreichend Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger in der Vergangenheit Cannabis eingenommen hat und deswegen möglicherweise auch zukünftig Cannabis konsumieren wird. Welcher Art dieser im maßgeblichen Zeitpunkt zukünftig möglicherweise zu besorgende Cannabiskonsum sein würde (einmalig, gelegentlich, regelmäßig), ist offen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein ärztliches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt. Eine solche Beibringungsaufforderung ist auch gerechtfertigt, wenn Anhaltspunkte für Cannabiskonsum vorliegen und das Konsummuster zu klären ist (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 14 FeV RdNr. 13 m.w.N.). Demgegenüber unterbleibt die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens, wenn Fahrungeeignetheit feststeht (§ 11 Abs. 7 FeV). Wenn also der Konsum des Klägers im fraglichen Zeitpunkt ein regelmäßiger gewesen sein sollte, wäre die Fahrerlaubnisbehörde zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes nicht verpflichtet gewesen.

5. Im Gegensatz zur Fahrerlaubnisbehörde ist das Gericht im Rahmen seiner Verpflichtung, die Sache spruchreif zu machen, nicht an die Vorschriften der §§ 11 ff. FeV gebunden. Die berücksichtigungsfähigen Tatsachen lassen für den maßgeblichen Zeitpunkt vermuten, dass der Kläger entweder regelmäßiger oder aber gelegentlicher Cannabiskonsument war. Hätte das gerichtliche Verfahren ergeben, dass regelmäßiger Cannabiskonsum vorlag, stünde die Fahrungeeignetheit des Klägers fest, hätte sich ein gelegentlicher Cannabiskonsum ergeben, hätte das Gericht gegebenenfalls weiter aufklären müssen, ob der Kläger über das nötige Trennungsvermögen verfügte.

Um das Konsummuster des Klägers aufzuklären, beabsichtigte das Gericht, den Kläger hierzu zu befragen. Die Bildung der richterlichen Überzeugung nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO setzt eine ausreichende Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO voraus. Das bedeutet, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten einer Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet sein können, die für die Entscheidung erforderliche Überzeugung des Gerichts zu begründen. Die gerichtliche Aufklärungsverpflichtung findet ihre Grenze jedoch in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten. Bei anwaltlich vertretenen Klägern ist die Mitwirkungspflicht grundsätzlich ausgeprägter als bei nicht anwaltlich vertretenen (Arntz, DVBl 2008, 82). Grundsätzlich hat jeder Prozessbeteiligte den Prozessstoff umfassend vorzutragen, also auch bei der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken; das gilt insbesondere für die „in seine Sphäre fallenden Ereignisse" (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 86, RdNr. 11 m.w.N.). Dass die Angaben über Art, Umfang und Regelmäßigkeit seines Cannabiskonsums nur der Kläger selbst machen kann, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Der gerichtlichen Aufforderung hierzu ist der Kläger nicht nachgekommen, obwohl ihm dies ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre. Dass im Verfahren zur Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis, das dem Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuzurechnen ist, kein Recht besteht, etwaige Fahreignungsmängel zu verbergen, zeigt bereits die Regelung des § 11 Abs. 8 FeV. Der Senat geht daher zu Ungunsten des Klägers davon aus, das dieser im maßgeblichen Zeitpunkt regelmäßiger Cannabiskonsument und damit fahrungeeignet war. ..." (VGH München, Urteil vom 01.10.2012 - 11 BV 11.1464)

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„... Der Antragsteller vermag insbesondere nicht mit seiner Behauptung durchzudringen, es könne ihm kein gemäß Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV zum Ausschluss der Fahreignung führender regelmäßiger Cannabiskonsum angelastet werden. Die protokollierten Aussagen, die er am 10./11. Januar 2012 diesbezüglich gegenüber der Polizei gemacht habe, seien unter Druck der vernehmenden Polizeibeamten zustandegekommen und entsprächen nicht der Wahrheit. Dieses Vorbringen ist, wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend erkennt hat, ungeeignet, die Unrichtigkeit - oder auch die Unverwertbarkeit - dieser Aussagen darzutun. Der Antragsteller setzt sich insbesondere nicht mit der unmittelbar einleuchtenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts auseinander, der Detailreichtum der Schilderungen des Antragstellers etwa zu seinen bisherigen Bezugsquellen in Wohnortnähe spreche für eine wahrheitsgemäße Einlassung. Soweit der Antragsteller angibt, die vernehmenden Polizeibeamten hätten Druck auf ihn ausgeübt und einen Zusammenhang zwischen seiner Aussagebereitschaft und der Entlassung aus dem polizeilichen Gewahrsam hergestellt, lässt sich das auch nicht ohne Weiteres in dem vom Antragsteller wohl beabsichtigten Sinne deuten, dass ihm unrichtige Angaben zum eigenen Drogenkonsum abverlangt worden wären. Denn aus polizeilicher Sicht ging es speziell darum, wem von den fünf Insassen des vom Antragsteller geführten Fahrzeugs die Einfuhr der großen Marihuanamenge in der Umhängetasche anzulasten war; dass zur Klärung dieser Frage bei der Vernehmung ein gewisser Druck ausgeübt worden ist, kann nachvollzogen werden. Ein spezielles Interesse der Polizei, den Antragsteller zu Falschbekundungen über seinen Cannabiskonsum zu drängen, ist hingegen nicht erkennbar. Im Übrigen wird auch nichts dazu vorgetragen, dass sich der Antragsteller gegen die von ihm - wenig konkret - behaupteten vermeintlich unlauteren Vernehmungmethoden der Polizei zur Wehr gesetzt hätte, etwa im Wege einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Es bleibt auch unklar, welcher Zusammenhang zwischen der protokollierten und vom Antragsteller unterschriftlich bestätigten Aussage und der abredewidrigen Benutzung des Fahrzeugs seines Vaters, auf die der Antragsteller verwiesen hat, bestehen könnte. Schließlich verhält sich die Beschwerdebegründung des Antragstellers auch nicht zu der Feststellung des Verwaltungsgerichts, er habe sich erst im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens auf eine unter polizeilichem Druck zustandegekommene Selbstbezichtigung berufen.

Ist demnach mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Fahrungeeignetheit des Antragstellers auszugehen - und damit auch von offensichtlich fehlenden Erfolgsaussichten seiner Anfechtungsklage gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 5. Juni 2012 -, ist auch die vom Verwaltungsgericht getroffene Interessenabwägung nicht zu beanstanden. Die von regelmäßigen - und daher schon wegen der Häufigkeit des Konsums nicht zum sicheren Trennen des Konsums und der Teilnahme am Straßenverkehr fähigen - Cannabiskonsumenten ausgehenden Gefahren nicht nur für das Abstraktum der Sicherheit des Straßenverkehrs, sondern für höchstrangige Rechtsgüter einer nicht eingrenzbaren Zahl anderer Verkehrsteilnehmer führen zum Vorrang des öffentlichen Interesses am vorläufigen Ausschluss des Antragstellers vom Führen von Kraftfahrzeugen gegenüber seinem persönlichen Mobilitätsinteresse. Nur nebenbei kann insoweit auch nicht über die erheblichen Anhaltspunkte dafür hinweggesehen werden, dass der Antragsteller auch bei der Rückfahrt von den Niederlanden am 10. Januar 2012 unter Cannabiseinfluss gestanden hat; denn sowohl seine Freundin, Frau E. , als auch die weiteren Mitfahrer M. und X. haben gegenüber der Polizei ausgesagt, sie alle hätten während des nach Angaben des Antragstellers rund fünfstündigen Aufenthalts in den Niederlanden in zumindest einem Coffeeshop Joints geraucht. ..." (OVG NRW, Beschluss vom 04.09.2012 - 16 B 930/12)

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„... Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt keine unzulässige Beweisantizipation darin, dass das Verwaltungsgericht aufgrund des polizeilichen Tätigkeitsberichts (A 35-120119-1715-033374) seine Entscheidung wesentlich darauf stützt, dass der Antragsteller im Zuge seiner polizeilichen Überprüfung gelegentlichen Cannabiskonsum eingeräumt hat. Vielmehr muss das Gericht auch im summarischen, regelmäßig keine Beweisaufnahme vorsehenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, für das der Antragsteller hier Prozesskostenhilfe begehrt, den Umstand, dass dies in dem Tätigkeitsbericht so vermerkt ist, ebenso wie das Vorbringen des Antragstellers im Verfahren würdigen. Da sich die Entscheidungskriterien insoweit also nicht ändern, bestehen auch keine Bedenken, den streitigen Sachverhalt auch im Prozesskostenhilfeverfahren für die Frage der hinreichenden Erfolgsaussicht des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO in gleicher Weise zu würdigen. Gegen die Würdigung als solche ist nichts zu erinnern. Der Antragsteller hat nach dem polizeilichen Tätigkeitsbericht noch weitere Angaben gemacht, die sich nach seinem jetzigen Vorbringen anders darstellen; insbesondere hat er ausgeführt, aus neurologischen Gründen Cannabis zu konsumieren. Ein Rezept dafür hat er nicht vorlegen können, der Cannabis-Konsum sei auch nicht ärztlich verordnet worden. Von der Verschreibung und der Einnahme anderer Medikamente, geschweige denn deren Nebenwirkungen, war gegenüber den Polizisten keine Rede. Lediglich bei der Blutentnahme gegenüber der Ärztin will der Antragsteller erwähnt haben, dass er zwei vom Arzt verschriebene Antibiotika einnehme und Darmtabletten eingenommen habe. Jetzt legt er ein ärztliches Attest und Zuzahlungsbescheinigung vor, wonach er wegen Magenbeschwerden bestimmte Medikamente verschrieben bekommen und erworben hat. Ihre Einnahme soll den Abbau des Wirkstoffs des Cannabis verzögert haben und so erklären, weshalb seine Angabe trotz damit nicht in Einklang zu bringender THC-Konzentration in seiner Blutprobe zutreffend sei, einmalig am Abend des Tages vor der Kontrolle einen Joint geraucht zu haben. Wenn das Verwaltungsgericht angesichts solchen Vorbringens angenommen hat, dass die - im Übrigen auch sonst wenig einleuchtende und in vielen Details nicht mit dem Polizeibericht übereinstimmende - Darstellung des Antragstellers verfahrensangepasst ist, so ist auch das nicht zu beanstanden. Es leuchtet nämlich ein, dass der Antragsteller von seinen Äußerungen gegenüber den Polizeibeamten abrücken möchte, nachdem er begriffen hat, dass der gelegentliche Cannabiskonsum bei mangelndem Trennungsvermögen fahrerlaubnisrechtlich Bedeutung für die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hat. ..." (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.08.2012 - OVG 1 M 84.12)

***

Zu der Frage, wann bei einem zeitlichen Abstand zwischen jeweils einzelnen Konsumakten (hier 5 Jahre) noch eine gelegentliche Einnahme von Cannabis bejaht werden kann. Zu den Anforderungen an den Nachweis einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis auch bei unglaubhaftem Vorbringen des Betroffenen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 07.06.2012 - 12 ME 31/12):

„... Die Antragsgegnerin wendet mit ihrer Beschwerde ein: Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei im Falle des Antragstellers ein gelegentlicher Konsum gegeben. Es könne nicht festgestellt werden, dass zwischen den Konsumakten eine so gravierende Zäsur bestehe, dass der zurückliegende Konsum nicht für die Frage der Gelegentlichkeit berücksichtigt werden könne. Die Annahme einer Zäsur setze Darlegungen des Antragstellers voraus, aus welchen Gründen und unter welchen Umständen es zu dem erneuten Konsum gekommen sei und dass sich die Konsumakte unterschieden. Die Konsumakte müssten eingestanden und erläutert sowie Umstände dargelegt werden, aus denen eine die Gelegentlichkeit ausnahmsweise ausschließende Zäsur zwischen zwei Konsumakten hergeleitet werden könne. Dass hier ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliege, werde auch durch die ermittelten THC-COOH-Werte von 16 ng/ml indiziert. Es habe kein Anlass zu weiterer Aufklärung vor Erlass der Entziehungsverfügung bestanden. Die fehlende Eignung des Antragstellers habe festgestanden. Insofern könne offenbleiben, ob im Hinblick auf die Einlassung des Antragstellers zu einer Absinth-Einnahme von einem die Nichteignung begründenden Mischkonsum von Cannabis und Alkohol auszugehen sei.

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. November 2011 wiederhergestellt. Nach summarischer Prüfung der Aktenlage erweist sich dieser Bescheid als voraussichtlich rechtswidrig. Nach Auffassung des Senats kann auf der Grundlage der derzeit allein vorhandenen Erkenntnisse nicht von der - von § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. 9.2.2 der Anlage 4 FeV für eine Entziehung der Fahrerlaubnis vorausgesetzten - gelegentlichen Einnahme von Cannabis ausgegangen werden.

Für eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Sinne der erwähnten Vorschrift genügt ein mehr als nur einmaliger, d. h. zumindest zweimaliger Konsum. Es bedarf also nicht der Feststellung eines fortlaufenden ununterbrochenen Konsums. Nach der Rechtsprechung des Senats kann allerdings nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums herangezogen werden (vgl. Beschluss des Senats vom 4.12.2008 - 12 ME 298/08 -, juris; Beschluss vom 23.2.2009 - 12 ME 356/08 - und vom 2.3.2012 - 12 ME 8/12 -, beide soweit ersichtlich nicht veröffentlicht). Der erfolgte Konsum muss vielmehr nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten von der Art sein, dass von einem gelegentlichen Konsum gesprochen werden kann. Für die Gewichtung des Drogenkonsums sind Art und Ausmaß des bisherigen Konsums in die Betrachtung einzubeziehen. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob die Umstände die Annahme nahelegen, dass der Betroffene ein einziges Mal Drogen zu sich genommen hat, oder ob sich der Konsum etwa über eine längere Zeit hingezogen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.2005 - 3 C 25.04 -, DAR 2005, 581, juris Rdn. 22 ff., 24). Eine aktuelle gelegentliche Cannabiseinnahme setzt einen inneren und zeitlichen Zusammenhang der Konsumereignisse voraus, wobei sich eine schematische Festlegung von Zeiten, nach deren Ablauf ein Cannabiskonsum im Rahmen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV unbeachtlich wird, verbietet.

Dafür, dass vorliegend wegen des Gewichts der Konsumakte und des Bestehens eines inneren und zeitlichen Zusammenhangs zwischen ihnen von einem gelegentlichen Cannabiskonsum durch den Antragsteller gesprochen werden kann, sind greifbare Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Senat geht nach gegenwärtigem Erkenntnisstand mit dem Verwaltungsgericht von einem zweimaligen Konsum aus: Der Antragsteller hat eingeräumt, einmal im Jahr 2006 im Alter von 17/18 Jahren 2-3 Mal an einem Joint gezogen zu haben. Der Befundbericht des Labors J. GmbH K. vom 19. August 2011 (2,6 ng/ml THC, 1,9 ng/ml THC-OH und 16 ng/ml THC-COOH) belegt einen weiteren Cannabiskonsum im August 2011 (zu den diesbezüglichen Erkenntnismöglichkeiten etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 24.3.2011 - 6 K 1156/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 27.9.2010 - 11 CS 10.1104 -, ZfSch 2010, 653, juris). Die nach Aktenlage festzustellenden jeweils einmaligen Konsumakte liegen ca. 5 Jahre auseinander. Auf einen inneren und zeitlichen Zusammenhang der Konsumereignisse deutet nichts hin. Bei - wie hier - 5 Jahren zwischen jeweils einmaligen Konsumakten liegt die Annahme eines zeitlichen Zusammenhangs eher fern. Umstände, die hier ausnahmsweise eine andere Betrachtung gebieten, sind weder dargetan noch ersichtlich. Gegen die Annahme eines inneren Zusammenhangs spricht, dass der erste Konsumakt mit 17/18 Jahren und der zweite mit 23 Jahren erfolgte und die dazwischen liegenden Jahre regelmäßig eine Zeit des Lebens sind, in der vielfältige persönliche Entwicklungen stattfinden. Wegen der hier anzunehmenden jeweils einmaligen Konsumakte unterscheidet sich der vorliegende Fall bereits im Tatsächlichen von dem von der Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung bemühten, vom Verwaltungsgericht Hannover mit seinem Urteil vom 17. Januar 2011 (- 9 A 3461/08 -, juris) entschiedenen Fall. Letztgenanntem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Betreffende früher regelmäßig oder gelegentlich Cannabis konsumiert und nach einer Abstinenz von viereinhalb Jahren erneut Cannabis zu sich genommen hatte. Dass Art und Ausmaß des bisherigen Konsums für die Gewichtung des Drogenkonsums und die Annahme eines zeitlichen Zusammenhangs einen wesentlichen Unterschied machen kann, wurde bereits ausgeführt.

Dass ungeachtet des eindeutigen Befundberichts vom 19. August 2011 der Antragsteller einen Konsum im August 2011 geleugnet hat bzw. ihm offensichtlich nicht geglaubt werden kann, dass der Befund auf einen Absinthgenuss zurückzuführen sei, lässt nicht ohne Weiteres den Schluss zu, er habe etwa seit 2006 wiederholt oder im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vorfall im August 2011 gelegentlich Cannabis konsumiert. Eine Einnahme von Cannabis muss mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.2005 - 3 C 25.04 -, DAR 2005, 581, juris Rdn. 17; Bay. VGH, Beschluss vom 25.1.2006 - 11 CS 05.1453 -, DAR 2006, 349, juris Rdn. 19 ff., 41; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3.2.2010 - OVG 1 S 234.09 -, juris; ausführlich auch VG Düsseldorf, Urteil vom 24.3.2011 - 6 K 1156/11 -, juris Rdn. 46 ff.). Ob der Nachweis geführt werden kann, ist unter Auswertung aller maßgeblichen Umstände des Falles, insbesondere unter Berücksichtigung der Einlassungen des Fahrerlaubnisinhabers, etwaiger Zeugenaussagen und der Ergebnisse genommener Blutproben und eines ärztlichen Gutachtens, zu prüfen. Der Senat erachtet den Nachweis gelegentlichen Cannabiskonsums nicht schon in der Regel dadurch als geführt, dass ein verkehrsauffällig gewordener Fahrerlaubnisinhaber zur Frage der Häufigkeit des Cannabiskonsums schweigt oder den erfolgten Konsum offensichtlich falsch darstellt (so aber wohl OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 2.3.2011 - 10 B 11400/10 -, DAR 2011, 279, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.2.2007 - 10 S 2301/06 -, ZfSch 2007, 295, juris; vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 12.3.2012 - 16 B 1294/11 - und vom 22.5.2012 - 16 B 536/12 -, jew. zitiert nach juris). Eine Auswertung aller maßgeblichen Umstände des vorliegenden Falles lässt hier nach derzeitiger Lage der Dinge nicht den hinreichend sicheren Schluss auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum zu. Die Motivation des Antragstellers dafür, einen Cannabiskonsum zu leugnen, dafür aber einen Absinthgenuss einzuräumen, der den Befund vom 19. August 2011 offensichtlich nicht zu erklären vermag, ist unklar. Der Senat hält es nicht für ausgeschlossen, dass er tatsächlich - wie auch in der Beschwerdeerwiderung behauptet - immer noch meint, auf diesem Wege einen Erstkonsum von Cannabis leugnen zu können. Es kann also derzeit nicht angenommen werden, er behaupte nur deswegen die Unwahrheit, um nicht einen gelegentlichen Cannabiskonsum einräumen zu müssen (vgl. zu einem solchen Fall aber OVG NRW, Beschluss vom 22.5.2012 - 16 B 536/12 -, zitiert nach juris). Gegen die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums spricht hier auch, dass dem unter dem 26. September 2011 versandten verkehrsmedizinischen Gutachten des G. e.V. H. keine Anhaltspunkte für einen aktuellen Cannabiskonsum des Antragstellers zu entnehmen sind. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 10.2.2009 - 12 ME 361/08 -, juris m.w.N.; s. auch Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, Rdn. 953 ff.; Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Aufl., 2010, 181 ff.) kann auch nicht schon aus dem hier ermittelten THC-COOH-Wert von 16 ng/ml auf eine gelegentliche Einnahme von Cannabis geschlossen werden. Die Antragsgegnerin legt auch mit ihrer Beschwerde keine neuen Erkenntnisse dar, die einen anderen Schluss rechtfertigten. Ohne dass es hierauf vorliegend entscheidungserheblich ankommt, merkt der Senat an, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Antragsgegnerin habe zur weiteren Sachverhaltsaufklärung gegenüber dem Antragsteller eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen, Bedenken begegnet (dazu im Einzelnen Bay. VGH, Beschluss vom 27.9.2010 - 11 CS 10.1104 -, ZfSch 2010, 653, juris).

Kann auf der Grundlage der derzeit allein vorhandenen Erkenntnisse nicht von einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis ausgegangen werden, lässt sich - entgegen der Annahme der Antragsgegnerin - eine fehlende Eignung auch nicht wegen eines zum Cannabiskonsum hinzugekommenen Gebrauchs von Alkohol im Hinblick auf den vorgetragenen Absinthgenuss annehmen. 9.2.2 der Anlage 4 FeV setzt allgemein eine gelegentliche Einnahme von Cannabis voraus. Eine einmalige Einnahme von Cannabis führt also auch dann nicht zur Fahrungeeignetheit, wenn zusätzlich Alkohol gebraucht worden wäre (s. auch etwa Pießkalla, NVZ 2008, 542). Ungeachtet dessen dürfte die Bejahung eines die Fahreignung ausschließenden zusätzlichen Alkoholgebrauchs voraussetzen, dass beide Substanzen, also Cannabis und Alkohol, im Körper gleichzeitig und wirkaktiv vorhanden sind (VG München, Urteil vom 20.1.2009 - M 6a K 08.417 -, juris Rdn. 15; OVG Saarl., Beschluss vom 8.1.2010 - 1 B 493/09 -, ZfSch 2010, 172, juris; Pießkalla, NVZ 2008, 542, 545 f.). Der Befundbericht des Labors J. GmbH K. vom 19. August 2011 liefert hierfür keinen Anhaltspunkt. ..."

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Glaubhaftigkeit der Behauptung eines erstmaligen Cannabiskonsums (OVG NRW, Beschluss vom 22.05.2012 - 16 B 536/12):

„... In der Sache ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird, weil der Antragsteller als gelegentlicher Cannabiskonsument nicht zwischen diesem Konsum und der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr getrennt hat (vgl. § 46 Abs. 1 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis- Verordnung). Die Richtigkeit dieser Bewertung wird durch die Beschwerde nicht erfolgreich in Frage gestellt.

Dass es dem Antragsteller an der Bereitschaft oder Fähigkeit fehlt, zwischen Konsum und Verkehrsteilnahme zu trennen, hat er mit der Fahrt vom 22. März 2011 (THC 1,6 ng/ml Serum) belegt. Der Senat bejaht im Einklang mit der fast einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung ein solches Trennungsdefizit bereits dann, wenn mit einem Wert von 1 ng/ml THC im Blutserum ein Kraftfahrzeug geführt worden ist, ohne dass darüber hinaus noch spezifische Auffälligkeiten festgestellt werden müssten.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2012 - 16 A 2075/11 -; ebenso Hamb. OVG, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 3 Bs 214/05 -, juris, Rdnr. 20 (= NJW 2006, 1367); VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27. März 2006 - 10 S 2519/05 -, juris, Rdnr. 7 (= NJW 2006, 2135); OVG Schl.-H., Urteil vom 17. Februar 2009 - 4 LB 61/08 -, juris, Rdnr. 35 f.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. Juni 2009 - 1 S 17.09 -, juris, Rdnr. 6 (= NZV 2010, 531); Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 41. Aufl. 2011, § 2 StVG Rdnr. 17g.

Wenn die Beschwerde demgegenüber auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verweist, kann schon zweifelhaft sein, ob der dort zugrunde gelegte Grenzwert von 2,0 ng/ml THC wie nach der vorherrschenden Meinung auf das Blutserum oder aber auf das sog. Vollblut bezogen ist; in den veröffentlichten Entscheidungen ist jedenfalls durchgängig vom THC-Wert "im Blut" die Rede.

Vgl. Bay. VGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 - 11 CS 04.2348 -, juris, Rdnr. 16 bis 19 (= Blutalkohol 43 Ä2006Ü, 414), und vom 25. Januar 2006 - 11 CS 05.1711 -, juris, Rdnr. 17 ff. (= DAR 2006, 407).

Ausschlaggebend für die Auffassung des Senats ist jedenfalls, dass nach dem Beschluss der sog. Grenzwertkommission vom 20. November 2002 - aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, Blutalkohol 44 (2007), 311 - der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1 ng/ml Serum liegen soll. Eine solche Konzentration kann - einschließlich eines entsprechenden Sicherheitszuschlags - sicher nachgewiesen und quantitativ präzise bestimmt werden. Insbesondere erscheint bei Erreichen einer derartigen Konzentration eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit möglich.

Vgl. unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Stellungnahmen BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 -, juris, Rdnr. 9 und 29 f. (= NJW 2005, 349).

Nimmt ein Fahrerlaubnisinhaber trotz eines nicht lange zurückliegenden Cannabiskonsums und einer deshalb jedenfalls möglichen cannabisbedingten Fahrungeeignetheit am Straßenverkehr teil, ist das als ein hinreichend aussagekräftiger Beleg dafür zu werten, dass ihm das zu fordernde Trennungsvermögen fehlt. Darüber hinaus ergeben sich aus einer neueren Veröffentlichung deutliche Hinweise darauf, dass konkrete Straßenverkehrsgefährdungen und Unfälle nach Cannabiskonsum bei einer THC- Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml nicht seltener als bei deutlich höheren Werten dieses Cannabiswirkstoffs auftreten, dass also bei Konzentrationen ab 1,0 ng/ml im Serum sogar mehr als bloß die Möglichkeit der Fahruntüchtigkeit besteht.

Vgl. Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul/ Eisenmenger, Blutalkohol 43 (2006), 441.

Was die Annahme angeht, dass der Antragsteller gelegentlich Cannabis konsumiert, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die in dem Einwand, ein gelegentlicher Cannabisgebrauch sei nicht bewiesen, möglicherweise zu sehende Behauptung eines Erstkonsums könne rechtlich allenfalls dann relevant sein, wenn ein solcher Erstkonsum konkret und glaubhaft dargelegt werde. Daran fehle es hier, denn der Antragsteller habe nach dem Polizeibericht keine Angaben zu einem Cannabiskonsum gemacht.

Der hiergegen gerichteten Argumentation des Antragstellers, die Auffassung des Verwaltungsgerichts laufe auf eine im Gesetz nicht vorgesehene Umkehr der Darlegungs- und Beweislast hinaus, hat der Senat zuletzt mit Beschluss vom 12. März 2012 - 16 B 1294/11 -, juris (= DAR 2012, 275), eine Absage erteilt. Er hat hierzu Folgendes dargelegt:

"Die regelmäßige Folge der Fahrungeeignetheit, die Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung an einen - hier unstreitig gegebenen - Verstoß gegen das Gebot, zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren zu trennen, knüpft, setzt voraus, dass der betroffene Fahrerlaubnisinhaber gelegentlich, d. h. öfter als nur einmal, Cannabis konsumiert (hat). Die Gelegent-lichkeit des Cannabiskonsums ist nach einhelliger Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde nach dem sog. Günstigkeitsprinzip die materielle (oder objektive) Beweislast trägt, mit der Folge, dass eine etwaige Nichterweislichkeit zu ihren Lasten geht. Keine Einigkeit besteht allerdings darüber, inwieweit bereits ein einziger aktenkundiger Verstoß gegen das Trennungsgebot in Verbindung mit einem bestimmten Erklärungsverhalten des Betroffenen den Schluss auf einen wiederholten Cannabisgebrauch erlaubt, sodass für eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen kein Raum ist. Nach Ansicht einer Reihe von Oberverwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsgerichtshöfen kann in diesem Zusammenhang ein gelegentlicher Konsum ohne zusätzliche Sachaufklärung nur angenommen werden, wenn ein solches Verhalten von dem Betroffenen ausdrücklich eingeräumt wird.

Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 24. September 2008 - 2 B 1365/08 -, juris, Rdnr. 4 (= NJW 2009, 1523); OVG M.-V., Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 1 M 142/06 -, juris, Rdnr. 21; Bay. VGH, Beschluss vom 16. August 2006 - 11 CS 05.3394 -, juris, Rdnr. 19; aus erster Instanz siehe nur das vom Antragsteller angeführte Urteil des VG Düsseldorf vom 24. März 2011 - 6 K 1156/11 -, juris.

Demgegenüber geht der Senat in Übereinstimmung mit weiteren Obergerichten,

vgl. OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 2. März 2011 - 10 B 11400/10 -, juris, Rdnr. 9 ff. (= NZV 2011, 573); OVG Schl.-H., Urteil vom 17. Februar 2009 - 4 LB 61/08 -, juris, Rdnr. 33, und Beschluss vom 7. Juni 2005 - 4 MB 49/05 -, juris, Rdnr. 3 ff. (= NordÖR 2005, 332); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Februar 2007 - 10 S 2302/06 -, juris, Rdnr. 15 (= Blutalkohol 44 Ä2007Ü, 190),

in ständiger Spruchpraxis davon aus, dass die Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss des Betäubungsmittels es grundsätzlich rechtfertigt, auf eine mehr als einmalige, gleichsam experimentelle Cannabisaufnahme zu schließen, wenn der auffällig gewordene Fahrerlaubnisinhaber einen solchen Vorgang zwar geltend macht, die Umstände des behaupteten Erstkonsums aber nicht konkret und glaubhaft darlegt.

Vgl. aus jüngerer Zeit etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Juli 2011 - 16 B 784/11 -, vom 30. März 2011 - 16 B 238/11 -, und vom 29. Juli 2009 - 16 B 895/09 -, juris, Rdnr. 13 (= NZV 2009, 522).

Die zuletzt genannte Rechtsprechung, die sich das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu eigen gemacht hat, beruht auf der Überlegung, dass es ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument zum einen bereits wenige Stunden nach dem Konsum wieder ein Kraftfahrzeug führt und er zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät. Dies wiederum berechtigt zu der Erwartung, dass er sich ausdrücklich auf einen - für ihn günstigen - Erstkonsum beruft und zu den Einzelheiten der fraglichen Drogeneinnahme glaubhaft erklärt. Tut er es wider Erwarten nicht, erscheint es daher zulässig, hieraus für ihn nachteilige Schlüsse zu ziehen.

Siehe dazu insbesondere OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 2. März 2011 - 10 B 11400/10 - , juris, Rdnr. 11 (= NZV 2011, 573).

An dieser Sichtweise ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festzuhalten. Sie führt, anders als der Antragsteller meint, nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu seinen Ungunsten. Vielmehr handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Das Verwaltungsverfahren kennt ebenso wie der Verwaltungsprozess grundsätzlich keine Behauptungslast und Beweisführungspflicht (formelle oder subjektive Beweislast). Behörden und Verwaltungsgerichte ermitteln den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW bzw. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Indes sollen die Beteiligten bei der Sachaufklärung gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG NRW mitwirken bzw. sind hierzu nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO heranzuziehen. Da die in diesem Rahmen geregelte Mitwirkung an der Ermittlung des Sachverhalts nicht mit Zwang durchgesetzt werden kann, sondern bloß eine Obliegenheit der Beteiligten betrifft, sind sie im Ausgangspunkt zwar frei, selbst darüber zu entscheiden, ob sie ihre Mitwirkung verweigern wollen oder nicht. Unterlässt es ein Beteiligter aber ohne zureichenden Grund, seinen Teil zur Sachaufklärung beizutragen, obwohl ihm das ohne Weiteres möglich und zumutbar ist und er sich der Erheblichkeit der in Rede stehenden Umstände bewusst sein muss, kann dieses Verhalten je nach den Gegebenheiten des Falles bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten berücksichtigt werden.

Vgl. zum Verwaltungsverfahren Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 26 Rdnr. 40 f. und 43 f., § 24 Rdnr. 12a ff. und 50; zum Verwaltungsprozess siehe Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 86 Rdnr. 11 f., § 108 Rdnr. 17.

So verhält es sich regelmäßig, wenn sich ein nach Cannabisgenuss verkehrsauffällig gewordener Fahrerlaubnisinhaber zu der Frage der Konsumhäufigkeit nicht oder nur unzulänglich äußert. Aus den genannten Gründen ist es erheblichen tatsächlichen Zweifeln ausgesetzt, dass einer Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr unter dem fahrerlaubnisrechtlich relevanten Einfluss von Cannabis ein Erstkonsum zugrundeliegt. Die Unwahrscheinlichkeit einer derartigen Sachverhaltsgestaltung rechtfertigt es, dem Betroffenen eine gesteigerte Mitwirkungsverantwortung aufzuerlegen, zumal er selbst durch sein Verhalten - Fahren unter Drogeneinwirkung - den entscheidenden Anlass gegeben hat, seine Konsumgewohnheiten im Vorfeld der Fahrt zu hinterfragen. Zugleich wird ein Cannabiserstkonsument, sollte es sich tatsächlich um einen solchen handeln, in aller Regel unschwer in der Lage sein, substantiiert darzulegen, wie es zu dem maßgeblichen Konsum gekommen ist und warum er sich schon kurz nach dem Konsumende wieder an das Steuer eines Kraftfahrzeugs gesetzt hat."

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Beschwerde zeigt keine neuen Gesichtspunkte auf, die Anlass zu einem erneuten Überdenken geben könnten.

Nicht zielführend ist im Weiteren der Einwand der Beschwerde, der Antragsteller habe gegenüber der Polizei schweigen dürfen, ohne dass dies zu seinen Lasten gewertet werde, weil er sich im Rahmen eines Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahrens nicht selbst anklagen müsse (Grundsatz des nemo tenetur se ipsum accusare).

Zur Geltung auch im Ordnungswidrigkeitenrecht vgl. Gürtler, in: Göhler, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Kommentar, 15. Aufl. 2009, § 55 Rdnr. 8.

Zwar ist richtig, dass ein Fahrerlaubnisinhaber nicht gezwungen ist, sich gegebenenfalls selbst eines straf- oder bußgeldbewehrten Verhaltens zu bezichtigen. Die Beschwerde übergeht jedoch, dass das gegen den Antragsteller geführte Bußgeldverfahren zwischenzeitlich abgeschlossen ist und das Amtsgericht Herne- Wanne ihn wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung eines berauschenden Mittels rechtskräftig zu einer Geldbuße verurteilt hat. Ausgehend davon ist zumindest heute kein Grund mehr ersichtlich, zu den Umständen eines etwaigen Erstkonsums zu schweigen, da der Antragsteller damit letztlich nur das einräumen würde - einmaliger Cannabisgebrauch - , was ohnehin schon feststeht.

Soweit der Antragsteller ferner meint, die Verurteilung wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung eines berauschenden Mittels nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG stehe der Annahme entgegen, er sei gelegentlicher Konsument, vermag der Senat dieser Überlegung nicht zu folgen. Auch bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten, der dieses Rauschmittel wissentlich zu sich nimmt und einige Zeit danach ein Kraftfahrzeug führt, ist nicht notwendigerweise zu unterstellen, dass er die Möglichkeit fortdauernder Wirkung des Cannabiskonsums zum Tatzeitpunkt entweder erkannt oder zumindest billigend in Kauf genommen hat.

Zum Bezugsgegenstand von Vorsatz und Fahrlässigkeit vgl. etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. Februar 2011 - 1 Ss 616/10 -, juris, Rdnr. 11 (= DAR, 2011, 218), mit weiteren Nachweisen; Janker, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 22. Aufl. 2012, § 24a StVG Rdnr. 7a.

Hat demnach die Annahme eines mehr als einmaligen Cannabisgebrauchs bei gleichzeitigem Verstoß gegen das Trennungsgebot Bestand, bedarf auch im Beschwerdeverfahren keiner Klärung, ob der Antragsteller anlässlich der Blutentnahme am 22. März 2011 den - unmittelbar fahreignungsausschließenden - Konsum sog. harter Drogen eingeräumt hat. Allerdings spricht auch aus Sicht des Senats letztlich alles dafür, dass der in dem ärztlichen Bericht in der Rubrik "Befragung" zum Stichwort "Medikamente oder Drogen" vorgenommene Eintrag "Kokain + Amphetamine" auf Angaben des Antragstellers beruht, da anderenfalls nicht nachvollziehbar wäre, was den Arzt zu diesem Vermerk hätte veranlassen sollen. Hinzu kommt, dass der Arzt abschließend unter "Gesamteindruck (z. B. Vortäuschung/Übertreibung/sonstige Auffälligkeiten)" unter anderem "Angaben zum Drogenkonsum!" notiert hat. Soweit die Beschwerde die Bemerkung aufgrund des vorangestellten Zeichens "" in dem Sinne verstehen will, dass der Antragsteller gerade keine Angaben zu einem Drogenkonsum gemacht hat, überzeugt diese Lesart schon deshalb nicht, weil ein Schweigen des Betroffenen der Regelfall sein dürfte, der als solcher kaum besonders mitteilungswürdig erscheint.

Schließlich unterliegt mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen auch die vom Verwaltungsgericht getroffene Interessenabwägung keinen durchgreifenden Bedenken. In aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die der Antragsteller hier im Hinblick auf seine Tätigkeit als Berufskraftfahrer geltend macht, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Juli 2007 - 1 BvR 305/07 -, juris, Rdnr. 6; für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO siehe BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 25. September 2000 - 2 BvQ 30/00 -, juris, Rdnr. 4 (= NJW 2001, 357), und vom 15. Oktober 1998 - 2 BvQ 32/98 -, juris, Rdnr. 5 (= DAR 1998, 466). ..."

***

Zur (hier verneinten) Bindung an tatsächliche Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil (OVG NRW, Beschluss vom 16.05.2012 - 16 A 1782/11):

„...1. Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 24. Juni 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Die streitige Fahrerlaubnisentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Nach § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das von ihm geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Das setzt allerdings voraus, dass die Begutachtungsanordnung ihm gegenüber wirksam geworden ist und zudem in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig, namentlich anlassbezogen und verhältnismäßig war.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 C 25.04 -, juris, Rdnr. 19 (= NJW 2005, 3081); zu § 15b Abs. 2 StVZO a. F. siehe BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 C 13.01 -, juris, Rdnr. 20 (= NJW 2002, 78); OVG NRW, Beschluss vom 10. November 2009 - 16 B 1181/09 -.

Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt. Der Beklagte war materiell berechtigt, die Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens in Form einer Blut- und/oder Urinuntersuchung zu verlangen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens an, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnimmt. Das war hier der Fall. Das Amtsgericht N. hat den Kläger mit Urteil vom 29. März 2007 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Dem lag zugrunde, dass anlässlich einer Durchsuchung seiner Wohnung am 8. August 2006 165,48 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 3,9 % (= 6,45 g THC), weitere 16,94 g Marihuana sowie 0,58 g Amphetamin sichergestellt worden waren. In der strafgerichtlichen Hauptverhandlung hat sich der Kläger zunächst dahin eingelassen, die bei ihm aufgefundenen Drogen seien zum Eigengebrauch bestimmt gewesen; nach Rücksprache mit seinem Anwalt hat er sodann eingeräumt, vielleicht ab und zu mal etwas abgegeben zu haben. Damit bestanden hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte sowohl für den unmittelbar fahreignungsausschließenden Konsum einer sog. harten Droge als auch für die ebenfalls fahreignungsrelevante regelmäßige Einnahme von Cannabis.

Dass der Beklagte die Einlassungen des Klägers im Strafverfahren zum Anlass für eine Begutachtungsanordnung genommen hat, ist auch in Ansehung von § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren von dem durch das Strafgericht festgestellten Sachverhalt nicht zum Nachteil des Fahrerlaubnisinhabers abweichen darf, unbedenklich. Zwar hat der Strafrichter die Angaben des Klägers zu einem beabsichtigten Eigenkonsum offenbar als Schutzbehauptung gewertet, indem er ausweislich der Gründe des Urteils vom 29. März 2007 festgestellt hat, dass die damals beim Kläger aufgefundenen Betäubungsmittel zum Weiterverkauf bestimmt waren (Urteilsabdruck Seite 3). Dazu hat sich der Beklagte mit der Begutachtungsanordnung jedoch nicht in Widerspruch gesetzt. Räumt ein Fahrerlaubnisinhaber im Rahmen eines Strafverfahrens ein, eine bestimmte in seinem Besitz befindliche Menge an Betäubungsmitteln habe dem Eigengebrauch dienen sollen, liegt darin bei sachgerechtem Verständnis regelmäßig - und so auch hier - zugleich das Eingeständnis des Betroffenen, bereits in der Vergangenheit entsprechende Substanzen konsumiert zu haben. Zur Richtigkeit dieser Behauptung verhält sich die strafgerichtliche Entscheidung weder ausdrücklich noch konkludent. Es kann auch nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Angaben des Klägers auch insoweit nicht der Wahrheit entsprachen. Da ein Angeklagter im Strafverfahren nicht zu einem wahrheitsgemäßen Vortrag verpflichtet ist, mag nach den Umständen des Einzelfalls eine unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis allein auf der Grundlage eines solchen Konsumeingeständnisses ausscheiden; jedenfalls gerechtfertigt sind aber weitergehende Aufklärungsmaßnahmen.

Vor diesem Hintergrund kann der Senat im Übrigen offen lassen, ob das Urteil des Amtsgerichts N. überhaupt Bindungswirkung entfalten konnte, oder ob die Bindung der Verwaltungsbehörde an den vom Strafrichter festgestellten Sachverhalt nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG voraussetzt, dass im Strafverfahren - anders als hier - die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB in Betracht kam.

Letzteres bejahend VG Freiburg, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 K 280/10 -, juris, Rdnr. 9 (= Blutalkohol 47 Ä2010Ü, 266); Dauer, in Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 3 StVG Rdnr. 17.

Die Einlassungen des Klägers waren ferner in dem dafür maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Begutachtungsaufforderung noch geeignet, Bedenken gegen dessen Kraftfahreignung hervorzurufen. Insoweit kann zur weiteren Begründung auf die diesbezüglichen Erwägungen in dem Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. August 2010 (7 L 698/10) Bezug genommen werden, denen sich der Senat anschließt.

Die Gutachtenanordnung war auch formell rechtmäßig. Das Schreiben vom 26. Mai 2010 entsprach den inhaltlichen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV. Der Beklagte hat darin die für ihn maßgeblichen Gründe mitgeteilt, an der Fahreignung des Klägers zu zweifeln. Die Anordnung enthielt darüber hinaus die notwendigen Fristsetzungen sowie die Angabe der in Betracht kommenden Untersuchungsstellen. Dass der Beklagte lediglich die Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens in Form einer Blut- und/oder Urinuntersuchung verlangt hat, ohne das Untersuchungsziel zu konkretisieren, ist unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen zur materiellen Rechtmäßigkeit der Gutachtenanforderung nicht zu beanstanden. Da das Konsumeingeständnis des Klägers nicht auf die Einnahme von Cannabis beschränkt war, bestand keine Veranlassung, den Gegenstand der ärztlichen Untersuchung insoweit einzugrenzen. Im Weiteren ist der Kläger auch auf die Folgen einer nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens oder einer Weigerung, sich untersuchen zu lassen, hingewiesen worden (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).

Die Nichtbeibringung des fachärztlichen Gutachtens ist zudem ohne ausreichenden Grund erfolgt. Soweit der Kläger nach Ablauf der Untersuchungsfrist mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 21. Juni 2010 geltend gemacht hat, er sei zunächst anders anwaltlich beraten worden, jetzt bestehe aber die Bereitschaft, sich umgehend einer Begutachtung zu unterziehen, waren damit keine Umstände dargetan, die es rechtfertigen konnten, aus seinem Verhalten ausnahmsweise keine negativen Schlüsse in Bezug auf die Frage seiner Kraftfahreignung zu ziehen. Was das Angebot zur Erstellung eines Drogenscreenings angeht, musste sich der Beklagte darauf nicht einlassen. Da der Konsum von Drogen in den Körperflüssigkeiten Blut und Urin nur eine begrenzte Zeit nachweisbar ist, ist es unabdingbar, dass die Untersuchung innerhalb kurzer, überraschend bestimmter Fristen stattfindet, um ausschließen zu können, dass der Betroffene sich auf die anstehende Probenabgabe rechtzeitig einstellt und so die Aufklärungsmaßnahme unterläuft. Letzteres wäre bei einem Zeitraum von mehreren Wochen zwischen der Anordnung der Untersuchung und der Abgabe der Blut- oder Urinprobe nicht mehr gewährleistet.

b) Die Aufforderung zur Ablieferung bzw. Übersendung des Führerscheins stützt sich auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG. Die Androhung eines Zwangsgelds zur Durchsetzung der Abgabepflicht ergibt sich aus §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1, 63 VwVG NRW. Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 6a StVG i. V. m. § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Die Verpflichtung des Klägers zum Auslagenersatz folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt.

2. Ist die angefochtene Ordnungsverfügung nach alledem rechtmäßig, hat die Klage schließlich - unabhängig von der Frage, inwieweit diesem Umstand im Rahmen der vorliegenden Anfechtungssituation überhaupt Rechnung getragen werden könnte - auch nicht deshalb Erfolg, weil der Beklagte aus Nr. 3 des Zwischenvergleichs verpflichtet wäre, die streitige Fahrerlaubnisentziehung aufzuheben. Eine solche Verpflichtung besteht danach dann, wenn das erste Screening keinerlei Drogen nachweist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Anders als der Kläger meint, knüpft die Verpflichtung zur Aufhebung der Entziehungsverfügung nicht daran an, dass ihm der Konsum von Drogen seitens des Beklagten nicht nachgewiesen werden kann. Ein derartiges Verständnis widerspräche offensichtlich Sinn und Zweck des Vergleichs, wie er in der unter Nr. 1 getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt. Denn hiernach sollte es im Gegenteil dem Kläger obliegen, nachzuweisen, dass er keine Drogen konsumiert. Die Bestimmung der Nr. 3 kann daher kontextbezogen nur so verstanden werden, dass der Beklagte sich (bereits) unter der Voraussetzung zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids verpflichtet hat, dass das erste von drei nach Nr. 1 beizubringenden fach- oder amtsärztlichen Gutachten eine Drogenfreiheit des Klägers belegt. Das ist indes nicht der Fall. Zwar beweist das in dem Zertifikat des TÜV Nord vom 3. Mai 2011 wiedergegebene Untersuchungsergebnis einen Drogenkonsum des Klägers nicht. Umgekehrt schließt es ihn aber auch nicht aus. Der fehlende Nachweis entsprechender Stoffwechselprodukte lässt lediglich die Möglichkeit einer von außen erfolgten Kontamination der Haare des Klägers offen (vgl. dazu die Stellungnahme des Prof. Dr. E1. in dem klägerseits vorgelegten Gutachten vom 5. September 2011). Dass weitere auf der Grundlage von Blut- und Urinproben erstellte Screenings unauffällig geblieben sind, ist für die Interpretation des Ergebnisses der Haaranalyse unergiebig. Da das Nachweisbarkeitsfenster sowohl für einen Cannabis- als auch für einen Kokainkonsum bei Blut- und Urinuntersuchungen erheblich kleiner ist (Stunden bis wenige Tage) als bei einer Haaruntersuchung (in Abhängigkeit von der Haarlänge mehrere Monate), sind daraus keine sicheren Rückschlüsse zu ziehen.

Vgl. zur unterschiedlichen Nachweisbarkeitsdauer etwa Mußhoff/Madea, Chemisch-toxikologische Analysen auf berauschende Mittel im Rahmen der Fahreignungsdiagnostik, NZV 2008, 485, 486 ff. ..."

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Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Anordnung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV zur Beibringung eines Eignungsgutachtens ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Anordnung maßgeblich. Ein rechtmäßig angeordnetes Gutachten muss auch dann beigebracht werden, wenn die zur Begutachtung Anlass gebenden Verkehrsordnungswidrigkeiten nach der Anordnung im Verkehrszentralregister getilgt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Tilgungsfrist vor Ablauf der Frist zur Beibringung des Gutachtens endet (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.03.2012 - OVG 1 S 18.12):

„...1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Unter welchen Umständen der Betäubungsmittelkonsum zur Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen führt, wird in Nr. 9 der Anlage 4 näher bestimmt. Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis besteht die Fahreignung (nur) dann, wenn der Fahrerlaubnisinhaber zwischen dem Drogenkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen kann (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV). Letzteres war hier am 14. Februar 2009 nicht der Fall. Aufgrund der bei dem Antragsteller an diesem Tag festgestellten hohen THC-Carbonsäure-Konzentration ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschluss vom 16. Juni 2009 - OVG 1 S 17.09 - Blutalkohol 46, 356, juris Rn. 5) von einem gelegentlichen Cannabiskonsum auszugehen; dies ist ebenfalls nicht streitig.

2. Nachdem wegen der seit der Rauschfahrt verstrichenen Zeit Zweifel an einer noch bestehenden Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen bestanden und dies folglich aufzuklären war (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 C 25.04 - NJW 2005, 3081, zit. nach juris Rn. 18 und 22 ff.), hatte die Behörde den Antragsteller nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV dazu anzuhalten, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, konnte sie sich hierbei nicht auf § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV stützen, denn diese Vorschrift wird bei Vorliegen einer lediglich gelegentlichen Cannabiseinnahme durch die für diesen Fall in § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV getroffene spezielle Regelung verdrängt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005, a.a.O. Rn. 21; Bayerischer VGH, Beschluss vom 29. August 2002 - 11 CS 02.1606 - juris Rn. 18; Sächsisches OVG, Beschluss vom 8. November 2001 - 3 BS 136/01 - DÖV 2002, 577, juris Rn. 3 ff.). Die Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, wonach die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden kann, wenn eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen, wie hier die Teilnahme am Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss, Zweifel an der Fahreignung begründen, sind im vorliegenden Fall erfüllt; dies gilt insbesondere, weil die Behörde die Rauschfahrt des Antragstellers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtenanordnung vom 22. September 2011 noch berücksichtigen konnte.

Zwar dürfen gemäß § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG die Tat und die Entscheidung dem Betroffenen für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn eine Eintragung über eine gerichtliche Entscheidung im Verkehrszentralregister getilgt ist; entsprechendes gilt bei einer verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidung. Da die am 27. Oktober 2009 rechtskräftig gewordene Bußgeldentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 3 StVG mit Ablauf des 27. Oktober 2011 aus dem Verkehrszentralregister zu tilgen war, hätte die Fahrerlaubnisbehörde die Rauschfahrt des Antragstellers nach diesem Datum nicht mehr zum Anlass für eine Gutachtenanordnung nehmen dürfen. Hier war die Anordnung jedoch bereits unter dem 22. September 2011 ergangen. Dass die sich aus § 29 StVG ergebende Tilgungsfrist vor dem Ende der Beibringungsfrist am 1. November 2011 abgelaufen war, ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - unschädlich, da nach Maßgabe des materiellen Rechts auf den Zeitpunkt der Gutachtenanordnung abzustellen ist.

Zum Zeitpunkt der Gutachtenanordnung lagen die dafür erforderlichen Voraussetzungen vor; nach der Rauschfahrt vom 14. Februar 2009 stand die Ungeeignetheit des Antragstellers fest, und von einer Wiedererlangung der Kraftfahreignung kann regelmäßig erst nach Vollziehung eines entsprechenden Einstellungswandels ausgegangen werden, der durch medizinisch-psychologische Begutachtung nachzuweisen ist. Wenn freilich zum Zeitpunkt der Anordnung - wie hier - ein Eignungsnachweis erforderlich war, um mögliche Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs auszuschließen, so kann dieses Bedürfnis nicht durch nachträglich eintretende Umstände, die diese Gefahren nicht beseitigen, nicht wieder entfallen (ebenso zur vergleichbaren Problematik im Zusammenhang mit § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 1 M 13/07 - juris Rn. 7, mit zustimmender Anmerkung von Geiger, SVR 2007, 354 f.; Sächsisches OVG, Beschlüsse vom 24. Juli 2008 - 3 B 18/08 - und vom 13. Oktober 2009 - 3 B 314/09 - jeweils juris Rn. 5; Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 - OVG 1 S 233.10 - Abdruck S. 3 f.; a.A. die Spruchpraxis des Bayerischen VGH: vgl. Beschluss vom 22. August 2011 - 11 ZB 10.2620 - juris Rn. 29). Diese Auslegung entspricht auch deswegen der Systematik des materiellen Rechts, weil die Fahrerlaubnisbehörde aus der Nichtbefolgung einer rechtmäßig angeordneten Begutachtung gemäß § 11 Abs. 8 in Verbindung mit § 46 Abs. 3 FeV zwingend auf die mangelnde Fahreignung schließen muss und in Folge dessen die Fahrerlaubnis zu entziehen hat (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 10 S 3175/11 - juris Rn. 24 m.w.N.). § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV beruht auf dem Rechtsgedanken, dass bei grundloser Verweigerung einer berechtigterweise erforderten Begutachtung die Vermutung begründet, dass der Fahrerlaubnisinhaber einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen wolle; insofern muss ein solcher Eignungsmangel zum Zeitpunkt der Gutachtenanordnung als nachgewiesen gelten.

Nach alledem dürfte sich vorliegend der aus dem fruchtlosen Ablauf der Vorlagefrist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gezogene Schluss der Fahrerlaubnisbehörde im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Da der Antragsteller die ihm eingeräumte Möglichkeit nicht genutzt hat, seine (ggf. wiedererlangte) Fahreignung nachzuweisen, gebietet es im Übrigen auch der im Zweifel vorrangige Schutz der Verkehrssicherheit, dem öffentlichen Vollziehungsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers den Vorrang einzuräumen. ..."

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Nach der Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss kann auf einen mehr als einmaligen (experimentellen) Cannabisgebrauch geschlossen werden, wenn der auffällig gewordene Fahrerlaubnisinhaber einen Erstkonsum nicht einmal behauptet, geschweige denn die näheren Umstände konkret und glaubhaft darlegt. Die Unwahrscheinlichkeit, dass ein Erstkonsument bereits kurze Zeit nach dem Konsum wieder ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch in eine Verkehrskontrolle gerät, rechtfertigt es, dem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber eine gesteigerte Mitwirkungsverantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts aufzuerlegen. Kommt der Betroffene seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nach, obwohl ihm das ohne Weiteres möglich und zumutbar ist und er sich der Erheblichkeit der in Rede stehenden Umstände bewusst sein muss, ist es zulässig, dieses Verhalten bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten zu berücksichtigen (OVG NRW Beschluss vom 12.03.2012 - 16 B 1294/11):

„...In der Sache beanstandet der Antragsteller erfolglos, dass das Verwaltungsgericht von einer gelegentlichen Cannabiseinnahme ausgegangen ist. Die regelmäßige Folge der Fahrungeeignetheit, die Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung an einen - hier unstreitig gegebenen - Verstoß gegen das Gebot, zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Fahren zu trennen, knüpft, setzt voraus, dass der betroffene Fahrerlaubnisinhaber gelegentlich, d. h. öfter als nur einmal, Cannabis konsumiert (hat). Die Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums ist nach einhelliger Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde nach dem sog. Günstigkeitsprinzip die materielle (oder objektive) Beweislast trägt, mit der Folge, dass eine etwaige Nichterweislichkeit zu ihren Lasten geht. Keine Einigkeit besteht allerdings darüber, inwieweit bereits ein einziger aktenkundiger Verstoß gegen das Trennungsgebot in Verbindung mit einem bestimmten Erklärungsverhalten des Betroffenen den Schluss auf einen wiederholten Cannabisgebrauch erlaubt, sodass für eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen kein Raum ist. Nach Ansicht einer Reihe von Oberverwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsgerichtshöfen kann in diesem Zusammenhang ein gelegentlicher Konsum ohne zusätzliche Sachaufklärung nur angenommen werden, wenn ein solches Verhalten von dem Betroffenen ausdrücklich eingeräumt wird.

Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 24. September 2008 - 2 B 1365/08 -, juris, Rdnr. 4 (= NJW 2009, 1523); OVG M.-V., Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 1 M 142/06 -, juris, Rdnr. 21; Bay. VGH, Beschluss vom 16. August 2006 - 11 CS 05.3394 -, juris, Rdnr. 19; aus erster Instanz siehe nur das vom Antragsteller angeführte Urteil des VG Düsseldorf vom 24. März 2011 - 6 K 1156/11 -, juris.

Demgegenüber geht der Senat in Übereinstimmung mit weiteren Obergerichten,

vgl. OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 2. März 2011 - 10 B 11400/10 -, juris, Rdnr. 9 ff. (= NZV 2011, 573); OVG Schl.-H., Urteil vom 17. Februar 2009 - 4 LB 61/08 -, juris, Rdnr. 33, und Beschluss vom 7. Juni 2005 - 4 MB 49/05 -, juris, Rdnr. 3 ff. (= NordÖR 2005, 332); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. Februar 2007 - 10 S 2302/06 -, juris, Rdnr. 15 (= Blutalkohol 44 Ä2007Ü, 190),

in ständiger Spruchpraxis davon aus, dass die Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss des Betäubungsmittels es grundsätzlich rechtfertigt, auf eine mehr als einmalige, gleichsam experimentelle Cannabisaufnahme zu schließen, wenn der auffällig gewordene Fahrerlaubnisinhaber einen solchen Vorgang zwar geltend macht, die Umstände des behaupteten Erstkonsums aber nicht konkret und glaubhaft darlegt.

Vgl. aus jüngerer Zeit etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Juli 2011 - 16 B 784/11 -, vom 30. März 2011 - 16 B 238/11 -, und vom 29. Juli 2009 - 16 B 895/09 -, juris, Rdnr. 13 (= NZV 2009, 522).

Die zuletzt genannte Rechtsprechung, die sich das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu eigen gemacht hat, beruht auf der Überlegung, dass es ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument zum einen bereits wenige Stunden nach dem Konsum wieder ein Kraftfahrzeug führt und er zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät. Dies wiederum berechtigt zu der Erwartung, dass er sich ausdrücklich auf einen - für ihn günstigen - Erstkonsum beruft und zu den Einzelheiten der fraglichen Drogeneinnahme glaubhaft erklärt. Tut er es wider Erwarten nicht, erscheint es daher zulässig, hieraus für ihn nachteilige Schlüsse zu ziehen.

Siehe dazu insbesondere OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 2. März 2011 - 10 B 11400/10 -, juris, Rdnr. 11 (= NZV 2011, 573).

An dieser Sichtweise ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festzuhalten. Sie führt, anders als der Antragsteller meint, nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu seinen Ungunsten. Vielmehr handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Das Verwaltungsverfahren kennt ebenso wie der Verwaltungsprozess grundsätzlich keine Behauptungslast und Beweisführungspflicht (formelle oder subjektive Beweislast). Behörden und Verwaltungsgerichte ermitteln den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW bzw. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Indes sollen die Beteiligten bei der Sachaufklärung gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG NRW mitwirken bzw. sind hierzu nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO heranzuziehen. Da die in diesem Rahmen geregelte Mitwirkung an der Ermittlung des Sachverhalts nicht mit Zwang durchgesetzt werden kann, sondern bloß eine Obliegenheit der Beteiligten betrifft, sind sie im Ausgangspunkt zwar frei, selbst darüber zu entscheiden, ob sie ihre Mitwirkung verweigern wollen oder nicht. Unterlässt es ein Beteiligter aber ohne zureichenden Grund, seinen Teil zur Sachaufklärung beizutragen, obwohl ihm das ohne Weiteres möglich und zumutbar ist und er sich der Erheblichkeit der in Rede stehenden Umstände bewusst sein muss, kann dieses Verhalten je nach den Gegebenheiten des Falles bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten berücksichtigt werden.

Vgl. zum Verwaltungsverfahren Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 26 Rdnr. 40 f. und 43 f., § 24 Rdnr. 12a ff. und 50; zum Verwaltungsprozess siehe Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 86 Rdnr. 11 f., § 108 Rdnr. 17.

So verhält es sich regelmäßig, wenn sich ein nach Cannabisgenuss verkehrsauffällig gewordener Fahrerlaubnisinhaber zu der Frage der Konsumhäufigkeit nicht oder nur unzulänglich äußert. Aus den genannten Gründen ist es erheblichen tatsächlichen Zweifeln ausgesetzt, dass einer Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr unter dem fahrerlaubnisrechtlich relevanten Einfluss von Cannabis ein Erstkonsum zugrundeliegt. Die Unwahrscheinlichkeit einer derartigen Sachverhaltsgestaltung rechtfertigt es, dem Betroffenen eine gesteigerte Mitwirkungsverantwortung aufzuerlegen, zumal er selbst durch sein Verhalten - Fahren unter Drogeneinwirkung - den entscheidenden Anlass gegeben hat, seine Konsumgewohnheiten im Vorfeld der Fahrt zu hinterfragen. Zugleich wird ein Cannabiserstkonsument, sollte es sich tatsächlich um einen solchen handeln, in aller Regel unschwer in der Lage sein, substantiiert darzulegen, wie es zu dem maßgeblichen Konsum gekommen ist und warum er sich schon kurz nach dem Konsumende wieder an das Steuer eines Kraftfahrzeugs gesetzt hat.

Hier ist der Antragsteller seiner nach den vorhergehenden Ausführungen bestehenden Mitwirkungsobliegenheit bislang nicht ansatzweise nachgekommen, obschon sich ihm die Notwendigkeit dazu spätestens in Kenntnis der ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufdrängen musste. Vielmehr hat er - soweit ersichtlich - bis heute zu keinem Zeitpunkt, also weder gegenüber der Polizei noch gegenüber der Antragsgegnerin noch im gerichtlichen Verfahren, auch nur vorgetragen, lediglich das eine Mal Cannabis zu sich genommen zu haben. Für dieses Verhalten ist ein einleuchtender Grund nicht erkennbar, wenn man nicht annimmt, dass der Antragsteller bloß deshalb schweigt, um nicht vor die Alternative gestellt zu werden, entweder einen zum Entzug der Fahrerlaubnis führenden gelegentlichen Cannabiskonsum einzuräumen oder die Unwahrheit sagen zu müssen. ..."

***

„... 3. Die Hauptsacheerfolgsaussichten sind offen. Im Hauptsacheverfahren wird zu prüfen sein, ob der streitgegenständliche Bescheid auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung gestützt werden kann. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Antragsteller tatsächlich als gelegentlicher Cannabis-Konsument einzustufen ist, der unter Einfluss von Cannabis (und Alkohol) mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen hat.

Dem Antragsteller ist zuzugeben, dass im Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund dessen summarischen Charakters nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellbar ist, ob die Blutprobe, aufgrund derer die Antragsgegnerin es als erwiesen ansah, dass er unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt habe, tatsächlich vom Antragsteller stammt. Der Senat hat hieran zumindest Zweifel, nachdem - wie auch das Erstgericht herausgestellt hat - im vom 30. September 2010 datierenden „Protokoll und Antrag zur Feststellung von Alkohol und Drogen im Blut" (Bl. 29 der Behördenakten) über der Unterschrift des Polizeibeamten eine handschriftliche Unterschrift auf der Zeile vorhanden ist, unter der der mit Maschine geschriebene Name des Antragstellers vermerkt ist, die also offenbar vom Antragsteller stammen soll, aber erhebliche Unterschiede zu sonstigen in den Akten vorhandenen Unterschriften des Antragstellers aufweist (vgl. etwa auf dem Protokoll der betroffenen Anhörung vom 2.11.2010 - Bl. 21 der Behördenakten, dem Schreiben des Antragstellers an die Antragsgegnerin vom 27.1.2011 - Bl. 44 der Behördenakten, oder in der Versicherung an Eides statt vom 15.4.2011 - Bl. 68 der Gerichtsakte des Erstgerichts). Im Hauptsacheverfahren wird noch zu klären sein, ob die hierdurch hervorgerufenen Zweifel ausschlaggebend sein können oder nicht. Sollten sich diese Zweifel als durchschlagend erweisen, lägen auch gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Bußgeldbescheid im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vom 3.9.1992 NVwZ-RR 1993, 165) vor.

Sollte die Blutprobe tatsächlich vom Antragsteller stammen, ist Folgendes zu beachten: Die gelegentliche Einnahme von Cannabis setzt mindestens zwei selbständige Konsumakte voraus (Jagow, Fahrerlaubnis- und Zulassungsrecht, Loseblattkommentar, § 46 FeV, S. 113j m.w.N.). Stammt die fragliche Blutprobe vom Antragsteller, so sind damit zunächst (nur) der einmalige Cannabis-Konsum und das fehlende Trennungsvermögen nachgewiesen, nachdem der festgestellte THC-Wert deutlich über 2,0 ng/ml lag (Jagow, a.a.O.). Nimmt ein Kraftfahrzeugführer unter der Einwirkung von Cannabis am Straßenverkehr teil, ist zur Verneinung seiner Fahreignung eine weitere Aufklärung durch Ermittlungen zur Häufigkeit seines Konsums aber nur dann geboten, wenn er ausdrücklich behauptet und substantiiert darlegt, er habe erstmals Cannabis eingenommen und sei somit weder ein gelegentlicher noch ein regelmäßiger Konsument. Erst wenn hierzu substantiierte Darlegungen erfolgen, ist ihre Glaubhaftigkeit unter Würdigung sämtlicher Fallumstände zu überprüfen (OVG Koblenz vom 2.3.2011 DAR 2011, 279; OVG Münster vom 29.7.2009 DAR 2009, 598; VGH Mannheim vom 21.2.2007 VBlBW 2007, 314; OVG Schleswig vom 7.6.2005 NordÖR 2005, 332; vgl. auch BayVGH vom 9.10.2006 Az. 11 CS 05.2819). Denn die Kombination von erstmaligem Cannabiskonsum, anschließender Verkehrsteilnahme unter Einwirkung des erstmalig konsumierten Stoffes und schließlich der Feststellung dieses Umstandes bei einer Verkehrskontrolle unter Berücksichtigung der relativ geringen polizeilichen Kontrolldichte spricht insgesamt deutlich für einen nur sehr selten anzunehmenden Fall. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer ausdrücklichen Behauptung mit substantiierten Darlegungen dazu, dass es sich bei der festgestellten Einnahme von Drogen tatsächlich um einen erstmaligen Konsum gehandelt hat (VGH Mannheim a.a.O.). Der Antragsteller hat aber ausweislich der Gerichts- und Behördenakten bislang nicht behauptet, im Zusammenhang mit dem hier streitgegenständlichen Vorfall erst- bzw. einmalig Cannabis konsumiert zu haben. Hinzu kommt, dass beim Antragsteller eine nicht unerhebliche Menge Cannabis aufgefunden wurde, so dass ein einmaliger Probierkonsum im Verhältnis zu den den oben zitierten Gerichtsentscheidungen zu Grunde liegenden Fällen als noch unwahrscheinlicher anzunehmen ist mit der Folge, dass vom Antragsteller erst recht zu fordern gewesen wäre, darzulegen, dass es sich tatsächlich nur um einen einmaligen Cannabiskonsum gehandelt hat.

4. Das Erstgericht ist im Rahmen einer von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängigen umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen zu dem Ergebnis gekommen, dass im hier zu entscheidenden Fall dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers am Erwerb und Bestand seiner Fahrerlaubnis der Vorzug zu geben ist (vgl. unter 4. der rechtlichen Ausführungen in der erstgerichtlichen Entscheidung). Dieses Ergebnis wird vom Senat geteilt, denn die Interessenabwägung hat sich an den Vorgaben zu orientieren, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 20. Juni 2002 (NJW 2002, 2378 ff.) aufgestellt hat. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es danach, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Ein Fahrerlaubnisinhaber muss den Entzug dieser Berechtigung dann hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen ordnungsgemäßen Ablauf resultiert; dieses Risiko muss deutlich über demjenigen liegen, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis wird deshalb in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt. Davon kann hier jedoch keine Rede sein, nachdem der Antragsteller - wie er selbst eingeräumt hat - erheblich alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen hat. Darüber hinaus wurden bei ihm - was er ebenfalls nicht bestritten hat - nicht unerhebliche Mengen von Marihuana sowohl im Fahrzeug als auch in seiner Wohnung aufgefunden. ..." (VGH München, Beschluss vom 26.09.2011 - 11 CS 11.1427)

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Eine rechtmäßige Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV setzt voraus, dass dem Betroffenen zuzumuten und möglich ist, das Gutachten innerhalb der gesetzten Frist vorzulegen. Die Angemessenheit der Vorlagefrist lässt sich nicht pauschal bestimmen. Ist die Fahreignung im Hinblick auf eine etwaige Entziehung der Fahrerlaubnis zu prüfen, so muss die Zeitspanne, innerhalb deren ein Gutachten vorzulegen ist, nicht so weiträumig bemessen sein, dass der Fahrerlaubnisinhaber bis zu ihrem Ablauf den nach Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV erforderlichen Abstinenznachweis führen kann (entgegen BayVGH, u. a. Beschluss vom 27. Februar 2007 - 11 CS 06.3132; OVG Thüringen, Beschluss vom 19.09.2011 - 2 EO 487/11).

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Ein früherer Drogenkonsum kann auch dann zur Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen herangezogen werden, wenn die Fahrerlaubnis neu erteilt worden ist, nachdem ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine längere Drogenabstinenz vorliegt (hier: 2 Jahre; OVG Bremen, Beschluss vom 01.08.2011 - 2 B 133/11):

„... Der Antragsteller kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, bei dem Vorfall vom Februar 2011 sei von einer einmaligen Cannabiseinnahme auszugehen, so dass die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht erfüllt seien.

Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren selbst eingeräumt, dass sein (früherer) Cannabiskonsum mit den Gutachten des TÜV SÜD vom 07.01.2010 und des TÜV NORD vom 03.09.2010 als gewohnheitsmäßig oder regelmäßig zu charakterisieren sei.

Im Gutachten des TÜV SÜD konnten die Bedenken gegen seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht vollständig ausgeräumt werden, da eine einjährige Drogenabstinenz noch nicht dokumentiert war. Das Gutachten des TÜV NORD führte zu einer positiven Prognose für den Antragsteller. Die Gutachter gelangten zu der Überzeugung, dass beim Antragsteller von einer hinreichenden Aufarbeitung und tragfähigen inneren Distanzierung ausgegangen werden könne, die eine auch künftige Beibehaltung der drogenabstinenten Lebensführung wahrscheinlich mache. Der Antragsteller habe sich von einem Drogen konsumierenden Umfeld gelöst und den Kontakt zu Personen, mit denen er früher Drogen konsumiert habe, abgebrochen (Seite 18 des Gutachtens).

Diese Einschätzung ist durch den Vorfall vom 03.02.2011 widerlegt worden. Es hat sich herausgestellt, dass der Antragsteller wieder Freunde hat, die Drogen konsumieren und dass er daran teilnimmt. Seine Angabe vor dem TÜV NORD, er schließe „es völlig aus, wieder mit Kiffer Leuten zu tun zu haben" (Seite 16 des Gutachtens), hat sich als unzutreffend erwiesen. Das rechtfertigt die Annahme der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller in seine alten Gewohnheiten zurückgefallen ist und deshalb können auch die früheren Vorfälle vom Herbst 2007 und Sommer 2008 zur Beurteilung seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen herangezogen werden.

Dass diese Vorfälle längere Zeit zurückliegen, steht dem nicht entgegen. Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat bereits entschieden, dass selbst ein zeitlicher Abstand von 3 ½ Jahren den Zusammenhang nicht aufhebt (B. v. 14.08.2007 - 1 B 302/07 -).

Der zeitliche Zusammenhang wird entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht durch das für ihn positive Gutachten des TÜV NORD unterbrochen. Dieses Gutachten ist lediglich eine von Sachverständigen gefertigte Stellungnahme zur Klärung von Eignungszweifeln (vgl. § 11 Abs. 3 FeV). Es darf von der Fahrerlaubnisbehörde nicht ungeprüft übernommen, sondern muss einer eigenen kritischen Würdigung unterzogen werden (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, § 11 FeV Rn. 18 m.w.N.). Haben sich die Annahmen im Gutachten - wie hier - als nicht zutreffend erwiesen, ist die Behörde nicht gehindert, eine erneute Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen unter Einbeziehung auch der früheren Vorfälle vorzunehmen. Der Auffassung des OVG Sachsen-Anhalt im vom Antragsteller zitierten Beschluss vom 18.07.2006 (Az. 1 M 64/06), dass der frühere Drogenkonsum ein abgeschlossenes Ereignis darstellt, wenn ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine längere Drogenabstinenz vorliegt, vermag sich der Senat deshalb nicht anzuschließen (vgl. auch schon OVG Bremen, B. v. 14.08.2007 - 1 B 302/07 -). Im Übrigen ging in jenem Fall der Neuerteilung der Fahrerlaubnis eine längere Drogenabstinenz voraus (3 Jahre; hier 2 Jahre). ..."

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„... Da § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung der Begründetheit dieses Rechtsmittels auf die Würdigung des Beschwerdevorbringens beschränkt, ist im Rahmen dieser Entscheidung nicht auf alle Rechtsfragen einzugehen, die der vorliegende Fall aufwirft. Zu erörtern ist vielmehr ausschließlich, ob der Beschluss vom 21. April 2011 aus den in der Beschwerdebegründung vom 30. Mai 2011 angesprochenen Gründen der Aufhebung oder Abänderung bedarf. In diesem Schriftsatz wird die angefochtene Entscheidung lediglich mit dem Argument bekämpft, die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV seien deshalb nicht erfüllt, weil diese Bestimmung das Vorliegen von Tatsachen verlange, aus denen sich die Annahme ergebe, dass der Betroffene Cannabis bereits konsumiert habe. Die Forderung, ein ärztliches Fahreignungsgutachten beizubringen, hätte angesichts des der Antragstellerin allein nachweisbaren Besitzes von Cannabis nur auf § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV gestützt werden können.

Sollte diesem Vorbringen zu folgen sein, könnte der angefochtene Bescheid schon deshalb keinen Bestand haben, weil § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV einen Ermessenstatbestand darstellt, die Antragsgegnerin im Schreiben vom 20. Oktober 2010 jedoch ausdrücklich davon ausgegangen ist, ihr stehe hinsichtlich der Forderung nach Beibringung eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens kein Ermessensspielraum zu. Die Antragsgegnerin hat dieses Verlangen jedoch zu Recht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV gestützt.

Die Beschwerdebegründung nimmt die Abgrenzung zwischen den Anwendungsbereichen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV und des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV in der Weise vor, wie dies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 22. November 2001 (DAR 2002, 185/186) getan hat und wie das auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof - mit der nachfolgend darzustellenden Ergänzung - für grundsätzlich zutreffend hält. Die genannten Vorschriften erfassen danach jeweils unterschiedliche Lebenssachverhalte und treffen dafür selbständige Regelungen. Liegen Anzeichen dafür vor, dass ein aktueller Konsum von Betäubungsmitteln stattgefunden "hat" (so ausdrücklich OVG NRW vom 22.11.2001, ebenda), ist die Behörde nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV verpflichtet, die Vorlage eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens anzuordnen. Fehlt es demgegenüber an Anhaltspunkten für eine Einnahme, hat eine Person aber Betäubungsmittel rechtswidrig besessen, kann die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV im Ermessenswege verlangt werden.

Der Senat lässt es dahinstehen, ob sich aus dem Vorfall am 5. März 2010 hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Antragstellerin bereits in der Vergangenheit wenigstens einmal Betäubungsmittel eingenommen hat. Denn unabhängig davon gebieten es der Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV einer- und des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV andererseits, einen Geschehensablauf, wie er damals zu verzeichnen war, dem Anwendungsbereich der erstgenannten Vorschrift zuzuordnen.

§ 14 Abs. 1 Satz 2 FeV trägt der Tatsache Rechnung, dass nicht jede Person, die widerrechtlich Betäubungsmittel besitzt oder besessen hat, auch Drogenkonsument sein muss. Dieser Schluss ist zum einen beim reinen Drogenhändler nicht gerechtfertigt, der sich selbst der Einnahme der von ihm vertriebenen Substanzen enthält. Ebenfalls nur nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV, nicht aber nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV zu beurteilen ist die Sachverhaltsgestaltung, dass eine Person Drogen, die ihr angeboten werden, erwirbt, sie sich aber erst überlegen will, ob sie diese wirklich konsumieren soll. Trägt z.B. ein Minderjähriger, bei dem Drogen vorgefunden wurden, der aber bisher noch nie in Zusammenhang mit Betäubungsmitteln in Erscheinung getreten ist, substantiiert vor, dass er dieses Rauschmittel nur aufgrund von Gruppendruck oder deshalb erworben habe, um gegenüber dem Dealer nicht als feige zu erscheinen, eine vorhandene Hemmschwelle ihn bisher jedoch von der Einnahme dieser Substanz abgehalten habe, so kann die Behörde die Forderung nach Beibringung eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens nur auf § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV stützen.

Demgegenüber bestehen jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine Zweifel daran, dass die Antragstellerin das Cannabis, das sich in ihrem Besitz befand, auch tatsächlich konsumieren wollte, und dass es zur Einnahme dieser Droge gekommen wäre, hätte der Kellner des Lokals ihr nicht das Rauschgift weggenommen. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob die Marihuana-Dolde, die sich in ihrem Geldbeutel befand, ohne weiteres für einen Konsum an Ort und Stelle geeignet gewesen wäre. Denn die Antragstellerin hat in der Beschwerdebegründung (ebenso wie überdies auch im gesamten früheren behördlichen und gerichtlichen Verfahren) nicht behauptet, dass die Angabe des als Zeugen einvernommenen Kellners unzutreffend war, sie habe darüber hinaus noch eine kleine Hand voll Marihuana mit sich geführt und einen gemeinsamen Konsum dieser Substanz angeregt.

War eine Person nachweislich entschlossen, in allernächster Zukunft Betäubungsmittel einzunehmen, und hat sie von dieser konkreten Absicht nicht aufgrund eines freien Willensentschlusses Abstand genommen, sondern unterblieb der unmittelbar bevorstehende Drogenkonsum aus nicht ihrem Einfluss unterliegenden Umständen (insbesondere aufgrund der Intervention Dritter), so kommt diesem Verhalten eine gleich große Aussagekraft dafür zu, dass der Betroffene eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs darstellen könnte, wie das dann der Fall ist, wenn hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür sprechen, dass diese Person in der Vergangenheit bereits einmal Rauschgift eingenommen haben könnte.

Der beschließende Senat lässt sich hierbei von der Erwägung leiten, dass ein auch verfassungsrechtlich tragfähiger Anlass zur Entziehung der Fahrerlaubnis nicht nur bei einem dauerhaften, die Fahreignung generell ausschließenden Eignungsmangel, sondern ebenso bei charakterlich-sittlichen Persönlichkeitsdefiziten besteht (BVerfG vom 20.6.2002 BayVBl 2002, 667/669). Solche liegen dann vor, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen (BVerfG vom 20.6.2002, ebenda). Ausdruck eines Mangels dieser Art ist es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (BVerfG vom 20.6.2002, ebenda). Ein der Fahreignung entgegenstehender charakterlich-sittlicher Mangel der vorbezeichneten Art kann nicht nur bei einer Person vorliegen, die bereits Betäubungsmittel eingenommen hat. Anlass zu der gleichen Besorgnis gibt auch jemand, der konkrete Anstalten trifft, solche Substanzen zu konsumieren, sofern er in der Lage ist, dieses Vorhaben auch umzusetzen (z.B. weil er die einzunehmende Droge mit sich führt oder er auf sie sonst sogleich Zugriff nehmen kann). Hierfür spricht auch, dass das Fahrerlaubnisrecht als Spezialmaterie des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dazu dient, künftige Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs zu verhindern. Stand eine Betäubungsmittelaufnahme tatsächlich unmittelbar bevor und unterblieb sie allein aufgrund von Umständen, die den Handelnden nicht zu entlasten vermögen (z.B. deshalb, weil ein Dritter den konkret geplanten Konsum unterbunden hat oder sonstige Umstände - z.B. das Erscheinen der Polizei - eine Aufgabe des Vorhabens erforderten), so ist die Notwendigkeit, Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder der Gefahrerforschung zu ergreifen, zumindest gleich groß wie in den Fällen, in denen der Verdacht besteht, eine Person könnte bereits einmal Drogen gebraucht haben. Dies rechtfertigt es, auch derartige Sachverhaltsgestaltungen als von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV erfasst anzusehen, und nur Fälle, bei denen noch offen ist, ob der Besitzer von Betäubungsmitteln von ihnen überhaupt Gebrauch machen wollte, dem Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV zuzuordnen.

Die Indizwirkung eines konkret geplanten und unmittelbar bevorstehenden, aber nicht ausgeführten Betäubungsmittelkonsums dafür, dass beim Handelnden charakterliche Fahreignungsmängel vorliegen könnten, wird vielfach allerdings dann entfallen, wenn er von seinem Vorhaben aus freiem Entschluss Abstand nimmt. Denn bereits ein solches Verhalten wird in der Regel der Annahme entgegenstehen, er sei im Sinn der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 (a.a.O.) bereit, Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Kauf zu nehmen, die sich aus einem Betäubungsmittelkonsum ergeben können. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor, da der von der Antragstellerin beabsichtigte Cannabiskonsum aufgrund äußerer Umstände unterblieb.

Da zwischen dem verdachtsbegründenden Vorfall vom 5. März 2010 und der an die Antragstellerin gerichteten Aufforderung, ein Fahreignungsgutachten beizubringen, nur etwa siebeneinhalb Monate lagen, ist auch das Erfordernis gewahrt, dass die Tatsachen, auf die sich die Fahrerlaubnisbehörde zur Begründung dieses Verlangens stützt, im Zeitpunkt der Gutachtensanforderung noch "aktuell" sein müssen (vgl. HessVGH vom 24.11.2010 NJW 2011, 1691/1692).

Handelt es sich bei dem Betäubungsmittel, dessen Einnahme der Betroffene im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV verdächtig ist, um Cannabis, so genügt allein die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift nicht, damit die Fahrerlaubnisbehörde die Vorlage eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens verlangen darf. Vielmehr hängt die Rechtmäßigkeit auch dieser bloßen Gefahrerforschungsmaßnahme davon ab, dass zusätzlich Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der geplante Cannabisgebrauch könnte mit Beeinträchtigungen der Sicherheit des Straßenverkehrs einhergehen (vgl. BVerfG vom 20.6.2002, a.a.O., S. 669). Solche "Zusatztatsachen" können sich daraus ergeben, dass der Betroffene unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt oder er über längeren Zeitraum erheblichen Haschischmissbrauch betrieben hat oder er einer besonders gefährdeten Personengruppe angehört (BVerfG vom 20.6.2002, ebenda).

Das Verwaltungsgericht hat die erforderliche Zusatztatsache im gegebenen Fall darin gesehen, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt des beabsichtigten Marihuanakonsums hochgradig alkoholisiert war. Die Beschwerdebegründung ist dieser Annahme weder in tatsächlicher Hinsicht noch unter dem Blickwinkel der rechtlichen Aussagekraft dieses Umstandes entgegengetreten. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens ist deshalb davon auszugehen, dass die Gutachtensanforderung insoweit keinen Bedenken begegnet. Mit Blickrichtung auf das vor dem Verwaltungsgericht anhängige Klageverfahren erscheint es jedoch sachdienlich, darauf hinzuweisen, dass der Senat am 19. Mai 2011 in der Verwaltungsstreitsache Az. 11 B 10.955 beschlossen hat, ein Sachverständigengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München darüber einzuholen, ob die Wissenschaft über Erfahrungssätze verfügt, aus denen sich ergibt,

1. mit welcher Wahrscheinlichkeit mit dem Auftreten psychischer Zustände zu rechnen ist, die mit einem Kontrollverlust einhergehen (bei denen insbesondere keine Gewähr dafür besteht, dass der Betroffene eine gefasste Absicht, zwischen dem Konsum von Cannabis und Alkohol und dem Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr zu trennen, weiterhin verwirklichen wird), wenn im Körper einer Person gleichzeitig THC und Alkohol vorgefunden werden,

2. ob die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Zustandes von der Höhe (und ggf. welcher Höhe) des THC- und/oder der Alkoholkonzentration im Körper oder von sonstigen, konkret benennbaren Faktoren abhängt.

Das Gericht trug damit der Tatsache Rechnung, dass die Annahme, eine Person, die ohne Zusammenhang mit einer Teilnahme am Straßenverkehr als Fahrzeugführer gleichzeitig Alkohol und Cannabis konsumiert hat, verfüge im Sinn des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 (a.a.O.) nicht über die erforderliche Fähigkeit, zwischen dem Konsum dieser Rauschmittel und dem Fahren zu trennen, nur dann gerechtfertigt erscheint, wenn aufgrund des Parallelkonsums beider Substanzen mit einem Kontrollverlust und deshalb u. U. mit einer Teilnahme des Betroffenen am Straßenverkehr als Fahrzeugführer gerechnet werden muss. Die Frage, ob - und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen - es als Folge des sich überlappenden Gebrauchs vom Alkohol und Cannabis zu einem solchen Kontrollverlust kommen kann, sieht der Senat als noch nicht hinreichend geklärt an.

Mangels einschlägigen Vorbringens in der Beschwerdebegründung nicht zu erörtern ist seitens des Verwaltungsgerichtshofs derzeit auch die Frage, ob die Grundsätze über die mögliche Ausgestaltung ärztlicher Fahreignungsgutachten, die der Senat im Beschluss vom 25. Januar 2006 (a.a.O.) aufgestellt hat (er betrifft die Sachverhaltsgestaltung, dass eine Person nachweislich Cannabis eingenommen und sie außerdem die Zusatztatsache "Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr unter relevantem Einfluss dieser Droge" verwirklicht hat und lediglich die Richtigkeit der Behauptung zu überprüfen ist, der Cannabiskonsum sei nur einmalig erfolgt), in Fällen der hier inmitten stehenden Art in gleicher Weise zum Tragen kommen können. ..." (OVG München, Beschluss vom 21.07.2011 - 11 CS 11.1061)

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Die Einräumung gelegentlichen Cannabiskonsums und des Besitzes von 200 g Haschisch für den Eigenbedarf kann ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV die Annahme begründen, dass eine "Einnahme" von Betäubungsmitteln "vorliegt", wenn die Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Anordnung zur Beibringung des ärztlichen Gutachtens zweieinhalb Jahre zurückliegen (HessVGH Urteil vom 24.11.2010 - 2 B 2190/10):

„... I. Der Antragsteller wendet sich mit seinem vorläufigen Rechtsschutzantrag gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis im Wege der Schlussfolgerung nach § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV).

Im Rahmen eines gegen ihn geführten Strafverfahrens wurde im Januar 2007 seine Wohnung durchsucht; hierbei wurden rund 200 g Haschisch aufgefunden. Der Antragsteller ließ sich im Strafverfahren zu dem Fund dahin ein, er habe das Haschisch für den Eigenbedarf in größerer Menge gekauft. Im Dezember 2007 wurde er wegen Handeltreibens mit Haschisch in mindestens zehn Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Seine Einlassung wurde als widerlegt angesehen, das Urteil rechtskräftig.

Nachdem der Führerscheinbehörde das strafgerichtliche Urteil im Juni 2009 übersandt worden war, ordnete diese unter dem 12. August 2009 gegenüber dem Antragsteller die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens an im Hinblick auf seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. In der auf § 11 Abs. 2 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV gestützten Anordnung heißt es, der Antragsteller habe im Strafverfahren angegeben, das bei ihm gefundene Rauschgift sei für seinen Eigenbedarf bestimmt gewesen; die Einnahme von berauschenden Mitteln stelle ein hohes Gefährdungspotenzial für den Straßenverkehr dar. Hieraus ergäben sich Bedenken an seiner Fahrtauglichkeit. Die amtsärztliche Untersuchung solle Aufschluss darüber geben, ob ein regel- oder gewohnheitsmäßiger Konsum von berauschenden Mitteln betrieben werde. Nachdem der Antragsteller sich zunächst mit der Beibringung des Gutachtens einverstanden erklärt, ein erster Urinbefund keinen Anhaltspunkt für Drogengebrauch ergeben und der Antragsgegner die Frist zur Beibringung des abschließenden Gutachtens auf den 30. Juni 2010 festgesetzt hatte, vertrat der Antragsteller mit Schreiben vom 25. Juni und 20. Juli 2010 die Auffassung, seit der Wohnungsdurchsuchung seien nunmehr mehr als dreieinhalb Jahre vergangen, es habe sich damals um einen einmaligen rechtswidrigen Besitz von Haschisch ohne Bezug zum Straßenverkehr gehandelt und ein regelmäßiger oder gewohnheitsmäßiger Cannabis-Konsum sei nicht festzustellen. Er sei seit dem Jahre 2007 verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten und deshalb gebe es keine sachlichen Gründe, die es rechtfertigen könnten, seine Fahreignung anzuzweifeln. Ein ärztliches Gutachten wurde nicht vorgelegt.

Mit Bescheid vom 15. September 2010 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die erteilte Fahrerlaubnis der Klassen BE, C1E, L, M und S unter Anordnung des Sofortvollzugs. Zur Begründung heißt es, das angeordnete ärztliche Gutachten sei nicht beigebracht worden und deshalb dürfe die Führerscheinbehörde gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung schließen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch ist noch nicht beschieden. Der Eilantrag hatte beim Verwaltungsgericht keinen Erfolg.

II. Die gemäß §§ 146, 147 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die angefochtene Verfügung wiederherzustellen. Es sprechen ganz überwiegende Gründe dafür, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis in dem genannten Bescheid rechtswidrig ist. An der sofortigen Vollziehung einer rechtswidrigen Verfügung besteht kein besonderes öffentliches Interesse.

Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand durfte der Antragsgegner dem Antragsteller nicht wegen mangelnder Kraftfahreignung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FeV im Wege der Schlussfolgerung nach § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis entziehen, weil bereits die Voraussetzungen für die Anordnung der Vorlage eines ärztlichen Gutachtens gemäß §§ 11 Abs. 2, 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV nicht vorgelegen haben. Der Schluss auf die Nichteignung eines Fahrerlaubnisinhabers gemäß § 11 Abs. 8 FeV setzt voraus, dass die vorherige Anordnung einer Eignungsbegutachtung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist. Hieran fehlt es vorliegend.

Der Antragsgegner hat Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers daraus hergeleitet, dass in seinem Besitz einmal eine größere Menge Haschisch gefunden worden war und der Antragsteller im Strafverfahren vor Gericht angegeben hatte, er habe diese Menge für seinen Eigenbedarf besessen. Deshalb sei durch ärztliche Begutachtung aufklärungsbedürftig, ob ein regelmäßiger oder gewohnheitsmäßiger Konsum von berauschenden Mitteln vorliegt. Das ist hier aber unter Berücksichtigung des Zeitablaufs nicht gerechtfertigt. Die vom Antragsgegner herangezogene Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV, die ihrem Wortlaut nach die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens bereits dann vorschreibt, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt, bedarf dann, wenn lediglich Cannabis in Rede steht, im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einer verfassungskonformen einschränkenden Auslegung (siehe BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, juris).

Hiernach ist - nach inzwischen gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung (siehe etwa Bay. VGH, Beschluss vom 22. September 2010 - 11 ZB 10.184 -, juris, Rn. 9; OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Juni 2010 - 12 PA 41/10 -, juris, Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Mai 2009 - 16114/09 -, juris, Rn. 9; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - 10 B 11149/08 -, juris, Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Juli 2003 - 10 S 2270/02 -, juris, Rn. 5) - für die Rechtmäßigkeit einer Anordnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV erforderlich, dass entweder hinreichend konkrete Anknüpfungspunkte für einen regelmäßigen Cannabiskonsum oder neben der Einnahme von Cannabis weitere Tatsachen vorliegen, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Zweifel ziehen, wie etwa das fehlende Trennungsvermögen zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen von Kraftfahrzeugen. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Sie entspricht auch dem Regelungssystem der §§ 46 Abs. 3, 11 Abs. 2 Satz 2 FeV i. V. m. Anlage 4 zur FeV. Hiernach ist bei der bloß gelegentlichen Einnahme von Cannabis Fahreignung regelmäßig gegeben, wenn der Betreffende Konsum und Fahren trennen kann und wenn kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt (Ziffer 9.2.2 der Anlage 4). Bei regelmäßigem Cannabiskonsum hingegen besteht gemäß Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 keine Fahreignung. Diese Auslegung hat der Antragsgegner seiner Gutachtensanordnung auch zutreffend zugrunde gelegt, da die Gutachtensfrage dahin gestellt wird, ob ein regelmäßiger oder gewohnheitsmäßiger Konsum vorliegt.

Es kann offen bleiben, ob aus dem Haschischfund beim Antragsteller in Verbindung mit seiner Einlassung, er habe sich für den Eigenverbrauch in größerer Menge bevorratet, überhaupt hinreichend deutliche Anzeichen für einen regelmäßigen Cannabiskonsum hergeleitet werden können. Denn zur Häufigkeit des Cannabiskonsums geben die benannten Tatsachen keine Anhaltspunkte und das Vorliegen eines lediglich „gelegentlichen" Cannabis-Konsums kann - wie ausgeführt - für sich allein genommen kein Anlass für die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung sein. Auch wenn das Merkmal der „Regelmäßigkeit" nicht dahin verstanden werden müsste, dass ein nahezu täglicher Cannabiskonsum damit gemeint ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Juli 2003 - 10 S 2270/02 -, DAR 2004, 113) gibt die Einlassung des Antragstellers, er sei Eigenkonsument, keinen Anknüpfungspunkt für eine rechtlich erhebliche Konsumhäufigkeit (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2004 - 1 S 16/03 -, juris, Rn. 7). Bei lebensnaher Betrachtung war allerdings damals zumindest ein gelegentlicher Cannabiskonsum sehr naheliegend. Neben der eigenen Einlassung des Antragstellers steht aber auch fest, dass er mit größeren Mengen Haschisch gehandelt hat (vgl. zu solchen Fallgestaltungen OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O., juris, Rn. 6). Ob die Besonderheit der hier gefundenen großen Menge Cannabis an sich ein hinreichend deutliches Indiz für einen „regelmäßigen" oder gewohnheitsmäßigen Cannabiskonsum im Jahre 2007 sein kann, bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung.

Denn jedenfalls der Zeitablauf seit dem Haschischfund im Januar 2007 und der Einlassung des Antragstellers im Strafverfahren, in dem die mündliche Verhandlung am 20. Dezember 2007 stattgefunden hat, schließen es aus, aus den hier gegebenen Tatsachen zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung im August 2009 noch Anhaltspunkte für eine gegenwärtige regelmäßige Einnahme von Cannabis herzuleiten. Die Formulierung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV, die davon spricht, dass „Einnahme von BTM" „vorliegt", deutet bereits darauf hin, dass die Anknüpfungstatsachen hinreichend aktuell sein müssen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. November 2001 - 19 B 814/01 -, juris, Rn. 10). Dies ergibt sich auch aus dem Unterschied zu der Formulierung des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV, die ausdrücklich in der Vergangenheit liegende Tatsachen einbezieht (OVG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.).

Eine feste Zeitgrenze, nach deren Ablauf ein Drogenkonsum im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV unbeachtlich werden soll, lässt sich nicht festlegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 C 25.04 -, NZV 2006, 52 zur Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV). Maßgeblich ist vielmehr eine Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände. Entscheidend ist, ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen. Von besonderem Gewicht ist insoweit Art und Ausmaß eines früheren Drogenkonsums (BVerwG, a. a. O.). Ein Zeitablauf von fünf Monaten zwischen dem letzten festgestellten Besitz von Cannabis und der Anordnung eines Drogenscreenings wurde in der Rechtsprechung als unproblematisch angesehen (OVG Nordrhein-Westfalen, a. a. O., Rn. 43). Der soeben zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O.) lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem das Berufungsgericht eine zeitliche Grenze von 15 Monaten zwischen dem letzten Drogenkonsum und der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV zugrunde gelegt hatte.

Im vorliegenden Fall kann der Zeitablauf bis zur Gutachtensanordnung von zweieinhalb Jahren seit dem Haschischfund und mehr als eineinhalb Jahren seit der Einlassung des Antragstellers zu seinem Eigenverbrauch im Strafverfahren keine hinreichend aktuellen Anhaltspunkte mehr für eine regelmäßige Einnahme von Cannabis begründen. Hinsichtlich des Ausmaßes des früheren Drogenkonsums ist zu berücksichtigen, dass bereits bezogen auf das Jahr 2007 die Indizien für einen regelmäßigen Cannabiskonsum wie ausgeführt zweifelhaft waren. Bis zur Gutachtensanordnung ist auch kein Umstand aufgetreten, der die bloße Vermutung eines regelmäßigen Haschischkonsums hätte erhärten können. Jedenfalls unter diesen Umständen kann eineinhalb Jahre nach dem letzten greifbaren Anhaltspunkt für Haschischkonsum nicht mehr die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zur Fragestellung, ob regelmäßiger Cannabiskonsum vorliegt, verlangt werden. Eine solche Anordnung ist nicht mehr „anlassbezogen und verhältnismäßig".

Die Rechtmäßigkeit des Fahrerlaubnisentzugs kann auch nicht auf die Annahme gestützt werden, dass die Gutachtensanordnung auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV rechtmäßig gewesen sei. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zwar dann angeordnet werden, wenn der Betroffene - wie hier - Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Hiernach kann der bloße Besitz von Betäubungsmitteln in der Vergangenheit grundsätzlich eine genügende Anknüpfungstatsache sein, ohne dass - wie in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV vorausgesetzt - Tatsachen vorliegen müssen, die die Annahme begründen, dass bis in die Gegenwart eine Einnahme von Betäubungsmitteln vorliegt. Diese bei wörtlicher Anwendung sehr weitreichende Vorschrift bedarf jedoch ebenso wie § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV, wenn nur Besitz von Cannabis in Rede steht, zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit einer einschränkenden Auslegung (siehe BVerfG, a. a. O.). Hiernach kann nicht jeder nachgewiesene Besitz von Haschischprodukten zum Anlass genommen werden, eine ärztliche Begutachtung zu verlangen, sondern dies setzt tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, dass bei dem Betroffenen ein Konsum- oder Bevorratungsverhalten gegeben ist, das - anders als ein bloß gelegentlicher Cannabiskonsum - aus sich heraus andauernde Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges rechtfertigt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Mai 2009 - 16 B 114/09 -, juris). Solche Anhaltspunkte fehlen - wie ausgeführt - hier jedenfalls zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung.

Unabhängig davon könnte die Anordnung des Antragsgegners vom 12. August 2009 auch deshalb nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV gestützt werden, weil diese Vorschrift die Ausübung von Ermessen voraussetzt und der Antragsgegner sich demgegenüber ohne Ermessensausübung auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV gestützt hat. Eine Umdeutung in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 1 HVwVfG scheitert unter diesen Umständen daran, dass eine gesetzlich gebundene Entscheidung nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden kann (§ 47 Abs. 3 HVwVfG; vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1999 - 4 C 23.97 -, NVwZ 2000, 195 zur entsprechenden Anwendung der Umdeutungsvorschriften im Rahmen des § 14 FeV siehe etwa Beschluss des Senats vom 13. Januar 2010 - 2 B 2741/09 -). ..."

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„... Der Einwand, er habe aufgrund seiner durch Arbeitslosigkeit bedingten angespannten finanziellen Situation die Kosten einer medizinisch-psychologischen Begutachtung nicht aufbringen können, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Nach ständiger Rechtsprechung kann allenfalls in besonders gelagerten Fällen Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage des Fahrerlaubnisinhabers genommen werden. Derartige Umstände hat der Kläger nicht aufgezeigt. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass er sich etwa erfolglos um den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung, die Aufnahme eines Darlehens oder eine Kostentragung durch Dritte bemüht hat.

Vgl. in diesem Zusammenhang OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2008 - 16 E 890/08 - mit weiteren Nachweisen.

Der Zeitablauf zwischen der Cannabisfahrt am 8. August 2006 und der Begutachtungsaufforderung vom 21. Dezember 2009 bedingt nicht deren Unverhältnismäßigkeit. Insofern ist unerheblich, dass der Kläger zwischenzeitlich nicht mehr einschlägig in Erscheinung getreten ist. Wenn ein Verkehrsverstoß zu einer registerpflichtigen Ahndung geführt hat, bestimmt sich dessen Berücksichtigungsfähigkeit in aller Regel ausschließlich nach den für dieses Register geltenden Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen. Ist der anlassgebende Sachverhalt danach - wie hier - noch verwertbar, ist für eine zusätzliche einzelfallbezogene Prüfung, ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen, kein Raum mehr. Anderenfalls würden die vom Gesetzgeber selbst festgelegten Fristen unterlaufen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 C 21.04 -, juris Rdnr. 25 f. und 33 (= NJW 2005, 3440); OVG NRW, Beschluss vom 12. September 2009 - 16 E 1439/08 -; Bay. VGH, Beschluss vom 6. Mai 2008 - 11 CS 08.551 -, juris Rdnr. 34 ff. und 39.

Ausgehend davon war der Beklagte, wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der angefochtenen Ordnungsverfügung vom 18. Februar 2010 zu Recht festgestellt hat, jedenfalls berechtigt, die Fahreignung des Klägers zu überprüfen. Da der Kläger die Beibringung des zu diesem Zweck angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens ohne zureichenden Grund verweigert hat, konnte mit der Folge der Fahrerlaubnisentziehung auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). ..." (OVG NRW, Beschluss vom 19.10.2010 - 16 A 2133/10)

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Der einmalig festgestellte bloße Besitz von Cannabis rechtfertigt für sich allein nicht die Anordnung, ein ärztliches Gutachten gem. § 14 I 1 Nr. 2 FeV beizubringen (OVG Koblenz, Beschluss vom 21.11.2008 - 10 B 11149/08, NJW 2009, 1522 f zu FeV §§ 11 VIII, 14 I 1 Nr. 2)

Die „Gelegentlichkeit" der Einnahme von Cannabis ist eine Tatbestandsvoraussetzung. Von ihrem Vorliegen hängt es ab, ob das in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung genannten Regelbeispiels für die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegt. Es obliegt daher der anordnenden Behörde, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass der betroffene Fahrerlaubnisinhaber mehr als einmal Cannabis konsumiert hat. Von einem gelegentlichen Cannabiskonsum kann dann zweifelsfrei ausgegangen werden, wenn ein solches Verhalten von dem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber selbst eingeräumt wird. Ist dies nicht der Fall, darf eine Fahrerlaubnis ohne weitere Aufklärung des Sachverhaltes nur dann entzogen werden, wenn die Behörde den gelegentlichen Konsum von Cannabis zweifelsfrei nachweisen kann. Als Nachweis für die „Gelegentlichkeit" des Konsums von Cannabis eignet sich die Menge des in einer Blutprobe vorgefundenen Abbauprodukte THC-Carbonsäure nur dann, wenn die festgestellte Konzentration die Größenordnung überschreitet, die bei einmaliger Aufnahme des Rauschmittels Cannabis im Höchstfall erreicht werden kann. Dies ist erst bei einer THC-Carbonsäure-Konzentration von über 100ng/ml der Fall (VGH Kassel, Beschluss vom 24.09.2008 - 2 B 1365/08, NJW 2009, 1523 ff zu FeV § 11 VII, Anlage 4).

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Fehlendes Trennungsvermögen zwischen gelegentlichem Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen ist unabhängig von der beim Fahrerlaubnisinhaber ermittelten THC-Konzentration (hier: 1,4 ng/ml) jedenfalls dann zu bejahen, wenn in nahem zeitlichem Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges drogenbedingte Auffälligkeiten oder Ausfallerscheinungen festgestellt werden, die einen Bezug zur aktuellen Fahrtüchtigkeit aufweisen (OVG Münster, Beschluss vom 09.07.2007 - 16 B 907/07 zu § 3 Abs 1 S 1 StVG, § 46 Abs 1 FeV, § 14 Anl 4 Nr 9.2.2 FeV):

„.. Indem der Antragsteller bemängelt, das Verwaltungsgericht habe nicht näher ausgeführt, ‚wie 'gelegentlich' sein ÄCannabis-ÜKonsum sein soll', bringt er nichts Substanzielles vor, das gegen die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums im Sinne der Ziff. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung spricht. Dass die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller gehöre zum Kreis der gelegentlichen Cannabiskonsumenten, mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, ergibt sich im Übrigen daraus, dass die Polizei am 3. August 2006 in seiner Wohnung eine kleine Tüte mit Haschisch beschlagnahmt und der Antragsteller erstinstanzlich ausdrücklich vorgetragen hat, er konsumiere ‚nur gelegentlich'.

Der Antragsteller wendet sich im Ergebnis auch ohne Erfolg gegen die dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegende Einschätzung, er habe durch die Unfallfahrt vom 3. August 2006 gezeigt, dass er den Cannabiskonsum und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht zu trennen vermöge. Der Antragsteller beruft sich insoweit zu unrecht auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, Beschluss vom 25. Januar 2006 - 11 CS 05.1711 -, VRS 110 (2006), 310 = DAR 2006, 407 = Blutalkohol 43 (2006), 416, der zufolge bei einer Fahrt mit einer THC-Konzentration im Blutserum zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml noch nicht von einem Verstoß gegen das Trennungsgebot ausgegangen werden könne. Abgesehen davon, dass die Auffassung des Bayerischen VGH im Fachschrifttum nicht unwidersprochen geblieben ist, vgl. insbesondere mit beachtlichen Argumenten Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul, Blutalkohol 43 (2006), 441, und andere Gerichte zum Teil niedrigere Grenzwerte zugrundelegen, vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 3 Bs 214/05 -, NJW 2006, 1367 = VRS 110 (2006),388 = Blutalkohol 43 (2006), 427; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. März 2006 - 10 S 2519/05 -, NJW 2006, 2135 - NZV 2007, 55 = VRS 111 (2006), 311 = Blutalkohol 43 (2006), 412, liegt der dortigen Entscheidung ein Fall zugrunde, in dem bei dem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber keine cannabisbedingten Ausfallerscheinungen feststellbar waren, es also lediglich um das Vorhandensein einer allein aus dem festgestellten THC-Wert abzuleitenden ‚absoluten' Fahruntüchtigkeit ging. Vorliegend verhält es sich indessen so, dass der Antragsteller, der einen Verkehrsunfall mit Personenschaden zumindest mitverursacht hatte, nach den polizeilichen Berichten jedenfalls unmittelbar nach dem Unfallgeschehen ‚einen nicht verkehrstüchtigen Eindruck machte' und leicht gerötete Bindehäute aufwies. Ein etwa zwei Stunden später erstellter ärztlicher Bericht kam zu dem Ergebnis, dass die Pupillen des Antragstellers ‚mittelweit erweitert' waren und verzögert auf Lichteinfall reagierten. Dabei handelt es sich um körperliche Merkmale, die typischerweise nach einem Cannabiskonsum auftreten und einen deutlichen Bezug zur aktuellen Fahrtüchtigkeit aufweisen. Jedenfalls die Erweiterung der Pupillen (Mydriasis) führt unter anderem zu einer erhöhten Blendungsempfindlichkeit und - zumindest unter bestimmten Lichtverhältnissen - einer Beeinträchtigung des Sehvermögens.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2007 - 16 B 2429/06 - unter Bezugnahme auf die im Urteil des OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Januar 2004 - 7 A 10206/03 -, VRS 106 (2004), 313 = DAR 2004, 413 = Blutalkohol 41 (2004), 293, zitierte Stellungnahme des Gutachters Prof. Dr. Urban.

Es spricht somit ganz Überwiegendes dafür, dass beim Antragsteller unabhängig von der THC-Konzentration von 1, 4 ng/ml jedenfalls eine aktuelle drogenbedingte Fahruntüchtigkeit vorgelegen hat. Dass auch in derartigen Fällen einer ‚relativen' Fahruntüchtigkeit von einem Verstoß gegen das Trennungserfordernis auszugehen ist, wird durch die verbreitete Auffassung von Verkehrsmedizinern unterstrichen, dass die Wirkungen des Cannabiskonsums weit schwerer einschätzbar seien als insbesondere beim Alkohol, vgl. die im Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 13. Januar 2004 - 7 A 10206/03 - und im Beschluss des Bayerischen VGH vom 25. Januar 2006 - 11 CS 05.1711 -, jeweils aaO., wiedergegebenen wissenschaftlichen Stellungnahmen, so dass das Erreichen oder Überschreiten bestimmter Grenzwerte allein nur in beschränktem Maße Aussagen über die konkrete Fahrtauglichkeit ermöglicht. Wenn im Übrigen die in den letzten Jahren veröffentlichten wissenschaftlichen Studien zu den Auswirkungen des Cannabiskonsums und zur Ermittlung von ‚Grenzwerten' vergleichend darauf abstellen, wie häufig bei bestimmten THC-Werten Ausfallerscheinungen oder doch jedenfalls ‚Auffälligkeiten' auftreten, vgl. insoweit etwa Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul, aaO., ist auch dies nach Auffassung des Senats ein gewichtiges Argument dagegen, dann entscheidend auf den im jeweiligen Einzelfall ermittelten THC-Wert bzw. die danach üblicherweise anzunehmenden Beeinträchtigungen abzustellen, wenn der betreffende Fahrzeugführer - wie vorliegend der Antragsteller - konkret unter deutlicher Rauschmitteleinwirkung gestanden hat. ..."

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Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung liegt dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist. Wird der THC-Gehalt in einer Blutprobe lege artis nach den Richtlinien der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie ermittelt, ist ein "Sicherheitsabschlag" vom gemessenen Wert für unvermeidbare Messungenauigkeiten nicht erforderlich (BVerwG, Urteil vom 23.10.2014 - 3 C 3/13).

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Das fehlende Trennungvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ist gegeben, wenn eine THC-Konzentration von mindestens 0,1 ng/ml festgestellt wird (VGH Mannheim, Beschluss vom 27.03.2006 - 10 S 2519/05, NJW 2006, 2135 f).

Schon die einmalige Einnahme von Cannabis genügt für eine »gelegentliche Einnahme« i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 4 FeV. Mit »gelegentlich« ist jede Einnahme bezeichnet, die hinter regelmäßiger Einnahme zurückbleibt. Die Fahrerlaubnisbehörde darf nach § 14 Abs. 1 S. 4 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einschließlich eines Drogenscreenings anordnen, wenn der Betroffene unter Cannabiseinfluss ein Kfz im Straßenverkehr geführt hat, selbst wenn zunächst nur dieser eine Drogenkonsum feststeht (Hamburgisches OVG, Beschluss vom 23.06.2005 - 3 Bs 87/05, zfs 2005, 626 zu FeV §§ 46 Abs. 3; 14 Abs. 1; 11 Abs. 8).

Gelegentlicher Cannabiskonsum kann grundsätzlich, wenn einer der in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung genannten weiteren Umstände wie die fehlende Trennung von Konsum und Fahren hinzutritt, die Nichteignung begründen, ein erlaubnisfreies Kraftfahrzeug, insbesondere ein Mofa, zu führen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung darf im Falle der nach § 3 I FeV ausgesprochenen Untersagung, ein erlaubnisfreies Kraftfahrzeug zu führen, wegen der Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer regelmäßig erfolgen und in allgemeiner Form mit der Ungeeignetheit des Betroffenen begründet werden (OVG Hamburg, Beschluss vom 20.06.2005 - 3 Bs 72/05, SVR 2006, 77).

Eine für den Fahrerlaubnisinhaber günstigere Bewertung des sog. Passivrauchens von Cannabis gegenüber dem aktiven Eigenkonsum im Hinblick auf die Voraussetzungen der Fahrungeeignetheit nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ist nicht gerechtfertigt, wenn sich der Betreffende vor der Autofahrt längere Zeit bewusst in einem Raum mit stark cannabishaltigem Rauch aufgehalten hat (VGH Baden-Württ., Beschluss vom 10.05.2004 - 10 S 427/04, zfs 2004, 484 zu StVG § 3 Abs. 1; FeV §§ 11 Abs. 7, 46 Abs. 1, Abs. 3; FeV Anlage 4 Nr. 9.2.2).

Ein Fahrerlaubnisinhaber hat ein Fahrzeug unter verkehrsrechtlich relevantem Cannabiseinfluss geführt, wenn er zum einen objektiv unter Drogeneinfluss gestanden hat. Dies ist in Anknüpfung an den durch die Grenzwertkommission am 20.11.2002 festgesetzten Grenzwert der Fall, wenn der Fahrer 1,0 ng THC pro ml Blut bei der Fahrt aufgewiesen hat. Zum anderen ist zu verlangen, dass bei dem Fahrerlaubnisinhaber cannabisbedingte Beeinträchtigungen aufgetreten sind, die im Allgemeinen Auswirkungen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs haben können (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.01.2004 - 7 A 10206/03.OVG, zfs 2004, 188 zu StVG § 3; FeV § 46; Anlage 4 zur FeV Nr.9.2.2).

*** (VG)

Zur formelhaften Begründung des Sofortvollzugs bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fehlender Beibringung einer MPU nach vorausgegangenem Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, der die Fahreignung bestätigt hat. Zur Fragestellung bei einer MPU- Anordnung, wenn außer Cannabiseinnahme keine Anhaltspunkte für eine Einnahme anderer Drogeneinnahme oder anderer Störungen besteht (VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 27.11.2012 - 1 L 961/12.NW):

„... Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24.10.2012 gegen die mit Verfügung vom 15. Oktober 2012 für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen A und B wiederherzustellen, hat Erfolg. Die vom Gericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus, weil sich die ihm gegenüber verfügte Fahrerlaubnisentziehung bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig erweist.

Zudem bestehen hier erhebliche Bedenken gegen die Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges, da diese lediglich formelhaft erscheint und den hier zu berücksichtigenden Einzelfall nicht ausreichend erfasst. Dies erhellt sich daraus, dass auch zur Begründung des Entziehungsbescheides lediglich darauf verwiesen worden ist, dass die Stadt Mannheim mit Datum vom 14. Mai 2012 zur Ausräumung der zurzeit bestehenden Bedenken an der Fahreignung des Antragstellers die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Untersuchungsstelle angeordnet hatte und trotz zugestandener Verlängerung der Vorlagefrist dieses Gutachten vom Antragsteller nicht vorgelegt worden war. In der Begründung der Entziehung der Fahrerlaubnis heißt es dann weiter: Gemäß § 11 Abs. 8 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) müsse die Fahrerlaubnisbehörde bei nicht fristgerechter bzw. bei Nichtvorlage eines angeordneten Gutachtens auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Deshalb sei die Fahrerlaubnis gemäß § 3 StVG i.V.m. § 46 FeV zu entziehen. Die Fahrerlaubnisbehörde habe mit Anhörungsschreiben vom 17.09.2012 bereits mitgeteilt, dass beabsichtigt gewesen sei, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Von der Möglichkeit auf die Fahrerlaubnis zu verzichten habe der Antragsteller keinen Gebrauch gemacht.

Im nächsten Absatz des Bescheids vom 15.10.2012 ist zur Begründung des Sofortvollzuges dann lediglich unter Bezugnahme auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO darauf hingewiesen, dass aufgrund der Nichtgeeignetheit es nicht zu vertreten sei, dem Antragsteller bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung weiterhin die Fahrerlaubnis zu belassen. Dadurch würde sich eine nicht zu vertretende Gefährdung des öffentlichen Verkehrs ergeben, der gegenüber die privaten Interessen des Antragstellers nur von untergeordneter Bedeutung sein könnten. Den überwiegenden öffentlichen Interessen könne nur durch den Sofortvollzug Geltung verschafft werden.

In dieser Anordnung des Sofortvollzuges ist über die formelhafte Wiedergabe des überwiegenden öffentlichen Interesses hinaus, keine mit den Besonderheiten dieses Einzelfalls sich auseinandersetzende Interessenabwägung zu erkennen, obwohl hier Anlass dazu bestanden hat. Der Anordnung der medizinisch-psychologischen Begutachtung war hier ein Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation auf die Gutachtensanforderung der Stadt Mannheim vorausgegangen, in dem der Facharzt am 5. April 2012 zu dem Ergebnis kam, dass an der Fahreignung des Antragstellers keine Zweifel bestünden. Grundlage dieses Gutachtens waren u.a. zwei Drogenscreenings vom 1. März 2012 und vom 3. April 2012.

Im hier zu entscheidenden Fall ist aber nicht nur die Anordnung des Sofortvollzuges durch eine Eilentscheidung des Gerichts zu hemmen, sondern im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder herzustellen. Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die Fahrerlaubnisentziehung nämlich als rechtswidrig, so dass der Widerspruch voraussichtlich Erfolg haben wird.

Gemäß § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz - StVG -, § 46 FeV ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Behörde kann nach § 11 Abs. 8 FeV von der Ungeeignetheit ausgehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder ein von ihm gefordertes Gutachten über seine Fahreignung nicht fristgerecht beibringt. Dieser Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Untersuchungs- bzw. Gutachtensanforderung ihrerseits in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig (BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 C 25/04 -, NJW 2005, 3081 f. und juris), insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2001 - 3 C 13/01 -, NJW 2002, 78). Daran fehlt es hier, denn das Anforderungsschreiben der Stadt Mannheim vom 15. Mai 2012 entspricht wegen Fehlens einer ausreichend konkreten und anlassbezogenen Fragestellung nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Vorliegend sind zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben, wonach eine medizinisch-psychologische Untersuchung grundsätzlich gefordert werden kann, da ausweislich des Gutachtens von Dr. S. vom 5. April 2012 der Antragsteller selbst berichtet hat: Er habe erstmals mit 16 Jahren Marihuana geraucht. Danach habe er sporadisch in größeren Abständen Marihuana geraucht, immer im Zusammenhang mit Freunden und immer nur, wenn jemand anderer Marihuana mit sich gehabt habe. Öfter habe er auch längere Zeiten kein Marihuana geraucht. Der letzte Marihuana-Konsum habe Ende September 2011, drei Tage vor der Polizeikontrolle, stattgefunden. Andere Drogen habe er nie konsumiert, insbesondere kein Kokain, kein Heroin, keine Amphetamine, Speed oder sonstige sogenannte Partydrogen.

Unter Zugrundelegung dieser Angaben ist die Stadt Mannheim zu Recht davon ausgegangen, dass ein gelegentlicher Konsum von Marihuana gegeben ist. Dem widerspricht nicht die Ergänzung der ärztlichen Stellungnahme durch Dr. S. vom 26. April 2012, auch wenn dieser dort ausführt: Aus der ausführlichen Anamnese gehe nur hervor, dass der Antragsteller vor dem 30.09.2011 lediglich selten Cannabis konsumiert habe. Nach dem 30.09.2011 habe der Antragsteller keinesfalls regelmäßig oder dauernd und auch nicht selten oder gelegentlich Marihuana oder andere Betäubungsmittel konsumiert.

Zwar ist der Gutachter der Auffassung, dass der Antragsteller nur selten und nicht gelegentlich Cannabis konsumiert hat, aber die Beurteilung, wann das Tatbestandsmerkmal ‚gelegentlich' erfüllt ist beruht auf einer rechtlichen Wertung der tatsächlichen Umstände. Diese Wertung ist nicht vom Gutachter zu entscheiden. Die Stadt Mannheim hat hier ohne rechtliche Zweifel die gelegentliche Einnahme von Cannabis bejaht.

Zudem hat der Antragsteller unter Cannabis-Einfluss ein Kraftfahrzeug geführt, was ausweislich der am 1. Oktober 2011 nach seiner Kraftfahrzeugfahrt entnommenen und untersuchten Blutprobe feststeht. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. U. vom 14. Dezember 2011 wurden im Blut des Antragstellers folgende Werte festgestellt: THC 3,7 ng/mL und Hydroxy-THC 1,3 ng/mL sowie THC-Carbonsäure 48 ng/mL. Nachdem die Staatsanwaltschaft ihr Verfahren am 31. Januar 2012 mangels Ausfallerscheinungen und nicht nachgewiesener Fahruntauglichkeit eingestellt hatte, wurde gegen den Antragsteller wegen seiner Fahrt unter Cannabis-Einfluss der bestandskräftige Bußgeldbescheid vom 17. Februar 2012 erlassen. Aus diesem Grund lagen beim Antragsteller zweifelsohne die Voraussetzungen vor, die die Entziehung der Fahrerlaubnis gerechtfertigt hätten. Die Stadt Mannheim hat gleichwohl von der Entziehung der Fahrerlaubnis zugunsten des Antragstellers abgesehen und die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet, da nach ihrer Auffassung durch den mehrmonatigen zeitlichen Abstand eine solche Anordnung gerechtfertigt war.

Die Stadt Mannheim hat jedoch im Anforderungsschreiben vom 14. Mai 2012, mit dem sie den Antragsteller zur medizinisch-psychologischen Untersuchung aufgefordert hat, keine korrekte und ausschließlich anlassbezogene Fragestellung, die durch das einzuholende ärztliche Gutachten geklärt werden sollte, formuliert, die ihrerseits durch Anhaltspunkte im zugrunde liegenden Sachverhalt gedeckt gewesen wäre. Vielmehr ist sie über den Anlass hinausgegangen und hat die gutachterlich zu klärende Frage auf alle Betäubungsmittel bezogen, und die angekündigte Fragestellung an den Gutachter wie folgt formuliert: ‚Kann der/die Betroffene trotz der Hinweise auf Drogenmissbrauch ein Kraftfahrzeug sicher führen? Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass der/die Betroffene ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder anderen psychoaktiven Stoffen oder deren Nachwirkungen führen wird?'

Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und der Beachtung der Anlage 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind und teilt ihm die Gründe für Zweifel an seiner Fahreignung mit. Nach Anlage 4 Nr.9.2.2 zur FeV liegt eine Eignung oder bedingte Fahreignung für die Klassen A, B usw. bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn Trennung von Konsum und Fahren und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit, kein Kontrollverlust gegeben sind.

Um diesen formellen Mindestanforderungen zu genügen, muss die Aufforderung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Der Betroffene muss ihr entnehmen können, was ihr konkreter Anlass ist und ob das in ihr Aufgeführte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2001, a.a.O.). Hierfür sind ihm insbesondere die Tatsachen bekannt zu geben, die den Verdacht und bestimmte Eignungszweifel begründen. In formaler Hinsicht muss der Betroffene erkennen können, welcher konkrete Anlass besteht, ihn zur Vorlage eines Gutachtens aufzufordern, und ob das in der Aufforderung Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Diese formellen und materiellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung, die nicht zuletzt Ausdruck der Schutzwürdigkeit des Persönlichkeitsrechtes des Betroffenen nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes sind, in das mit der Begutachtung eingegriffen wird (vgl. BayVGH, Beschluss vom 17. August 2007 - 11 Cs 07.25 - juris, Rn. 10), können nicht durch Überlegungen des Inhalts relativiert werden, der Betroffene werde schon wissen, worum es geht (BVerwG, a.a.O.). Es sind vielmehr insoweit strenge Anforderungen angezeigt, denn nur sie ermöglichen es dem Betroffenen, hinreichend beurteilen zu können, ob er das von der Behörde geforderte Gutachten vorlegt oder das Risiko einer Fahrerlaubnisentziehung durch Nichtvorlage in Kauf nimmt. Erst mit der Mitteilung der Fragestellung ist die Anordnung abschließend bestimmt und damit eine anlassbezogene Themenstellung und Untersuchung sichergestellt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 15. Mai 2008 - 11 C 08.616 -, BayVBl. 2008, 724). Diesen Anforderungen entspricht das Schreiben der Stadt Mannheim vom 14. Mai 2012 nicht.

Die Formulierung in dem Anforderungsschreiben zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens ist unzureichend und unzulässig, da nicht ohne weiteres durch die ‚Cannabis-Fahrt' des Antragstellers bedingt. Die Stadt Mannheim hat die bereits wiedergegebenen Fragen an den Gutachter angekündigt. Diese Fragenstellungen in der Anordnung der MPU sind aber im Hinblick auf den zu beachtenden Grundsatz der anlassbezogenen Begutachtung an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren. Angesichts der Umstände des vorliegenden Einzelfalles wäre die Frage auf den Konsum von Cannabis, hier die Konsumgewohnheiten und das zukünftige Trennungsvermögen des Antragstellers zwischen Fahren und Cannabis-Konsum zu beschränken gewesen, da Anhaltspunkte für den Konsum anderer Betäubungsmittel weder aus dem Anforderungsschreiben noch aus der Verwaltungsakte ersichtlich sind. Nachdem dem Gericht vorliegenden Inhalt der Verwaltungsakte liegt der Anfangsverdacht in Bezug auf den Konsum sogenannter harter Drogen beim Antragsteller nicht vor. Die Blutuntersuchung des Prof. Dr. U. hat hierfür keinerlei Anhaltspunkte geliefert. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Anforderungsschreiben auch keine Gründe genannt, woraus sie die Annahme ableitet, der Antragsteller könne außer Cannabis andere Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe einnehmen. Eine solche Begründung wäre aber erforderlich gewesen, um die hier erlassene Aufforderung aus sich selbstverständlich zu machen, die sich generell auf Drogenmissbrauch und den Einfluss von Betäubungsmitteln sowie anderen psychoaktiven Stoffen und deren Nachwirkung bezieht. Ein Ausforschungsgutachten ohne begründete Anhaltspunkte stellt sich als unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers dar.

Da die Anforderung des medizinisch-psychologischen Gutachtens mit ihrer Fragestellung über ihren Anlass hinausgeht, musste der Antragsteller ihr nicht nachkommen, so dass die mit Verfügung vom 15. Oktober 2012 erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis nicht auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt werden kann.

Die vom Antragsteller angefochtene Entziehung der Fahrerlaubnis vom 15. Oktober 2012 stellt sich auch nicht aus anderen Gründen gemäß § 11 Abs. 7 FeV als rechtmäßig dar. Nach dieser Vorschrift unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht. In Bezug auf Cannabis gilt Folgendes: Wenn regelmäßiger Konsum vorliegt, ist eine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben. Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis wird nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV für die Annahme der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges gefordert, dass der Betroffene zwischen Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen kann. Bei der gelegentlichen Einnahme von Cannabis ist für die Annahme der Fahreignung auch Voraussetzung, dass kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder von anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt (vgl. VG Neustadt, Beschluss vom 30. Januar 2006 - 3 L 99/06.NW - und VG Neustadt, Beschluss vom 28. Dezember 2011 - 1 L 1125/11.NW -).

Dass im hier zu entscheidenden Fall ein die Fahreignung ausschließender Cannabis-Konsum beim Antragsteller vorliegt, erscheint nach der Aktenlage hinreichend wahrscheinlich. Der Antragsteller hat als gelegentlicher Konsument von Cannabis eine Kraftfahrzeugfahrt unter Cannabiseinfluss durchgeführt. Gleichwohl hat die anordnende Behörde ihre Entziehungsverfügung nicht darauf gestützt, dass sie aufgrund dieser Sachlage von einer Ungeeignetheit des Antragstellers ausgeht, sondern ist davon ausgegangen, dass es einer Abklärung durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung bedarf. Insoweit ist sie der Stadt Mannheim gefolgt, die bereits aufgrund des zeitlichen Abstandes von sechs Monaten eine solche medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet hatte. Zum Zeitpunkt des Erlasses der die Fahrerlaubnis entziehenden Verfügung vom 15. Oktober 2012 lag die Fahrt unter Cannabis mehr als ein Jahr zurück, nämlich ein Jahr und 15 Tage. Aufgrund des vom Antragsteller behaupteten letzten Konsums von Cannabis drei Tage vor der Kontrolle am 1. Oktober 2011 und der durchgeführten negativen Drogenscreenings im März und im April 2012 war zum Zeitpunkt des Erlasses des Entziehungsbescheids am 15. Oktober 2012 nicht zwingend von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen seitens des Antragstellers auszugehen. Dazu wurde der Antragsteller auch nicht angehört.

Dem widerspricht nicht, dass der Antragsteller am 18. Oktober 2012 bei seiner Vorsprache bei der Antragsgegnerin selbst ausgeführt hat, er habe das Ergebnis der medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht vorgelegt, weil das Untersuchungsergebnis negativ gewesen sei. Daraus allein erhellt sich nicht, dass dies Ergebnis ausschließlich auf einer fehlenden Fahreignung beruht, vielmehr können auch andere Gesichtspunkte für die negative Beurteilung ausschlaggebend gewesen sein. Zum Beispiel eine fehlende Mitwirkung des zu Begutachtenden oder überzogene Anforderungen des Gutachters (Abstinenzzeiträume oder falsche Tatsachengrundlagen u.a.m.). Die Begründung des nicht vorgelegten Gutachtens ist weder der Antragsgegnerin noch dem Gericht bekannt und kann folglich nicht überprüft werden.

Bei der Nichtvorlage eines entsprechenden medizinisch-psychologischen Gutachtens kommt es aber nicht darauf an, dass ein solches Gutachten negativ ausgefallen ist, sondern es kommt auch dann entscheidend darauf an, ob die Anordnung des Gutachtens rechtmäßig war.

Das Gericht weist darauf hin, dass (bei einer Aufhebung des die Fahrerlaubnis entziehenden Bescheides vom 15. Oktober 2012) die Antragsgegnerin nicht daran gehindert ist, die ihr bekannten Tatsachen zum Anlass für eine erneute Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu nehmen. Bedenken gegen einen MPU-Anforderung mit einer zulässigen Fragestellung sind gegenwärtig nicht erkennbar. ..."

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„... Mit Rücksicht auf das Antrags- und Klagevorbringen ist ergänzend Folgendes auszuführen: Maßgebend ist im vorliegenden Fall zunächst, dass der Antragsteller am 17. Februar 2012 gegen 2:50 Uhr ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss im Straßenverkehr geführt hat. Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Bonn vom 16. März 2012 festgestellte THC-Wert von 2,2 ng/ml übersteigt den zu § 24 a Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/g bzw. ml und rechtfertigt daher die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.

Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur.

Durch das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss hat der Antragsteller bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 15. Dezember 2003 - 19 B 2493/03 -, 7. Februar 2006 - 16 B 1392/05 -, 9. Juli 2007 - 16 B 907/07 - und 1. August 2007 - 16 B 908/07.

Die in Klage- und Antragsverfahren geäußerte Ansicht des Antragstellers, in seinem Falle sei nur ein einmaliger Konsum belegt, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Die Behauptung eines Erstkonsums kann rechtlich allenfalls dann relevant sein, wenn ein solcher Erstkonsum konkret und glaubhaft dargelegt ist. Daran fehlt es hier, denn der Antragsteller hat nach dem Polizeibericht und auch in den gerichtlichen Verfahren sonst keine Angaben zu seinem Cannabis-Konsum gemacht und ist damit seiner Mitwirkungsobliegenheit in einer solchen, von ihm behaupteten Ausnahmesituation nicht nachgekommen. Deshalb ist es zulässig, dieses Verhalten bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten zu berücksichtigen.

So: OVG NRW, Beschlüsse vom 12. März 2012 - 16 B 1294/11 - und vom 22. Mai 2012 - 16 B 536/12 - (nrwe.de).

Es spricht im übrigen eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit dagegen, dass ein Erstkonsument, der im Umgang mit Cannabis unerfahren ist, sich nur wenige Stunden nach dem Konsum dem hohem Risiko einer Fahrt unter Einfluss dieser Droge aussetzt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2008 - 16 B 868/08 - m.w.N.

Demnach ist (auch) vorliegend von (mindestens) gelegentlichem Cannabis-Konsum auszugehen. Damit ist der Antragsteller nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Ein Ermessen steht der Antragsgegnerin bei feststehender Ungeeignetheit nicht zu. Angesichts dessen bestehen auch keinerlei Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung. Die vom Antragsteller ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit erscheint zu groß, als dass sie bis zur Entscheidung der Hauptsache hingenommen werden könnte. Auf die damit verbundenen persönlichen Probleme muss er sich einstellen. Vielmehr besteht zum Schutz von Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, ihn durch eine sofort wirksame Maßnahme vorläufig von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Es bleibt ihm unbenommen, den Nachweis einer wiedergewonnenen Kraftfahreignung in einem späteren Wiedererteilungsverfahren durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu führen, das dann zwingend vorgeschrieben ist (§ 14 Abs. 2 FeV). ..." (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18.09.2012 - 7 L 1022/12)

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Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Maßgebend ist im vorliegenden Fall, dass der Antragsteller am 4. Mai 2012 gegen 23:20 Uhr ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss geführt hat. Dadurch hat er bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Dezember 2003 - 19 B 2493/03 -, 7. Februar 2006 - 16 B 1392/05 -, 9. Juli 2007 - 16 B 907/07 - und 1. August 2007 - 16 B 908/07.

Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums F. vom 4. Juli 2012 festgestellte THC-Wert von 13 ng/ml übersteigt den zu § 24 a Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/g bzw. ml erheblich und rechtfertigt daher die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.

Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur.

Die Ergebnisse des forensisch-toxikologischen Gutachtens sind auch verwertbar. Zwar weist der Antragsteller zu Recht darauf hin, dass das Probematerial stark hämolytisch war. Der Gutachter hat diesen Umstand jedoch berücksichtigt. Die Tatsache, dass bei der Untersuchung Cannabinoide festgestellt wurden, ist im übrigen unabweisbar und nicht mit der starken Hämolyse zu begründen.

Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, er sei kein gelegentlicher Konsument, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die festgestellte THC-COOH-Konzentration von 55 ng/ml im Gutachten legt die Annahme nahe, dass der Antragsteller - auf einen regelmäßigen Konsum kommt es nicht an - häufiger und über einen längeren Zeitraum Cannabis konsumiert. Das gilt bereits im Grundsatz für Werte ab 40 ng/ml, die - wie beim Antragsteller - aus einer Stunden nach dem Konsum entnommenen Blutprobe gewonnen werden.

Vgl. Berghaus/Krüger, a.a.O., S. 157 f; vgl. auch Daldrup, Blutalkohol 2000, S. 39; vgl. allgemein auch OVG Niedersachsen, Beschluss vom 11. Juli 2003 - 12 ME 287/03 -, DAR 2003, 480 f.

Vor diesem Hintergrund kann auch dem Vortrag des Antragstellers, er habe am Tattag jedenfalls nicht bewusst Cannabis konsumiert, nicht geglaubt werden. Die bei im festgestellten Werte belegen, dass der Antragsteller jedenfalls gelegentlich Cannabis konsumiert. Er ist daher mit dem Geruch und Geschmack von Cannabis vertraut und hätte gemerkt, wenn der namentlich nicht bekannte "Spanier" ihm eine Zigarette gegeben hätte, die Cannabis enthielt.

Ein Ermessen steht dem Antragsgegner bei feststehender Ungeeignetheit nicht zu. Angesichts dessen bestehen auch keinerlei Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung. Die vom Antragsteller ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit erscheint zu groß, als dass dies bis zur Entscheidung der Hauptsache hingenommen werden könnte. Vielmehr besteht ein das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegendes öffentliches Interesse daran, ihn durch eine sofort wirksame Maßnahme vorläufig von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Etwaige berufliche und private Nachteile hat der Antragsteller daher hinzunehmen.

Es bleibt ihm unbenommen, den Nachweis der Drogenfreiheit in einem späteren Wiedererteilungsverfahren durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu führen, die zwingend vorgeschrieben ist (vgl. § 14 Abs. 2 FeV). ..." (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14.09.2012 - 7 L 1088/12)

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„... Die Klägerin ist fahrungeeignet. Das steht fest, nachdem sie das von der Beklagten zu Recht geforderte ärztliche Gutachten nicht fristgerecht beigebracht hat.

Nach § 11 Abs. 8 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Fahrungeeignetheit schließen, wenn der Betreffende ein von ihr zu Recht gefordertes Gutachten nicht beigebracht hat und in der Anforderung die entsprechenden Hinweise auf diese Rechtsfolge gegeben wurden. Letzteres ist durch die Behörde geschehen; das bezweifelt die Klägerin auch nicht. Die Beklagte hat auch zu Recht ein ärztliches Gutachten angefordert. Rechtsgrundlage hierfür ist § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV. Nach dieser Bestimmung ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein ärztliches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme begründen, es liege eine Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vor. Diese Vorschrift ist nach zutreffender Meinung nicht nur dann anzuwenden, wenn feststeht, dass ein entsprechender Konsum bereits stattgefunden hat. Vielmehr kommt es nach dem Wortlaut des Gesetzes darauf an, dass Tatsachen existieren, die den Schluss zulassen, dass das geschehen ist. Würde man zur Anwendung dieser Vorschrift fordern, dass der Konsum bereits nachgewiesen ist, liefe die Vorschrift weitgehend leer. Sie hätte dann überhaupt nur einen Sinne, wenn zu klären wäre, in welchem Umfang der Betreffende Drogen genommen hat. Das kann aber weder aus Wortlaut noch Sinn der Bestimmung entnommen werden.

§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ist auf Cannabis nur eingeschränkt anwendbar. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV ist im Verhältnis zu § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV lex specialis. Das bedeutet, dass die Behörde bei tatsächlichen Hinweisen auf gelegentlichen Cannabiskonsum ohne das Vorliegen von Zusatztatsachen kein ärztliches Gutachten wegen des Verdachts auf Einnahme von Betäubungsmitteln verlangen kann (BayVGH vom 10.6.2009 BA 2009, 359). Dagegen ist es nach der Rechtsprechung bei nachgewiesenem oder - wie im vorliegenden Fall zu vermutendem - einmaligem Konsum von Cannabis und Hinweisen auf das Vorliegen von Fahreignungszweifel begründenden Zusatztatsachen möglich, ein ärztliches Gutachten auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FeV einzuholen, das auf die Aufklärung der Konsumfrequenz beschränkt ist (BayVGH vom 25.1.2006 DAR 2006, 349 = zfs 2006, 294 = BA 2006, 422).

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weist in der Beschwerdeentscheidung zutreffend darauf hin, dass die Bestimmung auch dann einschlägig ist, wenn eine Person nachweislich entschlossen war, in allernächster Zeit Betäubungsmittel einzunehmen und sich von dieser konkreten Absicht nicht aufgrund eines freiwilligen Willensentschlusses getrennt hat, sondern der unmittelbar bevorstehende Drogenkonsum aus nicht ihrem Einfluss unterliegenden Umständen nicht stattgefunden hat. Diesem Verhalten kommt eine gleich große Aussagekraft dafür zu, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs darstellen könnte, wie das dann der Fall ist, wenn hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür sprechen, dass diese Person in der Vergangenheit bereits einmal Rauschgift eingenommen hat (BayVGH v. 21.7.2011, Az.: 11 CS 11.1061 RdNr. 33). Dem ist zuzustimmen. Aus den gesamten Umständen des vorliegenden Falls ergibt sich, dass die Klägerin offensichtlich bereits früher Kontakt mit Drogen, insbesondere Cannabis hatte. Von einer Person, die niemals Drogen konsumiert und den Umgang mit diesen nicht gewohnt ist, kann nicht erwartet werden, dass sie eine Gaststätte betritt, dort Marihuana auf den Tisch legt und die Gäste auffordert, das Rauschmittel mit ihr gemeinsam zu nehmen. Das sowie der Umstand, dass die Klägerin weiteres Marihuana in ihrem Geldbeutel deponiert hatte, lässt den Schluss zu, dass ihr der Umgang mit diesem Stoff durchaus vertraut ist. Jemand, der erstmals in Kontakt mit Marihuana tritt, wird sich niemals in dieser Weise verhalten. Er würde eine gewisse Unsicherheit erkennen lassen und nicht andere Personen auffordern, gemeinsam mit ihm das Rauschmittel zu sich zu nehmen. Es handelt sich somit um Tatsachen, die darauf schließen lassen, dass die Klägerin zumindest einmalig, nach Lage der Dinge sogar gelegentlich Cannabis konsumiert hat. Die Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens belegt, dass das der Fall ist.

Gelegentlicher Cannabiskonsum führt für sich genommen nicht zur Fahrungeeignetheit. Es müssen vielmehr, wie sich aus § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ergibt, Zusatztatsachen hinzukommen. Solche sind einmal mangelndes Trennverhalten, zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, eine Störung der Persönlichkeit sowie Kontrollverlust. Wie sich den Akten entnehmen lässt, war die Klägerin im Zeitpunkt des Konsumversuchs erheblich alkoholisiert. Die Atemalkoholkontrolle hat einen Wert von 0,92 mg/l ergeben. Das stellt eine erhebliche, das Maß des üblichen Alkoholkonsums übersteigende Ethanolkonzentration im Körper dar. Es kann vorliegend offen bleiben, ob es Fallkonstellationen gibt, in denen die Menge des zu sich genommenen Alkohols oder die Menge des konsumierten Cannabis so gering ist, dass von einem Parallelgebrauch dieser Stoffe nicht ausgegangen werden kann. Jedenfalls dann, wenn Alkohol und Cannabis in einem jeweils so hohen Maß konsumiert werden, dass jeder dieser beiden Stoffe Wirkungen im Körper zeigt oder jedenfalls zeigen kann, ist der gesetzliche Tatbestand erfüllt. In diese Richtung deutet auch das vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in einem anderen Verfahren eingeholte und in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführte Gutachten des Rechtsmedizinischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Gutachten vom 9. Januar 2012 ist ausgeführt, dass verschiedene Studien vorliegen, die sich mit den kombinierten Wirkungen von Alkohol und THC beschäftigen. Es werden additive Effekte diskutiert, jedoch auch synergetische, d.h. sich potenzierende, vervielfältigende Wirkungen. Letztere könnten zu einem unerwarteten Anstieg der Leistungsbeeinträchtigung und erhöhtem Risikoverhalten führen. So wird in Studien berichtet, dass nach kombinierter Gabe von THC und Alkohol die Beeinträchtigungen in der Fahrleistung gegenüber den Einzelgaben deutlich angestiegen sind. Die Autoren der entsprechenden Studie hätten aus dem Ergebnis ihrer Untersuchungen geschlossen, dass die Beeinträchtigungen durch Kombination niedriger Dosen an THC und Alkohol eher auf einem niedrig-schwelligen, automatisierten Level der Fahrfähigkeit ablaufen, jedoch nur wenig Einfluss auf Fähigkeiten auf höherem Denkniveau bestehen. Die Autoren gingen aber von einer Beeinflussung der Fertigkeiten auf höherem Denkniveau durch größere Dosen von Alkohol und THC aus. Allerdings gibt es keine allgemein gültigen Erkenntnisse, ab welcher Menge Alkohol und ab welcher Menge THC im Blut besondere Beeinflussungen der Fahrtüchtigkeit nachweisbar sind.

Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass die Fahrerlaubnisverordnung in ihrer Anlage 4 keine „Grenzwerte" für Alkohol bzw. Cannabiskonzentrationen festsetzt, nicht zu beanstanden; der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nötigt nicht zu einer teleologischen Reduzierung. Das gilt zumindest dann, wenn sich sowohl die Menge des konsumierten Alkohols als auch des konsumierten Cannabis oberhalb einer Bagatellgrenze bewegen. Aus alledem folgt, dass das Verhalten der Klägerin der Gestalt ist, dass von ihr erhebliche Gefahren für die Verkehrssicherheit ausgehen. Wer in hohem Maß Alkohol zu sich nimmt und bereit ist, in diesem Zustand Cannabis zu rauchen, belegt, dass ihm das notwendige Verantwortungsgefühl fehlt, so dass die Gefahr besteht, dass er an Straßenverkehr teilnimmt und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Eine unmittelbare Verkehrsteilnahme ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut dargelegt nicht Voraussetzung zur Annahme der Fahrungeeignetheit.

Nach ständiger Rechtsprechung stellen fehlende finanzielle Mittel in aller Regel keinen ausreichenden Grund dar, um die Vorlage eines zu Recht verlangten Fahreignungsgutachtens zu unterlassen, ohne dass dem Betroffenen einer solchen Anordnung die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV entgegengehalten werden kann (BVerwG vom 12.3.1985 BVerwGE 71, 93 = NJW 1985, 2490 = VerkMitt 1985, 59 = Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 71; vom 13.11.1997 NZV 1998, 300 = Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 28; VGH Kassel vom 6.10.2010 BA 2010, 436). Bei einer berechtigten Anforderung eines Eignungsgutachtens kann es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen ebenso wenig ankommen wie bei anderen Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde, die im Interesse der Verkehrssicherheit erforderlich sind. Nur unter ganz besonderen Umständen kann einem Verkehrsteilnehmer zugebilligt werden, der Aufforderung zur Beibringung eines Eignungsgutachtens entgegenzuhalten, es sei ihm unzumutbar, die damit einhergehenden Kosten aus eigenen Mitteln oder mit fremder Hilfe aufzubringen. Die Beibringungslast, die § 11 Abs. 2 bis Abs. 4 sowie §§ 13 f. FeV dem Betroffenen auferlegen, wenn berechtigte Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Fahrzeugen bestehen, bezieht sich nicht nur auf das geforderte Gutachten selbst; sie umfasst auch diejenigen Tatsachen, die in seinem besonderen Fall die Zahlung der Kosten des Gutachtens als nicht zumutbar erscheinen lassen. Kommt der Betroffene der Pflicht zur Darlegung dieser Tatsachen nicht nach, so kann von einer grundlosen Weigerung, sich begutachten zu lassen, ausgegangen und die Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen als erwiesen angesehen werden. Die Klägerin hat außer der pauschalen Behauptung, sie könne die Kosten für eine Begutachtung nicht aufbringen, nichts vorgetragen, was es rechtfertigen könnte, von einer derartigen Maßnahme abzusehen. ..." (VG München, Urteil vom 31.07.2012 - M 1 K 11.1124)

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„... Der 1961 geborene Kläger ist nach Aktenlage seit 1988 im Besitz einer Fahrerlaubnis. Am 22. März 2011 gegen 19:04 Uhr wurde bei einer polizeilichen Überprüfung festgestellt, dass er als Fahrer eines PKW unter BTM-Einfluss stand. Dabei wurden Drogen nicht gefunden. Nach Belehrung gab der Kläger an, sich nicht zur Sache äußern zu wollen. Eine Blutentnahme erfolgte gegen 20:10 Uhr. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. C. (Institut für Rechtsmedizin der Universität F. ) vom 13. April 2011 betrug der THC-Gehalt im Blut 1,6 ng/ml und die THC-Carbonsäure 19 ng/ml; es sei von einem zeitnahen Cannabiskonsum in Relation zur Blutentnahme auszugehen. In dem deshalb eingeleiteten Ordnungswidrigkeiten-Verfahren wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts I. -X. vom 21. Oktober 2011 wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung des berauschenden Mittels zu einer Geldbuße verurteilt (11 OWi-500 Js 671/11-214/11). In diesem Verfahren machte der Kläger zu einem BTM-Konsum keine Angaben.

Zu der Absicht, die Fahrerlaubnis deshalb zu entziehen, äußerte sich der Kläger nicht. Mit der hier streitigen Verfügung vom 20. Februar 2012 entzog die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis aller erteilter Klassen, da er unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug geführt habe und damit die fehlende Trennung von Konsum und Fahren feststehe, und ordnete die sofortige Vollziehung an. Außerdem wurden eine Verwaltungsgebühr von 200 EUR und Zustellkosten von 2,32 EUR erhoben. Am 1. März 2012 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Außerdem hat er am 13. März 2012 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Diesen Antrag hat die Kammer mit Beschluss vom 3. April 2012 abgelehnt (7 L 301/12). Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Beschluss vom 22. Mai 2012 zurückgewiesen (16 B 536/12).

Zur Begründung der Klage trägt der Kläger zusammengefasst vor, dass nach Aktenlage nur ein einmaliger Konsum feststehe und auch die festgestellten Werte nicht die Annahme eines mehr als einmaligen Konsums, also eines (mindestens) gelegentlichen Konsums belegten. Nicht er müsse einen nur einmaligen Konsum beweisen, sondern die Fahrerlaubnisbehörde müsse den mehr als einmaligen Konsum beweisen. Könne sie dies nicht, gehe das zu ihren Lasten. Der Kläger beantragt schriftsätzlich, die Entziehungsverfügung der Beklagten vom 20. Februar 2012 aufzuheben. Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen, und bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.

Die Parteien haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich des Verfahrens 7 L 301/12 sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten. ...

Über die Klage kann gemäß §§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entschieden werden, da die Parteien sich damit einverstanden erklärt haben. ...

Zur Begründung wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die angefochtene Verfügung (§ 117 Abs. 5 VwGO) und die Beschlüsse der Kammer und des OVG NRW im zugehörigen Eilverfahren Bezug genommen. An der dort geäußerten Rechtsauffassung hält die Kammer auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung fest. Die Entziehung der Fahrerlaubnis erweist sich als rechtmäßig, da der Kläger durch die Fahrt unter Cannabiseinfluss bewiesen hat, dass er zwischen dem (mindestens gelegentlichen) Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann, vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV).

Die in Klage- und Antragsverfahren geäußerte Ansicht des Klägers, in seinem Falle sei nicht einmal gelegentlicher Cannabiskonsum bewiesen, sondern allenfalls einmaliger Konsum, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Die darin möglicherweise zu sehende Behauptung eines Erstkonsums kann rechtlich allenfalls dann relevant sein, wenn ein solcher Erstkonsum konkret und glaubhaft dargelegt ist. Es spricht eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit dagegen, dass ein Erstkonsument, der im Umgang mit Cannabis unerfahren ist, sich dem hohen Risiko einer Fahrt unter Einfluss dieser Droge aussetzt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2008 - 16 B 868/08 - m.w.N.

Der Kläger hat weder im Ordnungswidrigkeiten-Verfahren noch gegenüber der Beklagten und auch nicht in den gerichtlichen Verfahren Angaben zu seinem Cannabis-Konsum gemacht und ist damit seiner Mitwirkungsobliegenheit in einer solchen, von ihm behaupteten Ausnahmesituation nicht nachgekommen. Deshalb ist es zulässig, dieses Verhalten bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten zu berücksichtigen.

So schon im zugehörigen Beschwerdeverfahren: OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2012 - 16 B 536/12 - unter Bezugnahme auf einem Beschluss vom 12. März 2012 - 16 B 1294/11 -.

Bei feststehender Ungeeignetheit steht die Entziehung nicht im Ermessen der Behörde. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger inzwischen seine Kraftfahrereignung wiedergewonnen haben könnte. Insoweit schreibt die Fahrerlaubnis-Verordnung zwingend eine medizinisch-psychologische Untersuchung vor (vgl. § 14 Abs. 2 FeV). ..." (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.07.2012 - 7 L 819/12).

***

Kein Probierkonsum bei täglichem Konsum von vier Joints in einer Zeitspanne von 14 Tagen (VG Ansbach, Beschluss vom 20.06.2012 - AN 10 S 12.00679):

„... Diese Anlage richtet sich in ihrem Aufbau unter anderem nach den (früheren) Begutachtungs-Leitlinien „Krankheit und Kraftverkehr" des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesminister für Verkehr, nunmehr Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung (amtliche Begründung VkBl. 1998, 1067), einem antizipierten Sachverständigengutachten, dem ein entsprechendes verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zu Grunde liegt und das deshalb nach der ständigen Rechtsprechung zur Würdigung des Sachverhalts und zur Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen heranzuziehen ist.

Nach Ziffer 9.2 der Anlage 4 bzw. 3.12.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung (Stand: November 2009) ist u. a. derjenige nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden und damit ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer regelmäßig Cannabis einnimmt oder Cannabis gelegentlich konsumiert und den Konsum und das Fahren nicht trennen kann, zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe gebraucht oder bei einer Störung der Persönlichkeit oder bei einem Kontrollverlust.

Ein solcher die Fahreignung ausschließender Konsum von Cannabis steht vorliegend aufgrund des Ergebnisses des chemisch-toxikologischen Gutachtens vom 5. September 2011 fest.

In § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. der Anlage 4 zur FeV hat der Verordnungsgeber eine Bewertung der Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorgenommen, indem er die auf wissenschaftlicher Grundlage gewonnenen und bereits im Gutachten „Krankheit und Kraftverkehr" zusammengefassten Erkenntnisse in die Fahrerlaubnisverordnung integriert und damit normativ als für den Regelfall zutreffend gekennzeichnet hat. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Ziffer 9.2 der Anlage 4 zur FeV beinhaltet daher den Erfahrungssatz, dass schon die regelmäßige Einnahme von Cannabis oder eine gelegentliche Einnahme, wenn der Konsum von Cannabis und das Fahren von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr nicht getrennt werden kann, regelmäßig die Fahreignung ausschließt. An diese normative Wertung sind die Behörden und die Gerichte gebunden, solange im Einzelfall keine Umstände vorliegen, welche ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen, die Regelannahme also entkräften könnten (vgl. dazu: OVG Koblenz, Urteil vom 23.5.2000 - VRS 99, 238).

Zwar wird weder in der Fahrerlaubnisverordnung noch in der Anlage 4 zu dieser Vorschrift definiert, wann ein gelegentlicher Konsum von Cannabis vorliegt. Ein „gelegentlicher" Cannabiskonsum liegt jedenfalls immer dann vor, wenn dieses Betäubungsmittel öfters als in der Form eines einmaligen, experimentellen Gebrauchs, aber weniger als „regelmäßig" eingenommen wird. Daraus folgt, dass bereits ein zweimaliger Cannabiskonsum ausreicht, um die Schwelle zur „Gelegentlichkeit" zu überschreiten (so BayVGH, Beschluss vom 25.1.2006 - 11 CS 05.1453). Dabei ist erforderlich, dass mindestens zweimal Cannabis in voneinander unabhängigen Konsumakten eingenommen wurde (BayVGH vom 25.1.2006, a.a.O.). Mit dem Begriff der „Gelegentlichkeit" eines Cannabiskonsums in der Fahrerlaubnisverordnung ebenso wie in der hierzu ergangene Anlage 4 sollte eine Abgrenzung zum experimentellen Probierkonsum geschaffen werden (vgl. auch dazu BayVGH vom 20.11.2006, 11 CS 06.118). In dem Moment aber, wo der Fahrerlaubnisinhaber sich objektiv mehrfach in voneinander unabhängigen, selbständigen Konsumakten tatsächlich Cannabis zugeführt hat, liegt ein experimentelles Verhallten nicht mehr vor (vgl. BayVGH vom 20.11.2006, a.a.O.). Nach der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. März 2006 (11 CS 05.1559), der sich das Gericht anschließt, kommt es bei der Klärung der Frage, ob unabhängige, selbständige Konsumakte gegeben sind, auf Folgendes an:

„Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung der Ausklammerung der einmaligen Cannabiseinnahme aus den Tatbeständen, die im Regelfall den Verlust der Fahreignung nach sich ziehen, steht es der Bejahung eines einmaligen Gebrauchs dieses Betäubungsmittels nicht entgegen, wenn jemand seinem Körper in so engem zeitlichem Zusammenhang mehrere Konsumeinheiten dieser Droge zugeführt hat, dass von einem einheitlichen Lebensvorgang gesprochen werden muss (ebenso OVG Bbg vom 13.12.2004 Blutalkohol 2006, 161/163 für den Fall, dass im Verlauf einer mehrstündigen Feier mehrere cannabishaltige Zigaretten geraucht wurden). Denn zum Wesen des Probierkonsums gehört es nachgerade, dass der Handelnde ausloten will, wie sich Cannabis auf seine Befindlichkeit auswirkt. Zeitigt die Einnahme einer kleineren Menge dieses Stoffes entweder keine oder nicht die erwartete Wirkung, so liegt es in der inneren Logik eines Verhaltens, das der Gewinnung von Erfahrung in Bezug auf Haschisch oder Marihuana dienen soll, dass der Experimentierende sich eine höhere Dosis dieses Betäubungsmittel zuführt (vgl. zur Möglichkeit der mehrfachen Wiederholung einer inhalativen Einzelaufnahme von Cannabis im Rahmen ein und derselben Session auch bei Erstkonsumenten Aderjan, Gutachten vom 29.8.2005, Seite 8). Nicht mehr als Bestandteil erstmaligen Probierens angesehen werden kann es demgegenüber, wenn jemand nach bereits einmal gewonnener Erfahrung mit Cannabis dazu ansetzt, sich ein von Grund auf "neues Rauscherlebnis" (im Gegensatz zur bloßen Intensivierung oder Perpetuierung eines bereits bestehenden Rauschzustandes) zu verschaffen. Denn wer, nachdem seine erste Rauscherfahrung mit Cannabis abgeklungen ist, erneut zu dieser Droge greift, bringt damit zum Ausdruck, dass er es nicht bei einem einmaligen Experimentieren mit diesem Betäubungsmittel belassen will. Demgegenüber bewegt sich noch im Rahmen des Probiervorgangs, wer "im Zuge" der erstmaligen Einnahme von Haschisch oder Marihuana - sei es auch aufgrund eines nach Konsumbeginn gefassten neuen Entschlusses - seine Rauscherfahrung dadurch zu steigern oder zu verlängern sucht, dass er sich zeitnah weitere Einheiten dieser Drogen zuführt.

Die Abgrenzung, ob eine oder mehrere Einnahmen von Cannabis vorliegen, kann nach alledem nicht anhand des Handlungsbegriffs des materiellen Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts erfolgen. Das hätte nämlich selbst unter Heranziehung der Rechtsfigur der "natürlichen Handlungseinheit" zur Folge, dass u. U. bereits das Rauchen ein und derselben Cannabiszigarette dann als wiederholter Konsumvorgang gewertet werden müsste, wenn z. B. der Rauchvorgang für eine gewisse Zeit unterbrochen werden muss, da es alsdann an dem für die Bejahung einer natürlichen Handlungseinheit erforderlichen "engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang" (vgl. BGH vom 28.10.2004 Az. 4 StR 268/04, zit. nach Juris) fehlen kann. Sofern dem Rechtsanwender im Fahrerlaubnisrecht nicht genügend Informationen darüber zur Verfügung stehen, ob ein Verhalten als zusammengehöriger Vorgang eines einheitlichen "Sich-Berauschens" anzusehen ist oder ob der Betroffene durch das zu beurteilende Handeln sich ein neues, selbständiges Rauscherlebnis verschaffen wollte, kommt in Betracht, die Abgrenzungskriterien heranzuziehen, nach denen sich beurteilt, ob ein und dieselbe "Tat" im strafprozessualen Sinne vorliegt oder nicht. Denn auch insoweit kommt es darauf an, ob ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang inmitten steht, in dessen Rahmen die einzelnen Sachverhalte innerlich so miteinander verknüpft sind, dass sie nach der Lebensauffassung eine Einheit bilden und ihre getrennte Behandlung als unnatürliche Aufspaltung eines zusammengehörenden Geschehens erscheinen würde, wobei insbesondere ein großer zeitlicher Abstand zwischen den einzelnen Vorkommnissen die Einheit des geschichtlichen Vorgangs beseitigen kann (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Aufl. 1987, RdNrn. 4 f. zu § 264). Da die Voraussetzungen des strafprozessualen Tatbegriffs - anders als diejenigen der Handlung im Sinne des materiellen Strafrechts - im Wesentlichen unstrittig sind und sie durch eine umfangreiche Rechtsprechung konkretisiert wurden (vgl. Gollwitzer, a.a.O., Fn. 15 zu § 264), steht in der Gestalt dieser Rechtsfigur ein hinreichend scharf konturiertes Abgrenzungskriterium zur Verfügung, auf das nach dem Vorgesagten allerdings nur hilfsweise zurückzugreifen sein wird, wenn sich nicht feststellen lässt, ob ein einheitlicher oder mehrere selbständige Vorgänge des "Sich-Berauschens" inmitten stehen."

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller seinen eigenen Angaben zu Folge innerhalb eines Zeitrahmens von zwei Wochen täglich bis zu vier Joints geraucht. Hierin kann kein einheitlicher Vorgang des Berauschens gesehen werden, da zwischen den einzelnen Konsumakten zwangsläufig Pausen - beispielsweise zur Befriedigung des Schlafbedürfnisses - gelegen haben müssen, die das jeweilige Rauscherlebnis beendet und bei weiterem Konsum ein neues Rauscherlebnis begründet haben. Der vorliegende Fall unterscheidet sich demgemäß von den Sachverhalten, die den von der Antragstellerseite genannten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. August 2006 und 27. März 2006 zugrunde lagen. Denn in diesen Fällen stand der Konsum mehrerer Joints über einen Zeitraum von wenigen Stunden und nicht wie hier ein wiederholter Cannabiskonsum in einer Zeitspanne von 14 Tagen im Raum.

Des Weiteren konnte der Antragsgegner auch davon ausgehen, dass der Antragsteller unter dem Einfluss von Cannabis im öffentlichen Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug geführt hat.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung - welcher sich die Kammer angeschlossen hat - davon aus, dass ein fehlendes Trennungsvermögen dann vorliegt und auch nachgewiesen ist, wenn ein gelegentlicher Konsument von Cannabis ein Fahrzeug unter fahreignungsrelevantem Einfluss von Cannabis führt (vgl. BayVGH vom 25.1.2006 Az.: 11 CS 05.1711).

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht weiterhin in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Drogenfahrt im obigen Sinne, die bei Vorliegen der weiteren Voraussetzung gelegentlicher Cannabiseinnahme gemäß Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung ausschließt, dann vorliegt, wenn die bei dieser Fahrt im Blut des Betroffenen festgestellte THC-Konzentration 2,0 ng/ml überstieg (vgl. BayVGH vom 14.7.2004, 11 CS 04.1513; vom 27.10.2004, 11 CS 04.2840; vom 11.11.2004, 11 CS 04.2348; zuletzt vom 25.1.2006 a.a.O.). Somit hat der Antragsteller in objektiver Hinsicht gegen das Trennungsgebot verstoßen. Soweit der Antragsteller vortragen lässt, er habe subjektiv nicht gegen das Trennungsgebot verstoßen, geht dieser Einwand ins Leere. Auf einen vermeintlichen Tatbestandsirrtum des Antragstellers für die Frage des Trennungsgebots kommt es zumindest im Fahrerlaubnisrecht nicht an. Ein unter Betäubungsmitteleinfluss stehender Kraftfahrer, der sich dennoch für fahrtüchtig hält, ist vielmehr als besonders gefährlich anzusehen.

Eine THC-Konzentration von mehr als 2,0 ng/ml ist durch das chemisch-toxikologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität … vom 5. September 2011 zur Überzeugung des Gerichts belegt.

Es ist auch nichts ersichtlich dafür, dass der Antragsteller seine Eignung mittlerweile wieder-erlangt haben könnte. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof - und ihm folgt dieses Gericht - geht in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass eine wegen Betäubungsmittelkonsums verlorengegangene Eignung erst nach mindestens einjähriger, nachgewiesener Betäubungsmittelabstinenz, bei lediglich gelegentlicher Einnahme von Cannabis (in Verbindung mit fehlendem Trennungsvermögen) auch bei nachgewiesenem Übergang zu einem straßenverkehrsrechtlich zulässigen Gebrauch dieses Betäubungsmittels für die Dauer mindestens eines Jahres wiedererlangt werden kann. Hinzu kommen muss eine Prognose, dass die Verhaltensänderung von Dauer ist, was sich nur bejahen lässt, wenn zu einer positiven Veränderung der körperlichen Befunde ein stabiler, tiefgreifender Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhalten bzw. die besonderen Voraussetzungen beachten wird, bei deren Erfüllung ein Konsument von Cannabis als fahrgeeignet angesehen werden kann. Um einen solchen inneren Wandel eruieren zu können, bedarf es - gegebenenfalls neben ärztlichen Feststellungen - einer psychologischen Bewertung (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend BayVGH vom 9.5.2005 - 11 CS 04.2526).

Diese Anforderungen erfüllt der Antragsteller schon deshalb nicht, weil der letzte nachgewiesene Konsum nicht länger als ein Jahr vor der letzten Behördenentscheidung, auf welche hier abzustellen ist, lag und er zudem bislang weder eine psychologische Bewertung noch einen einjährigen Abstinenznachweis vorgelegt hat.

Der Antragsgegner durfte daher von der erwiesenen Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen, so dass die Fahrerlaubnis gemäß §§ 3 StVG, 46 FeV zwingend entzogen werden musste. Raum für eine Ermessensausübung, in deren Rahmen die Wichtigkeit des Führerscheins für den Antragsteller hätte berücksichtigt werden können, blieb daher nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung dieses Gerichts sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides, welches der Antragsgegner auch formell ausreichend im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO begründet hat. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt in ständiger Rechtsprechung aus, dass es zwar richtig sei, dass die Anordnung des sofortigen Vollzugs eines Verwaltungsaktes regelmäßig besondere Gründe voraussetze, die über die Gesichtspunkte hinausgingen, welche den Verwaltungsakt selbst rechtfertigten. Im Bereich des Sicherheitsrechts könne dies aber nicht uneingeschränkt gelten, wozu auch die Fälle gehören würden, in denen die Fahreignung in Frage stehe, weshalb die weitere Führung eines Kraftfahrzeugs durch einen Fahrer unverzüglich verhindert werden müsse, wenn ernsthafte Zweifel an dessen Fahreignung bestünden. ..."

***

Das positive Gutachten über die Kraftfahreignung verliert an Gültigkeit, wenn dieses auf der Grundlage einer gefälschten Haaranalyse erfolgte (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 11.05.2012 - 7 L 445/12):

„... Zunächst hat die Antragsgegnerin im (zweiten) Wiedererteilungsverfahren den Antragsteller mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 gemäß § 14 Abs. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV - zu Recht aufgefordert, ein medizinisch-psychologisches Gutachten (Gutachten) beizubringen. Anlass hierfür waren der sich aus der "Drogenfahrt" unter Cannabis-Einfluss vom 20. Juni 2009 folgende Verzicht auf die Fahrerlaubnis vom 10. September 2009 und das negative Gutachten vom 28. Mai 2010 im ersten Wiedererteilungsverfahren.

Das darauf hin von der Akademie Sicherheit & Verkehr GmbH (Akademie) erstellte Gutachten vom 28. Januar 2011 kam ausdrücklich (nur) deshalb zu einem für den Antragsteller positiven Ergebnis, weil seine Angaben, nach dem Drogendelikt den Drogenkonsum eingestellt zu haben, "sowohl aufgrund seiner Angaben als auch aufgrund der medizinischen Befunde glaubhaft" seien (Seiten 13/14 des Gutachtens Blatt 100 ff des Verwaltungsvorgangs). Als medizinischer Befund lag dabei zugrunde eine "Haaranalyse der Praxis K. -L. , F. vom 28.12.2010", nach der in 6,0 cm langen Haaren des Antragstellers kein Nachweis von Drogen gefunden worden war (Seite 7 des Gutachtens a.a.O.). Durch das positive Gutachten waren die Eignungszweifel ausgeräumt, so dass dem Antragsteller im März 2011 die Fahrerlaubnis wiedererteilt wurde.

Das positive Ergebnis des Gutachtens vom 28. Januar 2011 ist allerdings nicht mehr aufrechtzuerhalten, so dass die Eignungszweifel wieder bestehen und deshalb die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 (Blatt 121 des Verwaltungsvorgangs) informierte die Akademie die Antragsgegnerin darüber, dass ihr nach Mitteilung des Labors Dr. T. und Kollegen aus N. u.a. vom Antragsteller eine gefälschte Haaranalyse vorgelegt worden sei, die als Grundlage der medizinisch-psychologischen Urteilsbildung gedient habe. Da der Befund jedoch gefälscht sei, habe das von ihr ausgesprochene Votum keine Gültigkeit mehr. Es müsse davon ausgegangen werden, dass weiterhin Substanzmissbrauch oder gar -abhängigkeit bestehe, weil andernfalls eine Befundfälschung nicht vonnöten gewesen wäre. Deshalb werde eine sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis empfohlen.

Auf Anforderung des Gerichts hat die Akademie zunächst eine Kopie dieses Befundes übersandt (Blatt 34/35 der Gerichtsakte). Danach bestätigt das Medizinische Versorgungszentrum Dr. T. und Kollegen aus N. mit zweiseitigem Endbefund vom 10. Januar 2011 dem Facharzt für Anästhesiologie L. in F. , dass eine am 28. Dezember 2010 eingegangene 6,0 cm lange schwarze Haarprobe keinen Drogennachweis erbracht hat. Beide Seiten dieses Endbefundes weisen einen Stempelaufdruck K. - L. mit einer unleserlichen Unterschrift auf.

In einem weiter von der Akademie übersandten Schreiben des Medizinischen Versorgungszentrums Dr. T. und Kollegen vom 12. Dezember 2011 an diese (Blatt 39 ff der Gerichtsakte) heißt es im 2. Absatz, dass von der Praxis L. im Jahre 2010 lediglich am 26. April 2010 drei Haaranalysen im Labor veranlasst und auch die angegebenen Auftragsnummern nicht verwendet worden seien.

Damit dürfte feststehen, dass der Endbefund vom 10. Januar 2011, mit dem eine ca. 6-monatige Drogenfreiheit des Antragstellers nachgewiesen werden sollte, nicht aus dem Labor Dr. T. und Kollegen stammt und deshalb als Grundlage für das positive Gutachten unbrauchbar ist. Der Antragsteller hat damit die vorhandenen Eignungszweifel letztlich nicht zu seinen Gunsten klären können.

Vorliegend ist allein erheblich, dass damit der Antragsteller objektiv den erforderlichen Nachweis für eine monatelange Drogenfreiheit nicht erbracht hat. Dagegen spielt keine Rolle, ob er weiterhin, wie die Akademie vermutet, Drogen nimmt oder von der Fälschung gewusst hat oder nicht. Deshalb bedarf es auch vorliegend keiner weiteren Klärung der Umstände der Fälschung oder gar des Abwartens auf Ergebnisse des diesbezüglichen staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens. Sollte dem Antragsteller nichts vorzuwerfen sein, hätte er ggfs. Schadensersatzansprüche an seine Vermittlungspartner.

Vorliegend kam vor einer Entziehung der Fahrerlaubnis auch nicht die (erneute) Anordnung eines Gutachtens in Betracht, um dem Antragsteller nochmals Gelegenheit zu geben, die Eignungszweifel auszuräumen. Denn derzeit könnte ein Gutachten mangels Vorliegens eines Nachweises einer mehrmonatigen Drogenfreiheit nur negativ ausfallen.

Angesichts der danach feststehenden Ungeeignetheit des Antragstellers bestehen auch keine Bedenken an der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung. Die damit verbundenen Schwierigkeiten hat der Antragsteller hinzunehmen, weil gegenüber seinen Interessen das Interesse am Schutz von Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer eindeutig überwiegt. ..."

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In Rechtsprechung und Literatur besteht kein Konsens darüber, ob eine exakte Abgrenzung der Konsumformen bei Cannabis (regelmäßig, gelegentlich, einmalig) allein anhand der für THC und THC-COOH ermittelten Werte (hier: 1,2 ng/ml THC und 12 ng/ml THC-COOH) möglich ist. Kann dem Fahrerlaubnisinhaber im Eilverfahren die Behauptung, er habe nur einmalig konsumiert, nicht ohne Weiteres widerlegt werden, ob die für THC und THC-COOH ermittelten Werte auf mehrfachen Konsum schließen lassen. In diesem, nicht durch § 14 FeV geregelten Fall bleibt im summarischen Eilverfahren Platz für eine Interessenabwägung zu Lasten des Fahrerlaubnisinhabers und zu Gunsten des Vollzugsinteresses (VG Freiburg, Beschl. v. 09.01.2006 - 1 K 1914/05, NJW 2006, 3370 f).

Hat ein gelegentlicher Cannabiskonsument ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt und damit belegt, dass er Konsum und Fahren nicht trennt, so ist der darin regelmäßig zu sehende Eignungsmangel jedenfalls dann nicht widerlegt, wenn der betroffene Kraftfahrer einerseits weiteren Cannabiskonsum für die Zukunft nicht ausschließen will (im Fall: Beschränkung auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum in den Semesterferien), sich mit seinem Konsum in der Vergangenheit nicht selbstkritisch auseinander gesetzt hat und sich andererseits auch nicht hinreichend mit der Dauer der Auswirkungen des Konsums auf seine Fahreignung befasst hat (im Fall: Unsicherheit des Betroffenen hinsichtlich der Dauer der Beeinträchtigung der Fahreignung nach einem Cannabiskonsum; VG Hamburg, Beschluss vom 15.10.2004 - 21 E 4398/04, zfs 2005, 107 zu StVG § 3 Abs. 1; FeV Anlage 4, Punkt 9.2.2).

Hat es die zuständige Fahrerlaubnisbehörde im Anschluss an eine Fahrt unter Ecstasy- und Cannabiseinwirkung versäumt, (damals) rechtmäßigerweise die Fahrerlaubnis wegen bestehender Ungeeignetheit zu entziehen, so kann nach Ablauf eines Zeitraumes von fast vier Jahren nur noch von einem Eignungszweifel ausgegangen werden, wenn keine Anhaltspunkte für einen weiteren Drogenkonsum vorliegen. Aufgrund des Zeitablaufs seit dem Vorkommnis ist hier kein Regelfall i.S.d. Nr. 9.1 der Anlage 4 FeV mehr anzunehmen. In einem solchen Fall ist die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV; VG Lüneburg, Beschluss vom 22.03.2004 - 5 B 1/04, zfs 2004, 239 zu StVG § 3 Abs. 1, FeV §§ 11 Abs. 2; 14, 46 Abs.1, Anlage 4 zur FeV Nr. 9.1).

Derjenige, der Cannabis gelegentlich einnimmt, ist geeignet, wenn darüber hinaus nicht noch einer der in Anlage 4 Nr. 9.2.2 zur FeV genannten Gründe vorliegt. Hat ein Kraftfahrer zumindest gelegentlich Cannabis eingenommen und war er nicht in der Lage, diesen Konsum vom Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen, so ist er danach ungeeignet. Die FE ist dann ohne weiteres zu entziehen (wie VGH BW zfs 2003, 266, vgl. auch NdsOVG zfs 2003, 476, 477). Die sog. Grenzwertkommission hat zu § 24a Abs. 2 StVG am 20.11.2002 eine Mindestkonzentration THC von 1,0 ng/ml festgesetzt. Bei dieser und höheren Werten ist die Annahme eines zeitnahen Cannabiskonsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit gerechtfertigt (wie NdsOVG DAR 2003, 480). Für den Fall, dass nach der Fahrt unter Cannabiseinfluss ausreichende Anhaltspunkte für die Wiederherstellung der Fahreignung bestehen, ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen. Maßgebend ist, dass nach dem Vorfall eine gewisse Zeit verstrichen ist oder sonst Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verhaltensänderung als möglich erscheinen lassen. Dies kann unter Umständen auch schon während des Widerspruchsverfahrens der Fall sein, so dass der FE-Inhaber nicht stets auf das Neuerteilungsverfahren (§ 20 FeV) verwiesen werden darf. (VG Oldenburg, Beschluss vom 06.01.2004 - 7 B 5288/03, zfs 2004, 238 zu FeV §§ 46, 14; Anlage 4 zur FeV Nr.9.2.2).

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Genehmigung für den Anbau von Cannabispflanzen

Zur Rechtmäßigkeit der Versagung einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf zwecks Linderung von Schmerzen (OVG NRW, Beschluss vom 16.11.2011 - 13 B 1198/11):

„... I. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedarf es gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I, S. 358) für den Anbau von Hanfpflanzen zur medizinischen Selbstversorgung einer Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Nach der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG zählt Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen) grundsätzlich zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln. Die in der Anlage I unter den Buchstaben a) bis d) zu Cannabis aufgeführten Ausnahmetatbestände liegen hier nicht vor.

Auch die mit der 25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 11. Mai 2011 (BGBl. I, S. 821) eingeführte Ausnahme zu den in den Anlagen II und III bezeichneten Zwecken unter Buchstabe e) greift nicht ein. Cannabis in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind (vgl. Anlage III), steht hier nicht in Rede. Ebenso wenig sind die Hanfpflanzen, die der Antragsteller anbauen möchte, zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken bestimmt (Anlage II). Ein anderweitiges Verständnis der Regelung in Anlage II widerspräche, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, dem erkennbaren Willen des Verordnungsgebers. Dieser hat in der Begründung des Verordnungsentwurfs (BR-Drs. 130/11 vom 3. März 2011) ausdrücklich ausgeführt, dass die Änderungen betreffend Cannabis in den Anlagen I bis III (allein) dem Zweck dienen, cannabishaltige Fertigarzneimittel in Deutschland herstellen, zulassen und verschreiben zu können.

Vgl. Begründung A. Allgemeiner Teil, I. Ziel und Gegenstand des Verordnungsentwurfs.

Mit der Aufhebung des generellen Verkehrsverbots für Cannabis sollen lediglich solche cannabishaltigen Arzneimittel verkehrsfähig werden, die unter den strengen Vorgaben des Arzneimittelrechts als Fertigarzneimittel zugelassen sind. Ferner soll die Herstellung entsprechender Zubereitungen zu medizinischen Zwecken ermöglicht werden.

Vgl. Begründung B. Besonderer Teil, Zu Artikel 1 (Änderung der Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes), Zu den Nummern 1 bis 3 Buchstabe a.

Die unter der Position Cannabis in Anlage II angeführte Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken steht danach in untrennbarem Zusammenhang mit der Herstellung eines cannabishaltigen Fertigarzneimittels und betrifft nicht den Eigenanbau von Cannabis zwecks Selbstmedikation.

Auch die Ausführungen in der Replik zur Antragserwiderung stützen die Rechtsauffassung des Antragstellers nicht, da sie von der Annahme ausgehen, dass Cannabisharz (Haschisch) infolge der Änderungen in den Anlagen I und II zu § 1 Abs. 1 BtMG nicht mehr als Betäubungsmittel gilt. Dies trifft jedoch nicht zu. Vielmehr zählt Cannabisharz gemäß Anlage I nach wie vor ohne Ausnahme zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln.

Die Regelungen im Betäubungsmittelgesetz, die den Umgang mit Cannabis vorbehaltlich der Erteilung einer Erlaubnis nach § 3 BtMG verbieten, sind entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht offenkundig verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung im Jahr 1994 nach Auswertung der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse festgestellt, dass sich zwar die von Cannabisprodukten ausgehenden Gesundheitsgefahren aus heutiger Sicht als geringer darstellten, als der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes angenommen habe, jedoch auch nach dem jetzigen Erkenntnisstand nicht unbeträchtliche Gefahren und Risiken verblieben, so dass die Gesamtkonzeption des Gesetzes in Bezug auf Cannabisprodukte auch weiterhin vor der Verfassung Bestand habe.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 2 BvL 43/92 u.a. -, BVerfGE 90, 145 (181).

An dieser Einschätzung hat das Bundesverfassungsgericht in nachfolgenden Entscheidungen mangels neuer Tatsachen, welche die bisherige Einschätzung erschüttern könnten, festgehalten.

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Juni 2004 - 2 BvL 8/02 -, NJW 2004, 3620, vom 30. Juni 2005 - 2 BvR 1772/02 -, PharmR 2005, 374, und vom 15. August 2006 - 2 BvR 1441/06 -, juris.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2000 - 3 C 20.00 -, NJW 2001, 1365, die nach Ergehen der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts durchgeführten Forschungen nicht als geeignet angesehen, den Beweis einer generellen Unbedenklichkeit von Cannabis zu erbringen.

Vgl. ebenso BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - 3 B 109.06 -, juris.

Der Antragsteller hat kein neues Erkenntnismaterial vorgelegt, das die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts als (offensichtlich) fehlerhaft erscheinen lässt. Die von seinen Verfahrensbevollmächtigten angeführten Studien von Kleiber/Kovar und Kleiber/Söllner aus den Jahren 1997 und 1998 lagen bereits den danach ergangenen verfassungsgerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen zugrunde.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2004 - 2 BvL 8/02 -, a.a.O., zur Würdigung der Studie von Kleiber/Kovar.

Auch die weiterhin benannte Publikation von Dr. Krumdiek in der NStZ 2008, 437, in der die neueren wissenschaftlichen Aufsätze zum Thema Cannabis zusammengefasst werden, vermag die Ungefährlichkeit von Cannabis nicht zu belegen, zumal die Verfasserin selbst in der Zusammenfassung des Beitrags auf die mit dem Gebrauch von Cannabis nach wie vor einhergehenden potentiellen Risiken hinweist. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass für eine eingehende Prüfung neuer Forschungsergebnisse im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohnehin kein Raum ist und eine solche daher gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren vorzunehmen ist.

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anspruch auf Erteilung der nach alldem erforderlichen Erlaubnis für den Anbau von Cannabispflanzen zusteht. Gemäß § 3 Abs. 2 BtMG kann das BfArM eine Erlaubnis für die in Anlage I bezeichneten Betäubungsmittel nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch die Behandlung eines einzelnen schwer kranken Patienten mit Cannabis im öffentlichen Interesse liegen, wenn hierdurch die Heilung oder Linderung der Erkrankung möglich ist und dem Betroffenen kein gleich wirksames zugelassenes und für ihn erschwingliches Arzneimittel zur Verfügung steht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 - 3 C 17.04 -, DVBl. 2005, 1330 (Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu therapeutischen Zwecken).

Selbst wenn auf der Grundlage der vom Antragsteller beim BfArM und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigungen seiner behandelnden Ärztin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren angenommen wird, dass diese Voraussetzungen in seiner Person erfüllt sind, folgt hieraus noch nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit, dass ihm die begehrte Erlaubnis für den Eigenanbau von Cannabis zu erteilen ist.

Zum einen lässt sich die vom Verwaltungsgericht offen gelassene Frage, ob dem Anspruch des Antragstellers Versagungsgründe gemäß § 5 Abs. 1 BtMG entgegenstehen, derzeit noch nicht abschließend beantworten. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 BtMG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn geeignete Räume, Einrichtungen und Sicherungen für die Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr nicht vorhanden sind.

Zwar dürften die Richtlinien des BfArM über Maßnahmen zur Sicherung von Betäubungsmittelvorräten bei Erlaubnisinhabern nach § 3 Betäubungsmittelgesetz (Stand: 1.1.2007) - 4114 (01.07) - im Falle einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabispflanzen in einer Privatwohnung zur medizinischen Eigenbehandlung des Wohnungsinhabers nicht anwendbar sein. Die Richtlinien sind möglicherweise - ebenso wenig wie die Regelung in § 5 Abs. 1 BtMG selbst - nicht auf diese Fallkonstellation zugeschnitten, weil die darin geforderten Sicherungsmaßnahmen (z.B. zertifizierte Wertschutzschränke und -türen) und die hierfür anfallenden Kosten ersichtlich außer Verhältnis zu dem Gefahrenpotenzial stehen, das die wenigen für die Eigentherapie benötigten Cannabispflanzen bergen. Von Privatpersonen können daher nur zumutbare Sicherungsmaßnahmen verlangt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. März 2007 - 13 E 1542/06 -.

Ob vor diesem Hintergrund die vom Antragsteller benannten Sicherungsmaßnahmen als ausreichend anzusehen sind, kann allerdings bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden. Der Antragsteller hat insoweit dargelegt, dass die Eingangstür seiner Wohnung aus Massivholz bestehe und mit einem Sicherheitsschließzylinder und -beschlag ausgestattet sei. Auch für den Raum, in dem der Cannabisanbau erfolgen solle, sei der Einbau einer Vollholztür mit Sicherheitsschließzylinder und -beschlag vorgesehen. Mangels näherer Ausführungen zu den Türsicherungen lässt sich nicht erkennen, inwieweit diese geeignet sind, dem Eindringen Unbefugter in die Wohnung und den Anbauraum effektiv vorzubeugen. Dies wird im Hauptsacheverfahren ebenso zu klären sein wie die Frage, ob beim Anbau von Cannabis in einer Privatwohnung unter Beachtung des Gebots der Zumutbarkeit nicht grundsätzlich noch weitere Sicherungsmaßnahmen zu fordern sind. Als solche kommen mechanische Schutzvorrichtungen wie Mehrfachverriegelungen und ein Aufhebelschutz an Türen oder eine technische Sicherung des Anbauraums - etwa durch eine IT-Kamera mit programmierbarem Bewegungsmelder, der bei Bewegungen im Raum eine e-mail mit Bildern an ein Handy sendet - in Betracht.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 11. Januar 2011 - 7 K 3889/09 -, juris, zu den vom dortigen Kläger geplanten Sicherungsmaßnahmen.

Bei summarischer Prüfung ist ferner gegenwärtig nicht feststellbar, dass das vom BfArM im Rahmen von § 3 Abs. 2 BtMG und des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 2 BtMG auszuübende Ermessen dahingehend reduziert ist, dass nur die Erteilung der begehrten Anbauerlaubnis rechtmäßig ist.

Eine Ermessensreduzierung auf Null dürfte insbesondere dann nicht anzunehmen sein, wenn dem Antragsteller eine wirksame und zumutbare Behandlungsalternative zum Eigenanbau von Cannabis zur Verfügung steht. Das BfArM hat in den Ermessenserwägungen des Ablehnungsbescheides vom 14. Oktober 2010 daher im Ansatz zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller eine Erlaubnis für den Erwerb von niederländischem Medizinalhanf erteilt worden ist. Weder der Antragsteller noch seine behandelnde Ärztin haben die Wirksamkeit des Medizinalhanfs zur Schmerzlinderung in Frage gestellt. Allerdings ist der Bezug von Medizinalhanf über eine Apotheke dem Antragsteller nur dann zumutbar, wenn er sich dies finanziell leisten kann. Hierzu verhält sich der Ablehnungsbescheid nicht.

Dass der Erwerb der medizinisch erforderlichen Menge Medizinalhanf für den Antragsteller auf absehbare Zeit nicht erschwinglich sein wird, lässt sich indes im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht feststellen. Der Antragsteller hat seine aktuellen Einkommensverhältnisse nicht glaubhaft gemacht. In der seinem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beigefügten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er angegeben, dass er aus selbstständiger Erwerbstätigkeit über ein monatliches Bruttoeinkommen von ca. 350,-- Euro verfüge. Seine Ehefrau beziehe aus nicht selbstständiger Arbeit monatlich 2.100,-- Euro brutto. Der Antragsteller hat weder dargelegt, worin seine selbstständige Tätigkeit besteht, noch Belege zu seinen und den Einkünften seiner Ehefrau vorgelegt. Ebenso wenig hat der Antragsteller die in der Erklärung angeführten Abzüge (Versicherungen, Werbungskosten/Betriebsausgaben, Wohnungskosten) erläutert und belegt. Nicht nachvollziehbar ist ferner, dass er einerseits eine Belastung aus Fremdmitteln von monatlich 250,-- Euro angibt, andererseits aber die von seiner Ehefrau geleisteten monatlichen Ratenzahlungen auf die Restschuld für das Grundvermögen mit 265,-- Euro beziffert.

Angesichts der aufgezeigten Defizite vermag der Senat nicht zu beurteilen, ob der Antragsteller den ihm nunmehr von seiner behandelnden Ärztin unter dem 10. Oktober 2011 attestierten täglichen Bedarf von einem Gramm Medizinal- Cannabisblüten beim Bezug über eine Apotheke dauerhaft finanzieren kann oder nicht. Dies erscheint bei einem Bezugspreis von 14,40 Euro je Gramm in der Apotheke des Antragstellers, auf dessen Grundlage sich monatliche Kosten von ca. (30 x 14,40 Euro =) 432,-- Euro errechnen, angesichts des (angegebenen) monatlichen Gesamteinkommens des Antragstellers und seiner ihm zu Unterhalt verpflichteten Ehefrau von 2.450,-- Euro jedenfalls nicht von vornherein als ausgeschlossen.

Überdies hat der Antragsteller nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass er überhaupt einen Bedarf an Medizinalhanf hat, der über die in der ärztlichen Erklärung vom 4. September 2009 angegebene Tagesdosis von 0,2 Gramm hinausgeht. Der Bericht seiner Ärztin vom 25. Oktober 2011 ist hinsichtlich der erheblichen Erhöhung des täglichen Bedarfs von 0,2 auf ein Gramm kaum aussagekräftig. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung, aus welchen Gründen ab September 2010 eine "schrittweise Anhebung des Tagesbedarfs auf 1 g" erfolgt ist. Insoweit beschränkt sich die Ärztin darauf, knapp auf eine "Toleranzentwicklung" zu verweisen, die "eine höhere Dosis zur Symptomenbesserung erforderlich" gemacht habe. Der Arztbericht enthält auch weder (ansatzweise) die Ergebnisse der im Rahmen der Dosiserhöhung vorgenommenen körperlichen Untersuchungen und Laborbestimmungen noch Auswertungen des laut Bericht vom Antragsteller geführten Schmerzkalenders.

Ferner hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, wie und insbesondere mit welchen finanziellen Mitteln er den angeblich stufenweise erhöhten Bedarf befriedigt hat. Der Antragsteller erwirbt in seiner Bezugsapotheke augenscheinlich nach wie vor nur die in dem vom BfArM mit Bescheid vom 17. Dezember 2009 genehmigte Menge Medizinalcannabis, d.h. 0,2 Gramm pro Tag entsprechend der ursprünglichen ärztlichen Dosierungsvorgabe. Dies folgt aus dem Rügeschreiben der Apothekenleiterin an den Cannabislieferanten vom 8. Juni 2011 sowie aus der vom 20. Juli 2011 datierenden Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in der er die monatlichen Kosten für "Schmerzmittel (Cannabisblüten)" mit 72,-- Euro - dem Apothekenpreis für eine 5-g-Dose - angegeben hat. Der Antragsteller hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, wie er bisher den ärztlich attestierten weiteren Bedarf von 0,8 Gramm pro Tag gedeckt hat. Sollte es sich hierbei um "illegale Ware" handeln, wie in dem Arztbericht vom 25. Oktober 2011 angedeutet wird, so stellt sich die Frage, woher der Antragsteller diese bezogen hat und wie er diese hat finanzieren können. Jedenfalls ist bei dieser unklaren Sachlage nicht der Schluss möglich, dass der Antragsteller es sich nicht leisten kann, Medizinalcannabis auf Dauer in der - unterstellt - benötigten Menge von einem Gramm pro Tag in seiner Bezugsapotheke zu erwerben.

Der genehmigte Erwerb von Medizinalcannabis über eine Apotheke stellt für den Antragsteller auch im Hinblick auf die von ihm angeführten Lieferschwierigkeiten keine unzumutbare Behandlungsalternative dar. Ob es derzeit noch zu nennenswerten Lieferausfällen kommt, vermag der Senat nicht zu beurteilen. Der Antragsteller hat diese mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Mai 2011 lediglich bis März 2011 dokumentiert und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine Angaben zur aktuellen Versorgungssituation gemacht. Selbst wenn es nach wie vor zu Engpässen bei der Lieferung käme, könnte der Antragsteller hieraus keine Ermessensreduzierung auf Null herleiten. Denn das BfArM könnte, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, dem Antragsteller im Rahmen einer erneuten Ermessensausübung den Bezug einer (zeitweise) höheren Menge Medizinalhanf genehmigen, so dass dieser einen kleinen Vorrat bilden und hiermit kurzfristige Lieferausfälle überbrücken könnte. Soweit der Antragsteller in der Vergangenheit zeitweise von dem niederländischen Monopollieferanten Lieferungen mit einem geringeren als dem deklarierten Inhalt bezogen hat, ist dies seitens der Leiterin seiner Bezugsapotheke mit Schreiben vom 8. Juni 2011 reklamiert worden. Dass es in der Folgezeit weiterhin zu Minderlieferungen gekommen ist, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht.

II. Des Weiteren ist nach derzeitigem Sach- und Erkenntnisstand nicht feststellbar, dass es dem Antragsteller unzumutbar wäre, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Da der Antragsteller, wie oben ausgeführt, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht glaubhaft gemacht hat, ist zum einen nicht erkennbar, ob er den ihm nunmehr ärztlich attestierten Bedarf nicht zumindest für die Dauer des Hauptsacheverfahrens (teilweise) dadurch decken kann, dass er - mit entsprechender Erlaubnis des BfArM - eine größere Menge Medizinalcannabis über seine Bezugsapotheke erwirbt. Mangels hinreichender Glaubhaftmachung der Tagesdosis von einem Gramm Medizinalcannabis lässt sich zum anderen nicht beurteilen, ob die Schmerzen des Antragstellers bei Einnahme einer - zeitweise - geringeren Menge Cannabis weniger effektiv gelindert werden.

Vor dem Hintergrund dieser Unklarheiten erscheint es im Übrigen zumindest nicht als ausgeschlossen, dass dem Antragsteller zur Deckung eines aus laufendem Einkommen (teilweise) nicht finanzierbaren Bedarfs an Medizinalcannabis für den begrenzten Zeitraum des Hauptsacheverfahrens die Aufnahme eines Kredits zumutbar ist. Dieser könnte gegebenenfalls mit dem im Eigentum des Antragstellers - und möglicherweise auch dessen Ehefrau - stehenden Grundvermögen gesichert werden, das nach der Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einen Verkehrswert von 80.000,-- Euro bei einer Restschuld von (lediglich) 32.000,-- Euro hat.

Bei diesen Zumutbarkeitserwägungen geht der Senat davon aus, dass das Verwaltungsgericht bestrebt sein wird, das Hauptsacheverfahren zeitnah zu fördern. ..."

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Für den Anbau von Hanfpflanzen zur medizinischen Selbstversorgung bedarf es einer Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Cannabisharz zählt nach wie vor ohne Ausnahme zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln (OVG NRW, Beschluss vom 16.11.2011 - 13 B 1199/11):

„... I. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedarf es gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I, S. 358) für den Anbau von Hanfpflanzen zur medizinischen Selbstversorgung einer Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Nach der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG zählt Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen) grundsätzlich zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln. Die in der Anlage I unter den Buchstaben a) bis d) zu Cannabis aufgeführten Ausnahmetatbestände liegen hier nicht vor.

Auch die mit der 25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 11. Mai 2011 (BGBl. I, S. 821) eingeführte Ausnahme zu den in den Anlagen II und III bezeichneten Zwecken unter Buchstabe e) greift nicht ein. Cannabis in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind (vgl. Anlage III), steht hier nicht in Rede. Ebenso wenig sind die Hanfpflanzen, die der Antragsteller anbauen möchte, zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken bestimmt (Anlage II). Ein anderweitiges Verständnis der Regelung in Anlage II widerspräche, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, dem erkennbaren Willen des Verordnungsgebers. Dieser hat in der Begründung des Verordnungsentwurfs (BR-Drs. 130/11 vom 3. März 2011) ausdrücklich ausgeführt, dass die Änderungen betreffend Cannabis in den Anlagen I bis III (allein) dem Zweck dienen, cannabishaltige Fertigarzneimittel in Deutschland herstellen, zulassen und verschreiben zu können.

Vgl. Begründung A. Allgemeiner Teil, I. Ziel und Gegenstand des Verordnungsentwurfs.

Mit der Aufhebung des generellen Verkehrsverbots für Cannabis sollen lediglich solche cannabishaltigen Arzneimittel verkehrsfähig werden, die unter den strengen Vorgaben des Arzneimittelrechts als Fertigarzneimittel zugelassen sind. Ferner soll die Herstellung entsprechender Zubereitungen zu medizinischen Zwecken ermöglicht werden.

Vgl. Begründung B. Besonderer Teil, Zu Artikel 1 (Änderung der Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes), Zu den Nummern 1 bis 3 Buchstabe a.

Die unter der Position Cannabis in Anlage II angeführte Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken steht danach in untrennbarem Zusammenhang mit der Herstellung eines cannabishaltigen Fertigarzneimittels und betrifft nicht den Eigenanbau von Cannabis zwecks Selbstmedikation.

Auch die Ausführungen in der Replik zur Antragserwiderung stützen die Rechtsauffassung des Antragstellers nicht, da sie von der Annahme ausgehen, dass Cannabisharz (Haschisch) infolge der Änderungen in den Anlagen I und II zu § 1 Abs. 1 BtMG nicht mehr als Betäubungsmittel gilt. Dies trifft jedoch nicht zu. Vielmehr zählt Cannabisharz gemäß Anlage I nach wie vor ohne Ausnahme zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln.

Die Regelungen im Betäubungsmittelgesetz, die den Umgang mit Cannabis vorbehaltlich der Erteilung einer Erlaubnis nach § 3 BtMG verbieten, sind entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht offenkundig verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung im Jahr 1994 nach Auswertung der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse festgestellt, dass sich zwar die von Cannabisprodukten ausgehenden Gesundheitsgefahren aus heutiger Sicht als geringer darstellten, als der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes angenommen habe, jedoch auch nach dem jetzigen Erkenntnisstand nicht unbeträchtliche Gefahren und Risiken verblieben, so dass die Gesamtkonzeption des Gesetzes in Bezug auf Cannabisprodukte auch weiterhin vor der Verfassung Bestand habe.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 2 BvL 43/92 u.a. -, BVerfGE 90, 145 (181).

An dieser Einschätzung hat das Bundesverfassungsgericht in nachfolgenden Entscheidungen mangels neuer Tatsachen, welche die bisherige Einschätzung erschüttern könnten, festgehalten.

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Juni 2004 - 2 BvL 8/02 -, NJW 2004, 3620, vom 30. Juni 2005 - 2 BvR 1772/02 -, PharmR 2005, 374, und vom 15. August 2006 - 2 BvR 1441/06 -, juris.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2000 - 3 C 20.00 -, NJW 2001, 1365, die nach Ergehen der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts durchgeführten Forschungen nicht als geeignet angesehen, den Beweis einer generellen Unbedenklichkeit von Cannabis zu erbringen.

Vgl. ebenso BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - 3 B 109.06 -, juris.

Der Antragsteller hat kein neues Erkenntnismaterial vorgelegt, das die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts als (offensichtlich) fehlerhaft erscheinen lässt. Die von seinen Verfahrensbevollmächtigten im Parallelverfahren 13 B 1198/11 (7 L 1172/11 VG Köln) angeführten Studien von Kleiber/Kovar und Kleiber/Söllner aus den Jahren 1997 und 1998 lagen bereits den danach ergangenen verfassungsgerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen zugrunde.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2004 - 2 BvL 8/02 -, a.a.O., zur Würdigung der Studie von Kleiber/Kovar.

Auch die weiterhin benannte Publikation von Dr. Krumdiek in der NStZ 2008, 437, in der die neueren wissenschaftlichen Aufsätze zum Thema Cannabis zusammengefasst werden, vermag die Ungefährlichkeit von Cannabis nicht zu belegen, zumal die Verfasserin selbst in der Zusammenfassung des Beitrags auf die mit dem Gebrauch von Cannabis nach wie vor einhergehenden potentiellen Risiken hinweist. Im Übrigen ist für eine eingehende Prüfung neuer Forschungsergebnisse im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohnehin kein Raum und eine solche ist daher gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren vorzunehmen.

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anspruch auf Erteilung der nach alldem erforderlichen Erlaubnis für den Anbau von Cannabispflanzen zusteht. Gemäß § 3 Abs. 2 BtMG kann das BfArM eine Erlaubnis für die in Anlage I bezeichneten Betäubungsmittel nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch die Behandlung eines einzelnen schwer kranken Patienten mit Cannabis im öffentlichen Interesse liegen, wenn hierdurch die Heilung oder Linderung der Erkrankung möglich ist und dem Betroffenen kein gleich wirksames zugelassenes und für ihn erschwingliches Arzneimittel zur Verfügung steht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 - 3 C 17.04 -, DVBl. 2005, 1330 (Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu therapeutischen Zwecken).

Selbst wenn auf der Grundlage der vom Antragsteller beim BfArM und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigungen seines behandelnden Arztes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren angenommen wird, dass diese Voraussetzungen in seiner Person erfüllt sind, folgt hieraus noch nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit, dass ihm die begehrte Erlaubnis für den Eigenanbau von Cannabis zu erteilen ist.

Zum einen lässt sich die vom Verwaltungsgericht offen gelassene Frage, ob dem Anspruch des Antragstellers Versagungsgründe gemäß § 5 Abs. 1 BtMG entgegenstehen, derzeit noch nicht abschließend beantworten. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 BtMG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn geeignete Räume, Einrichtungen und Sicherungen für die Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr nicht vorhanden sind.

Zwar dürften die Richtlinien des BfArM über Maßnahmen zur Sicherung von Betäubungsmittelvorräten bei Erlaubnisinhabern nach § 3 Betäubungsmittelgesetz (Stand: 1.1.2007) - 4114 (01.07) - im Falle einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabispflanzen in einer Privatwohnung zur medizinischen Eigenbehandlung des Wohnungsinhabers nicht anwendbar sein. Die Richtlinien sind möglicherweise - ebenso wenig wie die Regelung in § 5 Abs. 1 BtMG selbst - nicht auf diese Fallkonstellation zugeschnitten, weil die darin geforderten Sicherungsmaßnahmen (z.B. zertifizierte Wertschutzschränke und -türen) und die hierfür anfallenden Kosten ersichtlich außer Verhältnis zu dem Gefahrenpotenzial stehen, das die wenigen für die Eigentherapie benötigten Cannabispflanzen bergen. Von Privatpersonen können daher nur zumutbare Sicherungsmaßnahmen verlangt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. März 2007 - 13 E 1542/06 -.

Ob vor diesem Hintergrund die vom Antragsteller benannten Sicherungsmaßnahmen als ausreichend anzusehen sind, kann allerdings bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden. Der Antragsteller hat insoweit dargelegt, dass die Eingangstür seiner Wohnung aus Massivholz bestehe und mit einem Sicherheitszylinder und -be-schlag ausgestattet sei. Das Schloss der Holztür zu der Kammer, in der der Cannabisanbau erfolgen solle, sei mit einer Stahlabdeckung versehen. Zudem solle der eigentliche Anbauraum innerhalb dieser Kammer durch eine Wand mit verschließbarer Tür abgetrennt werden. Mangels näherer Ausführungen zu den Türsicherungen lässt sich nicht erkennen, inwieweit diese geeignet sind, dem Eindringen Unbefugter in die Wohnung und den Anbauraum effektiv vorzubeugen. Dies wird im Hauptsacheverfahren ebenso zu klären sein wie die Frage, ob beim Anbau von Cannabis in einer Privatwohnung unter Beachtung des Gebots der Zumutbarkeit nicht grundsätzlich noch weitere Sicherungsmaßnahmen zu fordern sind. Als solche kommen mechanische Schutzvorrichtungen wie Mehrfachverriegelungen und ein Aufhebelschutz an Türen oder eine technische Sicherung des Anbauraums - etwa durch eine IT-Kamera mit programmierbarem Bewegungsmelder, der bei Bewegungen im Raum eine e-mail mit Bildern an ein Handy sendet - in Betracht.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 11. Januar 2011 - 7 K 3889/09 -, juris, zu den vom dortigen Kläger geplanten Sicherungsmaßnahmen.

Bei summarischer Prüfung ist ferner gegenwärtig nicht feststellbar, dass das vom BfArM im Rahmen von § 3 Abs. 2 BtMG und des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 2 BtMG auszuübende Ermessen dahingehend reduziert ist, dass nur die Erteilung der begehrten Anbauerlaubnis rechtmäßig ist.

Eine Ermessensreduzierung auf Null dürfte insbesondere dann nicht anzunehmen sein, wenn dem Antragsteller eine wirksame und zumutbare Behandlungsalternative zum Eigenanbau von Cannabis zur Verfügung steht. Das BfArM hat in den Ermessenserwägungen des Ablehnungsbescheides vom 16. August 2011 daher im Ansatz zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller eine Erlaubnis für den Erwerb von niederländischem Medizinalhanf erteilt worden ist. Weder der Antragsteller noch sein behandelnder Arzt haben die Wirksamkeit des Medizinalhanfs zur Schmerzlinderung in Frage gestellt. Allerdings ist der Bezug von Medizinalhanf über eine Apotheke dem Antragsteller nur dann zumutbar, wenn er sich dies finanziell leisten kann. Hierzu verhält sich der Ablehnungsbescheid nicht.

Dass der Erwerb der medizinisch erforderlichen Menge Medizinalhanf für den Antragsteller auf absehbare Zeit nicht erschwinglich sein wird, lässt sich indes im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht feststellen. Der Antragsteller bezieht derzeit und noch bis Mai 2012 von der Bundesagentur für Arbeit einen monatlichen Gründungszuschuss. Er plant nach eigenen Angaben die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit unter Nutzung seiner Fachkenntnisse als Informatiker. Mangels näherer Angaben ist allerdings nicht ersichtlich, welche Einnahmen der Antragsteller mit seiner Tätigkeit (voraussichtlich) wird erzielen können und ob er hiermit perspektivisch die Kosten für Medizinalhanf finanzieren kann, die er ausgehend von dem ihm nunmehr ärztlich attestierten 4-Wochen-Bedarf von 45 g bei einem Apothekenpreis von 14,-- Euro pro Gramm mit monatlich 630,-- Euro angibt. Dies wird im Hauptsacheverfahren ebenso aufzuklären sein wie die Vermögensverhältnisse des Antragstellers, die sich nach Aktenlage unklar darstellen. Aus dem zu den Verwaltungsvorgängen gereichten Wohngeldbescheid vom 27. Januar 2010 geht hervor, dass der Antragsteller jährlich Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.063,-- Euro hat. Hieran hat sich augenscheinlich zwischenzeitlich nichts geändert, weil der Antragsteller in der Beschwerdebegründung " monatlich ca. 72 € Einkünfte aus Kapital" und damit in etwa den gleichen Betrag angegeben hat, der ihm in dem Wohngeldbescheid als monatliches Gesamteinkommen angerechnet worden ist (72,22 Euro). Die Höhe der Einkünfte erlaubt angesichts des derzeit niedrigen Zinsniveaus den Rückschluss auf ein Kapitalvermögen in mittlerer fünfstelliger Höhe. Im Hauptsacheverfahren wird zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang oder (Übergangs-)Zeitraum der Antragsteller dieses Vermögen einsetzen muss, um den benötigten Medizinalhanf zu erwerben.

Der genehmigte Erwerb von Medizinalcannabis über eine Apotheke stellt für den Antragsteller auch im Hinblick auf die von ihm angeführten Lieferschwierigkeiten keine unzumutbare Behandlungsalternative dar. Ob es derzeit noch zu nennenswerten Lieferausfällen kommt, vermag der Senat nicht zu beurteilen. Der Antragsteller hat diese mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 8. Mai 2011 lediglich bis Februar 2011 dokumentiert und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine Angaben zur aktuellen Versorgungssituation gemacht. Selbst wenn es nach wie vor zu Engpässen bei der Lieferung käme, könnte der Antragsteller hieraus keine Ermessensreduzierung auf Null herleiten. Denn das BfArM könnte, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, dem Antragsteller im Rahmen einer erneuten Ermessensausübung den Bezug einer (zeitweise) höheren Menge Medizinalhanf genehmigen, so dass dieser einen kleinen Vorrat bilden und hiermit kurzfristige Lieferausfälle überbrücken könnte. Dass der Antragsteller selbst zu irgendeinem Zeitpunkt von dem niederländischen Monopollieferanten Lieferungen mit einem geringeren als dem deklarierten Inhalt bezogen hat, hat er nicht geltend gemacht.

II. Des Weiteren ist es dem Antragsteller auch nicht unzumutbar, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.

Der behandelnde Arzt des Antragstellers führt in dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bericht vom 30. Oktober 2011 aus, dass die von ihm unter dem 10. Oktober 2011 attestierte 4-Wochen-Dosis von 45 g Medizinalcannabis für "eine ausreichende Schmerzstillung ohne Tabakwirkverstärkung" erforderlich sei. Die aufgrund der Dosierungsvorgabe vom 14. Januar 2010 (18 g je vier Wochen) vom BfArM mit Bescheid vom 10. März 2010 genehmigte Menge Medizinalcannabis sei nicht ausreichend zur Schmerzbefreiung gewesen, so dass der Antragsteller "Cannabis zusammen mit ungefähr dem gleichen Anteil eines milden Tabaks zur Wirkverstärkung" inhaliert habe. Dies lässt darauf schließen, dass die Einnahme der genehmigten Menge Medizinalcannabis mit Tabak als Wirkverstärker sich jedenfalls nicht als weniger wirksam zur Schmerzlinderung erwiesen hat als die Einnahme allein einer höheren Menge Cannabis ohne Beigabe von Tabak. Vor diesem Hintergrund ist es dem Antragsteller zuzumuten, jedenfalls bis zur Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache weiterhin auf Tabak als Wirkverstärker zurückzugreifen, um die zur Schmerzbekämpfung benötigte Menge Cannabis und die hierfür aufzuwendenden Kosten (vorläufig) möglichst gering zu halten.

Dass der Antragsteller sich den Bezug der vom BfArM genehmigten Menge Medizinalcannabis zur Zeit leisten kann, hat er in der Beschwerdebegründung selbst eingeräumt. Danach steht ihm für den Erwerb von Medikamenten monatlich ein Betrag von 257,80 Euro zur Verfügung. Dieser Betrag entspricht in etwa den Ausgaben für 18 g Medizinalcannabis in der Bezugsapotheke des Antragstellers von (18 x 14,-- Euro =) 252,-- Euro.

Sollte der Antragsteller schon vor einer Entscheidung in der Hauptsache auf den Konsum einer höheren Menge Medizinalcannabis ohne Beimischung von Tabak umsteigen wollen, so wäre es ihm zumutbar, zu diesem Zweck einen Teil seines nicht unbeträchtlichen Kapitalvermögens einzusetzen. Falls das Kapital langfristig angelegt ist, ist es dem Antragsteller zuzumuten, die Anlage (teilweise) zu kündigen oder, sofern eine (Sonder-)Kündigung nicht möglich sein sollte, einen Kredit aufzunehmen und das Anlagevermögen als Sicherheit anzubieten. ..."

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Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für den Anbau von Cannabispflanzen (VG Köln, Beschluss vom 17.07.2012 - 7 K 1634/12):

„... Der Kläger bedarf einer Genehmigung zum Anbau von Cannabispflanzen, deren Erteilung sich nach § 3 BtMG richtet. Die Ausnahmen von der Erlaubnispflicht nach § 4 BtMG liegen ersichtlich nicht vor. Nach § 3 Abs. 2 BtMG kann eine Erlaubnis für die in Anlage I bezeichneten Betäubungsmittel nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilt werden. Cannabispflanzen sind in der Anlage I BtMG aufgeführt. Jedoch sind dort Ausnahmen für den Fall vorgesehen, dass die Pflanzen für die in Anlage II oder III bezeichneten Zwecke verwendet werden. Es kann hier offen bleiben, ob die in Anlage II vorgesehene Ausnahme für Pflanzen, die "zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken bestimmt sind" nur die Verkehrsart "Herstellung" oder auch andere Verkehrsarten wie den Anbau oder den Erwerb umfasst, mit der Folge, dass sich die Erlaubniserteilung nach § 3 Abs. 1 BtMG richten würde.

Denn der Erlaubniserteilung stehen hier mehrere Versagungsgründe nach § 5 BtMG entgegen. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn der vorgesehene Verantwortliche nicht die erforderliche Sachkenntnis hat oder die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht ständig erfüllen kann. Der beantragte Anbau von Cannabispflanzen steht hier in untrennbarem Zusammenhang mit dem Zweck der Entwicklung eines Cannabisextraktes zu medizinischen Zwecken. Die hierfür erforderliche Sachkenntnis zum Anbau einer Arzneipflanze und zur Erforschung einer pflanzlichen Zubereitung besitzt weder der Kläger noch die von ihm benannte Person. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 BtMG ist im Falle der Verwendung für wissenschaftliche Zwecke ein abgeschlossenes Hochschulstudium in der Biologie, der Chemie, der Pharmazie oder der Medizin notwendig. Ein derartiges Studium hat die vom Kläger als Verantwortliche vorgesehene Frau N. G. ersichtlich nicht. Der nachgewiesene Grad einer Diplom-Ingenieurin (FH) im Studiengang "Biotechnologie" ist hierfür nicht ausreichend.

Des Weiteren sind derzeit geeignete Räume, Einrichtungen und Sicherungen für das geplante Projekt nicht vorhanden, § 5 Abs. 1 Nr. 4 BtMG. Es kann dahinstehen, ob der vom Kläger als Betriebsstätte genannte "Bunker in München", der dem BfArM offenbar bekannt ist, die erforderliche Eignung aufweist. Jedenfalls sind diese Räumlichkeiten derzeit "nicht vorhanden", weil der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass sie ihm aufgrund eines Besitzrechtes für den von ihm geplanten Betrieb zur Verfügung stehen und auch keine vorvertragliche Zusicherung des Eigentümers belegt ist.

Außerdem ist die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs nicht gewährleistet, weil dem Kläger für das von ihm geplante Projekt die finanziellen Mittel fehlen und auch die Finanzierung mit Hilfe von Krediten im Hinblick auf den derzeitigen Bezug von Sozialleistungen wenig wahrscheinlich erscheint. Dem Vorhaben steht demnach auch § 5 Abs. 1 Nr. 5 BtMG entgegen.

Schließlich hat der Kläger auch im Widerspruchsverfahren keine ausreichenden Antragsunterlagen zur Begründung des geplanten Forschungsprojektes vorgelegt, § 5 Abs. 1 Nr. 7 BtMG in Verbindung mit § 7 Nr. 8 BtMG. Es genügt insoweit nicht, dass mit Hilfe des vom Kläger erfundenen Extraktionsapparates eine nicht näher bezeichnete Zubereitung aus Cannabispflanzen hergestellt werden soll, die sodann Verwendung in Fertigarzneimitteln mit beliebigen Anwendungsgebieten finden soll und hierfür auf die Publikationen des Arztes F. H. verwiesen wird. Ein wissenschaftliches Forschungsvorhaben setzt vielmehr die Erarbeitung eines Konzeptes voraus, in dem die wissenschaftlichen Fragestellungen und die Wege und Methoden zur Beantwortung der Fragen nachvollziehbar und unter Verwendung der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur erläutert werden. Ein derartiges Konzept kann nur von wissenschaftlich ausgebildeten und erfahrenen Personen erstellt und umgesetzt werden und ist hier auch nicht ansatzweise erkennbar. ..."

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Erlaubnis zur Einfuhr von Hanfsamen (VG Köln, Beschluss vom 11.07.2012 - 7 K 6529/11):

„... Nach der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG gehören Pflanzen und Pflanzenteile der Gattung Cannabis zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln. Der Anbau von Cannabispflanzen unterliegt daher der Erlaubnispflicht nach § 3 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 2 BtMG. Eine Ausnahme gilt jedoch nach Ziff. a) für den Samen von Cannabispflanzen, "sofern er nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt ist". Die Samen sind demnach in der Regel keine Betäubungsmittel im Sinne des BtMG, § 1 Abs. 1 BtMG. Daraus folgt, dass der Umgang mit Cannabissamen erlaubnisfrei ist, wenn der Samen zum erlaubten Anbau von Cannabispflanzen oder einer anderen erlaubten Verwendung bestimmt ist. Ein erlaubter Anbau liegt vor, wenn das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG erteilt hat. Die Einfuhr und Abgabe von Cannabissamen an Patienten, denen das BfArM die Erlaubnis zum Anbau von Cannabis erteilt hat, bedarf also keiner Erlaubnis.

2. Der Hilfsantrag festzustellen, dass die Klägerin für die Beschaffung von Hanfsamen und den Verkauf für legale Zwecke keiner Erlaubnis der Beklagten bedarf, ist bereits unzulässig, weil es an dem gemäß § 43 Abs. 1 VwGO erforderlichen berechtigten Interesse an der alsbaldigen Feststellung fehlt. Der Antrag ist im Zusammenhang mit dem Hauptantrag dahingehend auszulegen und zu präzisieren, dass die Klägerin eine Feststellung zur Erlaubnisfreiheit der Beschaffung und des Verkaufes von Hanfsamen an Patienten mit Anbauerlaubnis des BfArM begehrt.

An einer gerichtlichen Feststellung besteht jedoch kein berechtigtes Interesse, weil sich die Erlaubnisfreiheit bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und vom BfArM auch nicht bestritten wird (vgl. Schriftsatz vom 14.03.2012, S. 3, 5. Abschnitt).

3. Aus diesem Grund bliebe auch eine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines Feststellungsbescheides mit dem Inhalt, dass die Beschaffung und der Verkauf von Hanfsamen an Patienten mit Anbauerlaubnis erlaubnisfrei ist, ohne Erfolg. Da sich diese Feststellung bereits aus dem Gesetz ergibt, besteht kein Anspruch auf eine derartige Feststellung (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, § 35 Rn. 25).

4. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Erlaubnisfreiheit durch das Gericht oder durch die Bundesoberbehörde lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Klägerin ohne diese Feststellung erneute Strafverfolgung droht. Die Strafbarkeit setzt nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG voraus, dass die Klägerin unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln betreibt. Wenn die Klägerin, wie sie vorträgt, Cannabissamen beschaffen und vorrätig halten will, um diesen im Fall der Erteilung einer Anbauerlaubnis an Patienten an diese zu verkaufen, handelt es sich nicht um einen unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln, weil die Samen in diesem Fall zum erlaubten Anbau bestimmt und damit keine Betäubungsmittel sind. Die Klägerin würde sich also nicht strafbar machen.

Die streitgegenständliche Rechtsfrage, ob der Handel mit Cannabissamen zum Zweck der Abgabe an Cannabispatienten mit Anbauerlaubnis grundsätzlich erlaubnisfrei ist, ist aber von der Tatsachenfrage zu unterscheiden, ob die Strafverfolgungsbehörde im Einzelfall die angegebene Zweckbestimmung (Versorgung von Patienten mit Anbauerlaubnis) für zutreffend hält oder unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Betäubungsmittelverkehrs davon ausgeht, dass in Wirklichkeit eine andere Zweckbestimmung, nämlich zum unerlaubten Anbau, vorliegt. Diese Tatsachenfeststellung obliegt allein den Strafverfolgungsbehörden und den Strafgerichten, aber nicht dem BfArM oder dem Verwaltungsgericht. Die begehrte Feststellung der Erlaubnisfreiheit nützt der Klägerin daher nichts, wenn im Strafverfahren festgestellt wird, dass der angegebene, erlaubnisfreie Zweck gar nicht vorliegt.

Es kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Feststellung der tatsächlichen Zweckbestimmung durch die Strafgerichte auch die Tatsache berücksichtigt wird, dass die angegebene Zweckbestimmung derzeit und in naher Zukunft nicht realisiert werden kann. Denn Anbauerlaubnisse an Cannabispatienten sind bisher vom BfArM nicht erteilt worden und es ist damit auch in naher Zukunft nicht zu rechnen.

Das VG Köln hat in seinem nicht rechtskräftigen Urteil vom 11.01.2011 - 7 K 3889/09 - das BfArM lediglich zu einer erneuten Ermessensentscheidung unter Abwägung der gegensätzlichen Interessen verpflichtet. Einen Anspruch des dortigen Klägers auf Erteilung der Anbauerlaubnis hat es nicht festgestellt. Eine Entscheidung des OVG NRW im anhängigen Berufungsverfahren 13 A 414/11 ist bisher nicht ergangen und steht auch nicht unmittelbar bevor. ..."



Grenzwert der THC-Konzentration für Straßenverkehr

München (AP - Sonntag, 30. September, 17:37 Uhr) München (AP) Forscher haben sich dafür ausgesprochen, im Straßenverkehr einen Grenzwert für den Cannabis-Wirkstoff THC einzuführen. Wie das Nachrichtenmagazin «Focus» berichtet, soll das Limit zwischen sieben und zehn Nanogramm pro Milliliter Blut betragen. Die Wissenschaftler, zu denen der Würzburger Psychologieprofessor Hans-Peter Krüger gehört, gehen davon aus, dass der Grad an Beeinträchtigung in diesem Bereich jenem von 0,5 Promille Alkohol entspreche. Unterstützung kam dem Bericht zufolge von der Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch Gladbach: «Eine Null-Grenze wäre Illusion. Die Nachweismöglichkeiten werden immer feiner», wird Horst Schulze zitiert, der ein EU-Projekt zu diesem Thema koordiniert. Die Forschergruppe will den Grenzwert dem Magazin zufolge in der kommenden Woche in Köln auf dem Kongress zum Thema Cannabis und Medizin vorstellen (© 2007 The Associated Press. Alle Rechte Vorbehalten - All Rights Reserved).

Siehe auch unter „Carbonsäurewert im Blut", „Fahruntüchtigkeit wegen Drogenkonsums", „Entziehung der Fahrerlaubnis" und „Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG".



Haarprobe - Abstinenznachweis

„... Nach den Beurteilungskriterien soll zur Bestätigung einer Abstinenz ein polytoxikologisches Screening vorgenommen werden. Es wird nicht nur auf eine Substanzklasse getestet, mit der ein Proband möglicherweise zuvor auffällig geworden ist, sondern ein allgemeines Screening durchgeführt. „Polytoxikologisch" ist grundsätzlich eine Analyse auf Cannabinoide, Opiate, Cocainmetabolite, Amphetamine samt Designer-Amphetamine sowie Benzodiazepine und Methadon, ggf. sind zusätzlich Teste auf (tricyclische) Antidepressiva, Barbiturate oder Buprenorphin vorzunehmen. Zumindest bei begründetem Anfangsverdacht können, so wie hier beim TÜV Nord und beim FTC München jeweils geschehen, weitere Opioide (wie Tilidin oder Tramadol) sowie modernere Hypnotika (wie Zolpidem oder Zopiclon) sowie weitere Arzneimittel (insbesondere weitere Psychopharmaka wie Neuroleptika etc.) von Relevanz sein und eine anlassbezogene Beauftragung des Labors erfordern (teilw. wörtlich zitiert nach: „Beurteilungskriterien zur Fahreignungsdiagnostik aus toxikologischer Sicht", Frank Mußhoff, http://www.gtfch.org/cms/images/stories/media/tb/tb2007/s034-043.pdf, Recherche vom 18. September 2012). „Entsprechend den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung ist nach der Entgiftungs- und Entwöhnungszeit in der Regel eine einjährige Abstinenz nachzuweisen, wobei neben unvorhersehbar anberaumten Laboruntersuchungen auch Haare unter Umständen abschnittsweise einbezogen werden können. Die Idealforderungen an die Haaranalyse sind dabei für harte Drogen (Amphetamine, Cocain, Opiate), für das illegale, aber mehr moderat eingestufte Cannabis und für die legale Droge Alkohol unterschiedlich zu sehen.

- Amphetamine, Cocain, Opiate: Nachweis oder Ausschluss jeglichen Konsums, Abstinenznachweis für 12 Monate
- Cannabinoide: Nachweis oder Ausschluss des Konsums, Differenzierung zwischen einmaligem/experimentellem, gelegentlichem und regelmäßigem Konsum
- Alkohol: Abstinenznachweis für 12 Monate, Ausschluss von Missbrauch

Haarproben sind prinzipiell für diesen Zweck besonders geeignet, da sie durch die zeitaufgelöste Speicherung der Drogen, deren Metabolite oder von Alkoholmarkern einen retrospektiven Überblick über einen größeren Zeitraum gestatten. Aus Kostengründen wird die Untersuchung in der Regel auf den 6 cm langen proximalen Haarabschnitt beschränkt, der bei positivem Ergebnis unter Berücksichtigung von telogenen und langsam wachsenden Haaren maximal ein Jahr vor der Probennahme repräsentiert. Modebedingt kürzere Kopfhaare überdecken zwar nur einen kürzeren Zeitraum, haben sich aber dennoch als aussagefähig erwiesen." (So wörtlich: „Die Haarprobe als Untersuchungsmatrix zur toxikologischen Fahreignungsdiagnostik", Fritz Pragst und Hans Sachs, http://www.gtfch.org/cms/images/stories/media/tb/tb2007/s084-099.pdf, Recherche vom 18. September 2012).

Die Haaranalyse ist mithin ein für den Abstinenznachweis speziell geeignetes und sehr gut brauchbares Instrument (so auch: Kommentar zu den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 2. Aufl., Kirschbaum Verlag Bonn, insbesondere S. 180 ff.; Beurteilungskriterien, Urteilsbildung in der Medizinisch-Psychologischen Fahreignungsdiagnostik, 2. Aufl., Kirschbaum Verlag Bonn, insb. S. 162 ff.).

Die Antragstellerin hat zwei Haaranalysen mit jeweils gleichen Haarproben durchführen lassen, und zwar speziell (auch) gerichtet auf Opioide. Davon geht auch der TÜV Nord in seiner ergänzenden Erklärung vom 11. September 2012 (Blatt 62 Gerichtsakte) aus. Das FTC München findet bei gleichen Ausgangsvoraussetzungen wie beim TÜV NORD kein Tramadol. Der TÜV NORD findet Tramadol. Eine Erklärung dafür gibt es derzeit auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des TÜV Nord vom 11. September 2012 nicht.

Mithin entfällt das Fälligbleiben eines Abstinenznachweises. Auch nach dem Inhalt des Gutachtens des TÜV Nord ging es aber allein und einzig darum. Nur wegen des Auffindens des Opioids Tramadol bei der TÜV-Analyse galt die - ansonsten nämlich glaubhafte - bekundete Abstinenz der Antragstellerin, von der bis dahin auch der TÜV Nord ausging, als „widerlegt". Der Befund des FTC widerlegt aber genau dieses. Damit fehlt das Merkmal der Ungeeignetheit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG. ..." (VG Oldenburg, Beschluss vom 20.09.2012 - 7 B 4295/12)



Haaranalyse - Verwertbarkeit

Die Verwertbarkeit einer Haaranalyse zum (positiven oder negativen) Nachweis eines Drogenkonsums setzt in formeller Hinsicht u.a. die sichere Identifizierung des Probanden und den Ausschluss einer Manipulation der Haarprobe von der Probennahme bis zur Analyse voraus (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2010 - 10 S 2162/10):

„...1. Die angefochtene Verfügung dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein. Wie bereits das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung dargelegt hat, hat die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegen. Danach dürfte hier die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zwingend geboten gewesen sein, ohne dass es der vorherigen Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens bedurfte (§ 11 Abs. 7 FeV). Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens dürfte davon auszugehen sein, dass der Antragsteller aufgrund der Einnahme von Kokain seine Fahreignung gemäß Ziff. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung verloren und sie zwischenzeitlich nicht wiedererlangt hat.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats schließt bereits der einmalige Konsum sog. harter Drogen - wie Kokain, vgl. Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG - im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Fahrt unter Betäubungsmitteleinfluss erfolgte oder eine Drogenabhängigkeit vorliegt (vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.05.2002 - 10 S 835/02 -, VBlBW 2003, 23; vom 19.02.2007 - 10 S 3032/06 -, VBlBW 2007, 314; vom 01.04.2010 - 10 S 408/10 -). In der Rechtsprechung der anderen Oberverwaltungsgerichte wird diese Auffassung fast einhellig geteilt (vgl. etwa OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.08.2009 - 12 ME 159/09 -, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 24.01.2007 - 3 Bs 300/06 -, VRS 112, 308; BayVGH, Beschluss vom 03.11.2006 - 11 ZB 05.1406 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 12.12.2005 - 1 W 16/05 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.02.2008 - 1 S 186.07 -, VRR 2008, 203; a.A. soweit ersichtlich nur der vom Antragsteller zitierte Beschluss des Hess. VGH vom 14.01.2002 - 2 TG 3008/01 -, ESVGH 52, 130). An dieser Rechtsprechung, welcher der Antragsteller keine auf neuere Erkenntnisse gegründete substantiierte Argumentation entgegengesetzt hat, hält der Senat fest.

Hiernach kommt es zunächst nicht darauf an, ob der Antragsteller „bewusster Konsument von Drogen" ist oder ob es Anhaltspunkte für einen gelegentlichen oder regelmäßigen Drogenkonsum des Antragstellers ergibt. Denn bereits der einmalige Konsum von Kokain führt, wie dargelegt, zwingend zur Annahme der Fahrungeeignetheit, auch wenn der Antragsteller nicht unter der akuten Wirkung von Kokain am Straßenverkehr teilgenommen haben sollte; an der diesbezüglichen Behauptung des Antragstellers bestehen im Hinblick auf die polizeilichen Feststellungen bei der Verkehrskontrolle vom 29.04.2010 im Übrigen durchaus Zweifel, weil in dem Polizeibericht festgehalten ist, dass die Bindehäute gerötet bzw. wässrig/glänzend gewesen seien, die Pupillen träge auf Lichteinfall reagiert hätten und auffällig klein gewesen seien und ein Einbein-Stehtest sehr unsicher gewesen sei. Auf die Einlassung des Antragstellers, dass er ca. 120.000 km im Jahr zurücklege, was angesichts des Fehlens früherer Drogenauffälligkeit bei Straßenverkehrskontrollen gegen einen gelegentlichen oder regelmäßigen Drogenkonsum spreche, kommt es nach dem dargelegten rechtlichen Ansatz der Relevanz bereits einmaligen Konsums ebenfalls nicht an.

Nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens dürfte der Antragsteller zu Unrecht den Nachweis eines jedenfalls einmaligen Kokainkonsums bestreiten. Die forensisch-toxikologische Untersuchung der anlässlich der Verkehrskontrolle am 29.04.2010 um 12:36 Uhr entnommenen Blutprobe ergab für Benzoylecgonin, ein Abbauprodukt von Kokain, eine Konzentration von 11,5 ng/ml. Dieser mittels Gaschromatographie/Massenspektro-metrie ermittelte Befund lässt auf eine vorausgegangene Einnahme von Kokain schließen (zur Unerheblichkeit einer Unterschreitung der bei der Anwendung des § 24a Abs. 2 StVG im Ordnungswidrigkeitenrecht angesetzten, von der Grenzwertkommission beschlossenen Grenzwerte vgl. Senatsbeschluss vom 02.11.2010 - 10 S 2233/10). Ihm hält der Antragsteller ohne Erfolg entgegen, eine von ihm beim Forensisch-Toxikologischen Centrum GmbH, München, in Auftrag gegebene Haarprobenuntersuchung habe ausweislich des von ihm vorgelegten Untersuchungsberichts vom 09.09.2010 ergeben, dass sich für einen Zeitraum von etwa 12 Monaten vor der Haarprobenentnahme („laut Begleitschreiben am 03.09.2010") keine Hinweise auf die Aufnahme von Betäubungsmitteln u.a. der Kokain-Gruppe ergeben hätten.

Es mag zutreffen, dass das vom Antragsteller beauftragte Institut, wie von ihm vorgetragen, für forensische Zwecke akkreditiert ist und die ihm überlassene Haarprobe regelgerecht - nach der Richtlinie der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie (GTFCh) zur Qualitätssicherung bei forensisch-toxikologischen Untersuchungen (s. www.gtfch.org) - untersucht hat. Gleichwohl unterliegt die Aussagekraft des Gutachtensergebnisses entscheidenden Relativierungen.

Bereits die Formulierung des Untersuchungsergebnisses lässt nicht den Schluss zu, dass im Sinne eines Negativattests ein Kokainkonsum des Antragstellers im fraglichen Zeitraum ausgeschlossen wird. Bestätigt wird vielmehr nur, dass keine positiven Hinweise auf Kokainkonsum gefunden wurden. Diesen Unterschied zwischen - u.U. durch Messgenauigkeitsgrenzen bedingter (dazu näher nachstehend) - Nichtfeststellung von Konsumanzeichen einerseits und sicherem Ausschluss von Kokainkonsum andererseits verkennt der Antragsteller auch in seinem letzten zum Verfahren eingereichten Schriftsatz vom 22.11.2010.

Sodann ist nach Aktenlage und dem Vortrag des Antragstellers schon nicht hinreichend gesichert, dass es sich bei der untersuchten Haarprobe tatsächlich um vom Antragsteller stammende Haare handelt und dass sie unverändert - insbesondere nicht gegen eine andere Haarprobe ausgetauscht oder anderweitig manipuliert - beim Untersuchungsinstitut eingegangen ist. Nach seinem Vorbringen ist die Haarprobe am 03.09.2010 bei einem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. in Tuttlingen entnommen worden, nicht etwa von einem Amtsarzt oder im Untersuchungsinstitut selbst. Zur Gewährleistung der richtigen Zuordnung des Untersuchungsmaterials ist es aber unabdingbar, dass bei der Probenentnahme tunlichst eine amtliche Identitätskontrolle stattfindet und dass auch jede Manipulation auf dem Transportweg zum Untersuchungsinstitut ausgeschlossen wird (vgl. dazu Anhang C zur GTFCh-Richtlinie „Anforderungen an die Untersuchung von Haarproben", Abschnitt 2.1; BayVGH, Beschluss vom 28.06.2010 - 11 CS 10.508 -, juris).

Darüber hinaus bestehen auch bei Einhaltung dieser formellen Anforderungen beim derzeitigen Erkenntnisstand erhebliche Zweifel, ob eine Haarprobenuntersuchung überhaupt geeignet ist, einen im vorliegenden Fall allein zur Debatte stehenden einmaligen Kokainkonsum auszuschließen und damit das hier gegebene gegenteilige Ergebnis einer Blutuntersuchung zu widerlegen. Zwar dürfte davon auszugehen sein, dass Kokain in Haarproben deutlich besser nachweisbar ist als etwa Cannabis (zur mangelnden Verlässlichkeit von Haarprobenbefunden selbst bei der Fragestellung gelegentlichen Cannabiskonsums vgl. Skopp/Mattern, zum Stellenwert des Nachweises von Cannabinoiden im Haar, Blutalkohol 2010, 1). Jedoch wird in der einschlägigen Literatur zur Validität von Haaruntersuchungen auf Einlagerung von Fremdstoffen generell die Frage, ab welcher Konsumfrequenz und -intensität Rückstände in Haaren individuell zuverlässig nachweisbar sind, als nicht ausreichend sicher beantwortbar bezeichnet (für Drogen vgl. Schubert/Schnei-der/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Aufl., zu Kap. 3.12.1, S. 180 f.); dies gelte sowohl für einen Nachweis als auch für einen fehlenden Nachweis (negatives Ergebnis). Auch in Abschnitt 6 der Anlage C zur GTFCh-Richtlinie („Ergebnisbericht/Gutach-ten") wird ausgeführt, dass bei negativem Befund kein Hinweis auf einen Drogenkonsum innerhalb der letzten ca. 6 Monate bestehe, wobei ein einmaliger oder sehr seltener Konsum nicht ausgeschlossen werden könne. Bemerkenswert ist ferner, dass in der medizinischen Literatur über keine oder nur eine schwache Korrelation zwischen den Werten im Haar und den Werten in anderen Biomonitoren (Blut und Urin) berichtet wird, sowie über zahlreiche die Messergebnisse potentiell beeinflussenden, schwer zu quantifizierenden individuellen Faktoren wie Haarfarbe, Geschlecht, Ethnie, Alter, Ernährung, Haarbehandlung etc. (vgl. Wikipedia, Stichwort „Haaranalytik", mit Nachweisen zur Literatur).

Hiernach spricht vieles dafür, dass jedenfalls für die Fragestellung einmaligen Konsums die Haarprobenanalyse nicht zuverlässig genug ist, um eine nach bewährten wissenschaftlichen Labormethoden durchgeführte Blutuntersuchung und deren positives Ergebnis eines Kokainkonsumnachweises zu entkräften (vgl. ebenso sinngemäß BayVGH, Beschluss vom 28.06.2010, a.a.O.). Insofern ist der Auswertung der Blutprobe durch das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein entgegen der Auffassung des Antragstellers sehr wohl ein „Richtigkeitsvorsprung" zuzuerkennen. Bedenken gegen die methodische Zuverlässigkeit und die fehlerfreie konkrete Durchführung jener Auswertung sind nicht ersichtlich. Solche hat der Antragsteller selbst nicht substantiiert geltend gemacht, sondern allein ergebnisbezogen auf die nach den obigen Ausführungen nicht hinreichend aussagekräftige Haaranalyse abgehoben.

b) Bei der somit derzeit gegebenen Beweislage, die deutlich für eine vom Antragsteller bestrittene Kokaineinnahme im April 2010 spricht, gibt es auch keinen Anlass zu bezweifeln, dass der Fahreignungsmangel bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren fortbesteht. Allerdings geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Frage, ob der betreffende Fahrerlaubnisinhaber zwischenzeitlich die Fahreignung wiedererlangt hat, auch für die Rechtmäßigkeit einer Entziehungsverfügung von Bedeutung ist (vgl. Senatsurteil vom 30.09.2003 - 10 S 1917/02 -, VBlBW 2004, 151; Beschluss vom 08.10.2003 - 10 S 842/03 -). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes häufig - das Verwaltungsverfahren noch nicht durch den Erlass des Widerspruchsbescheids abgeschlossen ist. Der für die Wiedererlangung der Fahreignung erforderliche stabile Einstellungswandel kann grundsätzlich auch dadurch belegt werden, dass die Drogenabstinenz über einen ausreichend langen Zeitraum nachgewiesen wird. Der Nachweis einer nicht mehr gegebenen Gefährdung des öffentlichen Straßenverkehrs durch die Teilnahme eines zu einem früheren Zeitpunkt wegen Drogenkonsums ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers kann aber nur dann als erbracht angesehen werden, wenn sich der Nachweis der Drogenabstinenz auf einen Zeitraum erstreckt, der den Schluss rechtfertigt, der Drogenverzicht sei nicht lediglich im Hinblick auf das anhängige Entziehungsverfahren erfolgt und damit vorgeschoben, sondern beruhe auf einem tatsächlichen Einstellungswandel des Betroffenen. Der Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung erfordert daher den lückenlosen Beleg der Betäubungsmittelabstinenz mindestens für die Dauer eines Jahres (vgl. Beschluss des Senats vom 01.04.2010 - 10 S 514/10 -). In diesem Zusammenhang mag dem negativen Ergebnis einer einwandfrei (insbesondere fälschungssicher) durchgeführten Haarprobenanalyse eine indizielle Bedeutung zukommen. Ob sie allein den Abstinenznachweis liefern kann, ist nach den obigen Ausführungen aber zweifelhaft. Insoweit sind jedenfalls auch zusätzliche (Urin-) Drogenscreenings in Betracht zu ziehen. Ob daneben noch eine medizinisch-psychologische Begutachtung erforderlich ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Vorliegend hat der Antragsteller jedenfalls einen einjährigen durchgängigen Abstinenznachweis noch nicht erbracht bzw. bei Zugrundelegung einer Kokaineinnahme im April 2010 schon in zeitlicher Hinsicht noch nicht erbringen können.

Der vom Antragsteller in diesem Zusammenhang noch herangezogene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vom 02.03.2009 - 11 CS 08.3150 -, juris) führt nicht zu seinen Gunsten weiter. In diesem Beschluss ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof offenbar, anders als im Beschluss vom 28.06.2010 (a.a.O.) und der Senat im vorliegenden Verfahren, von einer in jeder Hinsicht ordnungsgemäß durchgeführten Haaranalyse ausgegangen. Selbst auf dieser Grundlage hat er aber die Aussagekraft von Haaranalysen bei seltenerem als regelmäßigem Konsum (im dortigen Fall von Cannabis) als mit gewissen Unsicherheiten behaftet angesehen. Lediglich im Rahmen der Prognose, ob es dem dortigen Antragsteller mit zusätzlichen Drogenscreenings und einer psychologischen Exploration seiner Abstinenzversicherung gelingen könnte, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens die Wiedererlangung der Fahreignung nachzuweisen, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die keinen Cannabis-Konsum ausweisende Haaranalyse als ein Indiz unter mehreren angesehen, die in jenem Fall eine Aussetzung des Sofortvollzugs rechtfertigen könnten. Diese Erwägungen sind auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil es an der Prämisse der ordnungsgemäßen Durchführung der Haarprobe fehlt und der Antragsteller bis zum demnächst zu erwartenden Erlass des Widerspruchsbescheids die Voraussetzung des Nachweises einer einjährigen Abstinenz nicht mehr wird erfüllen können.

c) Ausnahmen im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung von der Regel, dass Konsum von Betäubungsmitteln zur Fahrungeeignetheit führt, sind grundsätzlich nur dann anzuerkennen, wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Es ist Sache des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers, das Bestehen atypischer Umstände in seiner Person substantiiert darzulegen (vgl. Senatsbeschluss vom 24.05.2002, a.a.O.). Solche Umstände hat der Antragsteller auch in der Beschwerdebegründung nicht dargetan. Ein besonderes Vermögen zur Verhaltenssteuerung oder eine besondere Kompensationsfähigkeit werden insbesondere nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit dadurch belegt, dass nur eine verhältnismäßig geringe Betäubungsmittelkonzentration nachgewiesen wurde und der Antragsteller mit einer überdurchschnittlich hohen jährlichen Fahrleistung durch die Fahrerlaubnisentziehung besondere berufliche Nachteile erleidet. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Kokainkonsum anlässlich einer Verkehrskontrolle wegen verbotswidrigen Überholens durch den Antragsteller festgestellt wurde und der Antragsteller nach dem Polizeibericht auch gewisse drogenkonsumtypische Ausfallerscheinungen zeigte.

2. Nach allem räumt der Senat mit dem Verwaltungsgericht dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung den Vorrang ein vor dem privaten Interesse des Antragstellers, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Liegen erhebliche, derzeit nicht ausgeräumte Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr vor, besteht ein dringendes öffentliches Interesse an der sofortigen Unterbindung seiner weiteren Teilnahme am Straßenverkehr. Die mit dieser Entscheidung für den Antragsteller verbundenen Nachteile in Bezug auf seine private Lebensführung und seine Berufstätigkeit müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und das entsprechende öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit hingenommen werden. ..."



Handeltreiben - Einforderung der Entlohnung

„... Der Begriff des Handeltreibens im Sinne von §§ 29 ff. BtMG ist allerdings, wie in der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs in Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung ausgeführt worden ist (NJW 2005, 3790 f.), weit auszulegen. Danach ist Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit. So liegt ein vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bereits dann vor, wenn der Verkäufer dem Kaufinteressenten ein verbindliches und ernsthaftes Verkaufsangebot unterbreitet (BGH NStZ 2000, 207, 208; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 19, 61; Körner, BtMG § 29 Rdn. 242, 319 f., 327; Weber, BtMG 2. Aufl. § 29 Rdn. 157, 159, 304). Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob es zu Umsatzgeschäften tatsächlich gekommen ist (BGHSt 29, 239, 240; 30, 359, 361), ob der Täter über das angebotene Rauschgift verfügen konnte (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 31) oder ob er eine gesicherte Lieferantenzusage hatte (BGH NStZ 2000, 207, 208 m. w. N.). Das Führen ernsthafter Verkaufsverhandlungen reicht sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer grundsätzlich zur Annahme eines vollendeten Handeltreibens aus. ..." (BGH, Beschluss vom 07.07.2006 - 2 StR 184/06)

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Unter den Begriff des Handeltreibens i. S. d. BtMG fällt nach der st. Rspr. des BGH jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Btm zu ermöglichen oder zu fördern (BGHSt 29, 239; 31, 145, 147; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28, 29, 31, 41, 50; vgl. Tröndle/Fischer StGB, 49. A., Rdnr. 2 b vor § 52 m.w.N.). Handeltreiben kann deshalb z.B. auch im Bemühen um das Eintreiben des Kaufpreises (BGH StV 1995, 586), in der Übermittlung des Erlöses vom Abnehmer zum Lieferanten (BGH NStZ 1992, 495) oder im Weiterleiten des Erlöses an die Hintermänner liegen (BGH StV 1995, 641, 642).

Handeltreiben ist aber dann nicht mehr möglich, wenn nach der Vorstellung des Beteiligten jedweder Rauschgiftumsatz, zu dem die auf den Erlös gerichteten Bemühungen Bezug haben können, beendet ist (»wenn der Waren- und Geldfluß zur Ruhe gekommen ist«: BGHSt 43, 163; BGH StV 1995, 641, 642; 1998, 25; NStZ-RR 1998, 25; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50). Wann eine Beendigung des Handeltreibens i. S. d. BtMG anzunehmen ist, muß dabei für die verschiedenen Beteiligten unterschiedlich beurteilt werden. Auf der untersten Ebene der Handelskette ist Beendigung regelmäßig dann eingetreten, wenn der Empfänger die vereinbarte Drogenportion und deren Lieferant das Entgelt erhalten hat, mögen auch Forderungen von Großhändlern, aus deren Beständen die Lieferung stammte, noch offen sein (vgl. BGHSt 43, 158, 162 [= StV 1997, 589]).

Wenn das Rauschgift bereits sichergestellt worden ist, können z.B. Einfordern, Kassieren und Weiterleiten des Rauschgiftentgeltes den Rauschgiftumsatz meist nicht mehr objektiv fördern. Handeltreiben kann aber trotzdem in den Fällen vorliegen, in denen das Rauschgift zwar sichergestellt worden ist, dies dem Täter aber bei seinem weiterhin auf Rauschgiftumsatz ausgerichteten Tun nicht bekannt ist. Diese Bewertung findet ihren Grund darin, daß das Handeltreiben kein Erfolgsdelikt ist, daß also eine tatsächliche Ermöglichung oder Förderung eines Betäubungsmittelumsatzes nicht erforderlich ist, ein bloßes Abzielen auf die Förderung eines solchen Umsatzes genügt. Desweiteren können Einfordern, Kassieren und Weiterleiten des Entgeltes für eine bereits erfolgte, aber sichergestellte Rauschgiftlieferung insofern dem Rauschgiftumsatz dienen, als sie im Rahmen eines eingespielten Bezugs- und Vertriebssystems stattfinden und damit der nächsten Rauschgiftlieferung den Boden bereiten (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50 m.w.N.).

Für die Beteiligung des Kuriers am Rauschgiftumsatz könnte daraus hergeleitet werden, daß mit der Ablieferung der Ware seine - auf den Umsatz des Rauschgifts gerichtete - Tätigkeit abgeschlossen ist und damit auch eine Beendigung seiner Tat (täterschaftliches Handeltreiben) eingetreten ist, ohne daß es auf den Zufluß des (gesamten) vereinbarten Kurierlohns ankommt, da dies für den Rauschgiftumsatz ohne Bedeutung ist. Der Senat kann dies aber letztendlich offenlassen, denn angesichts der Fallgestaltung ist auszuschließen, daß das Vorgehen des Angekl. im Jahre 1998 noch Teil seiner rechtlich als Handeltreiben mit Btm und Einfuhr von Btm zu wertenden Tat im Jahre 1995 war. Das Einfordern des restlichen Kurierlohnes im Jahre 1998 war nicht mehr Teil seiner ursprünglichen Tat. Das Vorgehen des Angekl. im Mai 1998 hat zwar seine Ursache in dem Betäubungsmittelgeschäft des Jahres 1995, stellt sich aber als ein völlig neues, auf einem gesonderten Entschluß beruhendes Geschehen dar. Der äußere Zusammenhang allein genügt nicht, dieses Verhalten mehr als drei Jahre nach Ablieferung der Ware noch als »Teilakt« des früheren Rauschgiftgeschäfts anzusehen. Die Verurteilung nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG kann deshalb keinen Bestand haben. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Die im Jahre 1995 begangenen Betäubungsmitteldelikte stehen zu den - tateinheitlich begangenen (vgl. BGH NStZ 1984, 171 f.; BGHSt 36, 151, 153 f.) - Taten im Mai 1998 in Tatmehrheit. Die Änderung des Schuldspruchs führt zu Aufhebung des Strafausspruchs. Die Einziehungsanordnung kann jedoch bestehen bleiben (BGH, Beschluß v. 21. 5. 1999 - 2 StR 154/99 - StV 2000, 80 f.).

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Heilpraktikererlaubnis und Cannabiskonsum

An der Zuverlässigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. f DVO-HeilprG-1 (juris: HeilprGDV 1) fehlt es, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Erlaubnisbewerber keine ausreichende Gewähr dafür bietet, dass er seinen Beruf ordnungsgemäß unter Beachtung aller in Betracht kommenden Vorschriften und Berufspflichten, insbesondere ohne Straftaten zu begehen, ausüben wird und sich dadurch Gefahren für die Allgemeinheit oder die von ihm behandelten Patienten ergeben. Wegen der Bedeutung der durch einen unzuverlässigen Heilpraktiker gefährdeten Rechtsgüter sind hierbei - auch in Ansehung der Grundrechte des Erlaubnisbewerbers aus Art. 12 GG - grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. Bei der Ausübung eines therapeutischen Berufs, insbesondere des Berufs des Heilpraktikers auf dem Gebiet der Psychotherapie, handelt es sich um ein Berufsfeld, das von den sozialschädlichen Wirkungen des Umgangs mit Drogen freigehalten werden muss. Die Tatsache, dass der Erlaubnisbewerber einen langjährig praktizierten Cannabiskonsum eingestandenen hat und im Zusammenhang damit die Auffassung vertritt, hierzu ungeachtet der Illegalität seines Verhaltens berechtigt zu sein, rechtfertigt grundsätzlich die Annahme seiner Unzuverlässigkeit (OVG Saarland, Beschluss vom 09.12.2011 - 3 A 271/10).



Krankenversicherung

Zum Anspruch auf Versorgung mit dem auf Cannabisbasis wirkenden Rezepturarzneimittel Dronabinol (hier verneint; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.04.2011 - L 4 KR 4903/10):

„... Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Kosten für eine Behandlung mit dem auf Cannabisbasis wirkenden Rezepturarzneimittel Dronabinol und die Erstattung ihr insoweit bereits entstandener Kosten in Höhe von insgesamt € 1.431,04.

Die am … 1954 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einem Post-Poliosyndrom, chronischem Schmerzsyndrom, Dyskinesien, Muskelzuckungen und Muskelkrämpfen. Zwischen dem 31. August 2005 und 27. September 2005 wurde die Klägerin in der S.-Klinik Neurologie in B. K. stationär behandelt. Schwerpunkt der stationären Behandlung war nach dem Arztbrief der Chefärztin Dr. K. vom 29. Juni 2006 die Schmerzbehandlung und Steigerung der allgemeinen Belastbarkeit. Die Klägerin habe etwas stabilisiert entlassen werden können, allerdings sei der Zustand noch nicht als zufriedenstellend, vor allem dauerhaft stabil einzuschätzen gewesen. Zwischen dem 27. Dezember 2006 und 16. Januar 2007 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung der T.-Klinik Kö.. Ausweislich des Entlassungsberichts des Chefarztes Dr. H. vom 18. Januar 2007 wurde sie nach den Methoden der Traditionellen Chinesischen Medizin unter Verwendung der hochdosierten chinesischen Arzneimitteltherapie in Form eines individuellen Dekoktes sowie dreimal wöchentlicher Akupunktur und zweimal wöchentlicher Qigong-Einzelanwendung behandelt. Außerdem erhielt die Klägerin eine individuelle Bachblütenmischung und Schröpfanwendungen. Unter dieser Therapie habe die Klägerin über keinerlei Beschwerdeänderung berichtet. In der Zeit vom 20. Mai 2008 bis 10. Juni 2008 fand eine stationäre schmerztherapeutische Behandlung der Klägerin in Bad M. statt. Hierbei wurde nach dem Arztbrief des Dr. Ha. vom 11. Juli 2008 eine intensive therapeutische Lokalanästhesie, Myotonolyse, Analgetikaaustestung, Infusionstherapie, Akupunktur, Thermotherapie, Einzel-Krankengymnastik, Bindegewebs- und Colonmassage, Rotlicht- und Magnetfeldtherapie, Ernährungsberatung und Psychotherapie im Einzelsetting durchgeführt. Empfohlen wurden weitere physiotherapeutische Maßnahmen. Die Klägerin konnte in leicht erholtem und stabilem Allgemeinzustand entlassen werden. Am 28. und 29. Oktober 2008 befand sich die Klägerin in der tagesklinischen Behandlung in der Deutschen Klinik für Diagnostik. Nach dem Arztbrief von Dr. Sc. vom 10. November 2008 über diese Behandlung bot zum damaligen Zeitpunkt allein ein psychosomatischer Behandlungsansatz noch eine Chance für eine Besserung des Beschwerdebildes. Empfohlen wurde eine entsprechende Diagnostik und Behandlung in einer auf die Behandlung chronischer Schmerzerkrankungen spezialisierten psychosomatischen Klinik. Am 03. Dezember 2008 konsultierte die Klägerin den Facharzt für Anästhesie, spezielle Schmerztherapie Dr. Mi., Schmerzzentrum G., der der Klägerin nach seinem Arztbrief vom 04. Dezember 2008 vorschlug, Cannabis durch ein Analgetikum zu ersetzen und ausführte, dass ein großer Anteil der Therapie sicher auch auf psychotherapeutischem Weg erfolgen müsse.

Ab 2006 befand sich die Klägerin außerdem in Behandlung bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Ni., der ihr erstmals am 07. August 2007 Dronabinol verordnete. Die Kosten für das Medikament wurden nach den Angaben der Klägerin von August 2007 bis September 2008 zunächst von der Beklagten übernommen. Nach dem Arztbrief des Dr. Ni. vom 05. Dezember 2007 berichtete die Klägerin bei der Vorstellung am 08. November 2007, dass es ihr unter der Cannabismedikation mit Dronabinol sowie abendlicher Einnahme von Lyrika 50 mg insgesamt etwas besser gehe.

Am 08. Mai 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für das Arzneimittel Dronabinol. Zur Begründung führte sie aus, die chronischen Schmerzzustände führten bei ihr u.a. zu starken Schlafstörungen, einem Restless-Legs-Syndrom, Herzkreislaufproblemen, häufigen Verdauungsstörungen und schwer erträglichen Erschöpfungszuständen. In der Vergangenheit durchgeführte Pharmakotherapien hätten durch unerwünschte Effekte eine zusätzliche Belastung bedeutet und in keinem Fall eine Erleichterung oder Schmerzlinderung gebracht. Als „Alternative" sei ihr von Dr. Ni. Dronabinol verordnet worden, welches ihr als einziges Medikament seit langer Zeit eine Erleichterung ihrer Beschwerdesymptomatik bringe. Eine Behandlungsalternative gebe es für sie im Augenblick nicht.

Die Beklagte wandte sich daraufhin zunächst an Dr. Ni., der unter dem 26. Juni 2008 berichtete, dass bei der Klägerin auf Dauer das Arzneimittel Dronabinol wegen eines Post-Poliosyndroms und eines chronischen schwersten Schmerzsyndroms eingesetzt werden soll. Die Erkrankung beeinträchtige die Lebensqualität der Klägerin auf Dauer nachhaltig und sei im Hinblick auf die Suizidalität lebensbedrohlich. Therapieziel sei die Besserung des Schmerzsyndroms und die Wiedererlangung einer geringfügigen Lebensqualität. Alle anderen Medikationen und konservativen Therapieversuche insbesondere Akupunktur und mehrfach stationäre Aufenthalte in Schmerzkliniken seien durchgeführt worden. In den Fachkreisen gebe es zu dem von ihm benannten Off-Label-Einsatz einen Konsens. Im Anschluss daran holte die Beklagte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg (MDK) vom 09. Juli 2008 (Dr. Bö.) ein. Dr. Bö. legte dar, bei Dronabinol handele es sich um ein Tetrahydro-Cannabinol. Das Fertigarzneimittel Marinol mit dem Inhaltsstoff Dronabinol sei in den USA zur Behandlung von Anorexie, Gewichtsverlust bei Patienten mit AIDS sowie Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie von Karzinompatienten, die nicht auf konventionelle antiemetische Behandlung angesprochen hätten, zugelassen. Das Fertigarzneimittel sei nach § 37 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) als Einzelimport in Deutschland verkehrsfähig. Die Diagnose sei im vorliegenden Fall gesichert. Bei der Klägerin liege eine schwere, die Lebensqualität erheblich einschränkende Erkrankung vor. Es handele sich jedoch nicht um eine akut lebensbedrohliche oder dem gleichzustellende Erkrankung im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 in juris = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Aufgrund der vorliegenden Informationen sei der bisherige Behandlungsverlauf auch nicht umfassend nachzuvollziehen. Bei einem offensichtlich bestehenden Mischbild von Schmerzsyndrom und Spastik sei eine ambulante bzw. stationäre schmerzmedizinische und neurologische kontinuierliche Behandlung als Standardtherapie anzusehen. Eine solche sei bei der Klägerin anzunehmen, könne aufgrund der fehlenden kompletten Verlaufsdokumentation jedoch nicht sicher bestätigt werden. Bezüglich des Behandlungserfolgs sei die Studienlage zur Behandlung von Muskelspastizität bei Multiple Sklerose-Patienten mit Cannabis-Derivaten ausgesprochen widersprüchlich. Aufgrund der positiven Studien sei für den Einzelfall jedoch anzunehmen, dass - zumindest bei ausreichend hoher Dosierung - eine spürbar positive Verbesserung der Muskelspastizität unter Dronabinol im Einzelfall möglich sei. Mit Bescheid vom 06. August 2008 lehnte die Beklagte hierauf die Kostenübernahme für das Medikament Dronabinol ab. Dronabinol sei der Wirkstoff der Cannabispflanze. Er gehöre zu den Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz (BTMG) und habe keine Zulassung als Arzneimittel in Deutschland. Zur Behandlung von Schmerzen sei Dronabinol weltweit nicht als Medikament zugelassen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 27. März 2007 (B 1 KR 30/06 R in juris) die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen bei cannabishaltigen Präparaten gegen Schmerzen verneint. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. ...

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung unterliegt nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V).

Bezüglich der Arzneimittel ist zu differenzieren zwischen zulassungspflichtigen Fertigarzneimitteln und zulassungsfreien Rezepturarzneimitteln. Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an Endverbraucher bestimmten Verpackung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs.1 AMG). Sie bedürfen nach § 21 AMG grundsätzlich der Zulassung durch die dafür zuständige Behörde. Verfügt ein Fertigarzneimittel nicht über die nach dem deutschen Arzneimittelrecht notwendige Zulassung bzw. in der seit 23. Juli 2009 geltenden Fassung des Gesetzes vom 17. Juli 2009 alternativ der europarechtlichen Genehmigung, fehlt es (schon deshalb) an der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung im Sinne der §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V. Das nicht zugelassene Fertigarzneimittel gehört von vornherein nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG, Urteil vom 27. März 2007 - B 1 KR 30/06 R -; Urteil des erkennenden Senats vom 19. Mai 2010 - L 4 KR 5085/08 -; nicht veröffentlicht). Eine etwaige Zulassung oder Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels im Ausland ändert daran nichts. Unbeschadet der Möglichkeit, ausländische Zulassungsentscheidungen zu übernehmen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AMG) und unbeschadet spezieller europarechtlicher Gemeinschaftsverfahren im Arzneimittelbereich führt dies nur dazu, dass das Arzneimittel importiert und ärztlich verordnet werden darf (§ 73 Abs. 3 AMG); die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen wird dadurch nicht begründet (vgl. hierzu Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. August 2006 - L 5 KR 281/06 - m.w.N. in juris).

Für zulassungsfreie Rezepturarzneimittel ist das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu beachten. Nach Nr. 1 dieser Vorschrift dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB V, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung. Die Verordnung als Rezepturarzneimittel ist - wie der Einzelimport nach § 73 Abs. 3 AMG - unter Beachtung des BTMG zwar betäubungsmittelrechtlich zulässig. Neuartige Therapien mit einem Rezepturarzneimittel, die vom GBA nicht empfohlen sind, dürfen die Krankenkassen jedoch grundsätzlich nicht gewähren, weil sie an das Verbot des § 135 Abs.1 Satz 1 SGB V und die das Verbot konkretisierenden Richtlinien des GBA gebunden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2007 a.a.O.).

Von diesen rechtlichen Vorgaben ausgehend hat das Begehren der Klägerin keinen Erfolg.

Die Versorgung mit einem auf Cannabinoidgrundlage hergestellten Fertigarzneimittel, etwa mit dem in den USA unter dem Handelsnahmen Marinol für die Behandlung chemotherapiebedingter Übelkeit sowie zur Therapie der Kachexie und Appetitstimulation von Aidspatienten zugelassenen Arzneimittel, begehrt die Klägerin nach ihrem Vorbringen sowohl im Klage- als auch Berufungsverfahren nicht. Dronabinol ist kein Fertigarzneimittel. Denn es wird in Deutschland als Rezeptursubstanz hergestellt und an Apotheken geliefert.

Ein cannabinoidhaltiges Fertigarzneimittel könnte sie aber auch nicht beanspruchen, da kein cannabinoidhaltiges Fertigarzneimittel über die nach dem deutschen Arzneimittelrecht notwendige Zulassung verfügt und deshalb - wie ausgeführt - nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehört. Mangels arzneimittelrechtlicher Zulassung scheidet auch ein sog. ‚Off-Label-Use', also die zulassungsüberschreitende Anwendung, von vornherein aus (BSG, Urteil vom 27. März 2007 a.a.O.).

Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, der Klägerin Dronabinol als Rezepturarzneimittel als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Denn insoweit fehlt es an der nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlichen befürwortenden Entscheidung des GBA, ohne die - wie ebenfalls bereits ausgeführt - neue Behandlungsmethoden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht gewährt werden können.

Auf die Empfehlung des GBA kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil Dr. Ni. und Dr. E. die Behandlung befürworten und empfehlen. Dies allein vermag die Empfehlung des GBA nicht zu ersetzen.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte Dronabinol als Sachleistung zur Verfügung stellt, weil ein Ausnahmefall des so genannten Seltenheitsfalls oder des so genannten Systemversagens vorliegt. Der so genannte Seltenheitsfall ist gegeben bei einer Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R - = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1). Ein Systemversagen ist zu bejahen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. In solchen Fällen ist die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben. Deshalb muss dann die Möglichkeit bestehen, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27. März 2007, a.a.O.). Hier liegen beide Ausnahmefälle nicht vor. Eine Schmerzerkrankung ist nicht selten. Anhaltspunkte dafür, dass sich die antragsberechtigten Stellen (Kassenärztliche Bundesvereinigung, Kassenärztliche Vereinigung oder Spitzenverband der Krankenkassen) oder der GBA aus sachfremden oder willkürlichen Erwägungen mit der Materie nicht oder zögerlich befasst haben, sind nicht ersichtlich und wurden von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Die Schmerzbehandlung mit Medikamenten auf Cannabinoidgrundlage befindet sich unter Berücksichtigung des von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Internetausdrucks ‚Beeinflussung des Krebswachstums durch Dronabinol' nach wie vor noch im Erprobungsstadium. Weitere Unterlagen hat die Klägerin nicht vorgelegt. Auch die von Dr. Bö. überprüfte aktuelle Datenlage ergab kein anderes Bild. Anhaltspunkte dafür, dass sich hieran etwas geändert hätte, lassen sich auch nicht auf die ausweislich des Urteils des LSG Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 - L 9 KR 268/05 - vom LSG Berlin-Brandenburg durchgeführte Recherche stützen. Der Behandlung fehlt damit (noch) die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung. Deshalb ist in Würdigung der gesetzlichen Anforderungen an Qualität und Wirksamkeit der Leistungen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) kein Raum für die Annahme, es liege ein Systemversagen vor.

Ein Leistungsanspruch der Klägerin lässt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung begründen. In seinem Beschluss vom 06. Dezember 2005 (aaO) hat es das BVerfG für mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs.1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht für vereinbar erklärt, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine für die Bejahung des Leistungsanspruchs unter diesem Gesichtspunkt erforderliche notstandsähnliche Situation liegt nur dann vor, wenn ohne die streitige Behandlung sich ein tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird oder ein nicht kompensierbarer Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion akut droht. Das BSG hat insoweit weiter ausgeführt dass mit den genannten Krankheits-Kriterien des BVerfG eine strengere Voraussetzung umschrieben wird, als sie mit dem Erfordernis einer ‚schwerwiegenden' Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use formuliert ist. Denn hieran knüpfen weitergehende Folgen. Ohne einschränkende Auslegung ließen sich fast beliebig vom Gesetzgeber bewusst gezogene Grenzen überschreiten. Entscheidend ist, dass das vom BVerfG herangezogene Kriterium bei weiter Auslegung sinnentleert würde, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne therapeutische Einwirkung irgendwann auch einmal lebensbedrohende Konsequenzen nach sich zieht. Das kann aber ersichtlich nicht ausreichen, das Leistungsrecht des SGB V und die dazu ergangenen untergesetzlichen Regelungen nicht mehr als maßgebenden rechtlichen Maßstab für die Leistungsansprüche der Versicherten anzusehen (vgl. auch BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - in juris = SozR 4-2500 § 27 Nr. 10).

Bereits die Anforderungen an das Bestehen einer ‚schwerwiegenden' Erkrankung für einen Off-Label-Use sind hoch. Nicht jede Art von Erkrankung kann den Anspruch auf eine Behandlung mit dazu nicht zugelassenen Arzneimitteln begründen, sondern nur eine solche, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt. Auch ein Off-Label-Use bedeutet nämlich, Arzneimittel für bestimmte Indikationen ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität einzusetzen, die in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen soll. Ausnahmen können schon insoweit nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung anerkannt werden, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernisse entgegenwirkt, die Anforderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenkassen an Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel (§ 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V) beachtet und den Funktionsdefiziten des Arzneimittelrechts in Fällen eines unabweisbaren, anders nicht zu befriedigenden Bedarfs Rechnung trägt (so zum Ganzen BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R, aaO und ausführlich BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 17/06 R, aaO, mit zahlreichen Nachweisen). Verneint hat das BSG die qualifizierten Erfordernisse einer lebensbedrohlichen Krankheit im Sinne des Beschlusses des BVerfG vom 06. Dezember 2005 (aaO.) z. B. bei einem Prostata-Karzinom im Anfangsstadium (Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - in juris = SozR 4-2500 § 27 Nr. 8 - Interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds), bei einer in 20 bis 30 Jahren drohenden Erblindung (Beschluss vom 26. September 2006 - B 1 KR 16/06 B -, nicht veröffentlicht) sowie bei einer langsam progredient verlaufenden Friedreichschen Ataxie mit über Jahre hinweg möglichen stabilen Symptomen (Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R - aaO - Idebenone). Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den gegebenenfalls gleichzustellenden, akut drohenden und nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten (vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2007 a.a.O.).

Solches vermag der Senat bei dem bei der Klägerin vorliegenden Schmerzsyndrom nicht zu erkennen. Die Erkrankung der Klägerin ist weder lebensbedrohlich noch handelt es sich dabei um eine regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung und die Erkrankung kann auch nicht einem nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gleichgestellt werden. Eine akute Lebensgefahr besteht nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die von Dr. Ni. und Dr. E. erwähnte, jedoch nicht weiter begründete Suizidalität, denn diese ist - wie vom SG ausgeführt - mit Mitteln der Psychiatrie zu behandeln. Darüber hinaus steht der Leistungspflicht der Beklagten gestützt auf die Rechtsprechung des BVerfG aber auch entgegen, dass bei der Klägerin mögliche Therapien nicht vollständig ausgeschöpft sind. Es mag zwar nicht zu widerlegen sein, dass medikamentöse Behandlungen der Klägerin etwa mit Morphin, aufgrund der bei ihr bestehenden Allergien, ihrem Hausarzt Dr. E. folgend nicht zielführend sind, doch gilt dies nicht für die Behandlung der Klägerin in einer psychosomatischen Klinik, die von dem Neurologen Dr. Sc. empfohlen wurde, die von Dr. Ha. empfohlenen physiotherapeutischen Maßnahmen und die Psychotherapie, die Dr. Mi. vorschlug und die nicht zwingend mit Medikamentengabe verbunden sein muss.

Ein Anspruch der Klägerin ergäbe sich schließlich auch nicht daraus, wenn die Beklagte in der Vergangenheit eine Versorgung mit Dronabinol sichergestellt oder die Kosten hierfür erstattet hätte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Beklagte der Klägerin tatsächlich von August 2007 bis September 2008 die Kosten jeweils erstattet hat bzw. der Klägerin die Behandlung mit Dronabinol zur Verfügung gestellt hat, denn durch eine solche Kostenübernahme in der Vergangenheit wäre keine Selbstbindung der Beklagten eingetreten. Die Erbringung einer Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung hängt immer von den aktuellen (medizinischen) Umständen ab. Sie hat für die Zukunft grundsätzlich nie eine rechtliche Bedeutung. ..."



Kräutermischungen - AMG

"Kräutermischungen" (zerkleinerte und getrocknete Pflanzenbestandteile), die mit Zusätzen synthetisch hergestellter Cannabinoide - hier die Wirkstoffe JWH-210 bzw. JWH-081 - versehen sind, fallen in den Anwendungsbereich des AMG, wenn sie von einer Vielzahl an Konsumenten erworben werden, um eine halluzinogene Wirkung zu erzielen (OLG Nürnberg, Urteil vom 10.12.2012 - 1 St OLG Ss 246/12):

„... Das angegriffene Urteil geht zutreffend davon aus, dass sog. ‚Kräutermischungen' dem AMG unterfallen und enthält ausreichende Feststellungen zur AMG-Relevanz der synthetischen psychoaktiven Wirkstoffe sowie zum Inverkehrbringen im Sinne von § 5 Abs. 1 AMG. Es war auf die Sachrüge hin wegen eines Darstellungsmangels aber teilweise insoweit aufzuheben, als die Berechnung der konkreten dem Angeklagten in Fall 2 zur Last gelegten Menge nicht nachvollzogen werden kann.

1. Zutreffend geht das Landgericht Nürnberg-Fürth von der Arzneimitteleigenschaft der vom Angeklagten vertriebenen sog. ‚Kräutermischungen' (auch ‚Legal Highs' genannt) im Sinne des AMG aus. ‚Kräutermischungen', die mit Zusätzen synthetisch hergestellter Cannabinoide - hier die Wirkstoffe JWH-210 bzw. JWH-081 - versehen sind, fallen in den Anwendungsbereich des AMG, wenn sie von einer Vielzahl an Konsumenten erworben werden, um eine halluzinogene Wirkung zu erzielen. Unter § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG fallen - anders als bei § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG - u.a. Stoffe, die im oder am menschlichen Körper angewendet werden können, um die physiologischen Funktionen durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung zu beeinflussen.

a) Ob sog. ‚Kräutermischungen', die mit Zusätzen synthetisch hergestellter Cannabinoide, wie hier die Wirkstoffe JWH-210 bzw. JWH-081, versehen sind und die mangels Aufnahme der betreffenden Stoffe in die Anlagen zum BtMG nicht dem Betäubungsmittelrecht unterliegen, statt dessen unter das AMG fallen, ist umstritten.

Nach einer Meinung (vgl. Nobis NStZ 2012, 422 ff.) darf die Einordnung eines Erzeugnisses als Arzneimittel im Sinne des AMG nicht ausschließlich am bloßen Wortlaut orientiert sein. Vielmehr müssen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts dieser Wortlaut einschränkend ausgelegt werden und dabei insbesondere der Verwendungszweck, die Modalitäten des Gebrauches des Erzeugnisses, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, berücksichtigt werden (vgl. Nobis NStZ 2012, 422 <424>). Danach seien solche Produkte nicht vom AMG erfasst, mit denen primär andere Zwecke verfolgt werden, wie beispielsweise Ernährungs-, Genuss- oder Rauschzwecke (vgl. auch zur Einordnung der ‚E-Zigarette' OVG Nordrhein-Westfalen DVBl. 2012, 781 ff. - zitiert nach juris).

Nach der gegenteiligen Ansicht (vgl. Patzak/Volkmer NStZ 2011, 498 ff.) unterfallen sog. ‚Kräutermischungen' dem AMG. Zwar handle es sich danach nicht um sog. Präsentationsarzneimittel, da sie weder nach Anschauung der einschlägigen Verbraucherkreise, noch aus Sicht der Hersteller und Händler zu den im AMG genannten therapeutischen Zwecken (Heilung, Linderung, Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden) bestimmt seien. Jedoch lägen hierbei sog. Funktionsarzneimittel vor, bei welchen es nicht auf Verfolgung therapeutischer Zwecke ankomme, sondern lediglich die Funktion im oder am menschlichen Körper ausschlaggebend sei.

b) Der Bundesgerichtshof hat in der vergleichbaren Fallkonstellation der Strafbarkeit des Vertriebs von ‚Gamma-Butyrolacton' (GBL) als Rauschmittel im Urteil vom 8.12.2009 (BGHSt 54, 243 ff.) die Anwendbarkeit des AMG bejaht. GBL wird üblicherweise als Industriechemikalie oder Reinigungsmittel vertrieben und eingesetzt, wirkt bei Einnahme jedoch berauschend, einer Droge vergleichbar. Nach BGHSt 54, 243 ff. ist das AMG auf Stoffe anwendbar, deren Zweckbestimmung sich auf Beeinflussung der Beschaffenheit, des Zustandes oder der Funktionen des Körpers oder seelischer Zustände bei Einnahme oder Anwendung am Körper richtet. Dabei ist diese Zweckbestimmung grundsätzlich an objektiven Kriterien, nämlich der Verkehrsanschauung auszurichten. Maßstab für die Qualifikation eines Stoffes im Sinne des AMG ist die Verwendung innerhalb eines einheitlichen Verkehrskreises, in dem das Mittel auf dieselbe Art und Weise gebraucht wird (BGHSt 54, 243, (252)). Nur in Ausnahmefällen, wenn die Zweckbestimmung bei neuartigen Substanzen (noch) nicht zu beurteilen ist, kann auf subjektive Kriterien zurückgegriffen werden. Steht bei tatsächlich dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 AMG nach wirkenden Substanzen fest, dass zahlreichen Verbrauchern die Wirkungsweise bekannt ist und sich auch ein entsprechender Markt gebildet hat, d.h. die Substanz nach der allgemeinen Verkehrsanschauung aus der Sicht eines durchschnittlichen informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Falle der Einnahme dazu bestimmt ist, den seelischen Zustand eines Menschen zu beeinflussen, liegt bereits nach objektiven Kriterien ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG vor (vgl. BGHSt 54, 243 ff.).

c) Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.

Unter Anwendung der vom Bundesgerichtshof herausgearbeiteten Kriterien zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des AMG lassen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen eine Einordnung der verfahrensgegenständlichen ‚Kräutermischungen', die die Wirkstoffe JWH-081 bzw. JWH-210 enthielten, unter § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG zu. Demnach sind die Kräutermischungen zum menschlichen Konsum bestimmt und werden von den Käufern regelmäßig als Joint konsumiert, die eine ähnliche Wirkung erwarten, wie sie THC hervorruft, allenfalls in abweichendem (höheren) Maße.

Es handelt sich nach den getroffenen Feststellungen auch um bedenkliche Arzneimittel im Sinne des § 5 AMG. Danach fallen hierunter solche Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinaus gehen (§ 5 Abs. 2 AMG). Das angegriffene Urteil stellt hierzu fest, dass die betreffenden Kräutermischungen unter anderem zu Orientierungslosigkeit, Panikattacken, Krampfanfällen oder Bewusstlosigkeit, in vielen Fällen aber auch nur zu einer dem Haschisch vergleichbaren Wirkung führen.

Dieses Ergebnis wird auch durch die Gesetzesmaterialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 16.3.2009 (BT-Drucks. 16/12256, S. 41 zur Umsetzung der Richtlinie 2001/83/EG - Gemein-schaftskodex für Humanarzneimittel und der Richtlinie 2001/82/EG -Gemeinschaftskodex für Tierarzneimittel) gestützt. Aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass auch der Gesetzgeber anlässlich der Anpassung des AMG an das Gemeinschaftsrecht Produkte mit Beimischung synthetischer Stoffe mit cannabinoider Wirkung der Anwendung des AMG unterstellen wollte (ebenso Müller in Krügel/Müller/Hofmann AMG § 2 Rn. 86 u. Fn. 273).

Der Einordnung der ‚Kräutermischungen' als Arzneimittel steht auch nicht § 2 Abs. 3 Nr. 3 AMG i.V.m. § 3 Abs. 2 VTabakG entgegen. Zwar nimmt § 2 Abs. 3 Nr. 3 AMG Tabakerzeugnisse im Sinne des § 3 VTabakG vom Arzneimittelbegriff aus, d.h. neben Rohtabak, Tabakerzeugnissen ähnliche Waren, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigem oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind. Die Grundsubstanz der ‚Kräutermischungen', d.h. die getrockneten und zerkleinerten Pflanzenbestandteile (ohne Zusatz von psychoaktiven Wirkstoffen) mag je nach Fallgestaltung daher unter das VTabakG fallen, so dass das Zusetzen psychoaktiver Wirkstoffe nach § 30 VTabakG verboten wäre. Letztlich enthalten die Feststellungen des angegriffenen Urteils hierzu keine hinreichenden Feststellungen.

Dies kann jedoch dahinstehen, denn das AMG ist vorliegend nicht gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 AMG ausgeschlossen, weil die getrockneten und zerkleinerten Pflanzenteile lediglich Trägersubstanz für die psychoaktiven Stoffe, hier JWH-081 bzw. JWH-210 sind, die durch einen beliebigen anderen Träger ausgetauscht werden kann. Kennzeichnend für die im vorliegenden Fall vertriebenen ‚Kräutermischungen' ist, dass alleiniger Zweck des Konsums der Mischungen der Konsum der psychoaktiven Stoffe ist. Steht bei einem derart geschaffenen zusammengesetzten, neuen Produkt fest, dass die oben genannten Kriterien erfüllt sind, liegt ein Arzneimittel vor und nicht - ausschließlich - ein Tabakerzeugnis.

2. Das Urteil enthält ausreichende Feststellungen zur AMG-Relevanz der synthetischen psychoaktiven Wirkstoffe.

Das angegriffene Urteil enthält Feststellungen dazu, dass sämtliche von der Verurteilung erfasste Päckchen ‚Kräutermischungen' einen der relevanten Wirkstoffe in solcher Konzentration enthielten, dass die oben genannten schädlichen Wirkungen hervorgerufen werden konnten (Berufungsurteil S. 5).

Die Rüge der Lückenhaftigkeit des Urteils, weil dieses keine Feststellungen dazu enthalte, ab welcher eingenommenen Wirkstoffmenge die schädlichen Wirkungen auftreten und ob tatsächlich bei allen, dem Angeklagten zur Last gelegten Päckchen Kräutermischungen eine derartige relevante Dosis beigefügt war, greift nicht. Die Revision stützt sich insoweit auf urteilsfremdes Vorbringen. Eine Aufklärungsrüge ist nicht erhoben. Deshalb kann das in der Revisionsbegründungsschrift auszugsweise wiedergegebene Sachverständigengutachten, unabhängig von der Frage, ob es den Vortrag des Revisionsführers belegt, nicht berücksichtigt werden.

3. Das angegriffene Urteil leidet hinsichtlich der dem Angeklagten im Rahmen der Tat 2 zur Last gelegten Menge an bestellten und angekauften 4.711 Päckchen Kräutermischungen an einem Darstellungsmangel, weil die Berechnung der dem Angeklagten zur Last gelegten Mengen aufgrund der Urteilsausführungen nicht vollständig nachvollzogen werden kann. Im Rahmen der Beweiswürdigung (Bl. 23 ff. der Urteilsgründe) führt das Landgericht hierzu aus:

‚Bestellung und Ankauf von zumindest 4.711 Päckchen Kräutermischungen und Verkauf hiervon von 4.041 Packungen ergeben sich zur Überzeugung der Kammer in einer Zusammenschau der folgenden Punkte wie folgt:

a) Der Angeklagte hat selbst für diesen Zeitraum eine umfangreiche Bestellung und umfangreichen Ankauf eingeräumt. Soweit er selbst den Umfang des Verkaufs mit 800 bis 2.000 Packungen bezifferte, fügte er ausdrücklich hinzu, dass es sich nur um eine Schätzung handele. Gerade bei einer Schätzung kommt zur Überzeugung der Kammer niemand auf die Idee, zu seinen Ungunsten zu viel (mit der Folge einer möglicherweise höheren Strafe) zu schätzen.

b) Die Zeugin P… bekundete die Sicherstellung von 670 Packungen.

c) Der Zeuge S… bekundete, dass - er sei oft im Laden gewesen - ihm keine weitere Person bekannt sei, welche im Laden tätig war. Allein der Angeklagte habe soweit er wisse verkauft und sei für alles zuständig gewesen.

d) Die Zeugin P… bekundete, dass im Laden des Angeklagten die Zettel 1, 2 und 3 (Bl. 62 TEA IV) sowie der Zettel (Bl. 74 TEA IV) aufgefunden wurden sowie die Bestellliste (Bl. 73 TEA IV) sowie die Rechnung der Firma P… F… vom 7.12.2010 über 5.324,00 EURO (Bl. 92 TEA IV).

e) Der Angeklagte räumte selbst ein, dass er anhand der Bestellliste (Bl. L73 TEA IV) bestellte.

f) Multipliziert man den Bestellpreis von 12,60 EURO bei Abnahme von 250 Packungen WWW miteinander, ergibt sich ein Betrag von 3.150,00 EURO. Hieraus schließt die Kammer zurück, dass es sich bei dem Zettel (Bl. 74 TEA IV), welcher beim Angeklagten gefunden wurde, um eine seiner Bestelllisten handelt.

g) Hinsichtlich der drei Zettel (Bl. 62 TEA IV) ist die Kammer der Überzeugung, dass es sich bei Zettel 2 um eine weitere Bestellung handelt und bei Zettel 3 um die korrespondierende entsprechende Lieferung, bei Zettel 1 um einen weiteren Kontrollzettel für eine weitere Lieferung. Die diesbezügliche Überzeugung der Kammer beruht auf der Korrespondenz der Zettel 2 und 3, welche in gleicher Reihenfolge die Kräutermischungen W…, S…, S… (S…), C…, B… und R… beinhalten, sowie der auf Zettel 2 in zweiter Spalte befindlichen Abweichungen. Korrespondierend mit dem Zettel 3 ergibt sich der Rückschluss, dass hier der Angeklagte auf Zettel 3 mit Strichliste die Lieferung nachgerechnet hat und bei W…, C… und R… diese abhakte, da die Bestellung mit Lieferung übereinstimmte. Die Nachzählung hinsichtlich S… ergab für den Angeklagten, dass 90 Packungen fehlen (die Strickliste ergab 410 Packungen, auf der Bestellliste wurden diesbezüglich 410 vermerkt), gleiches gilt für S..., wo die Strichliste nur 244 Packungen ergab statt der bestellten 250 Packungen. Hinsichtlich B… wurde mehr geliefert, da hier die Strichliste 310 Packungen ergibt. Im Hinblick auf den gleichen Aufbau und das vom Äußeren her gleiche Erscheinungsbild der Zettel 1 und 3 schließt die Kammer wiederum rück, dass es sich um eine weitere Überprüfung einer weiteren Lieferung handelt.

h) Gerade bei der Interpretation vom Bl. 62 und 74 TEA IV berücksichtigt die Kammer auch die Zusammenschau mit den Angaben des Angeklagten, welcher die von ihm verkauften Mengen selbst auf bis zu 2.000 schätzte.

i) Die Kammer legt die Rechnung der Firma SC P… F… vom 07.12.2010 (Bl. 92 TEA IV) ihrer Entscheidung zugrunde. Die Kammer geht davon aus, dass entsprechend dieser Rechnung der Angeklagte die entsprechende Kräutermischungen auch erhalten hat. (Ausführungen zur Beweiswürdigung zu den Wirkstoffen ...)

m) Die Rechnung der Firma P… F… vom 7.12.10 (Bl. 92 TEA IV) betrifft die Lieferung von 430 Packungen. Die Zeugin P… bekundete das Auffinden von 17 Lieferscheinen. Dies ist in Einklang zu bringen mit den - zu Gunsten des Angeklagten berechneten (!) - 4.711 Packungen.'

Das Landgericht hat hieraus ‚berechnet', welche Mindestmenge der Angeklagte bestellt, angekauft und in den Verkehr gebracht hat. Aus den vorstehenden Ausführungen lässt sich diese Berechnung aber nicht nachvollziehen. In der Regel ist die Wiedergabe des gesamten oder eines Teils des Inhalts eines Beweismittels entbehrlich. Jedoch sind der festgestellte Sachverhalt und soweit hieraus Schlüsse und Würdigungen gezogen werden, auch deren Grundlagen so darzustellen, dass das Revisionsgericht diese nachvollziehen kann (vgl. Meyer-Goßner StPO, 55. Aufl. § 267 Rn. 11 ff.).

Das angefochtene Urteil war daher mit den Feststellungen aufzuheben und an eine andere Kammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückzuverweisen, soweit es die Rechtsfolgen bezüglich der Tat 2 betrifft. Hierzu gehört auch die Anzahl der verkauften Einzelmengen innerhalb der Tat 2. Ebenfalls aufzuheben war die hierauf beruhende Gesamtstrafe und die Entscheidung über den Verfall von Wertersatz, der zur Grundlage die Höhe der erlangten Einnahmen aus dem Verkauf der ‚Kräutermischungen' hat. Da diese nicht unerheblich von der festzustellenden Menge an angekauften und verkauften ‚Kräutermischungen' abhängt, ist die nach erfolgter Zurückverweisung festzustellende Menge an in der Tat 2 verkauften Packungen nicht nur für die hier zu bildende Strafe, sondern auch für die Höhe des Verfalls von Wertersatz entscheidend. ..."



Lockspitzeleinsatz

... 1. Der Senat hat in seinem Urt. v. 18. 11. 1999 - 1 StR 221/99 (BGHSt 45, 321 [= StV 2000, 57]) in Anwendung des Grundsatzes des fairen Verfahrens (gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK) und im Blick auf dessen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR EuGRZ 1999, 660 = StV 1999, 127 = NStZ 1999, 47) für den Fall eines konventionswidrigen Lockspitzeleinsatzes entschieden, daß ein solcher Verstoß in den Urteilsgründen festzustellen und bei Festsetzung der Rechtsfolgen - genau bemessen - zu kompensieren ist. Eine Konventionsverletzung liegt nach der genannten Senatsentscheidung vor, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch die von einem Amtsträger geführte VP in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (BGHSt 45, 321, Leitsatz und S. 335).

Der Senat hat diesen Maßstab weiter dahin konkretisiert, daß eine Tatprovokation nicht schon dann vorliegt, wenn eine VP einen Dritten ohne sonstige Einwirkung lediglich darauf anspricht, ob dieser Btm beschaffen könne. Ebenso liegt keine Provokation vor, wenn die VP nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt. Dagegen ist die VP als die tatprovozierender Lockspitzel tätig, wenn sie über das bloße »Mitmachen« hinaus in die Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt (BGHSt 45, 321, 338).

Erreicht die Intensität der Einwirkung durch den polizeilichen Lockspitzel das Maß einer Tatprovokation, so ist diese nur zulässig, wenn die VP (bzw. ein VE) gegen eine Person eingesetzt wird, die in einem den §§ 152 Abs. 2, 160 StPO vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat beteiligt gewesen zu sein oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu sein; hierfür müssen also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Dies gilt unabhängig davon, ob der VP-Einsatz ursprünglich (bis zur Tatprovokation) der präventiven Gefahrenabwehr diente oder von Anfang an repressiven Charakter hatte. Die Rechtmäßigkeit des Lockspitzeleinsatzes ist selbst im Falle einer »Gemengelage« einheitlich an den Regelungen der StPO zu messen (BGHSt 45, 321, 337).

Eine unzulässige Tatprovokation ist dem Staat im Blick auf die Gewährleistung des fairen Verfahrens dann zuzurechnen, wenn diese Provokation mit Wissen eines für die Anleitung der VP verantwortlichen Amtsträgers geschieht oder dieser sie jedenfalls hätte unterbinden können. Erteilt die Polizei einen Auftrag an eine VP, hat sie die Möglichkeit und die Pflicht, diese Person zu überwachen. Eine Ausnahme von der sich daraus ergebenden Zurechnung kann nur dann gelten, wenn die Polizei mit einem Fehlverhalten der VP nicht rechnen konnte (BGHSt 45, 321, 336; BGH, Urteil v. 30. 5. 2001 - 1 StR 42/01 - StV 2001, 492 ff.).



Luftsicherheit

„... Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 18 K 5757/12 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 7.9.2012 zu Aktenzeichen 26.02.03 (G. 000/0000) wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung einer Klage wiederherstellen, wenn das individuelle Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung des in Rede stehenden Verwaltungsakts verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Die Interessenabwägung richtet sich dabei im Wesentlichen nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ein überwiegendes Suspendierungsinteresse des Antragstellers kommt dabei regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn sich der Bescheid bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig darstellt und die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.

Zunächst genügt die Begründung der Anordnung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Der Antragsgegner hat das besondere Vollzugsinteresse schlüssig und einzelfallbezogen begründet und dabei auf die besondere Gefahrenlage abgehoben, die bestünde, wenn der Antragsteller trotz bestehender Zweifel an der erforderlichen Zuverlässigkeit weiterhin Zugang zu sicherheitsrelevanten Bereichen hätte. Dass die Argumente, die den Sofortvollzug begründen, gerade im Sicherheitsbereich teilweise mit den Argumenten, die zu der Sachentscheidung führen, identisch sind, liegt in der Natur der Bedeutung sicherheitsrechtlicher Entscheidungen und stellt sich nicht etwa als Begründungsmangel dar.

Bei der hier allein gebotenen summarischen Prüfung stellt sich auch der Widerruf der Zuverlässigkeitsfeststellung voraussichtlich als rechtmäßig dar. Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf ist § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Bei der Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers vom 31.8.2009 handelt es sich um einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt. Dass der Antragsteller am 7.1.2012 ausweislich des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität zu Köln Kokain zu sich genommen hatte und unter Kokaineinfluss sowie unter Einfluss von Cannabisprodukten an diesem Tag auch ein Fahrzeug geführt hat und dass er ausweislich des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität zu Köln vom 24.8.2012 Cannabisprodukte konsumiert hat und der Verdacht des gelegentlichen Konsums besteht, sind nachträglich eingetretene Tatsachen, aufgrund derer der Antragsgegner berechtigt gewesen wäre, die Zuverlässigkeitsfeststellung nicht zu erlassen. Der Antragsteller genügt nicht mehr den Anforderungen, die § 7 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs an Personen stellt, denen zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nicht nur gelegentlich Zugang zu nicht allgemein zugänglichen Bereichen des Flugplatzgeländes eines Verkehrsflughafens gewährt werden soll.

Zuverlässig im Sinne des § 7 LuftSiG ist nur, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Der Überprüfte muss nach dem Gesamtbild der Persönlichkeit das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringen, selbst bei dem Inaussichtstellen von Vorteilen oder bei der Androhung von Nachteilen die Belange der Sicherheit des Luftverkehrs zu wahren und die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Eingriffen, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Dabei ist mit Blick auf die in Rede stehenden Rechtsgüter ein strenger Maßstab anzulegen. Der Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen eines Flugplatzgeländes darf nur Personen eröffnet werden, bei denen insoweit keine Zweifel verbleiben (§ 7 Abs. 6 LuftSiG).

OVG NRW, Beschlüsse vom 23.2.2007 - 20 B 44/07 -, Juris und vom 15.6.2009 - 20 B 148/09 -, Juris.

Die erforderliche Zuverlässigkeit ist schon bei geringen Zweifeln zu verneinen, ohne dass sich hieraus Bedenken ergeben würden im Hinblick auf das Recht der Betroffenen aus Art. 12 GG.

BVerwG, Urteile vom 15.7.2004 - 3 C 33.03 -, BVerwGE 121, 257 und vom 11.11.2004 - 3 C 8.04 -, BVerwGE 122, 182 zu der Vorgängervorschrift des § 29 d LuftVG.

Ausgehend von diesem Maßstab begründen der beim Antragsteller festgestellte Rauschgiftkonsum und auch die Fahrt unter Einfluss von Kokain und Cannabisprodukten derart gewichtige Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers, dass die Entscheidung des Antragsgegners, die Zuverlässigkeitsfeststellung zu widerrufen, rechtlich nicht zu beanstanden ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich vor allem bei Kokain um eine "harte" Droge handelt, bei deren Konsum es unter anderem zu erhöhter Risikobereitschaft sowie zu einer Einschränkung der Kritikfähigkeit und des Urteilsvermögens kommen kann.

In der straßenverkehrsrechtlichen Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass bereits der einmalige Konsum von Kokain - auch ohne eine Teilnahme am Straßenverkehr - regelmäßig die Kraftfahreignung ausschließt.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 6.3.2007 - 16 B 332/07 -.

Auch im Rahmen der hier zu beurteilenden luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit ist davon auszugehen, dass derjenige, der Kokain konsumiert, regelmäßig nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit die Gewähr dafür bietet, die Belange der Luftsicherheit zu wahren. Ins Gewicht fällt in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass der Antragsteller ausweislich des toxikologischen Gutachtens vom 24.2.2012 am 7.1.2012 unter Einfluss von Kokain und Marihuana oder Haschisch ein Kraftfahrzeug geführt hat. Dieses Verhalten stellt jedenfalls eine Straftat im Sinne des § 316 StGB dar und lässt einen so deutlichen Mangel an Verantwortungsbewusstsein erkennen, dass Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers gegeben sind. Denn das Führen eines Kraftfahrzeugs unter Einfluss von mehreren derartigen Drogen birgt so hohe Gefahren, dass nicht davon auszugehen ist, dass ein verantwortungsbewusster Mensch bereit wäre, diese Gefahren einzugehen.

Soweit der Antragsteller im vorliegenden Verfahren geltend macht, dass er Kokain und Cannabisprodukte eine Woche vor der Fahrt vom 7.1.2012 - nämlich auf einer Silvesterparty - konsumiert habe, handelt es sich dabei erkennbar um eine Schutzbehauptung. Denn ausweislich der ärztlichen und polizeilichen Berichte vom 7.1.2012 wies der Kläger am 7.1.2012 noch deutliche Anzeichen von akutem Rauschgiftkonsum wie etwa erweiterte Pupillen und eine verzögerte Pupillenreaktion auf. Es wurde ausweislich des ärztlichen Berichts von Dr. med. L. vom 7.1.2012 festgestellt, dass der äußerliche Anschein des Einflusses von Drogen deutlich bemerkbar war.

Sollte - entgegen dem Vorstehenden - die Einlassung des Antragstellers zutreffen, dass er nur anlässlich der Silvesterparty die genannten Drogen konsumiert habe, müsste er angesichts dieser am 7.1.2012 festgestellten äußeren Anzeichen und auch der im Blut vorhandenen Spuren des Drogenkonsums am 31.12.2011 derart große Mengen von Drogen zu sich genommen haben, dass allein um deswillen seine luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben wäre.

Hinzu kommt, dass aufgrund des toxikologischen Gutachtens vom 24.8.2012 festgestellt wurde, dass die beim Antragsteller am 6.8.2012 entnommenen Blut- und Urinproben erkennen ließen, dass er Cannabisprodukte (Haschisch/Marihuana) konsumiert hatte und dass der Verdacht des gelegentlichen Konsums besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller der Aufforderung des Antragsgegners vom 23.7.2012, sich innerhalb von acht Tagen nach Erhalt dieser Aufforderung zu einer Untersuchung vorzustellen, nicht genügt hat, sondern ohne Angabe von Gründen für die Verspätung erst 11 Tage nach Erhalt der Aufforderung zum Drogentest erschienen ist. Es spricht manches dafür, dass der Untersuchungsbefund bei einem rechtzeitigen Erscheinen des Antragstellers zum Drogentest noch deutlicher ausgefallen wäre. Auch mit seinem - unentschuldigten - verspäteten Erscheinen zum Drogentest hat der Antragsteller deshalb eine Ursache dafür gesetzt, dass der Antragsgegner berechtigte Zweifel an seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit hat.

Soweit der Antragsteller ferner geltend macht, dass das eingeleitete Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz am 23.4.2012 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, rechtfertigt dies keine andere rechtliche Beurteilung. Denn die Anforderungen, die im Rahmen der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit gestellt werden, beschränken sich nicht allein darauf, dass die zu überprüfenden Personen nicht wegen einer Straftat verurteilt worden sind. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Antragsteller unter Berücksichtigung der hier vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse gegen § 29 BtMG verstoßen hat und dass dieser Verstoß letztlich lediglich aus prozessökonomischen Gründen nicht verfolgt wird.

Auch soweit der Antragsteller geltend macht, das ihm vorgeworfene Verhalten stehe in keinerlei Zusammenhang mit seinen luftsicherheitsrechtlichen Aufgaben, trifft dies nicht zu. Denn die Anforderungen an die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit knüpfen nicht nur unmittelbar an das berufliche Verhalten an, sondern lassen auch eine Berücksichtigung des privaten Verhaltens zu, wenn dieses private Verhalten hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür bietet, dass die überprüfte Person nicht jederzeit die Gewähr dafür bietet, dass sie sich für die Sicherheit im Luftverkehr einsetzen wird. Dabei sind etwa auch äußere Anfechtungen wie Erpressungen oder Bestechungsversuche mit in den Blick zu nehmen. Es erscheint jedenfalls nicht fernliegend, dass ein Luftsicherheitsassistent, der Drogen nimmt, durchaus eher als Opfer eines Bestechungs- oder Erpressungsversuches in Betracht kommen könnte, als ein Luftsicherheitsassistent, der keine Drogen nimmt.

Soweit der Antragsteller geltend macht, dass er seit dreizehn Jahren ohne jegliche Beanstandungen im Sicherheitsbereich tätig sei, konnte dies anhand des vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsvorgangs nicht bestätigt werden, weil der erste eingetragene Antrag auf Überprüfung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit vom 10.9.2003 datiert. Unabhängig davon vermag auch eine 13-jährige beanstandungsfreie Tätigkeit die bestehenden Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers nicht auszuräumen. Denn ein beanstandungsfreies Verhalten am Arbeitsplatz ist nur das, was von jedem Arbeitnehmer als selbstverständlich verlangt wird. Ein besonderer Vertrauenstatbestand lässt sich daraus nicht ableiten.

OVG NRW, Beschluss vom 15.10.2004 - 20 B 1871/04 -.

Liegen nach alledem bei summarischer Prüfung die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW vor, bestehen auch gegen die Ermessensentscheidung keine derart gravierenden Bedenken, dass eine Rechtswidrigkeit der gesamten Entscheidung anzunehmen wäre. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner in dem Bescheid vom 7.9.2012 davon ausgegangen ist, dass der Antragsteller seit drei Jahren beanstandungsfrei im Luftsicherheitsbereich tätig sei, wohingegen die erste luftsicherheitsrechtliche Genehmigung vom 5.10.2003 datiert und deshalb jedenfalls von einer beanstandungsfreien Tätigkeit von mehr als acht Jahren auszugehen sein dürfte. Angesichts der Tatsache, dass einer beanstandungsfreien Beschäftigungszeit auch nach den Ausführungen des Antragsgegners keine besonders große Bedeutung zukommt, weil es sich dabei nur um dasjenige handelt, was von jedem Arbeitnehmer erwartet werden darf, und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es dem Antragsgegner möglich ist, im Hauptsacheverfahren ergänzende Ermessenserwägungen zu der Frage anzustellen, wie er die über drei Jahre hinausgehende beanstandungsfreie Tätigkeit des Antragstellers bewertet, führt die Tatsache, dass der Antragsgegner die Anzahl der beanstandungsfreien Beschäftigungsjahre nicht zutreffend in die Erwägungen eingestellt hat, nicht zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung.

Vgl. zur Erfolgsprognose des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei bestehender Möglichkeit, Ermessenserwägungen im Hauptsacheverfahren zu ergänzen: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rdnr. 12 e.

Der Antragsgegner hat demgegenüber in zutreffender Weise den - sehr viel gewichtigeren - Umstand gewürdigt, dass seine Entscheidung den Verlust des Arbeitsplatzes für den Antragsteller zur Folge haben kann. Angesichts der erheblichen Gefahren, die von einem Drogenkonsumenten für den Luftverkehr ausgehen können, wurde jedoch auch dieser Gesichtspunkt rechtsfehlerfrei als nicht so bedeutend gewürdigt, dass er das Verhalten des Antragstellers aufwiegen und eine andere Entscheidung gebieten könnte.

Schließlich ist die sofortige Vollziehung auch im öffentlichen Interesse geboten. Angesichts der in Rede stehenden Gefahren, die von unzuverlässigen Personen im Sicherheitsbereich eines Flughafens ausgehen, tritt das berufliche Interesse des Antragstellers an einem einstweiligen weiteren Zugang zum Sicherheitsbereich hinter die öffentlichen Sicherheitsinteressen zurück. Dabei ist überdies zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seine Interessen durch eigenes rechtswidriges Verhalten gefährdet hat. ..." (VG Köln, Beschluss vom 29.11.2012 - 18 L 1282/12)



Minder schwerer Fall

Soweit das JugSchöG die Annahme des minder schweren Falles maßgeblich mit dem Argument abgelehnt hat, daß die eingeführte Menge von 670,7 g mit einem THC-Gehalt von 57,68 g nicht nur gering über dem Grenzwert liege, steht dies der Annahme eines minder schweren Falles nicht entgegen, denn trotz einer eingeführten Menge dieser Größenordnung, sogar bei einer Menge von ca. 1 kg Haschisch, können wesentliche weitere Tatumstände der Tat das Gepräge eines minder schweren Falles verleihen (vgl. BGH StV 1983, 461 sowie 202). Zu Recht rügt die Revision, daß solche wesentlichen Umstände vorliegend unberücksichtigt geblieben sind. Soweit nicht erwogen worden ist, daß der Angekl. bislang einschlägig nicht vorbelastet ist, handelt es sich um einen solchen wesentlichen Umstand, der für das Vorliegen eines minder schweren Falles Bedeutung hat (vgl. BGH NStZ 1983, 119). Dies gilt ebenfalls für das Eingeständnis der Tat durch den Angekl. und seine soziale Einbindung (vgl. BGH StV 1993, 245). Darüber hinaus sind auch die Wirkungen erlittener U-Haft auf den Täter ein für die Strafrahmenwahl wesentliches Kriterium, das im gegebenen Fall der Tatrichter zur rechtsfehlerfreien Erörterung des minder schweren Falles in Betracht zu ziehen hat (vgl. Gribbohm in LK, 11. A., Anm. 256 zu § 46; StV 1993, 246; Tröndle/Fischer, StGB, 49. A., Anm. 42 zu § 46). Der Angekl. hat vorliegend erstmals Freiheitsentzug durch die U-Haft erfahren und ist - wovon auch das SchöG allerdings erst bei den Strafzumessungserwägungen ausgegangen ist - durch diese Erfahrung beeindruckt. Diese Umstände sind geeignet, einen minder schweren Fall zu begründen ... (LG Hamm, Beschluss v. 17.10.2000 - 3 Ss 992/00 - StV 2001, 178 f.)



Nicht geringe Menge

Die nicht geringe Menge für Cannabis liegt bei 7,5 g Tetrahydrocanabinol (BGHSt 33, 133).

Enthält ein Cannabisprodukt mindestens 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC), so ist das Tatbestandsmerkmal »nicht geringe Menge« in § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 und § 30 a Abs. 1 BtMG erfüllt (Bestätigung von BGHSt 33, 8 [= StV 1984, 466]; BGH, Beschluss v. 20.12.1995 - 3 StR 245/95, StV 1996, 95 ff).



Freiheitsstrafe - kurze § 47 StGB

„... 1. Im Fall II. 3 der Urteilsgründe führte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts einen Cannabis-Joint mit sich. Für diesen unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln hat das Landgericht eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten festgesetzt.

Die Strafzumessung ist rechtsfehlerhaft, weil die Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe (§ 47 Abs. 1 StGB) vom Landgericht nicht erkennbar geprüft worden ist. Die Verhängung einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe für den Besitz einer nicht näher festgestellten, jedenfalls sehr geringen Menge Cannabis in Form eines Joints legt im Übrigen die Annahme nahe, das Landgericht habe den Schuldgehalt dieser Tat nicht hinreichend abgewogen. ..." (BGH, Beschluss vom 08.08.2007 - 2 StR 285/07)



Fristlose Kündigung der Wohnung

Der Anbau von Cannabispflanzen in der angemieteten Wohnung stellt eine erhebliche Vertragspflichtverletzung dar, die eine fristlose Kündigung des Vermieters rechtfertigt (LG Frankfurt, Urteil vom 09.05.2011 - 2/11 S 77/11).
*** (AG)

Fristlose Kündigung wegen Anbau von Cannabis in der Wohnung durch den Untermieter (AG Hamburg-Altona, Urteil vom 14.02.2012 - 316 C 275/11):

„... Es bestand ein wichtiger Grund zur Kündigung i.S.d. § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB, welcher der Klägerin gem. § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machte (1.). Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es gem. § 543 Abs. 1, 3 Nr. 2 BGB ausnahmsweise nicht (2).

1. Der vertragswidrige Gebrauch der Wohnung des Untermieters durch umfangreichen unerlaubten Anbau und Konsum von Cannabis stellt unter Abwägung der Interessen der Klägerin und Beklagten einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Hauptmietverhältnisses dar. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Untermieter der Beklagten das Mietobjekt planmäßig und vorsätzlich für die Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz benutzte. Zum einen räumte der Untermieter unstreitig den Drogenanbau im Rahmen des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens ein. Zum anderen geht aus dem Durchsuchungsbericht vom 22.7.2011 (Anlage K 8, Bl. 62 f. d.A.) eindrücklich hervor, dass Herr ... professionell und in erheblichen Mengen Rauschgift produzierte. Angesichts dessen ist das schlichte Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen unsubstantiiert und unbeachtlich.

Darauf, dass die Straftat nicht der Beklagten, sondern ihrem Untermieter zur Last gelegt wird, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Denn gemäß § 540 Abs. 2 BGB muss sich die Beklagte das Verschulden ihres Untermieters zurechnen lassen. Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, dass der Untermieter wie ein Erfüllungsgehilfe des Hauptmieters i.S.d. § 278 BGB behandelt wird. Dies hat zur Folge, dass der Hauptmieter für das Verschulden des Untermieters genau wie für eigenes Verschulden haftet. Wenn der Mieter freiwillig die ihm anvertraute Sache im eigenen Interesse, gegebenenfalls gewinnbringend, einem selbst ausgewählten Dritten überlässt, trägt er das Risiko eines Fehlverhaltens des Dritten - auch wenn es sich hierbei um vorsätzliche Straftaten handelt. Denn eine Beschränkung der Haftung auf durch den Untermieter herbeigeführte Schäden, in denen sich das typische mietvertragliche Gebrauchsrisiko realisiert hat, sieht der Wortlaut des § 540 Abs. 2 BGB nicht vor. Der in der Norm verwendete Ausdruck "bei dem Gebrauch" bedeutet vielmehr, dass alle Aktivitäten umfasst sind, die der Untermieter in den ihm zwecks Aufenthalt überlassenen Räumen ausübt (so zu Recht der BGH betreffend eine von dem Untermieter vorsätzlich herbeigeführten Explosion; Urt. v. 17.10.1990, NJW 1991, S. 489f). Insofern steht der Cannabisanbau des Untermieters in unmittelbarem, innerem Zusammenhang mit der ihm von der Beklagten übertragenen Vertragserfüllung, wofür sie einzustehen hat.

Neben dem zurechenbaren Verschulden der Beklagten ist im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung i.S.d. § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB auch das berechtigte Interesse der Vermieterin zu berücksichtigen, ihre übrigen Mieter und insbesondere die im Haus wohnenden Kinder oder Jugendliche vor den Gefahren zu schützen, die vom Cannabisanbau in dem Mietobjekt ausgehen. Das Verhalten des Untermieters hat eine erhebliche negative Vorbildfunktion. Zwar beging der Untermieter die Straftaten heimlich und nicht etwa im allen Bewohnern zugänglichen Hausflur. Jedoch sind der Anbau und Konsum von Marihuana mit einem typischen, prägnanten Geruch verbunden, der von erheblichen Teilen der Bevölkerung identifiziert wird. Es ist bekannt, dass es sich anders als bei Tabak um eine vom Gesetz nicht tolerierte Droge handelt. Die wiederholte Wahrnehmung dieses Geruches in einem Haus hinterlässt bei Besuchern und Bewohnern den Eindruck, dass der Vermieter ein fortgesetztes gesetzeswidriges Verhalten duldet, was den Ruf des Hauses beschädigt. Diese Gefahr wurde durch die vom Untermieter verursachten Polizeieinsätze zusätzlich erhöht. Eine nicht unerhebliche Störung des Hausfrieden ist auch bereits eingetreten. Insbesondere hatte sich die Mieterin Frau ... unstreitig bei Herrn ... beschwert, nachdem sie den Eindruck gehabt hatte, dass sie mehrfach, wenn auch nicht permanent, im Hausflur Marihuanageruch wahrgenommen habe. Es ist auch unstreitig, dass ein Mitarbeiter der ista diesen Geruch bemerkt hatte. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, der Geruch sei nicht in der Wohnung von Frau ... wahrnehmbar gewesen, kommt es hierauf nicht an. Es kann daher dahin stehen, ob der Geruch, wie die Klägerin behauptet, auch im Kinderzimmer der Wohnung ... wahrnehmbar war.

Die Beklagte kann sich nicht zu ihren Gunsten darauf berufen, dass "der Stein des Anstoßes" durch den Auszug des Untermieters inzwischen beseitigt und der Kündigungsgrund im Nachhinein weggefallen sei. Hat der Mieter seine Verpflichtungen in solchem Maße schuldhaft verletzt, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann und macht der Vermieter von dem Recht Gebrauch, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen, so wird das Dauerschuldverhältnis mit dem Zugang der Kündigungserklärung beendet. Es verwandelt sich in ein Abwicklungsschuldverhältnis. Der Mieter schuldet mit Wirksamwerden der Kündigung die Räumung und Herausgabe. An dieser Gestaltungswirkung der Kündigung kann nachträgliches Wohlverhalten des Mieters nichts mehr ändern (BGH, Urt. v. 23.9.1987, NJW-RR 1988, S. 77, 78) Nichts anderes gilt für den Fall, dass dem Mieter das Verschulden seines Untermieters zugerechnet wird.

Für die Beklagte spricht, dass das Mietverhältnis schon sehr lange, seit dem Jahr 1990, bestand. Das Vertrauensverhältnis war, entgegen der Ansicht der Klägerin, nicht auf Grund der jahrelangen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien zerrüttet, da dies der in einem Rechtstaat übliche Weg zur Konfliktlösung ist (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 5.6.1992, NJW-RR 1993, S. 16, 17; AG Jülich, Urt. v. 25.4.2006, WuM 2006, S. 562, juris). Allein der Umstand der langen Vertragsdauer ist jedoch nicht geeignet, das berechtigte Interesse der Vermieterin an der sofortigen Beendigung zu überwiegen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Interessen der Beklagten am Fortbestand des Mietverhältnisses schon deshalb weniger schwer wiegen, weil die Beendigung des Mietverhältnisses für sie keinen Verlust der Wohnung als gewöhnlichem Aufenthaltsort zur Folge hat. Denn die Beklagte nutzt die Wohnung nach eigenem Bekunden lediglich zeitweise, allerdings bis zu dreimal wöchentlich, für ein paar Stunden als Rückzugsort. Unter Abwägung aller Umstände, vor allem der Schwere der schuldhaften Vertragsverletzung, war der Klägerin eine Fortsetzung des Mietverhältnisses gem. § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB unzumutbar.

2. Eine bei Vertragsverletzungen aus dem Mietverhältnis gem. § 543 Abs. 3 BGB grundsätzlich erforderliche, erfolglose Abmahnung oder Fristsetzung zur Abhilfe ist nicht erfolgt. Sie war jedoch ausnahmsweise entbehrlich.

Die sofortige Kündigung ohne Abmahnung war hier aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gem. § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB gerechtfertigt. Zu bedenken ist, dass eine Abmahnung immer nur sinnvoll ist, wenn eine Fortsetzung des Mietverhältnisses (bei Unterlassen des beanstandeten Verhaltens in der Zukunft) überhaupt noch in Betracht kommt. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn das durch den Mietvertrag begründete gegenseitige Vertrauensverhältnis bereits endgültig zerstört worden ist und auch durch vertragsgemäßes Verhalten in der Zukunft nicht mehr wiederhergestellt werden kann. Dies ist wegen des schweren Vertragsverstoßes der Beklagten anzunehmen, weil dadurch das Interesse der klagenden Vermieterin erheblich und offensichtlich verletzt worden und ihr Interesse an der Leistungserfüllung weggefallen ist. Zugunsten der Mieterin ist zwar zu berücksichtigen, dass durch den Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz weder der Vermieter noch andere Mieter unmittelbar geschädigt wurden; eine Verletzung ihrer Gesundheit oder ihres Eigentums ist nicht eingetreten. Das von der Klägerin angeführte Urteil des AG St. Georg vom 25.5.2011 (Az. 916 C 120/11, Bl. 89ff) ist insofern nicht einschlägig. Andererseits handelt es sich aber nicht um eine fahrlässige, sondern um eine vorsätzliche Straftat, für die das Betäubungsmittelgesetz gem. § 29 Abs. 1 einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren vorsieht.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, keine Kenntnis von dem schädigenden Verhalten gehabt zu haben und deshalb vor Kündigung eine vorherige Abmahnung einfordern, um seinerseits dem Untermieter zu kündigen und ggf. durch einen neuen ersetzen zu dürfen. Andernfalls wäre die Konsequenz, dass der Vermieter bei jedem Untermieter zunächst ein schuldhaftes Verhalten hinnehmen und den Mieter dafür abmahnen müsste, während er einem Mieter, der die schwere Vertragsverletzung in persona begangen hat, sofort kündigen dürfte. Eine derartige Privilegierung eines Untermietverhältnisses ist vom Gesetz gerade nicht vorgesehen.

Doch selbst wenn man vertreten wollte, dass eine Abmahnung nur dann entbehrlich ist, wenn der Hauptmieter tatsächlich Kenntnis (oder zumindest fahrlässig Unkenntnis) von dem Fehlverhalten seines Untermieters hat, käme man hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn die Beklagte hatte nach Überzeugung des Gerichts Kenntnis von den in der Wohnung begangenen Straftaten. Zwar hat sie sowohl den Drogenkonsums als auch die Cannabiszucht ihres Untermieters mit Nichtwissen bestritten. Dieser Vortrag ist aber insofern lebensfremd und wenig glaubhaft, als sie nicht nur in dem Verfahren 319a C 96/09 angegeben hat, die Wohnung trotz ihres Auszugs im Juli 2009 weiterhin regelmäßig als Rückzugsort bei Krankheitsschüben zu nutzen, sondern vorträgt, die Wohnung weiter regelmäßig zu nutzen. Angesichts dessen, dass sie seinerzeit ausdrücklich vorgetragen hat, mit Herrn ... vereinbart zu haben, dass sie kommen und gehen kann wie sie will und dabei auch die gesamte Wohnung nutzt, ist es höchst unwahrscheinlich und unglaubhaft, dass sie während ihrer Besuche keinerlei Anzeichen von Marihuana bemerkt haben will.

Das permanente Betreiben einer größeren Cannabiszucht und das diverse, in der gesamten Wohnung verstreute Zubehör lassen sich kaum monatelang verheimlichen. Das gilt insbesondere hinsichtlich eines penetranten und leicht zu identifizierenden Marihuanageruchs, den sogar die Nachbarin Frau ... außerhalb der streitgegenständlichen Wohnung wahrgenommen hat. Dass anlässlich eines mehrere Wochen zuvor angekündigten Ortstermins keine Anzeichen eines Anbaus von Marihuana zu erkennen waren, steht dem nicht entgegen.

Nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall war die Abmahnung demnach entbehrlich.

II. Die Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO kommt nicht in Betracht. Denn vorliegend sind keine Gründe für ein vorrangiges Interesse der Mieterin am weiteren Verbleib in der Wohnung ersichtlich, die das berechtigte Interesse des Vermieters an der sofortigen Räumung überwiegen. Die Beklagte ist insbesondere nicht auf der - in Hamburg durchaus schwierigen - Suche nach Ersatzwohnraum, da sie seit Juli 2009 nicht mehr in der streitgegenständlichen Wohnung, sondern in der ..., ... Hamburg wohnt. ..."



Gefährlichkeit von Haschisch

... Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, daß der Bf. beide Male, wenn auch einschlägig, so doch nur in sehr geringem Maße erneut straffällig geworden ist. Es handelte sich jew. um kleine Mengen von (sog. »weichen«) Drogen (Haschisch bzw. Marihuana), deren Gefährlichkeit per se nicht höher als bei legal erhältlichen Drogen anzusetzen ist und bei denen die Strafwürdigkeit des Umgangs mit ihnen seit längerer Zeit in großen Kreisen der Gesellschaft in erheblichem Maße in Zweifel gezogen wird.

Die erhöhte Vorwerfbarkeit, die sich aus dem Faktum der Einfuhr (etwa gegenüber einem bloßen Erwerb) ergibt, wird dadurch relativiert, daß der Bf. im »Drei-Länder-Eck« lebt; er arbeitet in der Schweiz, seine Lebensgefährtin wohnt in D., er selbst in F. In Teilen der Schweiz wird der Erwerb von Haschisch bzw. Marihuana in kleinen Mengen zum Eigenkonsum in der strafrechtlichen Praxis nicht oder nur in einzelnen Fällen verfolgt. Der Bf. räumt ein, in der Schweiz gelegentlich, anstelle von Alkohol, Haschisch oder Marihuana zu konsumieren. So sei es dazu gekommen, daß er bei den Grenzübertritten »versehentlich« noch Drogen bei sich hatte. Der Bewährungshelfer schreibt dazu: »Landesgrenzen werden hier überschritten, wie in anderen Gegenden Stadtgrenzen ... es spricht bei Herrn W. mehr für Nachlässigkeit als für ... kriminelle Energie ...«. - Eine insgesamt ähnliche Bewertung seitens der Strafverfolgungsorgane kann schon aus der geringen Höhe der jew. verhängten Geldstrafen ersehen werden (OLG Stuttgart, Beschluß v. 8. 11. 2001 - 2 Ws 222/01, StV 2003, 346 f.).



Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG

Für eine Verurteilung wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung von Cannabis kann angesichts neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht mehr jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers ausreichen. Entsprechend verfassungskonformer Auslegung des § 24a Abs. 2 StVG liegt eine Wirkung im Sinne dieser Vorschrift nur vor, wenn eine THC-Konzentration im Blut festgestellt wird, die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Der Vorstellung des Gesetzgebers, die in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten Wirkstoffe seien nur in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Genuss des berauschenden Mittels im Blut nachweisbar, ist für THC nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen die Grundlage entzogen. Bei Auslegung und Anwendung des § 24a Abs. 2 StVG auf einen Fall, in dem der Betroffene die Pkw-Fahrt erst 16 Stunden nach der Einnahme von Cannabis angetreten hat und in dessen Blut zum Zeitpunkt der noch später abgenommenen Blutprobe THC im Spurenbereich von weniger als 0,5 ng/ml nachgewiesen worden ist, sind die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 21.12.2004 - 1 BvR 2652/03, zfs 2005, 149).

*** (OLG)

„... Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 05. Juni 2012 hierzu u. a. folgendes ausgeführt:

‚ ... Zwar begegnet der Schuldspruch zum objektiven Tatbestand keinen Bedenken. Jedoch tragen die Feststellungen die Annahme, der Betroffene habe fahrlässig gehandelt, nicht. Zum objektiven Tatbestand des § 24 a Abs. 2 StVG gehört lediglich das Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels - hier Cannabis - im Straßenverkehr. Eine „Wirkung" im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn eine in der Anlage genannte Substanz, wozu Tetrahydrocannabinol (THC) gehört, im Blut nachgewiesen wird (§ 24 a Abs. 2 StVG), und zwar in einer Konzentration, die mindestens den analytischen Grenzwert erreicht, der bei THC 1 ng/ml beträgt (zu vgl. BVerfG NJW 2005, 349; OLG Hamm NStZ 2005, 709; Eisenmenger in NZV 2006, 24 - 27 (25)). Der Betroffene hat nach den insoweit nicht zu beanstandenden Feststellungen des Amtsgerichts ein Kleinkraftrad im Straßenverkehr geführt und hierbei mit den analytischen Grenzwert überschreitenden 1,8 ng/ml THC im Blut unter der Wirkung von Cannabis gestanden.

Die Ausführungen, mit denen der Tatrichter die Annahme unterlegt, der Betroffene habe den Tatbestand fahrlässig (§§ 24 a Abs. 3 StVG, 10 OWiG) verwirklicht, sind indes nicht geeignet, den Schuldspruch in subjektiver Hinsicht zu tragen. Fahrlässiges Handeln i. S. des § 10 OWiG liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt bzw. nicht voraussieht - unbewusste Fahrlässigkeit - oder die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten - bewusste Fahrlässigkeit (zu vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 10 Rdnr. 6). Bezogen auf den Tatbestand des § 24 a Abs. 2 StVG bedeutet dies, dass dem Betroffenen nachzuweisen ist, dass er die Möglichkeit fortdauernder Wirkung des Cannabiskonsums entweder erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können und müssen (zu vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Saarbrücken NZV 2007, 320). Fahrlässig handelt danach, wer in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer seines Fahrzeugs setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Rauschmittelwirkstoff noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert abgebaut ist (zu vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Saarbrücken a.a.O.). Nicht erforderlich ist, dass sich der Betroffene einen „spürbaren" oder „messbaren" Wirkstoffeffekt vorgestellt hat oder zu einer entsprechenden exakten physiologischen und biochemischen Einordnung in der Lage war, zumal ein Kraftfahrer die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen in Rechnung zu stellen hat (zu vgl. OLG Saarbrücken, NJW 2007, 309).

Dass der Betroffene hätte erkennen können und müssen, bei Führen des Fahrzeugs noch unter der Wirkung von Cannabis zu stehen, hat das Gericht gemessen an diesen Anforderungen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil die Beweiswürdigung insoweit widersprüchlich ist und belastbare Feststellungen dazu fehlen. An der Erkennbarkeit der Wirkung kann es fehlen, wenn der analytische Grenzwert - wie im vorliegenden Fall - nur gering überschritten wird und zwischen der Einnahme des Rauschmittels und der Fahrt längere Zeit vergeht. Jedenfalls bei einem knapp einen Tag zurückliegenden Einnahmezeitpunkt bedarf es näherer Ausführungen dazu, aufgrund welcher Umstände sich der Betroffene hätte bewusst machen können, dass der Haschischkonsum nach diesem Zeitablauf noch hätte Auswirkungen haben können (zu vgl. OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR 2007, 249; OLG Hamm a.a.O.; OLG Saarbrücken a.a.O.). Das Rechtsbeschwerdegericht hat in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die Urteilsgründe rechtlich einwandfrei, d. h. frei von Widersprüchen, Unklarheiten und Verstößen gegen die Denkgesetze oder gesicherte Lebenserfahrung sind, auch wenn die Überlegungen und Schlussfolgerungen dabei nicht zwingend zu sein brauchen (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 337 Rdnr. 26). Es genügt, wenn sie nach allgemeiner Lebenserfahrung möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Der Tatrichter handelt insoweit nur dann willkürlich, wenn sich seine Schlussfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (Meyer-Goßner, a.a.O., § 261 Rdnr. 38).

Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Widersprüchlich sind bereits die Feststellungen, dass der Betroffene einige Stunden nach dem Drogenkonsum an dem Abend vor der fraglichen Fahrt keine Wirkung mehr verspürt hat, ohne darzulegen, warum der Betroffene, nachdem er - wie vom Gericht festgestellt - geschlafen und acht Stunden gearbeitet hatte, etwa einen Tag nach dem Drogenkonsum hätte feststellen können, noch unter Wirkung von Cannabis zu stehen. Soweit sich das Gericht hierbei auf Ausfallerscheinungen stützt, widersprechen die insoweit unklaren Urteilsgründen gegen Denkgesetze und allgemeine Lebenserfahrung. Allein aus einer unsicheren „Finger-Nase-Prüfung" und Unsicherheiten bei spontanem Wenden kann nicht darauf geschlossen werden, dass sich der Betroffene der möglichen Wirkung der Droge hätte bewusst sein müssen, weil nicht klar ist, ob diese Defizite dem Betroffenen hätten auffallen und er hätte darauf schließen müssen, dass diese auf dem Drogenkonsum beruhen. Fehlerhaft ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Rückschluss des Gerichts von einem fünf Sekunden dauernden grobschlächtigen Drehnystagmus auf Ausfallerscheinungen. Ein Nystagmus ist eine nicht steuerbare Reaktion, von der unter Umständen auf eine objektiv bestehende Alkoholisierung oder die Wirkung eines Drogenkonsums geschlossen werden kann (zu vgl. OLG Zweibrücken, NZV 1996, 158), nicht aber auch ihre subjektive Erkennbarkeit. Hiervon abgesehen könnte von einem festgestellten fünf Sekunden dauernden grobschlägigen Drehnystagmus auch nicht auf einen Drogenkonsum geschlossen werden, weil dies dem Ausschlag eines Auges bei einem Nüchternen entspricht (zu vgl. Schwerd, Rechtsmedizin, S. 110; OLG Zweibrücken, a.a.O.).

Eine eigene Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 80 Abs. 6 OWiG) kommt nicht in Betracht, weil der Tatrichter ausreichende Feststellungen zur Sache bislang nicht getroffen hat. Das Amtsgericht wird insbesondere mit Hilfe eines Sachverständigen zu klären haben, ob sich weitere Indizien für die Erkennbarkeit der fortdauernden Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt feststellen lassen. Namentlich bietet sich an zu überprüfen, ob mit Blick auf die festgestellte Hydroxy-THC und THC-Carbonsäurewerte und die vom Gericht festgestellten mit Drogenkonsum typischerweise auftretenden physiologischen und psychischen Folgen (bzgl. ihres Beweiswertes zu vgl. Beschluss des OLG Hamm vom 24.01.2007 - 4 Ss 159/07 -) eine zeitnähere als die bisher nach dem Zweifelssatz sich ergebende Rauschmitteleinnahme in Betracht kommt.'

Diesen in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an. ..." (OLG Hamm, Urteil vom 15.06.2012 - 2 RBs 50/12)

***

„... Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässige Führens eines Kraftfahrzeugen unter Wirkung berauschender Mittel zu einer Geldbuße von 500,00 Euro verurteilt, gemäß § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet und nach § 25 Abs. 2 a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hat (vorläufigen) Erfolg.

Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, das der Betroffene am 8. Januar 2011 gegen 21.15 Uhr den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ... in der M.-Straße in ... B. unter Einwirkung von Cannabis (10 ng/ml Tetra-hydrocannabiol zum Zeitpunkt der Blutentnahme) geführt hat.

Jedoch hält die der Annahme fahrlässigen Handelns zugrunde liegende Beweiswürdigung rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie lückenhaft ist und dadurch dem Senat die gebotene Prüfung nicht ermöglicht.

Zwar ist die Würdigung der Beweise grundsätzlich Sache des Tatrichters, jedoch hat das Rechtsbeschwerdegericht auf die Sachrüge zu prüfen, ob dem Tatrichter hierbei Rechtsfehler unterlaufen sind. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung unter anderem dann, wenn sie lückenhaft ist und deshalb nicht erkennen lässt, dass sie auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen - wenn auch möglicherweise schwerwiegenden - Verdacht zu begründen vermag (vgl. Senat DAR 2005, 634; KG, Beschluss vom 18. Dezember 1996 - (4) 1 Ss 199/96 (129/96) - m. w.N.; Senat, Beschlüsse vom 12. August 2010 - 3 Ws (B) 395/10- und vom 27. August 2010 - 3 Ws (B) 434/10 -).

Hat das Tatgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt und seine Überzeugungsbildung hierauf gestützt, so muss es die Ausführungen des Sachverständigen in einer - gegebenenfalls gestrafften - zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerung insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH; Urteil vom 27. Oktober 1999 -3 StR 241/99- juris, Rn. 2; Senat, Beschlüsse vom 8. Juni 2010 - 3 Ws (B) 124/10 - und vom 27. August 2010 - 3 Ws (B) 434/10 -). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich danach, ob es sich um eine standardisierte Untersuchungsmethode handelt, sowie nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH NStZ 2000, 106, 107).

Eine im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung kann nur in Ausnahmefällen ausreichen, wenn sich das Gutachten auf eine allgemein anerkannte und standardisierte Untersuchungsmethode gründet und von keiner Seite Einwände gegen die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben werden (vgl. BGH NStZ 1991, 596; 1993, 95; 2006, 296; Senat, VRS 111, 449, 451). In anderen Fällen sind neben den wesentlichen tatsächlichen Grundlagen (Anknüpfungstatsachen) und den sich daraus vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen (Befundtatsachen) vor allem auch die das Gutachten tragenden fachlichen Begründungen anzuführen (vgl. BGHSt 39, 291, 296; OLG Köln DAR 2005, 699; Göhler, OWiG, 15. Auflage, § 71 Rn. 43 d m.w.N.).

Dies gilt in besonderem Maße, wenn die zur Ermittlung von Befundtatsachen zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden wissenschaftlich in Zweifel gezogen oder als wenig zuverlässig betrachtet werden. Will das Tatgericht - wie hier - seine Überzeugung vom Zeitpunkt des Cannabiskonsums eines Verkehrsteilnehmers auf ein Sachverständigengutachten stützen, so hat es zu berücksichtigen, dass beachtliche Zweifel angebracht sind, ob nach gegenwärtigem Stand der Wissenschaft überhaupt eine zuverlässige Methode der Rückrechnung existiert, die es erlaubt, den Konsumzeitpunkt oder eine bestimmte THC-Konzentration im Blutserum für einen bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zu bestimmen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Januar 2010 - 3 Ws (B) 667/09 - unter Darstellung des aktuellen Standes der Wissenschaft; König, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage, § 316 Rn. 152; Krause HRRS 2005, 138, 149 ff m.w.N.; Daldrup/Meininger, Begutachtung unter Cannabis im Strafverfahren, 202). Den Urteilsgründen muss in diesen Fällen nachvollziehbar zu entnehmen sein, welche konkrete Methode der Sachverständige zur Bestimmung des Konsumzeitpunktes angewandt hat und inwieweit gegen die Feststellungsmethode erhobene wissenschaftliche Einwände durch den Sachverständigen entkräftet wurden (vgl. Senat, Beschluss vom 27. August 2010 - 3 Ws (B) 434/10).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Denn es beschränkt sich darauf, mitzuteilen, der Sachverständige habe ausgeführt, aufgrund der hohen Konzentration von 10 ng/ml THC sei die Einlassung des Betroffenen, er habe vor mehreren Wochen bzw. vor einer Woche letztmalig Cannabis konsumiert, falsch. Bei dieser Konzentration handele es sich auf jeden Fall um einen Konsum fünf bis elf Stunden vor Fahrtantritt. Bei einem Konsum eine Woche vor der Tat sei das Cannabis auf jeden Fall auch bei Dauerkonsumenten unter die Grenze von 1 ng/ml THC abgebaut. Dem Urteil ist ferner zu entnehmen, dass der Sachverständige seitens der Verteidigung auf zwei in den Urteilsgründen nicht näher bezeichnete Studien amerikanischer Wissenschaftler hingewiesen worden ist, diese jedoch offenbar für im vorliegenden Fall nicht relevant gehalten hat, weil sie langjährige Dauerkonsumenten von Cannabis betreffen.

Anhand dieser Ausführungen vermag der Senat nicht zu prüfen, ob die Annahme fahrlässigen Handelns des Betroffenen rechtsfehlerfrei ist. Die Urteilsgründe beschränken sich im Wesentlichen darauf, das Ergebnis des Sachverständigengutachtens mitzuteilen. Offen bleibt jedoch, wie der Sachverständige zu den mitgeteilten Ergebnissen gelangt ist. Was Gegenstand der von dem Verteidiger erwähnten Studien amerikanischer Wissenschaftler gewesen ist und zu welchen Ergebnissen diese Studien gekommen sind, wird nicht mitgeteilt. Die in den Urteilsgründen wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen sind überdies widersprüchlich, da er offenbar einerseits die Relevanz der Studien für den vorliegenden Fall mit der Begründung verneint hat, sie beträfen langjährige Dauerkonsumenten von Cannabis, andererseits jedoch ausgeführt hat, dass der Abbauwert von 74 ng/ml THC-Carbonsäure für einen regelmäßigen Cannabiskonsum des Betroffenen spreche, was einen langjährigen Dauerkonsum mindestens nicht ausschließt.

Auf diesem Darstellungsmangel beruht die Annahme fahrlässiger Begehung durch das Amtsgericht auch. Denn es hat, in Ermangelung weiterer tragfähiger Indizien, die Annahme zeitnahen Drogenkonsums und damit die Vorwerfbarkeit fahrlässigen Handelns entscheidend auf die Ausführungen des Sachverständigen gestützt.

Da der Senat nicht auszuschließen vermag, dass in einer erneuten Hauptverhandlung weitere Erkenntnisse erlangt werden können, hebt er das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück. ..." (KG Berlin, Beschluss vom 21.03.2012 - 3 Ws (B) 116/12 - 122 Ss 31/12)

***

„... Wie in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 18.03.2011 insoweit zutreffend ausgeführt, gilt für den Inhalt der Urteilsgründe im Bußgeldverfahren grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren. Nach § 267 Abs. 1 StPO, dessen Anwendbarkeit auch im Bußgeldverfahren außer Zweifel steht, müssen die Urteilsgründe, falls der Betroffene verurteilt wird, die erwiesenen Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der angenommenen Ordnungswidrigkeit gefunden werden. Zwar unterliegen die Gründe des Urteils keinen hohen Anforderungen. Sie müssen aber so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht ihnen zur Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen (Hans. OLG Bremen, Beschlüsse vom 15.08.1996 - SS (B) 55/96-; 07.03.2008 - Ss (B) 67/07 - und 21.08.2009, SSBS 23/09).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht, da er keine Feststellungen zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen enthält und insoweit die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung nicht zu tragen vermag. Die Generalstaatsanwaltschaft weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass die im Blut des Betroffenen festgestellte Betäubungsmittelkonzentration von 2,2 ng/l THC den Nachweisgrenzwert von 1,0 ng/l THC nur geringfügig überschritten hat und vor diesem Hintergrund eine fahrlässige Tat ernstlich in Betracht zu ziehen war.

Auch der Rechtsfolgenausspruch weist durchgreifende sachlich-rechtliche Mängel auf.

Die getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um die Verhängung einer Geldbuße und die Anordnung des Fahrverbotes rechtfertigen zu können. Das angefochtene Urteil enthält nämlich keine Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen, insbesondere den wirtschaftlichen und beruflichen Verhältnissen des Betroffenen. Damit ist es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich zu prüfen, ob die Festsetzung der Geldbuße auf den Regelsatz von 500,00 Euro durch das Tatgericht rechtsfehlerfrei erfolgt ist.

Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG in erster Linie die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. In zweiter Linie kommen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG hierfür auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht. Zwar bleiben diese in der Regel unberücksichtigt, wenn die Ordnungswidrigkeit "geringfügig" ist. Diese Geringfügigkeitsgrenze wird aber derzeit bei 250,00 Euro angenommen. Bei einer nach dem Bußgeldkatalog vorgesehenen Geldbuße in Höhe von 500,00 Euro sind außergewöhnlich schlechte oder gute wirtschaftliche Verhältnisse in die Zumessungserwägungen aufzunehmen (vgl. Göhler, OWiG, 15. Auflage Rn. 29, Mitsch in KK-OWiG, 3. Auflage, § 17 Rn. 92). Die Notwendigkeit, hierzu Feststellungen zu treffen, entfällt nicht deshalb, weil der Regelfall aus Ziffer 242 BKat vorliegt. Denn gemindert ist in solchen Fällen für den Tatrichter allein der notwendige Begründungsaufwand (vgl. OLG Hamm vom 28.06.2003, 3 Ss Owi 182/03).

Da der Beschluss bereits aus den zuvor genannten Gründen aufzuheben war, kam es vorliegend auf die Prüfung der Zulässigkeit der erhobenen Verfahrensrügen und insbesondere einer Entscheidung betreffend der aufgeworfenen Rechtsfrage im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß gegen ein Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf die dem Betroffenen entnommene Blutprobe nicht an. ..." (OLG Bremen, Beschluss vom 24.06.2011 - SsBs 120/10, Ss (Bs) 120/10)

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„...Die Beweiswürdigung des Tatrichters unterliegt einer eingeschränkten Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Rechtsbeschwerdegerichte haben eine Prüfungsbefugnis dahingehend, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters plausibel, das heißt für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar, ist. Die Beweiswürdigung muss somit die Tatsachenfeststellungen für das Rechtsbeschwerdegericht insgesamt nachvollziehbar machen. Mangelnde Plausibilität der Tatsachenfeststellungen ist als Rechtsfehler anzusehen. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung insbesondere, wenn sie in sich widersprüchlich oder lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berücksichtigt oder naheliegende Schlussfolgerungen nicht erörtert, wenn sie unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, wenn sie eine Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vermissen lässt oder wenn der Tatrichter überspannte Anforderungen an die eine Verurteilung erforderliche Gewissheit stellt (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Rdn. 26 ff. zu § 337).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht plausibel. Der innere Tatbestand des § 24a StVG erfordert, dass sich Vorsatz oder Fahrlässigkeit auch auf die fortbestehende Wirksamkeit des konsumierten Rauchmittels im Tatzeitpunkt bezieht. Liegt zwischen dem Konsum und dem Fahrtantritt ein nicht unerheblicher Zeitraum, kann es an der Erkennbarkeit dieser fortbestehenden Wirksamkeit fehlen, so dass es näherer Ausführungen des Tatrichters bedarf, aufgrund welcher Umstände sich der Fahrzeugführer dennoch hätte bewusst machen können, dass der Konsum trotz des Zeitablaufs noch Auswirkungen haben kann; dies gilt insbesondere, wenn der Grenzwert nicht erheblich überschritten wurde (Senat, StV 2007, 307 und B. v. 16.9.2010 - 3 (7) SsBs 541/10 - AK 189/10; KG Berlin, NZV 2009, 572; OLG Saarbrücken, NJW 2007, 1373; OLG Frankfurt, NstZ-RR 2007, 249; OLG Celle, NZV 2009, 89; OLG Hamm, NZV 2005, 428; OLG Braunschweig, StraFo 2010, 215).

Solche Ausführungen enthält das Urteil des Amtsgerichts nicht in ausreichender Weise. Es erschöpft sich vielmehr in der Erwägung, dass sich die Fahrlässigkeit aus dem leutseligen Auftreten des Betroffenen ergebe.

Die Überschreitung des Grenzwertes war nicht derart erheblich, dass auf konkrete Ausführungen zu dieser Frage hätte verzichtet werden können, zumal der vom Amtsgericht festgestellte zeitliche Abstand von 2 Tagen zwischen Konsum und Fahrt vergleichsweise groß ist.

Das amtsgerichtliche Urteil war deshalb mit den Feststellungen aufzuheben und an dieselbe Abteilung des Amtsgericht K. zurückzuverweisen, da weitere oder abweichende tatsächliche Feststellungen nicht auszuschließen sind, die eine Verurteilung noch rechtfertigen könnten.

In der neuen Hauptverhandlung wird das Amtsgericht auf der Grundlage möglichst genauer Feststellungen zum Zeitpunkt und Umfang des Cannabiskonsums, zum Leistungsverhalten des Betroffenen im Kontrollzeitpunkt, seinem Konsumverhalten und zur spürbaren Wirkung der Konzentration von 6 ng/ml Tetrahydrocannabinol im Blutserum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären haben, ob sich hieraus tragfähige Rückschlüsse auf die insgesamt konsumierte Menge Cannabis und die Bewusstseinslage des Betroffenen im Tatzeitpunkt ergeben.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die vielfach anzutreffende Bezugnahme auf verlesene Urkunden nicht zulässig ist und die Darstellung des Urkundeninhalts in den Urteilsgründen nicht zu ersetzen vermag. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO erlaubt lediglich die Verweisung auf Abbildungen. ..." (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.03.2011 - 3 (5) SsBs 57/11 - AK 32/11)

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„... Allerdings begegnet der Schuldspruch zum objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung gegen § 24 a Abs. 2 StVG keinen Bedenken. Der Betroffene führte im öffentlichen Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung des in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels Cannabis, und zwar mit einem rechtsfehlerfrei festgestellten THC-Nachweiswert im Blut von 1,1 ng/ml. Damit ist auch der analytische „Grenzwert" von 1,0 ng/ml überschritten, der sich in der obergerichtliche Rechtsprechung im Anschluss an die vom Bundesverfassungsgericht geforderte verfassungskonforme Auslegung des § 24 a Abs. 2 StVG (B. v. 21.12.2004 in NJW 2005, 349) durchgesetzt hat, und der es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdeliktes als möglich erscheinen lässt, dass der Täter beim Führen des Kraftfahrzeuges in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war, ohne dass es auf Zeitpunkt und Menge des Drogenkonsums oder auf eine tatsächliche Beeinträchtigung ankäme.

Dagegen tragen die Feststellungen und Erwägungen des Amtsgerichts den Schuldspruch in subjektiver Hinsicht nicht.

In der neueren - soweit ersichtlich zumindest überwiegenden - Rechtsprechung der Oberlandesgerichte werden besonders dann, wenn eine längere Zeitspanne zwischen dem Konsum des Rauschmittels und der Fahrt unter dessen Wirkung liegt, strenge Anforderungen an die den Fahrlässigkeitsvorwurf tragenden Feststellungen und deren Darlegung in den Urteilsgründen gestellt (vgl. OLG Hamm in NJW 2005, 3298; OLG Saarbrücken in NJW 2007, 309; OLG Frankfurt in NStZ-RR 2007, 249 sowie in NZV 2010, 530; OLG Celle in NZV 2009, 89; KG in NZV 2009, 572 sowie in VRS 118, 205; OLG Braunschweig, B. v. 27.1.2010 - Ss(OWi) 219/09 -, zit. nach juris; kritisch zu dieser - schon als ständige obergerichtliche Rechtsprechung bezeichneten - Rechtsprechung etwa König in NStZ 2009, 425). Da es sich nach einhelliger Meinung bei dem Umstand, dass der Betroffene ein Kraftfahrzeug „unter der Wirkung" berauschender Mittel führt, nicht um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, sondern um ein Tatbestandsmerkmal handelt, muss sich der Vorwurf schuldhafter Tatbegehung auf die Wirkungen des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt beziehen. Hinsichtlich des Fahrlässigkeitsvorwurfes bedeutet dies, dass dem Betroffenen nachzuweisen ist, dass er die fortdauernde Wirkung des berauschenden Mittels entweder erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Dabei muss seine Vorstellung weder einen spürbaren oder messbaren Wirkstoffeffekt noch eine exakte physiologische und biochemische Einschätzung umfassen, zumal ein Kraftfahrer die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen in Rechnung zu stellen hat. Es genügt das Bewusstsein, einer möglicherweise fortwirkenden Rauschwirkung. Dieses wird in der Regel ohne Weiteres zu bejahen sein, wenn der Betroffene das Fahrzeug in zeitlicher Nähe, etwa bei einer noch in Stunden und nicht in Tagen zu berechnenden Zeitspanne, zum vorausgegangenen Drogenkonsum führt. Dagegen kann die Erkennbarkeit der Wirkung des Rauschmittels fehlen, wenn zwischen Konsum und Fahrt längere Zeit vergeht, weil mit zunehmendem Zeitablauf das Bewusstsein dafür schwindet, dass der zurückliegende Drogenkonsum noch Auswirkungen zur Tatzeit haben könnte (vgl. die oben zitierte neuere obergerichtliche Rechtsprechung, etwa KG in VRS und in NZV, OLG Saarbrücken, OLG Celle und OLG Frankfurt, jeweils a.a.O., wobei diesen Entscheidungen teilweise Zeitspannen von nur 23, 24 oder 28 Stunden zugrunde lagen). In diesen Fällen muss das Tatgericht die Vorstellung des Betroffenen unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehenden Beweismittel feststellen.

Gemessen an den Anforderungen dieser obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, tragen die vom Amtsgericht dargelegten Umstände und Erwägungen den Schuldvorwurf der (unbewussten) Fahrlässigkeit nicht.

Das Amtsgericht hat zur Zeitspanne zwischen dem Cannabiskonsum und der Fahrt keine Feststellungen getroffen. Der zu früheren Äußerungen des Betroffenen vernommene Polizeibeamte vermochte nicht mehr zu sagen, ob der Betroffene am Tattag gesagt habe, einen Tag vorher oder eine Woche vorher einen Joint geraucht zu haben (UA S.4). Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist nicht zu entnehmen, dass das Amtsgericht - bei sich nicht zur Sache einlassendem Betroffenen - aus anderen Beweisanzeichen sich hierzu überhaupt eine Überzeugung gebildet hat. Vielmehr lässt die - an die rechtliche Würdigung des objektiven Tatbestandes angeschlossene - Folgerung des Amtsgerichts, „Der Betroffene stand somit zum Tatzeitpunkt unter Wirkung eines Rauschmittels, was er auch hätte erkennen können und müssen, da die Blutwirkstoffkonzentration über 1 ng/ml lag" (UA S.5), besorgen, dass das Amtsgericht die subjektive Erkennbarkeit der möglichen Fortwirkung als schon durch das Erreichen des für den objektiven Tatbestand erforderlichen THC-Nachweiswertes gegeben sieht. Gerade bei dem hier festgestellten, den „Grenzwert" mit 1,1 ng/ml nur sehr geringfügig überschreitenden Nachweiswert ist dies nicht möglich. Dem steht nicht entgegen, dass ein um ein Vielfaches über dem „Grenzwert" liegender THC-Wert grundsätzlich ein deutliches Beweisanzeichen für die Erkennbarkeit der möglichen Fortwirkung sein kann.

Eine besondere Sensibilisierung des Betroffenen im Hinblick auf eine länger anhaltende Wirkung des Rauschmittelgenusses, etwa durch regelmäßigen Konsum oder einschlägige Voreintragungen, hat das Amtsgericht nicht feststellen können. Voreintragungen sind nach den Feststellungen nicht vorhanden. Auch erfolgte die Verkehrskontrolle ersichtlich nicht aufgrund des Fahrverhaltens des Betroffenen.

Als Indizien für die Erkennbarkeit der fortwirkenden Rauschmittelwirkung kommen somit nur die von dem kontrollierenden Polizeibeamten bekundeten und auch im Blutentnahmeprotokoll festgehaltenen Beobachtungen, erweiterte Pupillen und gerötete Bindehäute, sowie die in den Urteilsgründen als „gewisse Ausfallserscheinungen" (UA S.5) bezeichneten teilweisen Unsicherheiten des Betroffenen bei den im Zusammenhang mit der Blutentnahme durchgeführten Tests in Betracht. Unter Einbeziehung der weiteren im verlesenen Protokoll über die Blutentnahme niedergelegten, in den Urteilsgründen wiedergegebenen Beobachtungen und Testergebnisse, erscheinen diese indes nicht so eindeutig, dass sie - ohne sachverständige Beratung - hinreichend sicher einen zeitnahen Rauschmittelkonsum oder allein aus sich heraus die Erkennbarkeit der Fortwirkung für den Betroffenen belegen könnten. Auch diese Umstände machten demnach die nähere Klärung und Überzeugungsbildung des Amtsgerichts zur Frage eines zeitnahen Konsums nicht entbehrlich.

Das Urteil kann somit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück zu verweisen, weil ergänzende tatsächliche Feststellungen, insbesondere nach Hinzuziehung eines Sachverständigen, nicht ausgeschlossen erscheinen.

Dabei ist sich der Senat bewusst, dass es - soweit ersichtlich - derzeit keine zuverlässige Methode zur exakten Rückrechnung aus den im Blut nachgewiesenen Werten auf die genaue Zeit des Konsums gibt. Das schließt jedoch nicht aus, dass der Sachverständige aus den nachgewiesenen Werten, der früheren Einlassung des Betroffenen zum Genuß eines Joints und den durch die Beobachtung und die durchgeführten Tests erlangten Anknüpfungstatsachen die fragliche Zeitspanne entscheidend eingrenzen kann. Schon bei einem feststellbaren Cannabiskonsum am Abend oder in der Nacht vor dem Tag der unternommenen Fahrt wird von einer zeitlichen Nähe zu dieser zu sprechen sein, mit der Folge, dass der Betroffene ohne Weiteres von einer möglicherweise fortdauernden Wirkung des Konsums ausgehen musste. Schließlich ist auch nicht auszuschließen, dass nach sachverständiger Beurteilung die beobachteten körperlichen Auffälligkeiten und Unsicherheiten, soweit sie auf den Cannabiskonsum zurückzuführen sind, als Beeinträchtigungen für den Betroffenen bemerkbar, spürbar waren. Dies wird zwar vom Tatbestand nicht gefordert, kann indes im Rahmen der Gesamtschau ein deutliches Anzeichen für die Erkennbarkeit der Fortwirkung sein. ..." (OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 Ss 616/10)

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Für die Annahme von Fahrlässigkeit reicht die Annahme einer über dem Grenzwert der jeweiligen Substanz im Blut liegenden Wirkstoffkonzentration allein nicht aus. Vielmehr ist die Vorstellung des Betroffenen unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel vom Tatgericht festzustellen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.08.2010 - 2 Ss-OWi 166/10 - AG Frankfurt):

„... Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung berauschender Mittel eine Geldbuße von 500,-- € festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dagegen wendet er sich mit der auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.

Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht. Zwar begegnen die Feststellungen zur objektiven Tatseite keinen Bedenken, jedoch fehlt es an den erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, welche ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Betroffenen begründen könnten. Der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in seiner Zuschrift vom 03. August 2010 ausgeführt:

‚Das angefochtene Urteil geht zwar von Fahrlässigkeit aus, macht aber insoweit keine weiteren Ausführungen, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, da sich der Fahrlässigkeitsvorwurf aufgrund der Feststellungen zur objektiven Tatseite nicht von selbst ergab (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Rn. 7 zu § 267).

Fahrlässiges Handeln i.S.d. § 10 OWiG liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt bzw. nicht voraussieht - unbewusste Fahrlässigkeit - oder die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten - bewusste Fahrlässigkeit (vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., Rn. 6 zu § 10).

Bezogen auf den Tatbestand des § 24 a Abs. 2 StVG bedeutet dies, dass dem Betroffenen nachzuweisen ist, dass er die Möglichkeit fortdauernder Wirkung des berauschenden Mittels entweder erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können und müssen. Denn der Vorwurf der schuldhaften Tatbegehung bezieht sich nicht allein auf den Konsumvorgang, sondern auf die Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt. Fahrlässig handelt danach, wer in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer seines Fahrzeuges setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Rauschmittelstoff noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml abgebaut ist (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 13.08.2009 - 2 Ss OWi 228/09; Beschluss vom 16.02.2010 - 2 Ss-OWi 658/09; KG Berlin NZV 2009, 572 f.).

Für die Annahme von Fahrlässigkeit reicht die Annahme einer über dem Grenzwert der jeweiligen Substanz im Blut liegenden Wirkstoffkonzentration - die hier gemessen wurde - allein nicht aus. Vielmehr ist die Vorstellung des Betroffenen unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel vom Tatgericht festzustellen (OLG Hamm, Beschluss vom 20.05.2008 - 5 Ss OWi 282/08, zitiert nach juris).

Zwar steht dabei der Annahme der fahrlässigen Tatbestandsverwirklichung nicht entgegen, wenn das Bewusstsein des Betroffenen keine spürbare Wirkung oder gar eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit umfasst, vielmehr muss ein Betroffener die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen in Rechnung stellen. Ausreichend ist, dass der Kraftfahrer das Fahren unter der Wirkung des Rauschgiftes für möglich hält. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Rauschmittelkonsum in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt stattfand. An der Erkennbarkeit der fortwährenden Wirkung des Rauschgiftes kann es aber fehlen, wenn zwischen Drogenkonsum und Fahrt eine größere Zeitspanne liegt. Das ist in der Rechsprechung bei mehreren Tagen, aber auch schon bei einem Zeitraum von mehr als 28 Stunden oder 23 Stunden angenommen worden. In solchen Fällen muss der Tatrichter nähere Ausführungen dazu machen, aufgrund welcher Umstände der Betroffene hätte erkennen können, dass der Rauschmittelkonsum noch Auswirkungen haben konnte (Senat a.a.O., jeweils mit w.N.).

Das angefochtene Urteil lässt demgegenüber allerdings sowohl Feststellungen zur spürbaren Wirkung des Rauschmittels wie auch dazu vermissen, dass es für den Betroffenen bei Einhaltung zumutbarer Sorgfalt erkennbar gewesen wäre, dass die THC-Konzentration in seinem Blut bei Antritt der Fahrt den maßgeblichen Grenzwert noch nicht unterschritten hatte.

Auch hat das Amtsgericht keine ausreichenden Feststellungen zum Zeitpunkt des Konsums getroffen. Zwar wird in den Urteilsgründen ausgeführt, dass der Betroffene unter der Wirkung von Cannabis stand und er im Rahmen einer informatorischen Anhörung gegenüber den ihn kontrollierenden Polizeibeamten angegeben habe, ein oder zwei Tage zuvor Marihuana konsumiert zu haben (UA S. 3). Letzteres lässt eher auf eine größere Zeitspanne, zumindest mehr als 24 Stunden, zwischen Drogenkonsum und Fahrtantritt schließen. Auch die Tatsache, dass der Betroffene nach den Bekundungen des Zeugen POK … einen „zittrigen Eindruck" gemacht habe und seine „Pupillen auffällig" gewesen seien, vermag einen zeitnahen Drogenkonsum nicht tragfähig zu belegen, da diese Erscheinungen nicht näher konkretisiert werden.

Da der Zeitraum somit insgesamt vage bleibt, kann nicht auf einen Rauschmittelkonsum in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt geschlossen werden.

Im Übrigen kann zwar die Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung auf einen besonders hohen Messwert gestützt werden (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 17.02.2006 - „2 (B) 51/05, zit. nach juris, für eine 44-fache Überschreitung des Grenzwertes bei THC). Bei der hier verhältnismäßig geringen Überschreitung (4,6 ng/mg THC) ist dies jedoch nicht möglich (vgl. OLG Celle NZV 2009, 89-90 (für 2,7 ng/ml THC); OLG Hamm - 4 Ss OWi 604/03, zit. nach juris (für 3,0 ng/ml THC)). Das Urteil kann daher keinen Bestand haben. In der neuen Verhandlung wird unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären sein, ob angesichts der Messwerte sowie der sonstigen Umstände der Zeitpunkt des Konsums näher eingegrenzt werden kann. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass insoweit noch ergänzende tatsächliche Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung des Betroffenen tragen.'

Dem stimmt das Rechtsbeschwerdegericht in vollem Umfang zu.

2. Für eine Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts besteht kein Anlass. ..."

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Hatte ein Betroffener Betäubungsmittel mit unterschiedlichen Wirkungsqualitäten konsumiert und liegen die Blutkonzentrationen für alle Substanzen jeweils unter den Grenzwerten, die einer verfassungskonformen Anwendung des § 24a II StVG zu Grunde zu legen sind, verbietet es sich, die festgestellten Werte zu addieren. In solchen Fällen ist im Ansatz zu Gunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass alle Substanzen in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit wirkungslos waren und somit auch keine relevante Kombinationswirkung auftreten konnte. Die Feststellung einer bestimmten Substanzkonzentration im Blutserum ist keine „objektive Bedingung der Ahndbarkeit" für die Anwendung des § 24a II StVG. Hatte der Betroffene eine der in der Anlage zu § 24a II StVG aufgeführten Substanzen im Blut, kann eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit auch auf andere Weise festgestellt werden (OLG Koblenz, Beschluss vom 25.08.2008 - 1 Ss Bs 19/08, NJW 2009, 1222).

Zum objektiven Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG gehört lediglich das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung eines der in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Mittels. Wird im Blut des Betroffenen eine Wirkstoffkonzentration von 1 ng/ml THC gemessen, ist der sichere Nachweis erbracht, dass der Betroffene noch unter der Wirkung zuvor genossenen Cannabis steht. Vorsatz und Fahrlässigkeit müssen sich dabei nicht lediglich auf den Konsumsvorgang, sondern auch auf die Wirkungen des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt beziehen. An der Erkennbarkeit der Wirkung zum Tatzeitpunkt kann es fehlen, wenn zwischen der Einnahme des Rauschmittels und der Fahrt längere Zeit vergeht. Bei einem mehr als 28 Stunden zurückliegenden Einnahmezeitpunkt bedarf es deshalb näherer Ausführungen dazu, aufgrund welcher Umstände sich der Betroffene hätte bewusst machen können, dass der Haschischkonsum nach mehr als einem Tag noch hätte Auswirkungen haben können (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16.03.2007 - Ss (B) 5/2007 (18/07), NJW 2007, 1373 f).

Für die Feststellung des Führens eines Kfz unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis reicht es aus, daß bei einer Blutuntersuchung auf Tetrahydrocannabinol im Blutserum, welche den von der Grenzwertkommission vorausgesetzten Qualitätsstandards genügt, ein Meßergebnis ermittelt wird, das den von der Grenzwertkommission empfohlenen analytischen Grenzwert von 1 ng/ml Tetrahydrocannabinol im Serum erreicht (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.01.2007 - 3 Ss 205/06).

Zum objektiven Tatbestand des § 24 a II StVG gehört lediglich das Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24 a StVG genannten berauschenden Mittels. Wird im Blut des Betroffenen eine Wirkstoffkonzentration von 1 ng/ml THC gemessen, ist der sichere Nachweis erbracht, dass der Betroffene noch unter der Wirkung zuvor genossenen Cannabis steht. Vorsatz oder Fahrlässigkeit müssen sich dabei nicht lediglich auf den Konsumvorgang, sondern auch auf die Wirkungen des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt beziehen. Aus einem THC-Coarbonsäurewert von 6 ng/ml lässt sich nicht auf einen aktuell regelmäßigen Konsum schließen (OLG Saarbrücken, Beschluss 29.11.2006 - Ss (B) 44/2006 (57/06) - NJW 2007, 309 ff).

Wird bei einer im unmittelbaren Anschluss an eine Autofahrt beim Fahrer entnommenen Blutprobe eine geringere THC-Konzentration als 2 ng/ml festgestellt, so ist bei summarischer Prüfung das unzureichende Trennungsvermögen i. S.v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV als belegt anzusehen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.11.2004 - 10 S 2194/04, zfs 2005, 55 zu StVG § 24a Abs. 2; FeV §§ 11 Abs. 7, 46 Abs. 1, Abs. 2; FeV Anlage 4 Nr. 9.2.2).



Ordnung in der Haftanstalt

Jedenfalls aber geht von der Übergabe eines Stückchens Haschisch an einen Konsumenten, wie vorliegend, keine besonders hohe Gefahr für die Ordnung in der Anstalt aus. Cannabis gehört zu den sog. »weichen Drogen«, wovon eine geringere Suchtgefahr ausgeht. In der Größenordnung, in der Haschisch trotz eines kontrollierenden Blicks in den Mund der Besucherin heimlich in die Besuchsräume mitgenommen und unter optischer und akustischer Überwachung übergeben werden kann, wird bei einem Konsumenten wie dem Bf. in der Regel zudem zum Eigenkonsum verwendet werden, weshalb vorliegend auch die - von der Anstaltsleitung geltend gemachte - Gefahr des Handeltreibens innerhalb der Anstalt durch den Bf. als eher gering erscheint, zumal der Angekl. nicht wegen Handeltreibens, sondern wegen Btm-Besitzes verurteilt wurde (OLG Stuttgart, Beschluß v. 16. 3. 2004 - 1 Ws 72/04 - StV 2004, 493, 494).



Rechtfertigender Notstand

„... Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an der Rechtswidrigkeit seines Tuns, denn die Tat des Angekl. ist durch einen rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt.

Nach § 34 StGB handelt nicht rechtwidrig, wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für eines der dort genannten Rechtsgüter eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

a) Die oben unter II. beschriebenen erheblichen gesundheitlichen Beschwerden stellen eine ‚gegenwärtige Gefahr für Leib' des Angekl. dar.

b) Diese Gefahr ist auch ‚nicht anders abwendbar'. Zwar könnten die des Angekl. mit Schmerzmitteln behandelt werden. Jedoch verbietet sich hier - wie auch der Sachverständige betont hat - eine Anwendung dieser Mittel. Der Wirkstoff ASS würde die Magenbeschwerden des Angekl. eher verstärken. Opiate sind auf Grund der latent weiter vorhandenen Suchtproblematik des Angekl. ebenfalls kontraidiziert.

Das THC-haltige Medikament Dronabinol kommt aus mehreren Gründen nicht in Frage. Zum einen ist es derart teuer, dass es vom Angekl. nicht finanziert werden kann (ca. 585 EUR pro Monat !). Wie bereits von Sozialgerichten entschieden worden ist, kommt eine Übernahme durch die Krankenkassen nicht in Betracht (vgl. LSG Baden Württemberg, Urt. v. 25. 4. 2003 - L 4 KR 3828/01). Zum anderen führt die Anwendung von Dronabinol bei dem Angekl. zu erheblichen Hautreizungen, die vermutlich - wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat - durch die chronische Leberzirrhose und die damit einhergehende vermehrte Ausschüttung von Gallensäuren, die sich in der Haut anreichern, verursacht werden. Auf Grund dieser nicht hinzunehmenden Nebenwirkungen kommt eine Medikation mit Dronabinol nicht in Betracht. Weitere legale Behandlungsmöglichkeiten sind nicht bekannt.

c) Bei Abwägung der hier widerstreitenden Interessen ist festzustellen, dass das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Das beeinträchtigte Interesse ist hier die Volksgesundheit, denn (nur) sie soll durch die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes geschützt werden (vgl. BGHSt 37, 179 = NJW 1991, 307 = NStZ 1991, 392; OLG Karlsruhe, NJW 2003, 598 mwN). Hierbei handelt es sich um ein abstraktes Rechtsgut. Es besteht kein durchgreifender Anhaltspunkt dafür, dass durch die Tat des Angekl. eine konkrete Gefährdung oder Schädigung der Volksgesundheit eintritt. Weder konnte festgestellt werden, dass der Angekl. die von ihm aufgezogenen Betäubungsmittel an andere weitergibt bzw. mit ihnen zusammen nutzt. Noch besteht sonst ein Anhaltspunkt, dass die Betäubungsmittel anders als nur durch den Angekl. selbst verbraucht werden. Auch ist nicht feststellbar, dass der Angekl. selbst - und damit die Volksgesundheit - durch die Nutzung der Betäubungsmittel konkret geschädigt wird. Zwar kann der Konsum von Cannabis nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen durchaus zu körperlichen Schäden führen. Jedoch ist hier zu bedenken, dass der Angekl. durch die Nutzung der von ihm angebauten Betäubungsmittel eine Linderung seiner Beschwerden erfährt. Konkret betrachtet wird die Volksgesundheit in diesem Ausnahmefall also eher positiv als negativ beeinflusst. Spätestens die Abwägung der widerstreitenden Interessen führt dazu, dass das Interesse des Angekl. als erheblich höherrangig angesehen werden muss. Gegenüber der - wie vorstehend ausgeführt - lediglich abstrakten Gefahr für die Volksgesundheit überwiegt das Interesse des Angekl. an der Linderung seiner konkreten und erheblichen gesundheitlichen Beschwerden bei weitem. Vor diesem Hintergrund stellt der Anbau der Cannabispflanzen zum Zwecke der Selbstmedikation ein angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr dar (§ 34 S. 2 StGB). Angesichts des unvermeidbar hohen Verbrauchs der Betäubungsmittel bei der Herstellung u.a. von Sitzbädern ist dem Angekl. hier auch nicht vorzuwerfen, Umgang mit einer über das unbedingt Notwendige hinausgehenden Menge Betäubungsmittel gehabt zu haben (anders als z.B. in dem Urt. des erkennenden SchöffenGer. vom 7. 1. 2004 - [284] 6 Op Js 980/02 Ls [100/02] - sowie dem Urt. der Abt. 283 vom 27. 11. 2003 - [283] 4 Op Js 143/00 Ls [168/00]). …." (AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 28. 4. 2004 - (284) 6 Op Js 2234/02 Ls (26/03), NStZ-RR 2004, 281 f)



Rechtsmittelbeschränkung und Wirkstoffgehalt

Hat der Erstrichter bei unerlaubtem Erwerb bzw. Besitz von Betäubungsmitteln deren Mindestwirkstoffgehalt nicht festgestellt, so ist in der Regel eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch, insbesondere auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung, nicht wirksam (BayObLG, Beschluß v. 27. 5. 1999 - 4 St RR 111/99 - StV 2001, 335).



Relative Fahruntüchtigkeit

... Relative Fahruntüchtigkeit liegt nach dem Konsum von Btm erst vor, wenn Umstände erkennbar sind, die über die allgemeine Drogenwirkung hinaus den sicheren Schluß zulassen, daß der Konsument in der konkreten Verkehrssituation fahrunsicher gewesen ist (vgl. BGHSt 31, 42, 44 ff.; BGHSt 44, 219 [= StV 1999, 19]; OLG Köln, NJW 1990, 2945, 2946; OLG Düsseldorf NZV 1999, 174, 175). Die verkehrsspezifischen Untauglichkeitsindizien müssen also nicht lediglich eine allgemeine Drogenenthemmung erkennen lassen, sondern sich unmittelbar auf die Beeinträchtigung der Fahreignung beziehen. Insbes. kommen deshalb als Ausfallerscheinungen direkte Defizite im Fahrverhalten selbst in Betracht, z. B. eine auffällige, riskante, besonders sorglose und leichtsinnige Fahrweise (Senat, StV 2003, 624). Solche Indizien standen dem AG nicht zur Verfügung, da die Fahrweise des Angekl. offensichtlich völlig unauffällig gewesen ist und die ihm gegenüber durchgeführte Verkehrskontrolle allein wegen einer Verletzung der Gurtpflicht erfolgte.

Es ist allerdings - entsprechend der Situation bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit - nicht unabdingbar, daß das Fahrverhalten selbst die Unsicherheit erkennen läßt. Vielmehr kann die Beeinträchtigung auch aus einem Leistungsverhalten nach der Tat abgeleitet werden, das sichere Rückschlüsse auf mangelnde Fahrtüchtigkeit, so z. B. schwerwiegende Einschränkungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, zuläßt (BGHSt 44, 219, 225 ff.). Diesen Weg versuchte das AG mit Unterstützung des Sachverständigen zu gehen. Die hierzu getroffenen Feststellungen reichen jedoch nicht aus. Der aufgrund der Angaben der Polizeibeamten angenommene gesteigerte Bewegungsdrang, die äußere Unruhe, die übersteigerte Motorik und Sprunghaftigkeit im Denkablauf können zwar Auswirkungen des Drogenkonsums sein; sie bilden für sich genommen jedoch keine hinreichenden Anzeichen für eine Fahruntüchtigkeit. Dies muß im vorliegenden Falle um so mehr gelten, als den Feststellungen des Urteils keine Umstände zu entnehmen sind, die die aufgeführten Anzeichen für Drogenkonsum verläßlich belegen. Die Sprunghaftigkeit im Denkablauf bzw. der gesteigerte Bewegungsdrang werden nach den Feststellungen des Urteils allein darauf gestützt, daß der Angekl. weiterhin seinem ursprünglichen Ansinnen, einen Döner zu kaufen, auch während der laufenden Polizeikontrolle hat nachkommen wollen. In diesem Verhalten des Angekl. können sich in gleicher Weise die Auswirkungen des Alkohol- oder Drogenkonsums als auch der Unwille gegen die polizeiliche Maßnahme gezeigt haben, indem der Angekl. sich der Verkehrskontrolle und den damit möglicherweise verbundenen Weiterungen hat entziehen wollen. Selbst wenn dieses Verhalten den Einfluß von Drogen erkennen ließe, so kann daraus allein die Fahruntüchtigkeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit hergeleitet werden. Sie läge nur dann vor, wenn sich diese psychische Auffälligkeit in dem Maße auf die Fahrweise projizieren ließe, daß daraus auf mangelhafte Reaktion, fehlende Koordination, beeinträchtigte Sehfähigkeit, Orientierungslosigkeit, Verlust des Gleichgewichtssinnes und ähnliche Mängel geschlossen werden könnte, die eine Beherrschung des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr nicht mehr gewährleisten (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.; Senat a. a. O.). Diesen Nachweis leisten die auf den Angaben der Polizeibeamten beruhenden vorangeführten Kriterien nicht. Sie leisten dies im übrigen auch deshalb nicht, weil sie in weiten Teilen in Widerspruch stehen zu den Erhebungen des die Blutentnahme durchführenden Arztes, der den Angekl. bei Gleichgewichts- und Orientierungstests (Gehen, Finger-Finger und Nasen-Finger-Probe) als durchweg sicher bezeichnete, seine Sprache und sein Bewußtsein als klar und sein Verhalten als beherrscht und in der Stimmung unauffällig beurteilte. Mit dem aufgezeigten Widerspruch und seiner Bedeutung für die Beurteilung einer möglichen Fahruntüchtigkeit hätte sich das Urteil zumindest auseinandersetzen müssen.

Den Nachweis der Fahruntüchtigkeit des Angekl. leistet auch nicht das medizinische Gutachten. Auch der Sachverständige hat, ohne Auseinandersetzung mit den vorbeschriebenen ärztlichen Feststellungen, den Versuch unternommen, allein aus den seitens der Polizeibeamten geschilderten Umständen (absolute) Fahruntüchtigkeit abzuleiten. Dies vermag nicht zu überzeugen. Schon die Tatsache, daß der Drogenkonsum nach den Feststellungen des Urteils bereits ca. 16 - 18 Stunden zurücklag und bei dem Angekl. ein THC-Gehalt unter 1 ng/mL gemessen wurde, gibt ohne nähere Ausführungen im Urteil dazu, wie sich ein möglicher Abbau der Drogenwirkung gestaltet und wie sich dies auf eine mögliche Fahrtüchtigkeit des Angekl. ausgewirkt haben könnte, zu Bedenken Anlaß. Allein der Hinweis auf die Möglichkeit eines »Flashback« (zur Bedeutung vgl. Psychrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. A., S. 531) - für dessen Vorliegen keine Umstände dargetan sind - reicht nicht aus. Die von den Polizeibeamten geschilderte Sprunghaftigkeit im Denkablauf, der übersteigerte Bewegungsdrang und die Umtriebigkeit des Angekl., die auch vom Sachverständigen letztlich aus dem Bestreben des Angekl. hergeleitet werden, sich einen Döner zu kaufen, ist ein völlig untauglicher Umstand für die Beantwortung der Frage, ab welchem Ausmaß der Konsum von Cannabis zur Fahruntüchtigkeit i. S. d. § 316 StGB führt.



Mit dieser Auffassung glaubt sich der Senat nicht in Widerspruch mit den wissenschaftlichen Erhebungen des vom Tatgericht gehörten Sachverständigen Prof. Dr. R. In dessen Phänomenologie zu den Akutwirkungen von Partydrogen bei Diskothekenbesuchern werden Auffälligkeiten der Sprache, des Denkablaufs, des Verhaltens und der Stimmung, Gleichgewichtsauffälligkeiten, Beeinträchtigungen des Kurzzeitempfindens u. ä. Parameter nur beschränkte Aussagekraft für Ausmaß und Umfang einer Drogenbeeinflussung zuerkannt (vgl. Hecker/Röhrich/Neis/Rittner, Blutalkohol 2003, S. 85, 96 ff.). Als aussagekräftige Parameter werden dagegen die Messung des Drehnystagmus und die Weitung der Pupillen mit verzögerter oder ausbleibender Hell-/Dunkel-Adaption anhand eines sog. »P/I-Indexes« angeführt; diese sind hier entweder gar nicht (Drehnystagmus) oder (Pupillenweite, P/I Index, Pupillenschließreflex) völlig unzureichend - offensichtlich im Wege der Schätzung - durch Polizeibeamte erhoben worden, so daß auch diese Parameter - unabhängig von ihrer generellen naturwissenschaftlichen Validität - keinen Rückschluß auf die Fahruntüchtigkeit des Angekl. zulassen. Dem der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverständigengutachten fehlt es insoweit schon an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen. Somit vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, aufgrund welcher konkreter Feststellungen der Sachverständige und mit ihm das Gericht zu der Feststellung hat gelangen können, bei dem Angekl. habe eine äußerst starke Sehbeeinträchtigung bestanden, die für sich betrachtet schon die Fahruntüchtigkeit bedinge. Der Senat braucht deshalb hier nicht die Frage zu beantworten, ob und unter welchen Umständen und ab welcher Meßgrenze eine ordnungsgemäß bestimmte Pupillenerweiterung mit verzögerter oder gar ausbleibender Hell-/Dunkel-Adaption nach naturwissenschaftlich-medizinischen Erkenntnissen Rückschlüsse auf die Seh- und Wahrnehmungsfähigkeit und damit auf eine mögliche Fahruntüchtigkeit eines Angekl. überhaupt zuläßt.

Die Verurteilung wegen eines Vergehens gem. § 316 StGB kann deshalb keinen Bestand haben. Nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Konsum von Btm, die mit Sicherheit THC enthalten haben und damit der Anlagenliste zum StVG unterliegen, hat sich der Angekl. jedoch eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 a Abs. 2 StVG schuldig gemacht. Da von einer neuen Beweisaufnahme keine weiteren entscheidungserheblichen Tatsachen zu erwarten sind, kann der Senat nach §§ 82 Abs. 1, 79 Abs. 4 OWiG in der Sache selbst entscheiden (vgl. Göhler OWiG 13. A., § 82 Rdnr. 16 m. w. N.).

Die Bemessung der Sanktionen für die fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit folgt Nr. 242 BKatVO, da nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils keine Umstände ersichtlich sind, die eine Ermäßigung oder Erhöhung der Regelgeldbuße von 250 EUR oder ein Absehen von einem einmonatigen Fahrverbot rechtfertigen würden. Den Entscheidungsgründen kann entnommen werden, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angekl. die Zahlung einer Buße in dieser Höhe ermöglichen. Eine Überprüfung der Auswirkungen des Fahrverbots erübrigt sich, da dieses sich infolge der Anrechnung der bisherigen Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr auswirkt (§ 450 Abs. 2 StPO); aus demselben Grund unterbleibt auch die Einräumung der Abgabefrist gem. § 25 Abs. 2 a StVG ... (OLG Zweibrücken, Beschluß v. 27. 1. 2004 - 1 Ss 242/03 - StV 2004, 322 ff.).



Schwere der Schuld - Jugendstrafe

I. Das AG hat gegen den Angekl. mit dem angefochtenen Urteil wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Btm in 22 Fällen eine Jugendstrafe von 6 M. ausgesprochen, deren Vollstreckung es für die Dauer von 3 J. zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angekl., mit der die Aufklärungsrüge und die allgemeine Sachrüge erhoben werden.

II. Die Revision führt zu einem (vorläufigen) Teilerfolg. Sie ist offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), soweit sie sich gegen den Schuldspruch wendet. Dagegen führt die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch.

1. Nach den Feststellungen wuchs der nur geringfügig strafrechtlich vorbelastete Angekl. - ein Strafverfahren wegen gemeinschaftlichen Diebstahls war am 23. 6. 1997 nach Ermahnung gem. § 47 JGG eingestellt worden - in geordneten familiären Verhältnissen auf. Im Sommer 1997 legte er das Abitur ab und absolvierte anschließend den Zivildienst. Er wird demnächst eine Ausbildung zum Diplombetriebswirt aufnehmen. Im Jahre 1993 konsumierte der Rechtsmittelführer erstmalig Btm (zunächst Haschisch, ab 1994 auch »Speed« und Ecstasy-Tabletten). Da ihm das Taschengeld für den Eigenkonsum von Btm nicht ausreichte, begann er, Btm in größeren Mengen zu erwerben und gewinnbringend weiterzuverkaufen. Im Zeitraum von Anfang 1995 bis zum 21. 12. 1995 kaufte der Angekl. in 20 Fällen ca. 2 000 g Haschisch eines Wirkstoffgehaltes von mindestens 7,5 % THC und verkaufte es mit geringem Gewinn an Dritte weiter. Im selben Zeitraum kaufte und verkaufte er darüber hinaus zweimal mindestens 50 Ecstasy-Tabletten gewinnbringend, die er in einem dieser Fälle im Zusammenhang mit dem bereits geschilderten Erwerb von Haschisch ankaufte. Schließlich erlangte er im Tatzeitraum einmalig 100 LSD-Trips, von denen er 70 Stück mit Gewinn weiterveräußerte.

Die Jugendrichterin hat wegen der Schwere der Schuld Jugendstrafe verhängt; der Angekl. habe über einen langen Zeitraum hinweg eine Vielzahl von Straftaten mit beträchtlicher Intensität begangen und durch seine Handlungsweise die Gesundheit gleichaltriger junger Menschen in extremer Weise gefährdet, was ihm, die Wirkung der Btm kennend, wohl bewußt gewesen sei. Hinsichtlich der Höhe der Jugendstrafe hat das AG ausgeführt, unter Berücksichtigung des für den Rechtsmittelführer sprechenden Geständnisses, seiner Reue und Einsicht sowie der Umstände, daß er seit dem Tag seiner Inhaftierung keine Drogen mehr zu sich genommen und sich von seinem drogenkonsumierenden Freundeskreis distanziert habe, aber auch der gegen ihn sprechenden (näher ausgeführten) Umstände sei der Ausspruch einer Jugendstrafe von 6 M. zur Ahndung der Tat und Erziehung des Angekl. erforderlich.



2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Für die Entscheidung, ob »wegen der Schwere der Schuld« Jugendstrafe verhängt werden soll (§ 17 Abs. 2 JGG) und wie sie im Einzelfall zu bemessen ist (§ 18 Abs. 2 JGG), sind in erster Linie das Wohl des Jugendlichen und damit erzieherische Gesichtspunkte maßgebend (BGHSt 15, 224; 16, 263). Dies schließt zwar nicht aus, der Schwere der Schuld eigenständige Bedeutung beizumessen (BGH, Urt. v. 22. 4. 1980 - 1 StR 111/80). Eine reine Schuldstrafe ist aber unzulässig. Daraus folgt, daß sich das tatgerichtliche Urteil dazu verhalten muß, warum dem Erziehungsaspekt nur durch Verhängung einer Jugendstrafe Rechnung getragen werden kann. Die Urteilsgründe müssen in jedem Fall erkennen lassen, daß dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt worden ist.

Hieran fehlt es. Das AG hätte die derzeitigen Lebensumstände des Rechtsmittelführers in seine Erwägungen zur Notwendigkeit des Ausspruches einer Jugendstrafe einbeziehen müssen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß der Angekl. in wirtschaftlich und sozial geordneten familiären Verhältnissen lebt und die aus seinem früheren strafbaren Verhalten notwendigen Konsequenzen offenkundig selbst gezogen hat, so daß vieles für seine gelungene Einbindung in ein geordnetes Wertesystem spricht. Die pauschale Feststellung der Jugendrichterin, daß »den Erziehungsgedanken des JGG nicht außer acht lassend, eine Jugendstrafe zu verhängen war«, genügt den Darlegungserfordernissen vor diesem Hintergrund nicht, zumal sie keine jugendspezifischen Erwägungen erkennen läßt.

3. Die amtsgerichtliche Strafzumessung leidet darüber hinaus an dem Rechtsfehler, daß der zu Lasten des Angekl. gewertete Umstand, er habe »durch seine Handlungsweise die Gesundheit gleichaltriger junger Menschen in extremer Weise gefährdet«, nicht durch entsprechende Tatsachenfeststellungen untermauert wird. Die mit dem Handeltreiben mit Btm verbundene abstrakte Gefährdung Dritter kann zur Strafschärfung nämlich nicht herangezogen werden, weil sie den Gesetzgeber bereits dazu veranlaßt hat, das entsprechende Verhalten (in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) unter Strafe zu stellen (§ 46 Abs. 3 StGB; OLG Brandenburg, Beschluß v. 15. 6. 1999 - 2 Ss 34/99 - StV 2001, 175 f.).



Strafzumessung bei geringer Menge

Die vorliegend in Frage stehende Menge von 0,21 g netto Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 0,0145 g Amphetaminbase bewegt sich im untersten Bereich der geringen Menge der Einzeldosis; die Obergrenze für eine geringe Dosis ist erst bei 0,15 g Amphetaminbase erreicht (BayObLG NStZ 2000, 210). Auch die sichergestellten 3,8 g brutto Marihuana nebst 0,8 g brutto Haschisch schlechter Qualität unterschreiten die Grenze der geringen Menge erheblich (Körner, a. a. O., m. w. N.). Die fraglichen Btm zählen zudem zu den sog. »weichen« Drogen und waren ausschließlich zum Eigenverbrauch des drogenabhängigen Angekl. bestimmt.

Bei einer solchen Fallgestaltung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz/das Übermaßverbot (vgl. BVerfG NJW 1994, 1577, 1582) in besonderem Maße zu beachten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht nur bei der Strafzumessung im engeren Sinne, sondern insbes. auch bei der Frage der Unerläßlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe nach der Ausnahmevorschrift des § 47 StGB maßgeblich zu berücksichtigen.

Die Ausführungen der StrK geben durchgreifenden Anlaß zu Bedenken dahin, daß sie den rahmenbegrenzenden Tatbezug der Schuldbewertung (vgl. OLG Karlsruhe StV 1996, 675) übersehen, demgegenüber dem Gesichtspunkt der Vorstrafen und dem Bewährungsversagen des Angekl. ein unangemessenes Gewicht beigelegt und diese täterbezogenen Umständen in ihrer indiziellen Bedeutung überbewertet hat. Für Rückschlüsse aus Vorstrafen bzw. Bewährungsversagen (vgl. BGHSt 24, 40, 43) unter Schuldgesichtspunkten ist maßgebend, ob und inwieweit dem Täter in bezug auf die konkrete Tat und deren Gefährdungspotential vorzuwerfen ist, daß er sich frühere Verurteilungen nicht hat zur Warnung dienen lassen (vgl. BGHSt 24, 198, 200). Schuldhaft zurechenbarer Mißachtung der Warnfunktionen kommt nur mittelbar ein indizieller Aussagwert für das Maß tatbezogen krimineller Intensität zu. Sie vermag vorliegend dem nur geringen objektiven Gewicht der Tat keinen entscheidend höheren Stellenwert zu geben, die Qualität der Tat als solcher im untersten Spektrum denkbarer Fälle nicht zu ändern (OLG Karlsruhe a. a. O.). Der Warnwirkung der Vorverurteilungen hat sich der Angekl. nach den Feststellungen jedenfalls insoweit nicht entzogen, als er keinen Handel getrieben bzw. keine Drogen an Dritte abgegeben hat. Die langjährige und aktuelle Drogensüchtigkeit des Angekl. zum Zeitpunkt der Tatbegehung ist, zumal sie den Schweregrad des § 21 StGB erreicht, ein weiterer erheblich schuld- und strafmildernder Bemessungsumstand; sie vermindert auch - was die StrK durchaus dem Grunde nach erkannt hat - die Vorwerfbarkeit der Mißachtung der Warnwirkung von einschlägigen Vorverurteilungen bzw. Strafaussetzungen. Das individuelle Versagen des Angekl. durch Amphetamin - und Cannabisbesitz geringster Menge trotz vorausgehender Entscheidungen mit Warnungsfunktionen kann unter den gegebenen Umständen jedenfalls nur sehr bedingt als schulderhöhend vorwerfbarer Umstand angesehen werden. Im übrigen erscheinen bereits die Vorstrafen wegen schon damals bestehender Btm-Abhängigkeit des Angekl. in milderem Licht und stellen ein nur eingeschränktes subjektives Hemmnis dar.



Bei Anlegung dieser Maßstäbe stellt im vorliegenden Fall eines ausgesprochen geringfügigen, d. h. eines Bagatelldelikts die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 2 M. keinen gerechten Schuldausgleich mehr dar und verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG 50, 205, 215; OLG Stuttgart a. a. O.; OLG Braunschweig a. a. O.). Das Tatunrecht wiegt hier so gering, daß die Verhängung einer Freiheitsstrafe eine unangemessen harte und damit gegen das Übermaßverbot verstoßende Sanktion darstellt, auch wenn der Angekl. einschlägig vorbestraft ist und unter Bewährung stand und steht. Erst recht gilt dies bei Berücksichtigung der Besonderheiten in der Persönlichkeit des Angekl., dessen Steuerungsvermögen erheblich vermindert war. In die Gewichtung der hier erkannten Freiheitsstrafe sind schon nach § 46 Abs. 1 S. 2 StGB auch deren mögliche Wirkungen für das künftige Leben des Angekl. einzustellen. Hierzu zählt - worauf die Revision zu Recht hinweist - auch der dem Täter wegen der verfahrensgegenständlichen Tat - gerade im Falle der Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe - drohende Widerruf einer in anderer Sache laufenden Bewährung (vgl. etwa OLG Hamm StV 1998, 600). So hätte der Angekl. vorliegend - was die StrK nicht erörtert - möglicherweise noch mit dem Widerruf von für nicht unerhebliche Vorstrafen gewährten Strafaussetzungen (Gesamtfreiheitsstrafe von 1 J. 10 M aus dem Urteil des AG Mannheim v. 30. 4. 1998; Gesamtfreiheitsstrafe von 7 M aus dem Urteil des AG Mannheim v. 16. 3. 1999; Gesamtfreiheitsstrafe von 9 M. aus dem Urteil des AG Mannheim v. 20. 12. 2000) zu rechnen; dazu, ob die beiden erstgenannten Freiheitsstrafen bereits erlassen worden sind - nach den Feststellungen war die Bewährungszeit jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung schon abgelaufen -, verhalten sich die Gründe des angefochtenen Urteils ohnehin nicht.

In einem solchen Fall wie dem vorliegenden wird dem Übermaßverbot Genüge getan, wenn lediglich eine geringe Geldstrafe verhängt wird, die regelmäßig einen Widerruf der Strafaussetzung nach § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB nicht nach sich zieht (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 5 Absehen von Strafe 1; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 14.04.2003 - 3 Ss 54/03 - StV 2003, 622 f.).



Strafzumessung und Wirkstoffgehalt

... Die Einzelstrafe von 8 J. im Fall II 3 und die Einsatzstrafe von 9 J. im Fall II 13 der Urteilsgründe können nicht bestehen bleiben. Die Strafzumessung läßt in diesen beiden Fällen besorgen, daß das LG nicht hinreichend bedacht hat, daß der Angekl. die Grenze zur nicht geringen Menge des Btm in beiden Fällen nur geringfügig überschritten hat. Das LG hat zwar ausdrücklich berücksichtigt, daß Haschisch keine harte Droge ist; im Fall II 13 hat es dem Angekl. außerdem zugute gehalten, daß das Btm nicht in den Verkehr gelangt ist. Hingegen hat es sich mit der Menge und dem Wirkstoffgehalt des Btm nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Dies wäre in diesen beiden Fällen angesichts der Höhe der verhängten Strafen aber erforderlich gewesen. Im Fall II 3 der Urteilsgründe hat der Angekl. mit 200 g Haschisch mit einem THC-Gehalt von mindestens 4 %, d. h. 8 g THC-Gehalt, im Fall II 13 der Urteilsgründe mit 74,9 g Haschisch mit einem THC-Gehalt von 11,6 %, d. h. mit 8,68 g THC-Gehalt bewaffnet Handel getrieben. Die Menge und der Wirkstoffgehalt des Btm sind schon grundsätzlich bei den Btm-Delikten wesentliche Umstände für die Beurteilung der Schwere der Tat und die Bestimmung des Schuldumfangs (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 18 m. w. N.). Hier kommt hinzu, daß der hohe Strafrahmen des § 30 a Abs. 2 BtMG für bewaffnetes Handeltreiben mit Btm beim Handeltreiben mit Haschisch ohnehin erst ab einem Wirkstoffgehalt von 7,5 g THC-Gehalt eröffnet wird. Der Angekl. hatte diese Mindestmenge des Wirkstoffgehalts für eine nicht geringe Menge in beiden Fällen nur unwesentlich überschritten. Dies mußte bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden, zumal sich die erhöhte Gefährlichkeit, der § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG seinem Zweck nach in Fällen bewaffneter Btm-Geschäfte begegnen soll, trotz der Mehrzahl der Waffen und verbotenen Gegenstände eher im unteren Bereich denkbarer Fallgestaltungen hielt (BGH, Beschluss v. 14.11.2003 - 2 StR 404/03 - StV 2004, 603 f.).



Erkennungsdienstliche Behandlung § 81b StPO

Zur Verhältnismäßigkeit der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.11.2010 - 11 LA 468/10):

„... Gegen den 1978 geborenen Kläger sind in der Vergangenheit drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben, anhängig gewesen. Einzelheiten über ein 2002 geführtes Verfahren wegen der Einfuhr von geringen Mengen Betäubungsmittel sind nicht mehr bekannt. Im April 2008 und im Juni 2009 wurden jeweils anlässlich von Verkehrskontrollen im Blut des Klägers THC-Werte kleiner als 1,0 ng/ml sowie THC-COOH-Werte von 8,99 bzw. 6,8 ng/ml festgestellt. Die beiden letztgenannten Ermittlungsverfahren wurden jeweils nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ein strafloser Konsum von Cannabisprodukten nicht auszuschließen war.

Die Beklagte nahm das letzte der o. a. Ermittlungsverfahren (vor seiner Einstellung im Oktober 2009) zum Anlass, mit Bescheid vom 16. September 2009 die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers anzuordnen. Der dagegen gerichteten Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Es hat unter Bezugnahme auf den Senatsbeschuss vom 31. August 2010 (- 11 ME 288/10 -, juris) offen gelassen, ob gegen den Kläger überhaupt ein hinreichend konkreter (Rest-)Verdacht eines Verstoßes gegen § 29 BtMG durch den unerlaubten Erwerb und Besitz von Cannabis bestehe. Jedenfalls sei nach den o. a. Ergebnissen der Blutuntersuchungen davon auszugehen, dass der Kläger allenfalls in Einzelfällen Cannabis auch besessen bzw. erworben habe. Dieses Verhalten stelle eine Bagatelle dar und führe zur Unverhältnismäßigkeit seiner erkennungsdienstlichen Behandlung.

Ernstliche Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit dieser Entscheidung bestehen aus den von der Beklagten vorgetragenen Gründen nicht. Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats zutreffend davon ausgegangen, dass wegen der Begrenzung auf das notwendige Maß die Schwere des mit der erkennungsdienstlichen Maßnahme verbundenen Grundrechtseingriffs im Einzelfall nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses insbesondere an der Aufklärung künftiger Straftaten stehen darf (vgl. nur Senatsbeschl. v. 20.11.2008 - 11 ME 297/08 -, juris, m. w. N.). Das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen bemisst sich demnach weniger nach der Schwere der in der Vergangenheit erfolgten Anlasstat(-en) als vielmehr nach dem Gewicht und der Wahrscheinlichkeit derjenigen Straftaten, bei denen der Betroffene zukünftig zum Kreis der potentiellen Beteiligten gehören kann und zu deren Aufklärung die anzufertigenden Unterlagen dienen sollen. Als solche Straftaten kommen hier nach den nicht mit durchgreifenden Zulassungsgründen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts allenfalls der gelegentliche unerlaubte Erwerb und Besitz von Cannabis in Betracht. Hiervon geht offenbar auch die Beklagte mit dem Vorbringen aus, "es könne für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger erneut in den "Genuss" eines Joints kommen möchte und ihn zu diesem Zweck zuvor erwerben muss". Ein solcher Erwerb und Besitz wäre zwar strafbar. Ein hierauf bezogenes Ermittlungsverfahren kann aber nicht nur nach Maßgabe der §§ 153 ff. StPO eingestellt werden; zusätzlich kann unter den Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 BtMG von der Verfolgung abgesehen werden. Nach den Ziffern 2.1 und 2.2 des zur landeseinheitlichen Anwendung des § 31a BtMG ergangenen gemeinsamen Runderlasses des Niedersächsischen Justiz- und Innenministeriums vom 21. Februar 2007 (Nds. MBl. S. 235) kommt ein Absehen von der Strafverfolgung insbesondere in Betracht, wenn sich die Tat auf den Umgang mit Cannabisprodukten zum Eigenverbrauch in geringer Menge ohne Fremdgefährdung bezieht und der Beschuldigte noch nicht mehrfach mit unerlaubten Betäubungsmitteln angetroffen worden ist. Unter diesen Voraussetzungen soll nach Ziffer 3.1 des Runderlasses auch der Umfang der polizeilichen Ermittlungstätigkeit auf das notwendige Maß reduziert werden. Strafprozessual wird also der Verfolgung der in diesem Umfang eingegrenzten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz nur ein geringes Gewicht beigemessen und deshalb weitgehend auf in die Tiefe gehende Ermittlungen verzichtet. Ob deshalb in solchen Fällen schon die Notwendigkeit entfällt, von potentiell Betroffenen überhaupt erkennungsdienstliche Unterlagen vorsorglich für spätere Ermittlungsverfahren vorzuhalten, kann offen bleiben. Jedenfalls wäre dies im Hinblick auf das nach dem Runderlass ohnehin nur geringe staatliche Verfolgungsinteresse unverhältnismäßig.

Damit ist auch das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend von der Unverhältnismäßigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers ausgegangen. Denn er ist bislang noch nicht durch einen strafrechtlich nachweisbaren Verstoß gegen § 29 BtMG negativ aufgefallen, insbesondere nicht mit Cannabisprodukten oder einem anderen illegalen Betäubungsmittel angetroffen worden, und es besteht auch im Übrigen allenfalls ein geringer Restverdacht, er werde zukünftig gelegentlich Cannabis erwerben bzw. besitzen.

Dem Rechtsstreit kommt unter der von der Beklagten aufgeworfenen Fragestellung,

"wann Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in ihrer Gesamtheit noch als Bagatelldelikte einzustufen sind, bei denen die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung unverhältnismäßig wäre",

auch keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.

Denn nach den vorhergehenden Ausführungen ist für die Verhältnismäßigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung eines Betroffenen, der wegen eines oder mehrerer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz negativ aufgefallen ist, auf das Gewicht der zukünftig von ihm zu befürchtenden Taten abzustellen. Bei der Gewichtung dieser Taten bietet sich wiederum eine Orientierung an dem bezeichneten Runderlass an. Danach dürfte die Unverhältnismäßigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung regelmäßig auf die hier gegebene Fallgruppe der noch nicht strafrechtlich nachweisbar aufgefallenen und allenfalls gelegentlichen Cannabiskonsumenten beschränkt sein. Ein weiter gehender Verdacht, etwa des regelmäßigen Cannabis- (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 26.10.2010 - 11 PA 360/10 -, v. 28.6.2010 - 11 ME 121/10 - und allgemein v. 13.11.2009 - 11 ME 440/09 -, Nds. VBl. 2010, 52) oder eines anderes ("härteren") Betäubungsmittelmissbrauchs (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 22.11.2010 - 11 LA 440/10 -) oder gar einer anderen Form des strafbaren Umgangs mit Betäubungsmitteln außer dem Eigenverbrauch, wird hingegen grundsätzlich ein hinreichendes öffentliches (Strafverfolgungs-)Interesse begründen und damit auch eine erkennungsdienstliche Behandlung rechtfertigen. Eine weitergehende Konkretisierung ist fallübergreifend nicht möglich. ..."

*** (VG)

„... Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seien Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Anordnung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere ist der Kläger gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ordnungsgemäß angehört worden.

In materieller Hinsicht ist die Maßnahme ebenfalls rechtmäßig. Gemäß § 81b 2. Alt. StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten aufgenommen sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Die Vorschrift dient der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten als Mittel der Kriminalitätsbekämpfung. Die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen bemisst sich danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles insbesondere von Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass er in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden anderen strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen letztlich überführend oder entlastend - fördern könnten.

BVerwG, Urteil vom 23. November 2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 f. m.w.N.; OVG NRW, Beschlüsse vom 23. September 2008 - 5 B 1046/08 -, juris und vom 6. Februar 2007 - 5 A 1217/06 -; ferner Urteil vom 28. März 1995 - 5 A 1171/94 -.

Dabei verlangen der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der präventive Charakter der erkennungsdienstlichen Maßnahmen eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verhinderung und Aufklärung von Straftaten und dem Interesse des Betroffenen, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potenzieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist. Im Rahmen der Abwägung kommt es insbesondere darauf an, in welchem Umfang konkrete Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen. In diesem Zusammenhang ist zum einen maßgeblich, welcher Art das Delikt ist, auf das sie sich beziehen. Je schwerer das Delikt wiegt, je höher der Schaden für die geschützten Rechtsgüter und die Allgemeinheit zu veranschlagen ist und ggfs. auch je größer die Schwierigkeiten einer Aufklärung einzustufen sind, desto mehr Gewicht erlangt das oben beschriebene öffentliche Interesse.

OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Januar 1999 - 5 B 2562/98 -, DÖV 1999, 522 f., vom 14. Juli 1994 5 B 2686/93 - und vom 16. Oktober 1996 - 5 B 2205/96 -, Urteile vom 25. Juni 1991 - 5 A 1257/90 - und vom 29. November 1994 - 5 A 2234/93 -.

Ferner darf die erkennungsdienstliche Behandlung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen. Vielmehr muss sich ihre Notwendigkeit jedenfalls auch aus den Ergebnissen des gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahrens herleiten lassen, auch wenn der gesetzliche Zweck der Anordnung außerhalb des betreffenden Strafverfahrens liegt. Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die erkennungsdienstlich zu behandelnde Person zukünftig strafrechtlich in Erscheinung treten werde und in einem solchen Falle die anzufertigenden Unterlagen für die polizeilichen Ermittlungen förderlich sein können. Eine derartige Prognose kann auch allein aus Art und Begehung der Anlasstat(en) zu rechtfertigen sein, sofern der Sachverhalt bereits in zureichendem Maße ermittelt ist.

OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2008 - 5 B 1046/08 -, a.a.O.; Nieders. OVG, Beschluss vom 24. Oktober 2007 - 11 ME 309/07 -, juris.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die angefochtene Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht zu beanstanden.

Der Kläger ist derzeit vor dem Amtsgericht N-S wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln und des Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt. Ob er wegen der ihm zur Last gelegten Taten tatsächlich verurteilt wird, ist vom Verwaltungsgericht nicht zu klären; dies muss dem Strafverfahren vorbehalten bleiben. Im vorliegenden Zusammenhang reicht es aus, dass die gegen den Kläger erhobenen Anschuldigungen nicht ersichtlich "aus der Luft gegriffen" sind. Dass er sich im Besitz von Marihuana befand, kann der Kläger schlecht bestreiten. Es spricht auch vieles dafür, dass er gegen das Waffenbesitzverbot - das sich gemäß § 41 Abs. 1 WaffG auf erlaubnisfreie Waffen bezieht - verstoßen und damit den Straftatbestand des § 52 Abs. 3 Ziffer 8 WaffG erfüllt hat. Dass die polizeiliche Wohnungsdurchsuchung rechtswidrig war, steht gegenwärtig nicht fest; die Staatsanwaltschaft hat gegen den betreffenden Beschluss des Amtsgerichtes Beschwerde erhoben, über die, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden ist. Doch selbst wenn die Durchsuchung rechtswidrig gewesen sein und deshalb ein Beweisverwertungsverbot bestehen sollte, wäre dies im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geht es nicht um die Ahndung strafbaren Unrechts, sondern um präventive Gefahrenabwehr. Ein Beweisverwertungsverbot ist dem Recht der Gefahrenabwehr fremd. Der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO wäre daher nur dann die Grundlage entzogen, wenn der Tatverdacht nachträglich ausgeräumt werden würde. Eine etwaige Einstellung oder ein Freispruch wegen eines Beweisverwertungsverbotes ließen den bestehenden Tatverdacht dagegen unberührt.

Der Beklagte ist ferner zutreffend zu der Annahme gelangt, der festgestellte Sachverhalt biete hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger könnte zukünftig erneut als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Täter einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden, und die erkennungsdienstlichen Unterlagen könnten dann ermittlungsfördernd sein. Angesichts der Häufigkeit und dichten zeitlichen Abfolge, mit welcher der Kläger bislang strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, drängt sich eine Wiederholungsgefahr auf. So hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 3. September 2012 darauf hingewiesen, dass inzwischen bei der StA N unter dem Az. 502 Js 698/12 ein neuerliches Ermittlungsverfahren - wegen Betreibens einer illegalen "Facebook"-Seite im Internet - anhängig ist. Zwar sind in der Vergangenheit zahlreiche Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO oder § 153 Abs.1 StPO eingestellt worden. Gleichwohl müssen nach den oben dargelegten Grundsätzen auch diese Verfahren in die Prognose einbezogen werden. Denn keine der Einstellungen erfolgte, weil der Tatverdacht ausgeräumt gewesen wäre. So heißt es etwa in der Einstellungsverfügung im Verfahren StA N 404 Js 877/08, in dem der Kläger eines Eingehungsbetrugs im Rahmen des damals von ihm betriebenen Onlinehandels beschuldigt wurde, er sei bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten (was unzutreffend war), er sei geständig und bedauere offensichtlich sein Fehlverhalten (wofür nach Aktenlage nichts erkennbar war; vielmehr hatte der Kläger ein Fehlverhalten in Abrede gestellt und stattdessen mit der schriftlichen Äußerung

"Ein Fall fürs Kuriositäten-Kabinett. Sie haben hiermit wirklich das kurioseste, was ich in der ganzen Zeit des Onlinehandels erlebt habe, vollbracht"

dem Anzeigenerstatter zu verstehen gegeben, dass der Fehler bei ihm liege); der entstandene Schaden sei relativ gering und wiedergutgemacht. Das Verfahren StA N 404 Js 1679/10 wegen Nachstellung wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und auf den Privatklageweg verwiesen, da es sich bei der Tat um das Ergebnis eines seit längerer Zeit schwelenden Nachbarschaftsstreites handele, der über die Nachbarschaft hinaus Interessen der Allgemeinheit nicht berühre; ferner sei nicht auszuschließen, dass der Anzeigenerstatter durch eigenes Verhalten zur Eskalation der Situation beigetragen habe. In dem Verfahren StA N 104 Js 1872/10 wurde dem Kläger vorgeworfen, durch Besprühen einer Person mit Pfefferspray eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben; die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gemäß § 170 Abs. 2 StPO unter Verweisung auf den Privatklageweg unter anderem deshalb ein, weil die Körperverletzung nicht erheblich gewesen sei und nicht mit abschließender Sicherheit gesagt werden könne, welcher der Kontrahenten durch Notwehr bzw. Nothilfe gerechtfertigt gehandelt habe. Es trifft folglich nicht ganz die Realität, wenn der Kläger geltend macht, der Staatsanwalt habe ihm Notwehr attestiert (vgl. Seite 10 der Klageschrift vom 25. November 2011). Das weitere Verfahren StA N 502 Js 215/11, das den Vorwurf der falschen Verdächtigung zum Gegenstand hatte (der Kläger hatte seinen Zahnarzt der Falschbehandlung bezichtigt und Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet, um - so sein Schreiben vom 24. November 2010, vgl. Blatt 18 Beiakte Heft 11 - ihm "eins auszuwischen"), wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil die Tat nicht mit der für eine Anklageerhebung hinreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnte.

Die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger bereits in den Jahren 2000 und 2001 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Gemäß Ziffer 4.2.4 Satz 1 der Erkennungsdienstlichen Richtlinien des Bundeskriminalamtes (Ed-Richtlinien), Stand: 15.06.2010 (Bundeskriminalblatt Nr. 097). kann eine erkennungsdienstliche Behandlung unter Beachtung von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nach jeder neuen Anlasstat angeordnet werden. Ziffer 4.2.5 der Ed-Richtlinien sieht vor, dass Lichtbilder neu aufzunehmen sind, wenn sich das Aussehen der Person verändert hat. Hiervon ist im Fall des Klägers, dessen letzte erkennungsdienstliche Behandlung mehr als zehn Jahre zurückliegt, auszugehen. Im Ergebnis das Gleiche gilt für Fingerabdrücke. Gemäß Ziffer 4.2.4 Satz 2 der Ed-Richtlinien sind Finger- und Handflächenabdrücke spätestens dann neu aufzunehmen, wenn die letzte erkennungsdienstliche Behandlung - wie hier - mehr als fünf Jahre zurückliegt. Zwar handelt es sich bei Richtlinien um bloße Verwaltungsvorschriften, denen eine Bindungswirkung für die Verwaltungsgerichte nicht zukommt. Dies hindert das Gericht aber nicht, die in Verwaltungsvorschriften vorgesehene Handhabung aus eigener Überzeugung für sachgerecht und mit der Rechtslage vereinbar zu halten. So liegt der Fall hier. Der in den Richtlinien des Bundeskriminalamtes für die Erneuerung von Finger- und Handflächenabdrücken bestimmte Zeitraum berücksichtigt in der polizeilichen Praxis gewonnene Erfahrungswerte über die Wahrscheinlichkeit des zwischenzeitlichen Eintritts von Veränderungen der Haut. Abgesehen davon, dass jeder Mensch dem natürlichen Alterungsprozess unterliegt, können Verletzungen der Fingerflächen schon bei alltäglichen Verrichtungen eintreten. Da bereits kleine Veränderungen der Haut die Brauchbarkeit vorhandenen Abdruckmaterials zur Identitätsfeststellung beeinträchtigen können, ist die Aktualisierung von Fingerabdrücken auf Grund eines neuen Anlassverfahrens jedenfalls nach fünf Jahren grundsätzlich - vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls, für die hier nichts ersichtlich ist - nicht zu beanstanden.

So OVG Niedersachsen, Urteil vom 21. Februar 2008 - 11 LB 417/07 -, juris; vgl. ferner VG Köln, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 20 L 478/07 - und VG Augsburg, Urteil vom 27. November 2008 Au 5 K 08.547 -, jeweils juris.

Die Auffassung des Klägers, erkennungsdienstliche Unterlagen über seine Person seien nicht geeignet, zur Aufklärung zukünftiger Ermittlungsverfahren beizutragen, teilt das Gericht nicht. Der Kläger verengt seine diesbezügliche Betrachtung in unzulässiger Weise auf Delikte wie Beleidigung und "Schwarzfahren". Abgesehen davon, dass man auch eine Person beleidigen kann, die einen nicht namentlich kennt, sind die Straftatbestände, die Gegenstand der bislang gegen den Kläger geführten Verfahren waren, vielgestaltig. In welcher Weise der Kläger zukünftig in Erscheinung treten wird und welche konkreten Ermittlungsansätze dann gegeben sind, lässt sich aus den bisherigen Verfahren nicht ableiten. Dies schließt die Annahme, in zukünftigen Fällen seien erkennungsdienstliche Unterlagen ohnehin nicht ermittlungsfördernd, aus.

Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist auch im Übrigen angemessen, insbesondere verhältnismäßig. Zwar mag es sein, dass die Straftaten, die Gegenstand der gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren waren (bzw. sind), nicht als schwerwiegend einzustufen und teilweise - wie etwa das "Schwarzfahren" - eher dem Bagatellbereich zuzuordnen sind. Im Rahmen der Frage, ob ein erhebliches Aufklärungsinteresse der Allgemeinheit besteht, das den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigt, ist jedoch nicht isoliert auf die jeweilige Straftat abzustellen, sondern eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, in die alle relevanten Umstände des Falles einzubeziehen sind. Dabei kann auch die wiederholte Begehung von für sich gesehen jeweils weniger schwer wiegenden - Straftaten ein erhebliches Aufklärungsinteresse begründen. Im vorliegenden Fall ist insoweit maßgeblich, dass der Kläger nicht etwa nur einmal mit einem bloßen Bagatelldelikt in Erscheinung getreten ist. Vielmehr gerät er immer wieder in kurzen zeitlichen Abständen und in unterschiedlichster Weise mit dem Gesetz in Konflikt, wobei durchaus auch rechtlich geschützte Interessen Dritter - etwa bei Betrug, Beleidigung, Körperverletzung und falscher Verdächtigung - berührt sind. Hinter dem so begründeten gewichtigen Gemeinwohlbelang müssen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers zurückstehen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die anzufertigenden Unterlagen für den innerdienstlichen Gebrauch der Ermittlungsbehörden bestimmt und der Allgemeinheit grundsätzlich nicht zugänglich sind. Zwar können die Lichtbilder durch ihre Aufnahme in die Lichtbildervorzeigekartei Dritten vorgelegt werden. Die Berechtigung der Polizei zur Aufnahme von Lichtbildern zum internen Dienstgebrauch enthält aber nicht ohne Weiteres die Befugnis, die Lichtbilder Personen zu zeigen, die nicht das Amtsgeheimnis zu wahren haben. Bevor sie über den innerdienstlichen Bereich hinaus einer Privatperson vorgelegt werden, müssen erneut die widerstreitenden Interessen der Allgemeinheit und des Betroffenen abgewogen werden.

Vgl. BVerwG, u.a. Beschluss vom 18. Mai 1973 - 1 B 39.73 -, DÖV 1973, 752.

Hinsichtlich der Fingerabdrücke ist zu beachten, dass sie für eine Täteridentifizierung durch Laien ungeeignet sind. Da Privatpersonen den Verdächtigen auf Grund dieser Abdrücke nicht wiedererkennen können, ist die Möglichkeit, dem Kläger könnten durch ihre Anfertigung Nachteile entstehen, verschwindend gering.

Schließlich ist auch die Zwangsgeldandrohung rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 2, 53 und 56 PolG NRW. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 250,00 Euro hält sich im unteren Bereich des von § 53 Abs. 1 PolG NRW eröffneten Rahmens und ist auch sonst verhältnismäßig. ..." (VG Düsseldorf, Urteil vom 13.09.2012 - 18 K 7552/11)

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„... 1. Rechtsgrundlage der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist § 81b Alt. 2 StPO, wonach, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden dürfen. Bei dieser Norm handelt es sich trotz ihrer systematischen Stellung um materielles Polizeirecht (vgl. Meyer/Goßner, StPO, 52. Auflage 2009, § 81b Rd.Nr. 3). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dienen die Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung erkennungsdienstlicher Unterlagen in kriminalpolizeilichen Sammlungen nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 18.05.2011, Az.: 6 B 1/11, NVwZ-RR 2011, 710, m.w.N.). Diesen Zweck verfolgt auch die angegriffene Anordnung, die nicht der Überführung des Klägers in einem bestimmten Strafverfahren dient, sondern der Vorsorge für die Durchführung künftiger Verfahren. Der Umstand, dass bei Erlass der Anordnung ein konkretes Strafverfahren im Raum steht, spricht nicht gegen eine präventive Ausrichtung, sondern ist vielmehr tatbestandliche Voraussetzung. Nach dem Wortlaut des § 81b Alt. 2 StPO ist die Maßnahme nämlich nur gegen einen „Beschuldigten" möglich. Das jeweilige konkrete Strafverfahren ist somit nicht Grund, sondern lediglich Anlass für ein Tätigwerden nach § 81b Alt. 2 StPO.

Der Kläger ist derzeit auch Beschuldigter. Gegen ihn wird wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ermittelt. Dieses Anlassverfahren erweist sich als geeignete Grundlage für die präventive Anordnung. Sie ist auch notwendig i.S.d. § 81b Alt. 2 StPO. Dies setzt voraus, dass der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraumes, während dessen er strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Betroffene künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen überführend oder entlastend - fördern könnten (BVerwG, U. v. 19.10.1982, Az.: 1 C 29/79, BVerwGE 66, 192; st. Rspr. des BayVGH, vgl. z.B. B.v. 23.11.2009, a.a.O., Rd.Nr. 12 in juris). Es ist mithin nicht erforderlich, dass bereits konkrete Anhaltspunkte für weitere, aktuelle Verwicklungen des Betroffenen in strafrechtlich relevante Sachverhalte vorliegen.

Damit setzt die Anordnung neben einem Tatverdacht eine Wiederholungsgefahr (Negativprognose) sowie die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme voraus. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit" unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte, während das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil einer solchen Kontrolle nur begrenzt zugänglich ist. Diese erstreckt sich im Hinblick auf den der Behörde insoweit verbleibenden Beurteilungsspielraum darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach dem gegebenen Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. VGH Mannheim, U.v. 29.05.2008, Az.: 1 S 1503/07, NJW 2008, 3082; OVG Bautzen, B.v. 29.01.2010, Az.: 3 D 91/08, Rd.Nr. 6 in juris, sowie B.v. 12.10.2010, Az.: 3 A 657/09, Rd.Nr. 6 in juris; OVG Magdeburg, U.v. 18.08.2010, Az.: 3 L 372/09, Rd.Nr. 46 in juris).

Nach diesen Grundsätzen erscheint die Prognose der Polizeiinspektion S…, es bestünden Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Antragsteller in ähnlicher Weise erneut straffällig werden könnte und die erkennungsdienstlichen Unterlagen zur Förderung der dann zu führenden Ermittlungen geeignet erscheinen, dem Gericht auf der Grundlage der im Bescheid dargelegten Tatsachen als zutreffend. Dies gilt umso mehr, als es sich vorliegend um Delikte im Bereich der Drogenkriminalität handelt und darüber hinaus Minderjährige involviert sind (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2011, Az.: 10 ZB 11.365, Rd.Nrn. 4, 7 in juris; OVG Lüneburg, B.v. 13.11.2009, Az.: 11 ME 440/09, Rd.Nrn. 9 f. in juris). Die angegriffene Anordnung erweist sich auch als verhältnismäßig.

Das Gericht schließt sich der zutreffenden und ausführlichen Begründung des Bescheids vom 21. September 2011 an und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).

2. Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen: Auf die Frage, ob die beiden Strafverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis im Rahmen der Prognose der Wiederholungsgefahr einbezogen werden dürfen oder nicht, kommt es nicht an. Denn zum einen sind auch bei Ersttätern erkennungsdienstliche Maßnahmen nicht von vornherein ausgeschlossen, was gerade bei Drogendelikten - unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - nahe liegt (vgl. OVG Bautzen, B.v. 6.10.2009, Az.: 3 B 187/08, Rd.Nr. 8 in juris). Zum anderen ergeben sich vorliegend mehrere Ansatzpunkte für einen Verstoß des Klägers gegen das Betäubungsmittelrecht. Ob wegen jedes einzelnen auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, spielt dabei grundsätzlich keine entscheidende Rolle. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass allein dadurch, dass der Kläger seit Erlass des angegriffenen Bescheids nicht wieder auffällig geworden ist, eine Wiederholungsgefahr und damit die Notwendigkeit der Anordnung zu verneinen wäre. Der bislang verstrichene Zeitraum erscheint als nicht ausreichend, um die Negativprognose zu entkräften.

Weiterhin liegt auch kein Bagatelldelikt vor. Ein solches lässt sich insbesondere weder aus der Art noch aus der Menge der streitgegenständlichen Drogen herleiten. Hieraus ergibt sich auch nicht die Unverhältnismäßigkeit der Anordnung. Zum einen wurden hinsichtlich der Art der Drogen beim Kläger nicht nur Marihuana und Haschisch, sondern auch Kokain sowie Spuren von Amphetamin festgestellt. Zum anderen ist eine erkennungsdienstliche Maßnahme grundsätzlich auch dann möglich, wenn es nur um eine geringe Menge Drogen geht. Das gilt sogar dann, wenn lediglich ein Fall des sog. „Eigenverbrauchs" vorliegt, so dass von strafrechtlicher Verfolgung abgesehen werden kann (OVG Lüneburg, B.v. 13.11.2009, a.a.O., Rd.Nr. 10 in juris). Diese strafrechtliche Regelung lässt sich bereits nicht ohne Weiteres auf das präventiven Zwecken dienende polizeiliche Tätigwerden übertragen. Im vorliegenden Fall gilt das umso mehr, als der präventiven Arbeit der Polizei im Bereich der Drogenkriminalität besondere Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2011, a.a.O.; OVG Lüneburg, B.v. 13.11.2009, a.a.O.). Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass sich die Vorwürfe gegen den Kläger nicht lediglich auf Drogenkonsum beziehen, sondern auf die Abgabe an andere, noch dazu Minderjährige.

3. Die Androhung und Festsetzung des Zwangsgelds in Nrn. 3 und 4 des angegriffenen Bescheids erweist sich - auch der Höhe nach - ebenfalls als rechtmäßig. Soweit der Antragsteller vortragen lässt, es fehle an der erforderlichen Zustellung, so führt dieser Einwand nicht zum Erfolg. Der Bescheid vom 21. September 2011 wurde dem Kläger nämlich ausweislich der Akten am 22. September 2011 durch zwei Polizeibeamte in der Dienststelle der Polizeiinspektion S… persönlich übergeben, so dass eine Zustellung stattgefunden hat. Ein etwaiger Zustellungsfehler ist jedenfalls gemäß Art. 9 VwZVG geheilt.

4. Auch die erneute Vorladung in Nr. 5 des angegriffenen Bescheids sowie die diesbezügliche Androhung von unmittelbarem Zwang in Nr. 6 des Bescheids erweisen sich nach dem Vorgesagten als rechtmäßig. Insbesondere erscheint auch die Androhung des unmittelbaren Zwangs nach den Vorschriften des Polizeiaufgabengesetzes als verhältnismäßig. ..." (VG Würzburg, Urteil vom 12.04.2012 - W 5 K 11.757)

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Eine erkennungsdienstliche Behandlung kann nur gerechtfertigt sein, um bei einem künftig zu besorgenden Handel mit Rauschgift die Ermittlungsarbeiten zu erleichtern. Es müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass speziell der von der erkennungsdienstlichen Behandlung Betroffene als Verdächtiger eines strafbaren Handelns in die Ermittlungen einbezogen werden könnte. Die Besorgnis zukünftiger strafrechtlicher Ermittlungen können etwa anknüpfen an die bei der Anlasstat aufgefunden Drogenmenge, an wiederholten Drogenbesitz, an die gemessenen Blutwerte, aber auch an weitere Gesichtspunkte. Die Werte der sog. Daldrup-Tabelle sind taugliche Anhaltspunkte für einen regelmäßigen Konsum, einen gelegentlichen Konsum oder aber einen Probierkonsum von Cannabis (VG Lüneburg, Beschluss vom 29.02.2012 - 3 B 10/12):

„... Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag hat Erfolg. Das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Verfügung.

Gem. § 81 b 2. Alt. StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke eines Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Diese Vorschrift räumt der Behörde ein Ermessen ein.

Zur Rechtfertigung einer Maßnahme nach dieser Vorschrift kommt es - neben der Beschuldigteneigenschaft - inhaltlich entscheidend darauf an, ob an dem Betroffenen wegen der Art und Schwere seiner Straftaten ein besonderes kriminalistisches Interesse besteht. Dies ist dann der Fall, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gegen den Beschuldigten in Zukunft erneut strafrechtlich ermittelt wird (also eine Wiederholungsgefahr vorliegt) und die erkennungsdienstlichen Unterlagen dann die strafrechtlichen Ermittlungen erleichtern können. Die Wiederholungsgefahr muss sich auch aus der sog. Anlasstat ergeben (Nds. OVG, u.a. Beschl. v. 31.8.2010 - 11 ME 288/10 -). Der mit der Maßnahme verbundene Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des Tatverdachtes stehen. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes, der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der präventive Charakter der erkennungsdienstlichen Maßnahmen verlangen eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verhinderung und Aufklärung von Straftaten und dem Interesse des Betroffenen. Insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist wiederholt von den Gerichten hervorgehoben worden. Eine erkennungsdienstliche Behandlung zu präventiv-polizeilichen Zwecken setzt damit voraus, dass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene zukünftig eine Straftat begehen wird. Deren Feststellung ist einer schematischen Betrachtung nicht zugänglich, sondern bedarf der Würdigung aller hierfür relevanten Umstände des Einzelfalls. Dabei sind die Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten zu würdigen, seine Persönlichkeit sowie die zeitliche Abfolge mehrerer Tatvorwürfe (BVerwG, Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 -).

Die Rechtmäßigkeit der angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung ist nicht offensichtlich und zweifelsfrei zu bejahen. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten kann dem Antrag auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz der Erfolg nicht versagt bleiben.

1. Zunächst einmal kann die festgestellte einmalige Fahrt unter Drogen die erkennungsdienstliche Behandlung nicht rechtfertigen. Denn eine erkennungsdienstliche Behandlung ist nicht eine Sanktion für geschehenes Unrecht, vielmehr ist sie „zukunftsgerichtet" und nur gerechtfertigt, wenn Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Betroffene „künftig" in den Kreis potentieller Beteiligter an einer aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte (BVerwG, Urteil v. 19.10.1982 a.a.O.). Es sind also hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür erforderlich, dass der Betroffene zukünftig erneut unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug führen und damit eine Straftat begehen wird.

Die Gefahr, dass eine Person, die unter Drogen ein Fahrzeug gefahren hat, das erneut tun werde, besteht immer. Selbst aber wenn die Gefahr neuer Drogenfahrten nie ausgeschlossen werden kann, müsste die Frage beantwortet werden, inwieweit „die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführen oder entlastend - fördern könnten" (so die Formulierung des BVerwG, Urteil v. 19.10.1982 a.a.O.). Das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Drogeneinfluss wird - ebenso wie das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss - regelmäßig bei einer Verkehrskontrolle festgestellt. Bei dieser Verkehrskontrolle kann die Identität des Betroffenen festgestellt werden, ohne dass es eines Rückgriffs auf früher gefertigte erkennungsdienstliche Behandlungen bedarf.

2. Eine erkennungsdienstliche Behandlung nach festgestelltem Führen eines Kraftfahrzeuges unter Drogeneinfluss kann deshalb nur gerechtfertigt sein, um bei einem künftig zu besorgenden Handel mit Rauschgift die Ermittlungsarbeiten zu erleichtern. Dabei geht es aber nicht um Ermittlungen im Rauschgifthandel schlechthin, vielmehr müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass speziell der von der erkennungsdienstlichen Behandlung Betroffene als Verdächtiger eines strafbaren Handelns in die Ermittlungen einbezogen werden könnte. Dies ist auch die eigentliche Begründung der Antragsgegnerin, wenn in der Verfügung ausgeführt wird, dass die Gefahr besteht, dass der Antragsteller auch künftig Betäubungsmittel erwerben und damit strafrechtlich in Erscheinung treten könnte.

Die Besorgnis zukünftiger strafrechtlicher Ermittlungen gegen den von der erkennungsdienstlichen Behandlung Betroffenen bei Drogendelikten können etwa anknüpfen an die bei der Anlasstat aufgefunden Drogenmenge, an früheren wiederholten Drogenbesitz, an die gemessenen Blutwerte, aber auch an weitere Gesichtspunkte.

a. Bei einem Anknüpfen an die bei der Anlasstat aufgefunden Drogenmenge ist davon auszugehen, dass der unerlaubte Erwerb und der dem Erwerb nachfolgende Besitz von Cannabis strafbar ist. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG wird mit Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft, wer u. a. Betäubungsmittel erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft. Nach § 31 a BtMG kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung aber absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft hat oder besitzt.

Damit stellt sich die Frage, ob unter Berücksichtigung des § 31 a BtMG eine erkennungsdienstliche Behandlung unter dem Gesichtspunkt der Wiederholung einer „Straftat" gerechtfertigt sein kann, wenn davon ausgegangen werden muss, dass der Betroffene stets nur geringe Mengen Cannabis erwerben wird. Zum Einen ist zu berücksichtigen, dass Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz kriminelles Unrecht darstellen und aus Gründen des Legalitätsprinzips (§ 152 Abs. 2 StPO) eine konsequente Strafverfolgung notwendig machen. Andererseits eröffnet § 31 a BtMG den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, differenziert auf Drogendelinquenz zu reagieren, um den Betäubungsmittelhandel (einschließlich des Klein- und Straßenhandels) von den nicht handeltreibenden Rauschgiftkonsumenten in der justiziellen Reaktion abzugrenzen. Der Poenalisierung des Betäubungsmittelkonsumenten soll so begegnet werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte schon mit Beschluss vom 9. März 1994 (- 2 BvL 43/92 -, NJW 1994 S. 1577, insoweit Leitsatz 3) entschieden, dass bei „Verhaltensweisen …, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabisprodukten vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, … die Strafverfolgungsorgane nach dem Übermaßverbot von der Verfolgung der in § 31 a BtMG bezeichneten Straftaten grundsätzlich abzusehen haben". Nach dem Anwendungserlass des Niedersächsischen Justiz- und Innenministeriums (vom 21.02.2007, Nds. Ministerialblatt Seite 235) kann die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gemäß § 31 a BtMG einstellen, wenn die geringen Mengen zum Eigenverbrauch 6 g nicht überschreiten und die Tat keine Fremdgefährdung verursacht. Eine Einstellung kommt allerdings nicht in Betracht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für ein Handeltreiben bestehen. Die Menge von 6 g zum Eigenverbrauch ist in vielen Bundesländern derselbe. In Berlin allerdings ist nach einer gemeinsamen Allgemeinen Verfügung zur Umsetzung des § 31 a BtMG das Ermittlungsverfahren einzustellen bei einer Bruttomenge von nicht mehr als 10 Gramm. Zum Juni 2011 wurden vom Justizministerium Nordhein-Westfalen neue Eigenbedarfsgrenzen festgelegt, der Besitz von Marihuana ist jetzt bis maximal 10 Gramm (vorher 6 Gramm) straffrei. Strafprozessual wird also der Verfolgung der in diesem Umfang eingegrenzten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz nur ein geringes Gewicht beigemessen und deshalb weitgehend auf in die Tiefe gehende Ermittlungen verzichtet. Das Nieders. Oberverwaltungsgericht wirft deshalb die Frage auf, ob in solchen Fällen schon von vornherein die Notwendigkeit entfällt, von potentiell Betroffenen überhaupt erkennungsdienstliche Unterlagen vorsorglich für spätere Ermittlungsverfahren vorzuhalten, oder ob die Fertigung solcher Unterlagen im Hinblick auf das nach dem Runderlass ohnehin nur geringe staatliche Verfolgungsinteresse unverhältnismäßig ist (Nds. OVG, Beschl. v. 24.11.2010 - 11 LA 468/10 -). Erst jüngst hat das Nieders. Oberverwaltungsgericht wiederholt (Beschl. v. 6.2.2012 - 11 ME 421/11 -), dass die erkennungsdienstliche Behandlung eines Betroffenen, der wegen eines oder mehrerer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz negativ aufgefallen ist, unverhältnismäßig sein kann, wenn dieser zu der Gruppe der noch nicht strafrechtlich nachweisbar aufgefallenen und allenfalls gelegentlichen Cannabiskonsumenten gehört. Eine Unverhältnismäßigkeit ist allerdings nicht gegeben, wenn ein weitergehender Verdacht, etwa des regelmäßigen Cannabiskonsums (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 26.10.2010 - 11 PA 360/10 -, v. 28.6.2010 - 11 ME 121/10 - und allgemein v. 13.11.2009 - 11 ME 440/09 -, Nds. VBl. 2010, 52) oder eines anderen ("härteren") Betäubungsmittelmissbrauchs (vgl. Senatsbeschl. v. 22.11.2010 - 11 LA 440/10 -) oder einer anderen Form des strafbaren Umgangs mit Betäubungsmitteln außer dem Eigenverbrauch (vgl. Senatsbeschl. v. 24.2.2011 - 11 ME 15/11 -) besteht. In diesem Zusammenhang kann auch nicht der Schluss gezogen werden, ein Cannabis-Konsument bleibe stets straffrei, und für eine erkennungsdienstliche Behandlung bestehe kein Anlass, weil er immer nur geringe Mengen Cannabis erwerben werde, so dass eine künftige „Straftat" deshalb nicht zu befürchten sei. Nach dem genannten Anwendungserlass des Niedersächsischen Justiz- und Innenministeriums kann eine geringe Schuld i.S.d. § 31 a BtMG, die zur Verfahrenseinstellung führen kann, in der Regel nur „im ersten oder zweiten Fall" angenommen werden, „während bei wiederholtem Antreffen mit unerlaubten Betäubungsmitteln eine Einstellung nach § 31 a BtMG nur ausnahmsweise, etwa bei Vorliegen eines größeren Tatzwischenraumes, sowie unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots in Betracht kommt".

Bei isolierter Betrachtung der bei der Anlasstat aufgefunden Drogenmenge ist in die Überlegungen einzubeziehen, dass die erkennungsdienstliche Behandlung nicht eine Sanktion für geschehenes Unrecht sein darf, die erkennungsdienstliche Behandlung vielmehr „zukunftsgerichtet" und nur gerechtfertigt ist, wenn Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Betroffene „künftig" in den Kreis potentieller Beteiligter an einer aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte (BVerwG, Urteil v. 19.10.1982 a.a.O.). Diese Annahme darf sich nicht auf allgemeine Vermutungen stützen, sie muss auf tragfähigen Tatsachen und einer sachgemäßen Prognose beruhen. Gleichwohl kann von der vorgefundenen Menge Cannabis auf eine Wiederholungsgefahr geschlossen werden, d.h. auf die Wahrscheinlichkeit, der Betroffene werde erneut in der Zukunft Cannabis erwerben, und gegen den Betroffenen könnten erneut strafrechtliche Ermittlungen ergriffen werden. Derjenige, bei dem erhebliche Mengen Cannabis aufgefunden werden, steht eher im Verdacht, damit zu handeln und Teilmengen weiter zu veräußern, als derjenige, bei dem nur geringe Mengen aufgefunden werden. Größere Mengen, wenn sie denn nur zum Eigenverbrauch bestimmt sein sollten, zeigen ein erheblich größeres Suchtpotential auf als kleinere Mengen, die auf einen Probierkonsum oder nur gelegentlichen Konsum hindeuten. Bei einem Konsumenten, der größere Mengen Cannabis hat, und bei dem deshalb ein Handel oder eine stärkere Abhängigkeit zu vermuten ist, ist eher damit zu rechnen, dass er später erneut Rauschmittel erwerben wird als beim Probierkonsumenten.

Aus dem Besitz von 9 g Cannabis beim Antragsteller kann nicht geschlossen werden, er sei aktiv im Rauschmittelhandel eingebunden und werde davon Teilmengen weiterveräußern. 9 g sind bei isolierter Betrachtung auch noch kein „angemessener Vorrat" für einen abhängigen Konsumenten. Die Menge entspricht wenigen Konsumeinheiten. Unter einer Konsumeinheit ist eine BtM-Ration zu verstehen, die für die Erzielung eines Rauschzustandes ausreicht. Zur Erzielung eines Rauschzustandes durch Rauchen einer Cannabiszubereitung sind im Durchschnitt 15 mg THC notwendig (Nds. OVG, Beschl. v. 11.7.2003 - 12 ME 287/03 -). Das wiederum hängt vom Wirkstoffgehalt, von der Qualität des Cannabis ab. Bei Zugrundelegung einer äußerst schlechten Qualität lassen sich aus 6 Gramm Haschisch noch 3 Konsumrationen gewinnen (Quelle: internet, hanfverband.de).

b. Die Besorgnis künftigen Handeltreibens durch den von der erkennungsdienstlichen Behandlung Betroffenen kann sich aus den Werten der anlässlich der Drogenfahrt angeordneten und durchgeführten Blutentnahme ergeben. Insoweit ist beim Antragsteller ein Wert von 1,6 ng/ml THC gemessen worden und ein Wert von 22,1 ng/ml THC-COOH, wobei die Blutprobe weniger als eine Stunde nach Verkehrskontrolle durchgeführt worden ist.

Haschisch ist wegen des Wirkstoffes THC ein berauschendes psychoaktives Mittel. Aktives THC lässt sich infolge seines chemischen Abbaues nur während einer sehr begrenzten Zeit nach dem Konsum nachweisen. Bei einem THC-Wert ab 1,0 ng/ml wird allgemein die Fahruntüchtigkeit einer Person wegen akuten Cannabisrausches bis zur Dauer einer mehrstündigen Abklingphase angenommen (Nds. OVG, Beschluss v. 11.07.2003 - 12 ME 287/03 -; BVerfG, Beschluss v. 21.12.2004 - 1 BvR 2652/03 -).

Der Wert des THC-COOH hat keinen direkten Einfluss auf die Fahreignung, ist aber ein Hinweis für einen Probierkonsum, einen gelegentlichen Konsum oder einen regelmäßigen Konsum. THC-COOH ist ein Metabolit, ein (rauschunwirksames) Abbauprodukt von THC. Aus Sicht des Konsumenten hat es die unangenehme Eigenschaft, dass es sich sehr langsam abbaut. Wenn ein Mensch einmal einen Joint konsumiert, wird sich das konsumierte THC unter anderem in THC-Carbonsäure umwandeln. Wird in der Folgezeit nichts konsumiert, wird die Carbonsäure auf natürlichem Weg ausgeschieden. Wird am zweiten Tag aber wieder ein Joint geraucht, steigt der Carbonsäurespiegel, um dann irgendwann ein Niveau zu erreichen, das Vermutungen auf „regelmäßigen" Konsum zulässt. Mit anderen Worten: Je intensiver und häufiger konsumiert wurde, ein desto höherer THC-COOH-Spiegel ist zu erwarten. Bei Blutproben, die nur wenige Stunden nach dem letzten Konsum abgenommen wurden, kann ab einer THC-COOH-Konzentration von 150 ng/ml ein regelmäßiger Konsum als gesichert angesehen werden. Wird die Blutprobe dagegen aufgrund der Aufforderung durch die Straßenverkehrsbehörde entnommen, so ist von regelmäßigem Konsum auszugehen, sobald eine Konzentration von mindestens 75 ng/ml THC-COOH im Blut nachgewiesen wird. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Betroffenen bis zu 8 Tage nach Aufforderung durch die Straßenverkehrsbehörde Zeit haben, sich einer Blutentnahme zu unterziehen. Während dieser Zeit haben sie die Möglichkeit, ganz auf den Konsum von Cannabis zu verzichten. Legt man die Halbwertszeit von rund 6 Tagen von THC-COOH zugrunde, so reichen bereits weniger als 3 Tage aus, bis die Konzentration von beispielsweise 100 ng/ml auf 75 ng/ml abfällt, und bei 6 Tagen werden die Werte halbiert (nach Gehrmann in NZV 2002, 201, 2,6, wurde die durchschnittliche Halbwertzeit von THC-COOH mit 5,2 Tagen ermittelt).

Aufbauend auf Studien von Daldrup wird von folgenden Werten ausgegangen, die auf einer Blutentnahme beruhen, die nach der Ankündigung in einem Zeitraum bis zu 8 Tagen erfolgen. Bei einer Blutentnahme unmittelbar nach Feststellung der Drogenfahrt müssen die Werte - wie dargestellt - verdoppelt werden.

- THC-COOH unter 5,0 ng/ml: Einmaliger Konsum oder Verdacht auf gelegentlichen Konsum
- THC-COOH zwischen 5 und 75 ng/ml: Gelegentlicher Konsum erwiesen / Verdacht auf regelmäßigen Konsum (je höher, desto regelmäßiger)
- THC-COOH über 75 ng/ml: Regelmäßiger Konsum von Cannabis

Die Werte sind nicht unumstritten. Es wird - vor allem in Verfahren nach dem Fahrerlaubnisrecht - vertreten, dass eine Abgrenzung zwischen einmaligem und gelegentlichem Konsum von Cannabis im Bereich eines THC-COOH-Wertes bis zu 100 ng/ml aus wissenschaftlicher Sicht bei zeitnah zur Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss genommenen Blutproben grundsätzlich nicht möglich erscheint (vgl. OVG Greifswald, Beschluss v. 19.12.2006 - 1 M 142/06 -; Zwerger in ZfS 2007, 551; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 02.03.2011 - 10 B 11400/10 -).

Bei der Frage der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung ist ein Rückgriff auf die THC-COOH-Werte und daraus ableitbar der Hinweis für einen regelmäßigen Konsum oder einen gelegentlichen Konsum oder aber einen Probierkonsum jedoch durch die Niedersächsische Rechtsprechung anerkannt (vgl. Nds. OVG, Beschluss v. 24.11.2010 - 11 LA 468/10; Beschluss v. 07.01.2010 - 11 ME 439/09 -; Beschluss v. 28.06.2010 - 11 ME 121/10 -; Beschluss v. 06.02.2012 - 11 ME 421/11 -). Bei einem „regelmäßigen Konsumenten" kann eher künftiger erneuter Drogenerwerb ernsthaft erwartet werden als bei jemandem, bei dem bloßer „Probierkonsum" vorliegt. Bei einem regelmäßigen Konsum ist dann auch eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht unverhältnismäßig (Nds. OVG, Beschl. v. 6.2.2012 a.a.O.). Bei Drogendelikten ist die Wiederholungsgefahr groß, wenn typischerweise der Drogenkonsum zu einem Abhängigkeitsverhalten geführt hat, welches die Begehung weiterer strafrechtlich relevanter Verstöße gegen die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes sehr wahrscheinlich macht.

Ausgehend von einem THC-COOH-Wert beim Antragsteller von 22,1 ng/ml aufgrund einer Blutprobe im direkten Anschluss an die Verkehrskontrolle ist aufgrund der von Daldrup aufgestellten Werte eher von einem nur gelegentlichen Konsum auszugehen. Bei einem gelegentlichen Konsum bewegen sich die Werte nach Daldrup zwischen 10 und 150 ng/ml bei zeitnaher Blutentnahme. Die Werte sind daher weit entfernt von den Werten für einen regelmäßigen Konsum.

c. Die Besorgnis zukünftiger strafrechtlicher Ermittlungen gegen den von der erkennungsdienstlichen Behandlung Betroffenen bei Drogendelikten können auch an weitere Gesichtspunkte anknüpfen, etwa wenn beim Betroffenen „Konsumutensilien" gefunden werden („Kawumm" oder „Bong"), die gegen einen bloßen Probierkonsum sprechen. Eine Besorgnis kann sich auch ergeben, wenn objektive Anhaltspunkte für eine weitergehende feste Einbindung in die Drogenszene bestehen. So können festgestellte wiederholte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz die Besorgnis zukünftiger strafrechtlicher Ermittlungen begründen. Demgegenüber reicht es bei einmaliger Auffälligkeit nicht aus, dass sich der Betroffene zum Drogenerwerb kurz in einem Randbereich des Drogenmilieus bewegt hat und Quellen kennt, wo Drogen erhältlich sind. Dies ist bei allen Drogenkonsumenten der Fall, selbst bei den „Probierkonsumenten", und kann deshalb kein allein entscheidendes Kriterium für die Befürchtung späterer Straftaten sein. Anhaltspunkte für eine Einbeziehung in die Drogenszene sind gegeben, wenn Verdachtsmomente vorliegen, dass sich der Betroffene als Zwischenhändler betätigt. Dies kann - wie oben bereits dargelegt - aus der Menge des bei der Kontrolle vorgefundenen Haschischs geschlossen werden; auch andere Gesichtspunkte (Zeugenaussagen) können einen ernsthaften Verdacht begründen, in den Klein- und Straßenhandel eingebunden zu sein. In diesem Zusammenhang ist nicht von der Hand zu weisen, dass schon der unerlaubte Erwerb und der unerlaubte Besitz als solcher fremde Rechtsgüter gefährdet, weil er die Möglichkeit einer unkontrollierten kostenlosen Weitergabe der Droge an Dritte eröffnet. Die unentgeltliche Abgabe der Droge - auch der „gemeinsame Joint" - findet nicht selten in einem sozialen Umfeld statt, in dem sich gefährdete Personen wie etwa Jugendliche oder psychisch Labile oder Dauerkonsumenten von Cannabisprodukten befinden, die Abgabe der Droge eröffnet in solchen Fällen ein Gemeinschaftserlebnis, durch das bisher nicht zum Kreis der Konsumenten gehörende Personen zum Drogenkonsum verleitet oder bestehende psychische Abhängigkeiten von der Droge verfestigt werden können. Dies sind aber nur allgemeine Erwägungen und allgemeine Gefahren, die mit der Gesetzesvorschrift des § 31 a BtMG in Kauf genommen werden. Sie stehen auch nicht in konkretem Zusammenhang mit dem jeweils von der erkennungsdienstlichen Behandlung betroffenen Menschen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings weiter, dass das Ausmaß der Betäubungsmittelkriminalität und des Drogenmissbrauchs weitgehend verborgen bleibt. Die Aufklärungsquote von Straftaten in diesem Bereich hängt häufig vom Ausmaß polizeilicher Aktivitäten, z. B. von Kontrollen ab. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, Cannabis-Konsumenten gleichsam „einem Generalverdacht" wiederholter Straffälligkeit zu unterstellen. Dies wäre mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes und dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu vereinbaren, auch nicht mit Sinn und Zweck des Nieders. Anwendungserlasses zu § 31 a BtMG. Allerdings kann die Besorgnis zukünftiger strafrechtlicher Ermittlungen gegen den von der erkennungsdienstlichen Behandlung Betroffenen bei Drogendelikten anknüpfen auch an die Persönlichkeit des Täters, seine persönlichen und sozialen Verhältnisse, aus denen auf eine Fremdgefährdung geschlossen werden kann. Hiervon kann insbesondere ausgegangen werden, wenn zu besorgen ist, dass der Betroffene Betäubungsmittel in einer Weise gebraucht, die eine Verführungswirkung auf nicht abhängige Jugendliche und Heranwachsende haben kann oder wenn etwa zu besorgen ist, dass der Betroffene Betäubungsmittel in der Öffentlichkeit ostentativ vor besonders schutzbedürftigen Personen (z. B. Kindern und Jugendlichen) oder vor Einrichtungen wie Kindergärten, Spielplätzen, Schulen, Jugendheimen, Jugendwohnungen oder Bahnhöfen, konsumiert. Wenn zu besorgen ist, dass Drogen in einer Weise gebraucht werden, die eine Verführungswirkung auf nicht abhängige Kinder, Jugendliche und Heranwachsende haben kann, ist schon bei einem „minder schweren Fall" des Drogenumgangs die erkennungsdienstliche Behandlung angezeigt. Bereits nach dem genannten Nieders. Anwendungserlass besteht in solchen Fällen ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, so dass auch bei dem Auffinden von geringen Mengen Cannabis eine Einstellung des Strafverfahrens nach § 31 a BtMG nicht in Betracht kommt. Gibt der konkrete Fall dazu Anlass, sind bei jungen Menschen ihre Persönlichkeitsentwicklung und die hier besonders zu bekämpfenden Gesundheitsgefahren auch bei der Frage der Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung einzubeziehen. Der Umstand, dass erkennungsdienstliche Unterlagen über Rauschgiftkonsumenten „immer irgendwie" geeignet sind, polizeiliche Ermittlungen zur Identifizierung von Dealern und Rauschmittelabnehmern zu fördern und damit zur Eindämmung und Aufklärung entsprechender Straftaten beizutragen, ist richtig, darf aber nicht von dem Erfordernis ablenken, dass Anhaltspunkte dafür bestehen müssen, dass speziell der von der erkennungsdienstlichen Behandlung Betroffene als Verdächtiger eines strafbaren Handelns in die Ermittlungen einbezogen werden können muss. Auch insoweit bedarf es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht allgemeiner Erwägungen zur Aufklärung und Verhinderung von Rauschmittelmissbrauch, sondern konkreter Erwägungen gerade zum Betroffenen, dem gegenüber die erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet worden ist. § 81 b StPO rechtfertigt nicht die Anlegung einer „allgemeinen Kifferkartei" zur Abschreckung, vielmehr dient die Vorschrift der Gewinnung von Unterlagen zur Vorsorge künftiger polizeilicher Arbeit und vereinfachter Aufklärung bei späteren Straftaten, in denen ein Bezug gerade zum Betroffenen der erkennungsdienstlichen Behandlung besteht.

d. Bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse des Einzelfalles ist davon auszugehen, dass beim Antragsteller 9 g Haschisch aufgefunden worden sind, 50 % mehr als die strafrechtlich unbedenkliche Menge. Seine Blutwerte haben jedoch auf einen eher gelegentlichen Konsum schließen lassen. Bei einer Hausdurchsuchung sind Cannabissamen von nicht genannter Menge und nicht näher umschriebene „Konsumutensilien" gefunden worden. Aus diesem nur unsubstantiierten Hinweis in der Antragserwiderung - in der Verfügung werden diese Umstände gar nicht erwähnt - kann nicht der Schluss gezogen werden, der Antragsteller sei entgegen der Vermutung aufgrund der Blutwerte stärker in den Drogenkonsum oder in die Drogenszene allgemein eingebunden. Eine engere Einbeziehung in die Drogenszene ist von der Antragsgegnerin nicht behauptet worden, auch nicht besonders sozialschädliche Verhaltensweisen des Antragstellers. Die allgemeine Möglichkeit, er werde zukünftig erneut Cannabis erwerben bzw. besitzen, kann zwar nicht ausgeschlossen werden. Gleichwohl ist in die Abwägung der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen der benannte Nieders. Anwendungserlass, in welchem unter Ziff. 2.2 ausgeführt wird: „Bei nicht betäubungsmittelabhängigen Beschuldigten kann eine geringe Schuld in der Regel im ersten oder zweiten Fall angenommen werden, während bei wiederholtem Antreffen mit unerlaubten Betäubungsmitteln eine Einstellung nach § 31 a BtMG nur ausnahmsweise, etwa bei Vorliegen eines größeren Tatzwischenraumes, sowie unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots in Betracht kommt." Insoweit handelt es sich - was den ersten Fall des Antreffens mit unerlaubten Betäubungsmitteln angeht - nicht allein um eine strafrechtliche Bewertung des Drogengebrauchs, sondern um einen Ausfluss des Übermaßverbotes, worauf das Bundesverfassungsgericht (in seinem Beschl. vom 9. 3. 1994 - 2 BvL 43/92 - NJW 1994 S. 1577; zur Verfassungsmäßigkeit des geltenden Betäubungsmittelstrafrechts) hingewiesen hat, was bei der Frage der Erforderlichkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht ignoriert werden kann. Aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls - auch unter Berücksichtigung dessen, dass bei dem Antragsteller geringfügig mehr als die „unschädlichen" 6 g Cannabis vorgefunden worden sind - überwiegt im vorliegenden Fall das Interesse des Antragstellers noch das öffentliche Interesse am Sofortvollzug und der Durchsetzung einer erkennungsdienstlichen Behandlung. ..."

***



Verwertbarkeit einer Aussage

Ist der Betroffene von seiner Aussage über die Häufigkeit seines Cannabiskonsums entgegen der für das Strafverfahren geltenden Bestimmung des § 136 I 2 StPO nicht über sein Schweigerecht belehrt worden, so führt dieser Verstoß nicht dazu, dass diese Aussage im behördlichen Entziehungsverfahren nicht zur Begründung der Fahrerlaubnisentziehung herangezogen werden darf (VGH Mannheim, Beschluss vom 16.05.2007 - 10 S 608/07 zu zu §§ 14 FeV, 136 I 2 StPO, NJW 2007, 2571, 2572).



Verwertungsverbot - Verstoß gegen § 81 a StPO

„... I. Der am ... geborene Antragsteller war Inhaber einer im Jahr 1990 bzw. 1998 erteilten Fahrerlaubnis der Klassen 3 und 1.

Am 6. September 2012 teilte die Polizeibehörde ... der Fahrerlaubnisbehörde unter den Personalien des Antragstellers durch Übersendung eines ausgefüllten Formblattes „Zusatzinformation zur Anzeige wegen des Führens eines Fahrzeugs unter Einwirkung von Alkohol und/oder berauschenden Mitteln oder Substanzen (zugleich Informationsblatt für die zuständige Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 2 Abs. 12 StVG)" mit, dass der Antragsteller am 2. Juli 2012 ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe. Während einer Verkehrskontrolle habe sich der Verdacht ergeben, dass der Fahrzeugführer unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stehe. Ein Speichelvortest habe positiv auf THC und Amphetamin reagiert. Angaben zum Drogenkonsum seien verweigert worden. Es sei eine Blutprobenentnahme erfolgt. Der Führerschein sei dem Betroffenen nach Abschluss der polizeilichen Maßnahme wieder ausgehändigt worden. Ferner war beigelegt eine Kopie des toxikologisch-chemischen Untersuchungsergebnisses des ... vom 14. August 2012. Hierin wurde unter Bezugnahme auf das Ereignis (2.7.2012, 22.35 Uhr) und unter Bezugnahme auf zwei mit dem Namen des Antragstellers versehenen Anlagen u.a. ausgeführt, dass in dieser Blutprobe 2,9 ng/ml THC, 11,5 ng/ml Amphetamine, 15,3 ng/ml MDA, 125,3 ng/ml MDMA und 85,6 ng/ml Benzoylecgonin nachgewiesen worden seien. Ferner ist in dem Gutachten ausgeführt, dass die ermittelten Blutkonzentrationen die Annahme einer zeitnahen bzw. kurzfristig zur Blutentnahme erfolgten Cannabis-, Cocain- und MDMA-Aufnahme durch den Betroffenen rechtfertigten.

Die Fahrerlaubnisbehörde nahm dies zum Anlass, den Antragsteller mit Schreiben vom 12. September 2012 zur nunmehr beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis anzuhören. Hierbei wurden dem Antragsteller die Ergebnisse der Blutuntersuchung durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität ... mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass sich der Antragsteller durch die Einnahme von Betäubungsmitteln als fahrungeeignet erwiesen habe.

Der Antragsteller teilte daraufhin mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15. Oktober 2012 sowie 30. Oktober 2012 u.a. mit, dass nach jeweils genommener Akteneinsicht sich aus den Akten der Staatsanwaltschaft ..., der Bußgeldbehörde des Landkreises ... und der Führerscheinakte jeweils nicht entnehmen lassen könne, dass dem Antragsteller überhaupt Blut entnommen worden sei. Ein ärztliches Protokoll zur Blutentnahme sei nicht vorhanden. Ebenfalls sei keine nach § 81a StPO erforderliche Anordnung zur Blutentnahme enthalten. Wessen Blutprobe tatsächlich dem toxikologisch-chemischen Untersuchungsergebnis zu Grunde gelegt worden sei, sei nicht nachvollziehbar und könne deshalb dem Antragsteller auch nicht zur Last gelegt werden.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2012 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis unter Anordnung des Sofortvollzuges.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Antragsteller durch die Einnahme der im chemisch-toxikologischen Gutachten nachgewiesenen Betäubungsmittel gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Ziffer 9.1. der Anlage 4 zur FeV als fahrungeeignet erwiesen habe und ihm deshalb die Fahrerlaubnis zu entziehen sei.

Die Anordnung des Sofortvollzuges wurde u.a. dahingehend begründet, dass nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte für die Entziehung der Fahrerlaubnis ein öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug jedenfalls dann bestehe, wenn bei Weiterbelassung der Fahrerlaubnis eine Gefährdung der Verkehrssicherheit mit Grund zu befürchten sei. Leben und Gesundheit seien so hochwertige Rechtsgüter, dass auch die Möglichkeit einer Gefährdung oder Schädigung ausgeschlossen werden müsse. Nach alledem sei das öffentliche Interesse daran, dass die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung eingezogen werde, so gewichtig, dass dem gegenüber das Privatinteresse am Erhalt der Fahrerlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zurücktreten müsse. Da der Antragsteller bereits ein Kraftfahrzeug unter Drogeneinfluss geführt habe, bestehe im vorliegenden Fall Grund zur Befürchtung, dass bei weiterer Benutzung eines Kraftfahrzeuges andere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder geschädigt werden könnten.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 31. Oktober 2012 Widerspruch ein und beantragte am gleichen Tage bei Gericht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29. Oktober 2012 wieder herzustellen, hilfsweise festzustellen, dass der Widerspruch des Antragstellers aufschiebende Wirkung habe.

Der Antrag wurde u.a. dahingehend begründet, dass die Begründung zur Anordnung des Sofortvollzuges nicht die Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO erfülle. Eine einzelfallbezogene Begründung liege nicht vor. Es würden nur abstrakte, potenzielle Gefahren dargestellt. Welche Gefahren nun vom Antragsteller ausgingen, wie schwer diese wögen und weshalb dann das besondere öffentliche Interesse derart überwiege, dass eine Entscheidung im regulären Verwaltungsverfahren nicht abgewartet werden könne, sei nicht dargelegt und es sei eine Abwägung der im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Interessen nicht enthalten.

In materiell rechtlicher Hinsicht berufe sich die Behörde darauf, dass dem Antragsteller im Rahmen der polizeilichen Kontrolle Blut entnommen worden sei. Aus der Führerscheinakte der Behörde sowie der Ordnungswidrigkeitenakte des Landkreises ..., lasse sich nur entnehmen, dass durch die sachbearbeitende Beamtin die Blutentnahme angeordnet worden sei. Unabhängig von der Frage, ob diese Anordnung gegen § 81a StPO verstoße, sei weder in der Führerscheinakte noch in der Ordnungswidrigkeitenakte und auch nicht in der Akte der Staatsanwaltschaft dokumentiert, dass dem Antragsteller Blut abgenommen worden sei. In allen oben bezeichneten Akten sei ein ärztliches Protokoll zur Blutentnahme nicht vorhanden. Wessen Blutprobe tatsächlich dem in den Akten befindlichen toxikologischen-chemischen Untersuchungsergebnis zu Grunde gelegt werde, sei nicht nachvollziehbar und könne deshalb dem Antragsteller auch nicht zur Last gelegt werden. Der Antragsgegner beantragte Antragsablehnung und führte in der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen u.a. aus, dass zur Überzeugung der Behörde zweifelsfrei festgestanden habe, dass die Blutuntersuchung in nicht zu beanstandender Weise durch das Institut der Rechtsmedizin ... durchgeführt worden sei und ganz eindeutig dem Antragsteller zuzurechnen sei. Schon auf der ersten Seite des ärztlichen Gutachtens sei insgesamt dreimal der Name „..." erwähnt. Auch werde in dem Gutachten darauf verwiesen, dass weitere Angaben zum Sachverhalt bzw. Angaben des Betroffenen zur Einnahme beeinträchtigender Mittel innerhalb der letzten 24 Stunden bis drei Tage vor dem Vorfall bzw. zu möglichen Konsumzeiten im Polizeiprotokoll nicht dokumentiert worden seien bzw. hierzu keine Angaben gemacht worden seien. Aus diesen Ausführungen sei zu entnehmen, dass ein Polizeiprotokoll gefertigt worden sei. Man gehe davon aus, dass sich dieses bei den polizeilichen Unterlagen befinde. Im Übrigen sei die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ausreichend begründet worden. Im Hinblick (u.a.) auf die unstreitige Gefährlichkeit eines Drogenmischkonsums habe es das Amt nicht für erforderlich gehalten - wie jedoch vorgetragen - eine „konkrete Auseinandersetzung mit der Person des Antragstellers und der gerade von ihm ausgehenden Gefahren" vorzunehmen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vom Antragsgegner vorgelegte Verwaltungsakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.

II. Der Antrag ist zulässig, sachlich jedoch unbegründet.

1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs dagegen ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung sind die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung können auch die Erfolgsaussichten des Rechtsmittelverfahrens in der Hauptsache berücksichtigt werden. Bleibt dieses mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere Interesse am Sofortvollzug überwiegen wird. Verspricht das Rechtsmittelverfahren dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg, wird regelmäßig das Interesse des Betroffenen am vorübergehenden Nichtvollzug vorrangig sein, da am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes in der Regel kein besonderes öffentliches Interesse bestehen kann. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittelverfahrens offen, ist im Rahmen der oben genannten Abwägung das Interesse des Antragstellers, mit dem Vollzug des ihn belastenden Verwaltungsaktes vor dessen Bestandskraft nicht überzogen zu werden, abzuwägen mit dem besonderen öffentlichen Interesse der Allgemeinheit, den angefochtenen Verwaltungsakt - (im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG) ausnahmsweise - schnellstmöglich zu vollziehen. Maßstab für diese Abwägung ist ein Vergleich der Verhältnisse einerseits für den angenommenen Fall, dass die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren jedoch bestätigt wird, mit andererseits der angenommenen Konstellation, dass der Sofortvollzug bestehen bleibt, der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren jedoch aufgehoben wird.

Im vorliegenden Fall ergibt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, aber auch ausreichende, summarische Überprüfung, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Recht entzogen worden ist, da hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er in der Tat derzeit zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

Der angegriffene Bescheid ist nicht zu beanstanden, da er insbesondere zu Recht davon ausgeht, dass der Antragsteller wegen nachgewiesener Einnahme von Betäubungsmitteln fahrungeeignet ist.

2.1 Nach §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist unter anderem der Fall, wenn in der Person des Fahrerlaubnisinhabers Mängel nach Anlage 4 zur FeV vorliegen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV).

Diese Anlage richtet sich in ihrem Aufbau u.a. nach den (früheren) Begutachtungs-Leitlinien „Krankheit und Kraftverkehr" - 5. Auflage 1996 - des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesminister für Verkehr, nunmehr Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung (amtliche Begründung VkBl 1998, 1067), einem antizipierten Sachverständigengutachten, dem ein entsprechendes verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zu Grunde liegt und das deshalb nach der ständigen Rechtsprechung zur Würdigung des Sachverhalts und zur Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen heranzuziehen ist.

Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 und Ziffer 3.12.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung (6. Auflage 2000) ist u.a. derjenige nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden, und damit ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (wie z.B. Amphetamin oder Ecstasy oder Kokain - vgl. Anlagen zu § 1 Abs. 1 BtMG) konsumiert.

In § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. der Anlage 4 zur FeV hat der Verordnungsgeber eine Bewertung der Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorgenommen, indem er die auf wissenschaftlicher Grundlage gewonnenen und bereits im Gutachten „Krankheit und Kraftverkehr" zusammengefassten Erkenntnisse in die FeV integriert und damit normativ als für den Regelfall zutreffend gekennzeichnet hat. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV beinhaltet daher den Erfahrungssatz, dass schon die Einnahme (nur) eines der oben genannten Betäubungsmittel regelmäßig die Fahreignung ausschließt. An diese normative Wertung sind die Behörden und die Gerichte gebunden, solange im Einzelfall keine Umstände vorliegen, welche ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen, die Regelannahme (vgl. hierzu die Vorbemerkung zur Anlage 4 zur FeV) also entkräften könnten (vgl. dazu OVG Koblenz, Urteil vom 23.5.2000 - VRS 99, 238; OVG Brandenburg vom 22.7.2004, VRS 107, 397 m.w.N.).

Für den Eignungsausschluss nach §§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV genügt bereits der Nachweis des einmaligen Konsums eines im Betäubungsmittelgesetz angeführten Rauschmittels (außer Cannabis). Dies folgt zum einen aus der Verwendung des Begriffs „Einnahme", der auch ein erstes/einmaliges Konsumieren erfasst, aber ebenso aus der Systematik der Ziffer 9 der Anlage 4 zur FeV. Der Verordnungsgeber differenziert in Ziffer 9 zwischen der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen (Ziffer 9.3), der missbräuchlichen Einnahme (= regelmäßig übermäßiger Gebrauch) von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen (Ziffer 9.4), der regelmäßigen Einnahme von Cannabis (Ziffer 9.2.1) sowie einer gelegentlichen Einnahme (Ziffer 9.2.2) und der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ohne Cannabis) in Ziffer 9.1. Die letztgenannte, die Fahreignung ausschließende Verhaltensweise ist weder an eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln noch an ihre missbräuchliche, regelmäßige oder gelegentliche Einnahme geknüpft. Die hierin zum Ausdruck kommende Strenge des Verordnungsgebers ist in der Aufnahme des jeweiligen Betäubungsmittels in den Katalog des Betäubungsmittelgesetzes begründet, die wegen seiner besonderen Gefährlichkeit im Falle des Konsums erfolgte (vgl. OVG Koblenz Beschluss vom 21.11.2000 - 7 B 11967/00; OVG Weimar Beschluss vom 30.9.2002 VRS 103, 391; VGH Mannheim Beschluss vom 28.5.2002 - 10 S 2213/01; VGH München Beschluss vom 12.8.2002 - 11 CS 02.1816).

Für den Eignungsausschluss im Falle eines Konsums von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes ist somit in der Regel maßgeblich allein die (erwiesene) Tatsache eines solchen Konsums, unabhängig davon, wann und in welchem Umfang ein solcher Konsum erfolgt ist, somit selbst im Falle eines nur einmaligen Konsums (vgl. BayVGH Beschluss vom 12.8.2002 - 11 CS 02.1816) und unabhängig davon, ob unter dem Einfluss eines solchen Betäubungsmittels ein Kfz geführt worden war (so ausdrücklich BayVGH Beschluss vom 8.4.2003 - 11 CS 02.2775).

2.2 Eine Fahreignung im vorstehenden Sinne ausschließender Konsum von Drogen (Cocain und MDMA) ergibt sich jedoch zur Überzeugung des Gerichts aus dem toxikologischen Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität ... vom 14. August 2012.

2.2.1 Soweit der Antragsteller vorträgt, dieses Gutachten weise die Betäubungsmitteleinnahme gerade nicht nach, da weder in den Strafakten, der Ordnungswidrigkeitenakte noch in der Fahrerlaubnisakte ein Blutentnahmeprotokoll (über die Abnahme des Blutes gerade beim Antragsteller) enthalten sei, folgt dem das Gericht nicht, da sich bereits aus den in der Fahrerlaubnisakte befindlichen (Blatt 1 - 6) Unterlagen des Kriminalkommissariats ... i.V.m. dem dort (in Kopie) enthaltenen Gutachten vom 14. August 2012 sich bereits zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts ergibt, dass die dort begutachtete Blutprobe vom Antragsteller selbst stammt.

Selbst wenn man zu Gunsten des Antragstellers davon ausgeht, dass wie vorgetragen ein Blutabnahmeprotokoll in den vom Antragsteller bezeichneten Akten nicht enthalten ist, ergibt sich dadurch kein Bruch in der Nachweiskette, dass der Antragsteller Betäubungsmittel eingenommen hat. Die Angaben der Polizei auf Blatt 4 bis 6 der Fahrerlaubnisakte geben nachvollziehbar und widerspruchsfrei wieder, dass der Antragsteller als Führer eines Kraftfahrzeuges polizeilich kontrolliert wurde, eine Blutprobe angeordnet wurde, welche auch auf dem Polizeirevier ... durch den Arzt ... durchgeführt wurde. Dass tatsächlich der Antragsteller kontrolliert wurde ergibt sich ergänzend auch dadurch, dass auf Blatt 5 unten der Fahrerlaubnisakte die Dokumentennummer des Führerscheins angegeben wurde mit „...". Dies korrespondiert mit den Angaben im Schreiben der damaligen Ausstellungsbehörde des ...-... Kreises vom 11. September 2012 (Blatt 8 der Fahrerlaubnisakte), wo ebenfalls diese Nummer für den erweiterten Führerschein der Klassen 1 und 3 vom 22. September 1998 genannt wird. Auf die persönlichen Daten des Antragstellers bzw. die Vorfallsdaten nimmt dann auch das Gutachten vom 14. August 2012 Bezug.

Es ist zudem nichts vorgetragen oder ersichtlich, dass die Angaben der Polizei bzw. des Instituts aus sonstigen Gründen nicht zutreffen könnten. Es widerspricht auch jeglicher Lebenserfahrung, dass eine „wildfremde" Blutprobe einem völlig Unbeteiligten verfahrensrechtlich zugeordnet wird. Selbst der Antragsteller hat nicht behauptet, dass bei ihm etwa keine Blutprobe entnommen worden sei, sondern nur, dass ein Protokoll über die Blutentnahme sich nicht in den Akten sich befinde.

2.2.2 Soweit der Antragsteller weiter der Sache nach in den Raum stellt, das Gutachten könnte nicht verwertet werden, da die Anordnung der Blutentnahme entgegen § 81a StPO nicht durch den Richter getroffen worden sei, würde dies, auch bei Wahrunterstellung, der Verwertung im Verwaltungsverfahren über die Fahrerlaubnis nicht entgegenstehen. Selbst wenn die hier in Rede stehende Blutentnahme unter Verstoß gegen dem in § 81a StPO statuierten Richtervorbehalt ergangen wäre, würde dies nicht bedeuten, dass ein eventuelles Verwertungsverbot im repressiven Verfahren zwangsläufig und deckungsgleich auch für das hier vorliegende präventive Entziehungsverfahren Geltung beanspruchen müsste. Eine derartige Erstreckung eines strafprozessualen Verwertungsverbots im Verwaltungsverfahren ist jedenfalls nicht normiert. Das Strafrecht und Ordnungsrecht verfolgen verschiedene Ziele mit verschiedenen Mitteln, so dass auch Verwertungsverbote, welche im Grunde das Ergebnis einer Zweck/Mittel-Relation - hier des Strafrechts - darstellen, schon aus diesem Grunde nicht schematisch übertragen werden könne.

Nach der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 28.1.2010 - Az. 11 CS 09.1443 - juris) bleibt unter Heranziehung des Rechtsgedankens des Art. 46 BayVwVfG die unterlassene Einholung einer richterlichen Entscheidung auch ohne Gefahr im Verzug jedenfalls dann auf die fahrerlaubnisrechtliche Verwertbarkeit des Ergebnisses der Blutanalyse ohne Einfluss, wenn es auf der Hand liegt, dass der Richter für einen solchen Eingriff die Genehmigung nicht hätte versagen können. Dies kann angenommen werden, wenn z.B. auf Grund von Auffälligkeiten oder des Ergebnisses eines Schnelltests der Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit (vgl. § 46 Abs. 4 Satz 1 OWiG) bestanden hat. Lässt sich in einer Rückschau nicht sicher bejahen, dass eine richterliche Anordnung nach § 81a Abs. 2 StPO, wäre sie beantragt worden, zweifelsfrei ergangen wäre, so hängt die Frage, ob das Ergebnis der Untersuchung einer Missachtung des Richtervorbehalts erlangten Blutprobe für Zwecke des Fahrerlaubnisrechts verwertet werden darf, von einer Interessenabwägung ab. Im vorliegenden Falle spricht bereits viel dafür, dass angesichts des Zeitpunkts des Vorfalls (22.35 Uhr) ein richterlicher Beschluss nicht mehr rechtzeitig, wenn überhaupt erwirkt hätte werden können. Hinzu kommt, dass ein solcher wohl nicht hätte verweigert werden können, denn angesichts der Auffälligkeiten des Antragstellers bei der Kontrolle und insbesondere angesichts des positiven Vortests, bestanden ausreichende Verdachtsmomente (zu Vorstehendem insgesamt vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Baden Württemberg, Beschluss vom 21.6.2010 Az. 10 S 4/10 <juris>).

3. Es ist auch nichts ersichtlich dafür, dass der Antragsteller seine Eignung mittlerweile wiedererlangt haben könnte. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof - und ihm folgt dieses Gericht - geht in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass eine wegen Betäubungsmittelkonsums verloren gegangene Eignung erst nach mindestens einjähriger, nachgewiesener Betäubungsmittelabstinenz erlangt werden kann. Hinzu kommen muss eine Prognose, dass die Verhaltensänderung von Dauer ist, was sich nur bejahen lässt, wenn von einer positiven Veränderung der körperlichen Befunde ein stabiler, tiefgreifender Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhalten wird. Um einen solchen inneren Wandel eruieren zu können, bedarf es - gegebenenfalls neben ärztlichen Feststellungen - einer psychologischen Bewertung (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend BayVGH vom 9.5.2005 - 11 CS 04.2526 <juris>). Diese Anforderungen erfüllt der Antragsteller deshalb nicht, weil der letzte nachgewiesene Konsum nicht länger als ein Jahr zurück liegt.

Die Fahrerlaubnisbehörde durfte daher von der erwiesenen Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen, so dass es gemäß § 11 Abs. 7 FeV der vorherigen Einholung eines - weiteren - Gutachtens nicht bedurfte und die Fahrerlaubnis gemäß §§ 3 StVG, 46 FeV zwingend entzogen werden musste. Deshalb war im Übrigen auch kein Raum für eine Ermessensausübung, in deren Rahmen etwa die Wichtigkeit des Führerscheins für den Antragsteller hätte berücksichtigt werden können, gegeben.

4. Entgegen dem Antragsvorbringen ist auch nichts zu erinnern an der Erfüllung der förmlichen Voraussetzungen für die Anordnung des Sofortvollzuges.

Ist von der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, so ist es im Hinblick auf die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer rechtlich unbedenklich, dass die Behörde bei der Entziehung der Fahrerlaubnis die sofortige Vollziehung anordnet, dies nicht nur ausnahmsweise, sondern in der Masse der Fälle. Erweist sich ein Kraftfahrer - selbst im Rahmen einer nur summarischen Prüfung - als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so wäre es nicht zu verantworten, ihn weiter am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu lassen mit der Folge, dass dadurch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet würden. Angesichts der irreparablen Folgen, zu denen ein von einem ungeeigneten Kraftfahrer verursachter Verkehrsunfall führen kann, ist es unbedenklich, wenn die Behörde bei der Entziehung von Fahrerlaubnissen regelmäßig den Sofortvollzug anordnet (so OVG Hamburg NJW 2006, 1367).

Auch nach der ständigen Rechtsprechung dieses Gerichts sowie des Bayerischen Verwaltungs-gerichtshofs besteht ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides, welches die Behörde formell ausreichend im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO begrün-det hat. Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der dazu ausführt, dass es zwar richtig sei, dass die Anordnung des sofortigen Vollzugs eines Verwaltungsaktes regelmäßig besondere Gründe voraussetze, die über die Gesichtspunkte hinausgingen, welche den Verwaltungsakt selbst rechtfertigten. Im Bereich des Sicherheitsrechts könne dies aber nicht uneingeschränkt gelten, wozu auch die Fälle gehören würden, in denen die Fahreignung in Frage stehe, weshalb die weitere Führung eines Kraftfahrzeuges durch einen Fahrer unverzüglich verhindert werden müsse, wenn ernsthafte Zweifel an dessen Fahreignung bestünden.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen, war somit abzulehnen.

Aus vorstehenden Gründen war auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat, abzulehnen. ..." (VG Ansbach, Beschluss vom 08.11.2012 - AN 10 S 12.01991)



Wiedererteilung der Fahrerlaubnis

„... Die Fahrerlaubnisentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV. Die Beklagte und ihr folgend das Verwaltungsgericht haben zu Recht angenommen, der Kläger sei in dem für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung kraftfahrungeeignet gewesen. Dies ergibt sich daraus, dass er, wie der Vorfall vom 21. Dezember 2010 und das Ergebnis der Analyse dabei entnommenen Blutprobe belegen, seinerzeit die Fahreignung verloren und bis zum Erlass der Ordnungsverfügung nicht wiedererlangt hat. Der Verlust der Fahreignung beruhte auf Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung, weil der Kläger als zumindest gelegentlicher Cannabiskonsument diesen Konsum und die Teilnahme am Kraftfahrzeugverkehr nicht getrennt hat. Die Wiedererlangung der Fahreignung erfordert dann, wenn der Betroffene sich wie hier darauf beruft, den Konsum von Cannabis vollständig eingestellt zu haben, zunächst den labormedizinischen Nachweis längerfristiger Drogenfreiheit. Dieser Nachweis war vom Kläger bei Erlass der Entziehungsverfügung schon aus Zeitgründen nicht zu führen. Das gilt auch dann, wenn man abweichend von der Regelung in Nr. 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis- Verordnung, die sich unmittelbar auf Fälle bezieht, in denen Betäubungsmittelabhängigkeit bestand, einen Abstinenzzeitraum von sechs Monaten für ausreichend hielte. Für das Ausreichenlassen einer (noch) kürzeren Abstinenzdauer spricht vorliegend nichts, zumal angesichts des sehr hohen THC- COOH-Werts (> 200 ng/ml) vieles, wenn nicht alles auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum des Klägers hinwies. ..." (OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2012 - 16 E 1300/11)

***

„... Ihm wurde am 21. Juni 2007 die Fahrerlaubnis für diese Klassen neu erteilt. Am 12. August 2009 teilte die Polizei der Fahrerlaubnisbehörde mit, dass der Antragsteller am 19. Juni 2009 unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt habe (Ergebnis der Blutprobe: THC 2,1 ng/ml und THC-COOH 83,6 ng/ml).

Auf Anforderung der Fahrerlaubnisbehörde legte der Antragsteller am 16. Dezember 2009 ein ärztliches Gutachten zur Fahreignung vor, das zu dem Ergebnis kommt, der beim Antragsteller festgestellte Konsum von Cannabis sei zumindest phasenweise als regel- bzw. gewohnheitsmäßige Einnahme zu bezeichnen. Aufgrund der Befunde sei kein aktueller oder fortgesetzter Konsum feststellbar.

Mit Bescheid vom 18. Januar 2010 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis. Die sofortige Vollziehbarkeit wurde angeordnet. Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO stellte das Verwaltungsgericht Würzburg die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen diesen Bescheid wieder her, da die Fahrerlaubnisbehörde nicht geprüft habe, ob der Antragsteller die Fahreignung wieder erlangt habe.

Mit Bescheid vom 9. November 2010 hob die Fahrerlaubnisbehörde den Bescheid vom 18. Januar 2010 auf. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 forderte sie den Antragsteller auf, bis Ende April 2011 vier Drogenscreenings durchführen zu lassen und ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung vorzulegen. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller eine erhöhte Rückfall- bzw. Wiederauffallenswahrscheinlichkeit bestehe. Mit Schreiben vom 6. September 2011 teilte die Begutachtungsstelle gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde weiter mit, dass der Antragsteller eine lückenlose einjährige Drogenabstinenz nicht habe belegen können.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12. Oktober 2011 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller erneut die Fahrerlaubnis. Die sofortige Vollziehbarkeit wurde angeordnet.

Der Antragsteller ließ Anfechtungsklage erheben und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, den das Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 26. Januar 2012 ablehnte. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Zur Begründung führt sein Bevollmächtigter aus, es solle nicht in Abrede gestellt werden, dass die im medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachten zitierten Äußerungen des Antragstellers den Rückschluss zulassen können, dass sich dieser nicht ausreichend mit der Drogenproblematik auseinandergesetzt habe, er weiterhin die Problematik verharmlose und deshalb eine negative Prognose zu stellen sei. Auf die Besonderheiten des Einzelfalls werde aber nicht oder nur am Rande eingegangen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers seien stark angespannt. Es habe bereits der Familienschmuck wegen der Kosten des Verfahrens und der Einnahmeausfälle im Zusammenhang mit der Entziehung der Fahrerlaubnis verkauft werden müssen. Nunmehr hätten auch die Rentenversicherungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau verlustbringend veräußert werden müssen. Der Antragsteller habe bisher erhebliche Kosten im Zusammenhang mit den Drogenscreenings getragen. Seine an der Universitätsklinik Würzburg durchgeführte Therapie sei ebenfalls mit Einnahmeausfällen verbunden. Der Antragsteller habe gemeinsam mit seiner Ehefrau, mit der zusammen er in der Vergangenheit Cannabis konsumiert habe, die Drogenproblematik durchgesprochen und sei mit ihr übereingekommen, zukünftig weder alleine noch gemeinsam Cannabis zu konsumieren. Insgesamt habe der Antragsteller ausreichend Untersuchungsbefunde vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass er spätestens seit Juni 2009 keine Drogen mehr konsumiert habe. Hieraus ergebe sich auch, dass aus seiner Teilnahme am Straßenverkehr keine Gefahren für die Allgemeinheit entstünden.

Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer vom Erstgericht abweichenden Beurteilung.

1. In entsprechender Anwendung der Nr. 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung wird eine wegen gelegentlichem oder regelmäßigem Cannabiskonsum verloren gegangene Fahreignung jedenfalls dann wiedererlangt, wenn der Betroffene einen Abstinenzzeitraum von regelmäßig einem Jahr nachgewiesen hat. Ob diese Voraussetzung beim Antragsteller vorliegt, kann an dieser Stelle offen bleiben. Denn für die Wiedererlangung der Fahreignung ist in einem solchen Fall zusätzliche Voraussetzung, dass zu einer positiven Veränderung der körperlichen Befunde ein stabiler, tiefgreifender Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhält. Um einen solchen inneren Wandel eruieren zu können, bedarf es - gegebenenfalls neben ärztlichen Feststellungen - einer psychologischen Bewertung (BayVGH vom 9.5.2005 BayVBl 2006, 18).

Die vom Antragsteller vorgelegte psychologische Bewertung geht jedoch nachvollziehbar gerade davon aus, dass ein solcher tiefgreifender Einstellungswandel beim Antragsteller nicht Platz gegriffen hat. Demgegenüber kann eine stabile Verhaltensänderung nicht dadurch belegt werden, dass trotz einer vorhandenen angespannten wirtschaftlichen Situation erhebliche Kosten für den Nachweis von Drogenabstinenz und Therapie aufgewendet werden und das Vorhaben, künftig auf Drogen zu verzichten, gemeinsam mit einer nahestehenden Person diskutiert und geplant wird.

2. Soweit in der Beschwerdebegründung anklingt, eine von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung gebiete es, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Antragstellers in der Hauptsache anzuordnen bzw. wiederherzustellen, da der Antragsteller nachgewiesen habe, drogenabstinent zu leben, ist dem nicht zu folgen. Die Interessenabwägung hat sich an den Vorgaben zu orientieren, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 20. Juni 2002 (NJW 2002, 2378) aufgestellt hat. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es danach, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Ein Fahrerlaubnisinhaber muss den Entzug dieser Berechtigung dann hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen ordnungsgemäßen Ablauf resultiert; dieses Risiko muss deutlich über demjenigen liegen, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis wird deshalb in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des durchschnittlichen motorisierten Verkehrsteilnehmers liegt (Jagow, Fahrerlaubnis- und Zulassungsrecht, Loseblattkommentar, Stand September 2011, § 46 FeV S. 113x). Davon kann hier jedoch keine Rede sein, nachdem der Antragsteller laut Mitteilung der Begutachtungsstelle nicht in der Lage war, eine lückenlose Abstinenz nachzuweisen und die für eine zukünftige dauerhafte Abstinenz des Antragstellers, die die Bedenken gegen seine Teilnahme am Straßenverkehr entfallen lassen würden, notwendige nachhaltige und stabil gefestigte Einstellungsänderung bislang nicht belegt ist. ..." (VGH München, Beschluss vom 20.03.2012 - 11 CS 12.262)

***

„... Die Hauptsacheerfolgsaussichten sind zumindest als offen anzusehen. Der Kläger ist von der Fahrerlaubnisbehörde zunächst zu Recht - ausgehend von der Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss am 11. April 2008 und seinen eigenen Angaben in dem dem Gutachten vom 8. Dezember 2008 zugrunde liegenden Explorationsgespräch - als gelegentlicher Cannabiskonsument eingestuft worden, bei dem - ausgehend wiederum vom Ergebnis des Gutachtens vom 8. Dezember 2008 - nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet ist, dass er zukünftig nicht unter dem Einfluss von Cannabis am Straßenverkehr teilnehmen wird.

Der Kläger hat jedoch noch vor Erlass des streitgegenständlichen Entziehungsbescheids dadurch eine beachtliche Abstinenzbehauptung erhoben und einen einjährigen Abstinenzzeitraum von einem Jahr nachgewiesen, dass er den Befundbericht vom 26. Oktober 2009 vorgelegt hat, an dessen Richtigkeit zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat. In entsprechender Anwendung der Nr. 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung gewinnt ein gelegentlicher Cannabiskonsument, der nicht über das notwendige Trennungsvermögen verfügt, seine Fahreignung regelmäßig dann wieder, wenn er ein Jahr drogenfrei gelebt hat. Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Entziehungsbescheids war dieser Einjahreszeitraum auch bereits seit weitem verstrichen. Die Wiedererlangung der Fahreignung setzt jedoch zusätzlich zu dieser positiven Veränderung seiner körperlichen Befunde voraus, dass beim Betroffenen ein stabiler, tief greifender Einstellungswandel hinzugetreten ist, der regelmäßig durch eine psychologische Begutachtung nachzuweisen ist (BayVGH vom 9.5.2005 BayVBl 2006, 18 - Rn. 23 des juris-Ausdrucks).

Gelegenheit hierzu hätte die Erstellung des Gutachtens vom 8. Februar 2010 geboten. Die von der Fahrerlaubnisbehörde insoweit vorgegebenen Fragestellungen setzen jedoch beide voraus, dass der Kläger keinen stabilen Einstellungswandel vollzogen hat, nachdem sie jeweils davon ausgehen, dass er zukünftig Cannabis konsumieren wird - geklärt werden soll allein, ob der Kläger wisse, welche Zeitspanne nach dem Cannabiskonsum verstreichen müsse, bevor er wieder am Straßenverkehr teilnehmen könne und ob gesichert sei, dass er dieses Wissen auch in die Tat umsetzen werde. Bereits vor diesem Hintergrund ist das Gutachten vom 8. Februar 2010 nicht geeignet, zu klären, ob überhaupt die Gefahr besteht, dass der Kläger zukünftig Cannabis rauchen werde, ob also sein nachgewiesener Cannabisverzicht stabil ist oder nicht.

Zwar kann auch ein Gutachten, dessen Beibringung überhaupt nicht oder zumindest nur mit einer anderen Fragestellung hätte gefordert werden dürfen, im Fall seiner Erstellung und gewollten Vorlage an die Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen der Beurteilung der Fahreignung des Betroffenen berücksichtigt werden (vgl. etwa BayVGH vom 15.6.2009 Az. 11 CS 09.373 und Jagow, Fahrerlaubnis- und Zulassungsrecht, Loseblattkommentar, Stand September 2011, § 46 FeV, S. 1130). In Bezug auf die Frage, ob es beim Kläger zu einem stabilen Einstellungswandel gekommen ist oder nicht, enthält das Gutachten - vor dem Hintergrund der eingeschränkten Fragestellung auch verständlich - zu wenige fundierte nachvollziehbare und belastbare Aussagen, sondern konzentriert sich darauf, ob der Kläger ausreichende Vermeidungsstrategien entwickelt hat, um nach etwaigem Cannabiskonsum nicht unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug zu führen. Zwar setzt sich das Gutachten auf S. 17 (1. Absatz) kurz auch mit der Frage der Rückfallwahrscheinlichkeit überhaupt auseinander und führt insoweit aus, der Kläger habe zu wenig konkrete Überlegungen genannt, um eine grundlegende Umorientierung plausibel zu machen. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass der Kläger mit seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Familie und der Rückzahlungsverpflichtung für den hypothekengesicherten Kredit für sein Eigenheim, seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer und der hieraus resultierenden Notwendigkeit der Gültigkeit seiner Fahrerlaubnis auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland motivational starke Beweggründe für die künftige Nachhaltigkeit seines praktizierten Cannabisverzichts angegeben hat, auf die vor dem Hintergrund, dass dem Kläger mit der Aberkennung der Inlandsgültigkeit seiner Fahrerlaubnis die existenzbedrohenden Folgen seines früheren gelegentlichen Drogenkonsums deutlich vor Augen geführt wurden, im Rahmen dieser gutachterlichen Teilbewertung ausdrücklich hätte eingegangen werden müssen. Insgesamt ist das Gutachten vom 8. Februar 2010 damit nicht geeignet, die Frage der Wiedererlangung der Fahreignung des Klägers zu beantworten.

Im Klageverfahren wird daher - ggfs. durch Einholung eines weiteren Gutachtens - zu klären sein, ob der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Entziehungsbescheids seine Fahreignung wieder erlangt hatte oder nicht, wobei in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen sein wird, dass er noch vor Erlass des Bescheids in Tschechien eine ambulante Therapie - wohl zur Aufarbeitung seines früheren Drogenkonsums - absolviert hat. ..." (VGH München, Beschluss vom 14.02.2012 - 11 C 11.3005)

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Wiedererlangung der Kraftfahreignung bei langjähriger Drogenkarriere (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2011 - OVG 1 M 65.11):

„... Die Beschwerde verkennt schon, dass bei einer Rauschfahrt mit einem THC-Wert von 2,9 ng/ml von einer erheblichen psychoaktiven Beeinflussung auszugehen ist. Dies in Verbindung mit dem eingeräumten zumindest gelegentlichen Cannabiskonsum belegt allein schon, dass der Kläger zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die Wiedererlangung der Kraftfahreignung setzt dann aber unabhängig von dem forensisch abgesicherten Nachweis eines aussagekräftigen Zeitraums einer Drogenabstinenz (vgl. dazu Nr. 9.5 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV: einjährige Abstinenz) den Nachweis eines tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandels voraus. Weder das eine noch das andere lässt sich dem vorgelegten Gutachten der Diplompsychologin T… vom 23. August 2010 (Versanddatum) entnehmen. Vor dem Hintergrund einer langjährigen Drogenkarriere bei einer problematischen Motivation und einer Fortsetzung des Drogenkonsums trotz dessen erkannter Folgen (u.a. Wohnungsverlust) geht die Sachverständige nachvollziehbar davon aus, dass der Kläger keine Gewähr dafür bietet, dass er nicht wieder unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug führen wird. Auch wenn sich der Satz „Therapeutische Maßnahmen wurden abgebrochen" nicht eindeutig zuordnen lässt, wird jedoch deutlich, dass neben dem ohnehin fehlenden forensisch gesicherten Nachweis der längerfristigen Drogenfreiheit bisher jedenfalls keine ausreichende therapeutische Unterstützung zur Aufarbeitung der Drogenproblematik erfolgt ist. Die Sachverständige macht auf Seite 16 ihres Gutachtens deutlich, dass sie die drei Beratungsgespräche des Klägers bei M… im Januar/Februar 2010 zur Kenntnis genommen hat, aber nachvollziehbar der Ansicht ist, dass diese nicht ausreichend sein können, um angesichts der langjährigen Drogenvorgeschichte des Klägers einen stabilen Einstellungswandel herbei zu führen. Den Anspruch, solch einen Einstellungswandel zu belegen, hat auch die Stellungnahme der Dipl.Soz.-arb./Soz.päd. B… vom 1. März 2010 nicht, was diese selbst mit Schreiben vom 17. August 2011 klar stellt. Zudem ist eine längerfristige Drogenfreiheit durch drei Urin-Kontrollen im Februar 2010 und eine Urin-Kontrolle am 12. April 2010 durch den TÜV Rheinland nicht belegt. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem nach Aktenlage erstellten sozialmedizinischen Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 17. Juni 2010. Dieses weist vielmehr darauf hin, dass auch aus sozialmedizinischer Sicht eine genügend lange Zeit der Drogenabstinenz nicht nachgewiesen ist. Bezüglich des notwendigen Einstellungswandels trifft es keine Aussagen, zumal dort - für eine solche Bewertung unzureichend - nur ein Gutachten des TÜV Rheinland vom 3. Mai 2010 und die Stellungnahme der Einrichtung Misfit vorlagen. ..."

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Aussagekraft eines Gutachtens zur Fahrgeeignetheit eines Fahrerlaubnisinhabers (OVG München, Beschluss vom 03.05.2011 - 11 C 11.610):

„... Das Gutachten vom 17. Februar 2009, auf das sich die Kammer bei der erstinstanzlichen Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe maßgeblich gestützt hat, ist nach Ansicht des Senats für sich genommen nicht ausreichend, die Frage zu klären, ob der Kläger fahrgeeignet ist oder nicht. Nach jetzigem Sachstand ist es vielmehr als offen anzusehen, ob der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids am 31. März 2010 als fahrgeeignet anzusehen war oder nicht.

Zwar steht fest, dass der Kläger aufgrund der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes, bei denen es sich nicht um Cannabis handelte, seine Fahreignung zunächst verloren hatte (vgl. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Unklar bleibt jedoch, ob beim Kläger auch eine Abhängigkeit im Sinne von Nummer 9.3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorlag. Diese Frage wird vom Gutachten in widersprüchlicher Weise beantwortet. So heißt es etwa auf Seite 14 im letzten Absatz, dass der Kläger nicht in jeder Hinsicht über ein angemessenes Selbstverständnis als Abhängigerkrankter verfüge. Demgegenüber heißt es auf Seite 15 im ersten Absatz, beim Kläger sei von schwerem Drogenmissbrauch mit Hinweisen auf eine zumindest beginnende Abhängigkeit auszugehen. Wiederum auf Seite 14 im zweiten Absatz heißt es, aus den vorliegenden Akten gehe Drogenmissbrauch hervor.

Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (z.B. Beschluss vom 9.5.2005 BayVBl 2006, 18) kann - sofern wie hier kein atypischer Sachverhalt im Sinne der Vorbemerkung 3 zur Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung inmitten steht - die wegen Betäubungsmittelkonsums verloren gegangene Fahreignung gemäß Nummer 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung frühestens nach einjähriger, nachgewiesener Abstinenz wiedererlangt werden. Soweit diese Vorschrift unmittelbar nur bei Betäubungsmittelabhängigkeit Platz greifen sollte, wäre sie entsprechend auf alle Fälle eines die Fahreignung ausschließenden Betäubungsmittelkonsums anzuwenden (vgl. z.B. BayVGH vom 14.3.2003 Az. 11 CS 02.1947; BayVGH vom 14.5.2003 Az. 11 CS 03.924; BayVGH vom 3.2.2004 Az. 11 CS 04.157; BayVGH vom 11.11.2004 Az. 11 CS 04.2814; BayVGH vom 14.1.2005 Az. 11 CAS 04.3119).

Damit der Betroffene nach dem Ablauf dieser Zeitspanne nicht wieder in sein früheres, rechtswidriges und gefahrenträchtiges Konsumverhalten zurückfällt, setzt die Wiedererlangung der Fahreignung über eine erwiesene, mindestens ein Jahr lang praktizierte Betäubungsmittelabstinenz hinaus die Prognose voraus, dass die Verhaltensänderung von Dauer ist. Das lässt sich nur bejahen, wenn zu einer positiven Veränderung der körperlichen Befunde ein stabiler, tief greifender Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhält. Von der Notwendigkeit eines grundlegenden Einstellungswandels in Bezug auf das Führen von Kraftfahrzeugen unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln geht auch Abschnitt 1.f Satz 4 der Anlage 15 zur Fahrerlaubnis-Verordnung aus. Um einen solchen inneren Wandel eruieren zu können, bedarf es - ggf. neben ärztlichen Feststellungen - einer psychologischen Bewertung (vgl. BayVGH vom 2.4.2003 Az. 11 CS 03.298). § 14 Abs. 2 FeV begnügt sich deshalb in allen Fällen, in denen über die Wiedererteilung einer wegen einer Betäubungsmittelproblematik entzogenen Fahrerlaubnis zu befinden ist (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV) oder sonst die Frage eines fortbestehenden Betäubungsmittelkonsums geklärt werden muss (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV), nicht mit einem (ärztlichen) Gutachten, mit dessen Hilfe lediglich der somatische Nachweis erbracht wird, ob der Betroffene seinem Körper weiterhin Betäubungsmittel zuführt. Durch die Forderung nach einer kombiniert medizinisch-psychologischen Begutachtung hat der Verordnungsgeber vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass in derartigen Konstellationen zusätzlich die Persönlichkeit des Betroffenen einer Betrachtung unterzogen werden muss.

Sollte beim Kläger tatsächlich eine Betäubungsmittelabhängigkeit vorgelegen haben, was durch das fragliche Gutachten nicht zweifelsfrei beantwortet wird, bedürfte es nach der Nr. 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zusätzlich zum Nachweis der einjährigen Abstinenz und des tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandels regelmäßig des Nachweises einer körperlichen Entgiftung und der psychischen Entwöhnung. Selbst wenn man jedoch zu seinen Gunsten davon ausgeht, dass keine Abhängigkeit vorlag, ist das fragliche Gutachten nicht geeignet, zu klären, ob beim Kläger ein stabiler, tief greifender Einstellungswandel stattgefunden hat. Denn im Gegensatz zur Ansicht der Kammer ist das Gutachten zumindest teilweise nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich. Das ergibt sich neben den bereits oben geschilderten widersprüchlichen Aussagen zum Verhältnis eines "bloßen" Betäubungsmittelmissbrauchs zur Betäubungsmittelabhängigkeit vor allem daraus, dass nicht nachvollzogen werden kann, warum sich aus fachlicher Sicht der Eindruck aufdrängen sollte, dass der Kläger unbedacht mit Alkohol umgehe (vergleiche Seite 16 erster Absatz). Allein die vorübergehende Tätigkeit des Klägers als "Weinberater" vermag hierfür keinen ausreichenden Anhaltspunkt liefern. Weiter sieht es das Gutachten zu Unrecht als problematisch an, dass der Kläger im Rahmen einer Behandlung wegen einer Lumboischialgie und im Zusammenhang mit den dort verschriebenen Medikamenten nicht auf seine frühere Betäubungsmittelabhängigkeit hingewiesen habe (Seite 16 zweiter Absatz). Zum einen liegt es keineswegs auf der Hand, dass die zur Behandlung dieses Krankheitsbildes üblicherweise verordneten Medikamente geeignet wären, eine (frühere) Betäubungsmittelabhängigkeit wieder aufflammen zu lassen, zum anderen legt sich das Gutachten selbst nicht fest, ob beim Kläger überhaupt eine Betäubungsmittelabhängigkeit bestand oder besteht. Schließlich zieht das Gutachten den Schluss, es sei problematisch, dass sich im unmittelbaren Umfeld des Klägers noch Drogenkonsumenten befänden (Seite 16 dritter Absatz). Diese Schlussfolgerung wird offensichtlich aus dem Umstand hergeleitet, dass der Kläger eingeräumt hat, sein Schwager "kiffe" noch. Im Untersuchungsgespräch hat der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, nicht am Betäubungsmittelkonsum seines Schwagers teilhaben zu wollen. Vor diesem Hintergrund kann von ihm kaum verlangt werden, jeden Kontakt zu seinem Schwager abzubrechen, wovon aber das Gutachten offenbar ausgeht.

Insgesamt bestehen daher nach Ansicht des Senats zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass das fragliche Gutachten nicht geeignet ist, ausreichende Beurteilungskriterien dafür zu bieten, ob beim Kläger ein stabiler und tief greifender Einstellungswandel stattgefunden hat oder nicht. Diese Frage wird im Hauptsacheverfahren, bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt, deshalb noch zu klären sein, so dass derzeit die Hauptsacheerfolgsaussichten zumindest als offen betrachtet werden müssen.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass im Hauptsacheverfahren möglicherweise auch noch der Frage nachgegangen werden muss, ob der zu fordernde einjährige Abstinenzzeitraum tatsächlich eingehalten wurde, da zum einen das fragliche Gutachten selbst davon ausgeht, dass insoweit eine Nachweislücke von circa drei Monaten vorliege und zum anderen nach Aktenlage ungeklärt ist, ob die Ergebnisse der vorgelegten Haarproben den Anforderungen genügen, die nach der Rechtsprechung zu stellen sind (vgl. etwa VGH Mannheim vom 25.11.2010 Blutalkohol 48, 47), damit sie als aussagekräftig angesehen werden können. ..."

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Widerruf der Strafaussetzung wegen neuer Straftaten

„... a) Die Strafaussetzung ist gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB zu widerrufen, weil der Verurteilte gröblich und beharrlich gegen Weisungen verstoßen und sich der Leitung der Bewährungshelferin beharrlich entzogen hat und dadurch Anlass zur Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird.

aa) Bereits im August 2010 hatte die Bewährungshelferin mitteilen müssen, dass neben der Methadonsubstitution ein übermäßiger Alkoholkonsum stattfindet. Insofern waren mehrfach Entgiftungen in der LVR-Klinik Bedburg-Hau erforderlich. Trotzdem lehnte er u.a. im März 2011 eine Entwöhnungstherapie ausdrücklich ab. Nach Erteilung der oben angeführten Weisung begab er sich dann - nach Nichtwahrnehmung der ersten beiden geplanten Aufnahmetermine - am 13.01.2012 endlich zur Entziehungskur in das Haus x/Therapeutisches Zentrum nach x. Nur 1 1/2 Monate später verließ er am 01.03.2012 eigenmächtig die Therapieeinrichtung. Im Mai 2012 war sodann eine erneute Entgiftung erforderlich. Er teilte der Bewährungshelferin mit, er wolle die Therapie im Haus x nicht fortsetzen und auch nicht in eine andere Therapieeinrichtung gehen; die Einschränkungen dort seien unzumutbar. Die Klinik äußerte Bedenken, dass neben der Methadongabe ein nicht tolerierbarer Alkoholkonsum bestehe. Man sehe Lebensgefahr; eine stationäre Langzeittherapie oder ein Gefängnisaufenthalt seien unbedingt erforderlich. Die Erklärungen zum Abbruch der Therapie (‚Die Therapie habe ich abgebrochen, weil ich meine Freundin vermisst habe. Ich hab mich da nicht so wohl gefühlt') und zu seinem lebensgefährlichen Rauschmittelmissbrauch (‚Ich trinke halt gerne mal ein Bier. Ich setze mein Leben nicht allein dadurch aufs Spiel, dass ich einmal ein paar Bier trinke. Ich rauche nur noch ab und zu mal ein bisschen Cannabis') lassen ein Problembewusstsein nicht erkennen. Die Erklärung, er wolle ‚vielleicht' doch woanders eine Therapie machen; nachgefragt habe er insoweit aber noch nicht, lässt eine ernsthafte Änderungsbereitschaft vermissen. Dabei ist der Kammer bewusst, dass allein das Ruinieren der eigenen Gesundheit einen Widerruf nicht rechtfertigt. Neben der Eigengefährdung ist jedoch ohne eine stationäre Langzeittherapie angesichts der vorliegenden Suchterkrankung und der fehlenden finanziellen Mittel des Verurteilten auch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit der Fortsetzung der Beschaffungskriminalität zu rechnen.

bb) Hinzu kommt: Bereits im Dezember 2011 hatte die Bewährungshelferin mitteilen müssen, dass der Kontakt zum Verurteilten abgebrochen ist. Im Mai 2012 riss der Kontakt erneut ab. Im Rahmen der mündlichen Anhörung hat der Verurteilte auch freimütig eingeräumt, dass er zu seiner Bewährungshelferin keinen Kontakt mehr habe. Dies wiegt umso schwerer als der Verurteilte nicht einmal angesichts des drohenden Bewährungswiderrufs und trotz diverser laufender Strafverfahren (Anklage vom 29.02.2012 wegen Körperverletzung, Anklage vom 06.06.2012 wegen Beförderungserschleichung, Anklage vom 06.06.2012 wegen Diebstahls, Anklage vom 28.06.2012 wegen Diebstahls; zudem Ermittlungen wegen eines Einbruchdiebstahls) aufgehört hat, sich weiterhin beharrlich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin zu entziehen. Dies lässt jede Hoffnung auf eine Haltungsänderung im Falle des Absehens von einem Bewährungswiderruf schwinden.

b) Zudem ist seit der mündlichen Anhörung (zuvor war dies ohne Geständnis bei noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren nicht möglich) der Widerruf zusätzlich gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderlich, weil der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit Straftaten begangen und dadurch gezeigt hat, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zu Grunde lag, sich nicht erfüllt hat. Der Verurteilte hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung eingeräumt, am 09.11.2011 und am 14.11.2011 jeweils eine Beförderungserschleichung (‚Schwarzfahren'; strafbar gemäß § 265a StGB) und am 18.04.2012 einen Diebstahl (Entwendung einer Flasche ‚Jägermeister'; strafbar gemäß § 242 StGB) begangen zu haben. Schließlich hat der Verurteilte auch noch eingeräumt, regelmäßig Cannabis zum Eigenkonsum zu erwerben (strafbar gemäß § 29 BtMG). Zwar ist das Gewicht der Einzeltaten nicht sehr groß. Allerdings handelt es sich bei dem Diebstahl um ein einschlägiges Delikt und bei allen drei Taten ist der Zusammenhang mit der - fortbestehenden - Sucht evident und damit auch die Wiederholungsgefahr.

c) Der Widerruf ist auch verhältnismäßig, insbesondere reichen Maßnahmen gemäß § 56f Abs. 2 StGB nicht aus. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass auch positive Gesichtspunkte vorliegen (eine gewisse Offenheit des Probanden und der Umstand, dass - soweit ersichtlich - zumindest kein Rückfall in den Heroinkonsum stattgefunden hat). Die negative Kriminalprognose lässt sich aber durch mildere Maßnahmen nicht bessern. Selbst seinen weiteren Aufenthalt in der Notunterkunft hat er aufs Spiel gesetzt, indem er sein Zimmer dort extrem verdreckt hat. Die Partnerschaft zu seiner Freundin besteht nicht mehr. Einen Arbeitsplatz hat er nicht (nach eigenen Angaben hat er noch nie gearbeitet) und die Teilnahme am Methadonprogramm hat er durch ‚Beikonsum' gefährdet. ..." (LG Kleve, Beschluss vom 20.08.2012 - 120 Qs 71/12)

***

Mit dem angefochtenen Beschl. hat das AG Tiergarten in Berlin die der Verurteilten durch Urt. v. 17. 11. 1995 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Es hat den Bewährungswiderruf darauf gestützt, daß die Verurteilte während des Laufes der Bewährungszeit nach bereits erfolgter Verlängerung erneut straffällig geworden ist und eine neue einschlägige Straftat begangen hat und deshalb vom AG Hof am 31. 3. 1999 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

Die neuerliche Verurteilung rechtfertigt jedoch den Widerruf nicht, so daß die sofortige Beschwerde Erfolg hat. Im Gegensatz zur Annahme des AG war die Verurteilung durch das AG Hof bei Widerruf der Strafaussetzung noch nicht rechtskräftig. Ein Umstand, der jedenfalls im vorliegenden Fall von Bedeutung ist. Denn auf die Berufung der Verurteilten hat das LG Hof die Verurteilte zwar des unerlaubten Besitzes von Btm schuldig gesprochen, es hat aber von einer Bestrafung gem. § 29 Abs. 5 BtMG abgesehen. Die Gründe des rechtskräftigen Berufungsurteils weisen aus, daß die Verurteilte Haschisch und Marihuana zum Eigenverbrauch besessen hat und daß das erkennende Gericht die Schuld unter Berücksichtigung der Rspr. des BVerfG als so gering angesehen hat, daß es eben von der Verhängung einer Strafe abgesehen hat. Es erscheint geboten, sich der sach- und zeitnäheren Beurteilung des die neuerliche Straftat aburteilenden LG Hof wegen der besseren Erkenntnismöglichkeiten in einer mündlichen Hauptverhandlung anzuschließen und den geringfügigen Verstoß nicht als einen Verstoß i. S. v. § 56 f. Abs. 1 Nr. 1 StGB anzusehen, der den Widerruf der Strafaussetzung gebietet. Der angefochtene Beschl. war daher aufzuheben (LG Berlin, Beschluß v. 19. 1. 2000 - 517 Qs 131/99 - StV 2000, 567).



Widerruf von Lockerungs- und Urlaubsentscheidungen

Der Verurteilte verbüßt seit dem 14. 12. 1998 in der JVA B. eine Freiheitsstrafe von 5 J. wegen Zuhälterei u. a. Die Hälfte der Strafe wird am 20. 5. 2000 verbüßt sein, 2/3 davon am 20. 3. 2001. Der Endstrafentermin ist auf den 20. 11. 2002 notiert.

Im Juli 1998 war der damals noch in U-Haft befindliche Verurteilte, nachdem er Besuch erhalten hatte, im Besitz von 18 g Haschisch angetroffen worden. Das deshalb eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde vom AG gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Über den weiteren Vollzugsverlauf ist nichts Nachteiliges bekannt geworden.

Unter dem 17. 8. 1999, also mehr als ein Jahr nach dem Haschischfund, wurde der Vollzugsplan für den Gefangenen aufgestellt. Hinsichtlich Vollzugslockerungen heißt es dort lediglich, daß die »Regelwartezeit« zur Prüfung von Haftlockerungen abgelaufen sei und nach Eingang einer Stellungnahme der StA in die Lockerungsprüfung eingetreten werde. Der Gefangene habe zwar früher gelegentlich Haschisch geraucht, sei aber seit ca. einem Jahr »clean«.

Mit Bescheid v. 15. 9. 1999 wurde dem Gefangenen daraufhin antragsgemäß für die Zeit v. 24. 9. 1999 bis zum 27. 9. 1999 Urlaub aus der Haft gewährt. Der Bescheid enthält keine schriftliche Begründung.



Nach einem Wechsel des Behördenleiters wurde der Bewilligungsbescheid v. 15. 9. 1999 mit Bescheid v. 22. 9. 1999 aufgehoben. Diese Aufhebung wurde wie folgt begründet:

»Nach Auffassung des neuen Behördenleiters wurden bei der - der Urlaubsentscheidung zu Grunde liegenden - Vollzugsplanfortschreibung verschiedene Gesichtspunkte, die möglicherweise auf das voraussichtliche Strafende Auswirkungen haben könnten, nicht hinreichend berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund wird zunächst eine Überprüfung der Vollzugsplanfortschreibung erfolgen, bevor erneut über Lockerungen entschieden wird. Über das Ergebnis der Überprüfung werden Sie in Kürze unterrichtet.«

Gegen diesen Aufhebungsbescheid, der zunächst nicht näher erläutert wurde, stellte der Gefangene rechtzeitig Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Gegenüber der StVK erläuterte der Leiter der JVA B. den angefochtenen Bescheid wie folgt:

»Das Hess. Ministerium der Justiz hat per Erlaß angeordnet, daß in bestimmten Fällen die Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen durch den Behördenleiter zu zeichnen sind. Insoweit trägt der Behördenleiter auch ausdrücklich die persönliche Verantwortung für die Lockerungsgewährung. Vor diesem Hintergrund hat der neue Behördenleiter alle Lockerungsentscheidungen einer Überprüfung unterzogen. Im Rahmen dieser Überprüfung wurde nach Würdigung aller relevanten Sachverhalte festgestellt, daß die bisherige Vollzugsplanung hinsichtlich des Zeitpunktes, von dem eine Lockerung zu gewähren ist, ermessensfehlerhaft fortgeschrieben wurde. Urlaub und Ausgang dienen der Vorbereitung zur Verlegung in den offenen Vollzug. Der Zeitpunkt zu dem eine Verlegung in den offenen Vollzug erfolgen kann, richtet sich neben Fragen der individuellen Eignung auch nach dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt. Es muß jew. im Einzelfall in der Vollzugsplanung festgelegt werden, von welchem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt auszugehen ist, wie lange der Gefangene im offenen Vollzug bleiben muß und wann daher mit der Gewährung von Ausgang und Urlaub zu beginnen ist. Insbes. bei der Fortschreibung der Vollzugsplanung sind Entwicklung und Verhalten des Gefangenen während des Vollzuges entsprechend zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wurde bei dem v.g. Gefangenen festgestellt, daß ein gravierender Verstoß gegen die Hausordnung, der zur Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens führte, bei der Vollzugsplanfortschreibung nicht hinreichend gewürdigt wurde. Zwar wurde das anhängige Verfahren zwischenzeitlich gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, gleichwohl liegt jedoch ein gravierender Verstoß gegen die Hausordnung vor, und der bisherige Vollzugsverlauf des Gefangenen kann daher nicht als beanstandungsfrei bezeichnet werden. Vor diesem Hintergrund ist nunmehr auch nicht automatisch von einer bedingten Entlassung zum 2/3 -Zeitpunkt auszugehen. Dementsprechend wird auch ein späterer Einstieg in Lockerungen erfolgen. Diese Situation ist dem Gefangenen bekannt und es ist zu befürchten, daß er im Hinblick auf die deutlich längere Zeit, die er nunmehr ohne Lockerungen im geschlossenen Vollzug zuzubringen hat, eine etwaige Beurlaubung mißbrauchen wird. In Anbetracht dessen war auch der für die Zeit v. 24. 9. bis 27. 9. 1999 genehmigte Urlaub gem. § 14 Abs. 2 Ziff. 1 zu widerrufen.«

Mit Beschl. v. 25. 11. 1999 hob die StVK daraufhin den angefochtenen Bescheid des Anstaltsleiters v. 22. 9. 1999 auf und gab der Vollzugsbehörde auf, den Gefangenen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu bescheiden. Zur Begründung führte die Kammer aus, dem angefochtenen Bescheid lasse sich nicht entnehmen, daß die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 StVollzG, der eine abschließende Regelung enthalte, erfüllt seien. Gegen diesen Beschl. richtet sich die Rechtsbeschwerde des Anstaltsleiters, der der Hess. Minister der Justiz »im Ergebnis« beigetreten ist. (...)



II. Die frist- und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 116 StVollzG sind erfüllt, weil erörterungsbedürftige Rechtsfragen zu behandeln sind. Die Rechtsbeschwerde des Anstaltsleiters ist aber unbegründet. Die StVK hat den angefochtenen Bescheid zu Recht und mit zutreffender Begründung aufgehoben.

1. Die bereits angeordnete Gewährung von Urlaub kann nur unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 StVollzG aufgehoben werden.

Danach ist zwischen dem Widerruf rechtmäßiger Lockerungs- und Urlaubsentscheidungen, der nur gem. § 14 Abs. 2 S. 1 StVollzG erfolgen kann, und der Rücknahme rechtswidriger Lockerungs- und Urlaubsentscheidungen gem. § 14 Abs. 2 S. 2 StVollzG zu unterscheiden. § 14 Abs. 2 StVollzG enthält insoweit eine abschließende Regelung.

Darüber besteht in Rspr. und Lit. zu Recht weitgehend Einigkeit (OLG Hamm ZfStrVo 1984, 248, 250; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 7. A., § 14 Rdnr. 2; Kühling/Ullenbruch in Schwind/Böhm, StVollzG, 3. A., § 14 Rdnr. 18; Hoffmann/Lesting in AK-StVollzG, 3. A., § 14 Rdnr. 10 m. w. N.; vgl. auch OLG Celle NStZ 1984, 430 und NStZ-RR 1998, 92; OLG Hamm NStZ 1989, 390; offengelassen hingegen von KG StV 1998, 275, 276).

Unzutreffend wäre die Annahme, daß die Aufhebung einer Urlaubsentscheidung, auch wenn die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 StVollzG nicht vorliegen, jedenfalls dann in Betracht komme, wenn es sich um eine »offensichtliche Fehlentscheidung (handele), die die berechtigten Sicherheitsbedürfnisse der Allgemeinheit mißachtet«.



Soweit für die Aufhebung von begünstigenden Verwaltungsakten im Strafvollzug in mehreren obergerichtlichen Entscheidungen und in der Lit. auf diese Formulierung abgestellt wird, ist zu beachten, daß diese Formulierung zunächst überwiegend dort verwendet wurde, wo es nicht um Lockerungs- und Urlaubsentscheidungen, sondern um andere begünstigende Verwaltungsakte auf dem Gebiet des Strafvollzugs geht und § 14 Abs. 2 StVollzG deshalb keine direkte Anwendung findet (OLG Hamm ZfStrVo 1985, 121; Kühling in Schwind/Böhm, StVollzG, 2. A., § 14 Rdnr. 6; vgl. auch OLG Hamm ZfStrVo 1984, 248). Wo sie im Zusammenhang mit Urlaubs- oder anderen Lockerungsentscheidungen verwandt wird, dient sie überwiegend nur dazu, die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 2 StVollzG mit anderen Worten zu umschreiben (OLG Hamm ZfStrVO 1984, 248, 250 und NStZ 1989, 391) oder die ermessensleitenden Gesichtspunkte deutlich zu machen, die von Bedeutung sind, wenn die überprüfte Entscheidung rechtswidrig ist (Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 7. A., § 14 Rdnr. 2). Insoweit ist gegen die Anknüpfung an die Kriterien der Offensichtlichkeit der Fehlentscheidung und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit nichts einzuwenden. In der Tat dürften bei der im Rahmen des § 14 Abs. 2 S. 2 StVollzG im Anschluß an die Bejahung der Rechtswidrigkeit des überprüften Verwaltungsaktes gebotenen Ermessensprüfung diese beiden Kriterien die zentralen Gesichtspunkte sein, die gegen den Aspekt des Vertrauensschutzes abzuwägen sind. Die Verwendung des Begriffs der »offensichtlichen Fehlentscheidung« ist aber dort mißverständlich, wo der Eindruck erweckt wird, es handele sich um einen neben § 14 Abs. 2 S. 2 StVollzG stehenden Aufhebungsgrund.

Der Auffassung, aus heutiger Sicht als »offensichtliche Fehlentscheidungen« betrachtete Entscheidungen seien (auch wenn sie nicht als zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig qualifiziert werden können?) über die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 StVollzG hinaus korrigierbar, kann jedenfalls nicht beigetreten werden. Sie mißachtet den abschließenden Charakter der Regelung des § 14 Abs. 2 StVollzG, die in S. 2 gerade die Rücknahme rechtswidriger »Fehlentscheidungen« zum Gegenstand hat (überzeugend Hoffmann/Lesting, a.a.O.; offengelassen von KG, a.a.O.).

2. a) Die Anwendung des § 14 Abs. 2 S. 2 StVollzG setzt zunächst die Rechtswidrigkeit des ergangenen Verwaltungsaktes voraus. Dabei ist auf den Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen (Calliess/Müller-Dietz, Kühling/Ullenbruch, Hoffmann/Lesting, jew. a.a.O., m. w. N.).

Für die Prüfung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist zu beachten, daß der Anstaltsleitung bei der ursprünglich ergangenen Urlaubsentscheidung sowohl ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Bewertung der Flucht- und Mißbrauchsgefahr als auch ein Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite zustand (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschl. v. 5. 7. 1993 - 3 Ws 242/93 und v. 25. 1. 2000 - 3 Ws 1131/99; in Übereinstimmung mit BGHSt 30, 320; Calliess/Müller-Dietz,a.a.O., § 11 Rdnr. 14 m. w. N.). Sowohl der Ermessensspielraum als auch der Beurteilungsspielraum sind nicht nur von den Gerichten zu beachten, sie müssen, bei einer erneuten Sachprüfung, ob der ergangene Verwaltungsakt rechtswidrig war, auch von der Verwaltung selbst respektiert werden (OLG Celle NStZ-RR 1998, 92, 93).

Als rechtswidrig kann eine Urlaubs- oder eine andere Lockerungsentscheidung daher nur dann qualifiziert werden, wenn sie auch unter Berücksichtigung des die Flucht- und Mißbrauchsgefahr betreffenden Beurteilungsspielraums als rechtsfehlerhaft zu bewerten ist. Falls dies nicht der Fall ist, bleibt die Behörde an ihre einmal ergangene, rechtmäßige Entscheidung gebunden und ist auf die - engeren - Widerrufsgründe des § 14 Abs. 2 S. 1 StVollzG beschränkt (OLG Celle NStZ-RR 1998, 92, 93; vgl. auch - für das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht - Kopp, VwVfG, 6. A., § 48 Rdnr. 27).



b) Rechtswidrig ist die ergangene Entscheidung jedenfalls dann, wenn die Behörde bei ihrer damaligen Entscheidung zu einem Ergebnis gelangt ist, mit dem die Grenzen der ihr zustehenden Entscheidungsprärogative überschritten werden, weil die getroffene Entscheidung unter Berücksichtigung des damaligen Sachstandes unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen war. Zu Recht ist hingegen bislang allgemein anerkannt, daß dann, wenn die Anstaltsleitung beim Erlaß der Entscheidung rechtmäßig entschieden und von ihrem Ermessen in zulässiger Weise Gebrauch gemacht hat, nun aber, bei unveränderter Sachlage - etwa aufgrund neuer Erlasse, veränderter Weisungen, eines Wechsels in der Person des Anstaltsleiters oder aus anderen Gründen - zu einer anderen Wertung gelangt, dies eine Aufhebung der einmal ergangenen begünstigenden Entscheidung auch dann nicht rechtfertigen kann, wenn die neue Wertung gleichfalls vertretbar ist und nun für zweckmäßiger erachtet wird. Die neue Anstaltsleitung darf weder ihr Ermessen an die Stelle rechtmäßig ausgeübten Ermessens der früheren Anstaltsleitung setzen noch ihre Beurteilung an die Stelle einer rechtmäßigen, sich im Rahmen des Beurteilungsspielraums haltenden Beurteilung der Flucht- und Mißbrauchsgefahr (OLG Celle NStZ-RR 1998, 92; KG StV 1998, 275, 276; OLG Celle NStZ 1984, 430; OLG Hamm ZfStrVo 1984, 248; Kühling/Ullenbruch,a.a.O.; Hoffmann/Lesting, a.a.O.).

Der Anstaltsleiter der JVA Butzbach verkennt daher die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 StVollzG, wenn er meint, sich zur Rechtfertigung der Aufhebung einer ergangenen Urlaubs- oder Lockerungsentscheidung auf den Wechsel in der Person des Anstaltsleiters, einen neuen Erlaß der nunmehr amtierenden Landesregierung oder die ihm übertragene persönliche Verantwortung für das Vollzugsgeschehen seit seinem Amtsantritt berufen zu können. Bei diesen vom Anstaltsleiter teils ausdrücklich betonten, teils sinngemäß angeführten Erwägungen handelt es sich, wie auch der Hess. Minister der Justiz nicht übersieht, um Aspekte, die im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 StVollzG fehl am Platze sind.



c) Bei der Überprüfung, ob eine ablehnende Urlaubs- oder Lockerungsentscheidung rechtmäßig ist, stellen die Gerichte allerdings zutreffend nicht nur darauf ab, ob die Grenzen des Beurteilungs- und des Ermessensspielraums überschritten sind, sondern auch darauf, ob die Behörde bei der Begründung ihrer Entscheidung von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und ob sie im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der für und gegen Flucht- und Mißbrauchsgefahr sprechenden Gesichtspunkte die wesentlichen Aspekte dargelegt und gegeneinander abgewogen hat (BGH und Senat,a.a.O.; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 11 Rdnr. 17 f.).

Diese, auch in der Stellungnahme des Hess. Ministers der Justiz anklingende Prüfung ist auf die Rechtmäßigkeitsprüfung einer begünstigenden Urlaubs- oder Lockerungsentscheidung aber deshalb nicht übertragbar, weil eine begünstigende Entscheidung der Behörde nicht begründet werden braucht (vgl. - für das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht - § 39 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG).

Die Rücknahme einer ergangenen Urlaubs- oder Lockerungsanordnung kann daher zumindest nicht ohne weiteres darauf gestützt werden, daß die ergangene Entscheidung nicht erkennen lasse, daß bestimmte, damals bereits bekannte, dem Ast. nachteilige Gesichtspunkte ausreichend in die Bewertung eingestellt worden seien. Regelmäßig wird sich der Entscheidung nämlich gar nicht entnehmen lassen, welche Gesichtspunkte berücksichtigt wurden und selbst wenn dies der Fall wäre, wäre ein Ast. gehindert, eine Änderung oder Ergänzung einer aus seiner Sicht unvollständigen Begründung einer im Ergebnis zutreffenden Entscheidung zu erwirken (vgl. auch Stelkens/Sachs, VwVfG, 5. A., § 48 Rdnr. 61: »Abzustellen ist auf die Rechtmäßigkeit der getroffenen Regelung, nicht auf die Begründung des Verwaltungsakts«; ebenso Obermayer/Schäfer, VwVfG, 3. A., § 48 Rdnr. 24).



d) Die Rücknahme einer nunmehr als rechtswidrig beurteilten Lockerungs- oder Urlaubsgewähr wird sich daher regelmäßig nur damit rechtfertigen lassen, daß die Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt »vertretbar« war (vgl. BGHSt 30, 320; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 11 Rdnr. 15 f m. w. N.), sondern es bei Berücksichtigung aller für und gegen die Gewährung sprechenden Gesichtspunkte zwingend geboten gewesen wäre, den Urlaub oder die anderweitige Lockerung zu versagen.

Eine solche, nunmehr belastende Entscheidung wird aber nur dann Bestand haben können, wenn alle bei Berücksichtigung des damals bekannten Sachstands in Betracht zu ziehenden prognoserelevanten Aspekte vollständig dargelegt werden und nachvollziehbar ausgeführt wird, wieso die Urlaubs- oder Lockerungsgewährung auch unter Berücksichtigung aller für den Gefangenen sprechenden Gesichtspunkte nicht mehr in der Bandbreite des im Rahmen des Beurteilungsspielraums Vertretbaren lag, sondern rechtswidrig war. Erst wenn dies hinreichend dargelegt ist, sind zusätzlich - im Rahmen der nach § 14 Abs. 2 S. 2 StVollzG gebotenen Ermessensbetätigung - Fragen des Vertrauensschutzes zu beachten.



e) Diesen Anforderungen wird die von der JVA erteilte Begründung, auch soweit sie im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens vor der JVA ergänzt wurde, nicht gerecht.

Die JVA legt zwar zutreffend dar, daß es bei der Genehmigung des Urlaubsantrags am 15. 9. 1999 geboten gewesen war, den damals bereits bekannten, wenn auch bereits länger zurückliegenden Haschischfund im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung zu berücksichtigen. Sie verkennt aber die nach § 11 Abs. 2 StVollzG gebotene Gesamtwürdigung, wenn sie zu meinen scheint, daß ein gravierender »Verstoß gegen die Hausordnung« wie der damalige Haschischfund zwingend dazu führen müsse, daß Lockerungen erst zu einem späteren Zeitpunkt gewährt werden könnten. Ein solcher Automatismus ist dem Gesetz fremd. Vollzugslockerungen sind, wie auch die Anstaltsleitung nicht verkennt, kein Disziplinierungsinstrument, sondern ein Instrument der Resozialisierung, von dem Gebrauch zu machen ist, wenn die Voraussetzungen des Gesetzes vorliegen. Dies bestimmt sich insbes. nach einer Gesamtschau aller prognoserelevanten Umstände des Einzelfalls und nicht allein nach dem Gewicht eines - wenn auch bedeutsamen - Normenverstoßes (Senat, a.a.O.; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 11 Rdnr. 17 f m. w. N.).

Vorliegend wäre eine solche Gesamtschau in besonders eingehendem Maß erforderlich gewesen, um darzulegen, daß nicht nur die jetzt für richtig gehaltene Entscheidung ebenfalls vertretbar sein soll, sondern daß allein sie zulässig gewesen wäre. Eine solche Gesamtschau wird weder in der angefochtenen Entscheidung noch in den im Verfahren vor der StVK nachgeschobenen Erwägungen vorgenommen. Es wäre aber erforderlich gewesen, darzulegen, daß und weshalb der Verstoß aus prognostischer Sicht auch unter Berücksichtigung des Vorlebens des Gefangenen, bei dem offenbar keine schwere Suchtproblematik vorlag, und des Umstands, daß er Erstverbüßer ist, die Beurteilung nicht mehr zugelassen haben soll, daß Flucht- und Mißbrauchsgefahr in hinreichendem Maß zu verneinen sind, sondern zwingend hätte dazu führen müssen, Flucht- oder Mißbrauchsgefahr zu bejahen.



3. Die JVA kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StVollzG berufen.

Soweit sie sich hierauf mit der Begründung stützt, weil dem Gefangenen nunmehr Lockerungen für einen erheblichen Zeitraum versagt würden, bestehe aufgrund neu eingetretener Umstände gesteigerte Fluchtgefahr, liegt ein Zirkelschluß vor, mit dem sich die Versagung von Lockerungen, hier in der Form von Regelurlaub, nicht rechtfertigen läßt.

Soweit in diesem Zusammenhang außerdem der Sache nach offenbar vorgetragen werden soll, daß aufgrund des Wechsels in der Person des Anstaltsleiters und der infolgedessen geänderten Beurteilung des zurückliegenden Haschischfundes damit zu rechnen sei, daß der Gefangene nicht mehr zum 2 /3 -Zeitpunkt, sondern erst später zur bedingten Entlassung vorgeschlagen werde, der Gefangene dies wisse und deshalb nunmehr erhöhte Fluchtgefahr bestehe, kann auch diese Argumentation keinen Erfolg haben. Dies gilt schon deshalb, weil die Entscheidung über die bedingte Entlassung nicht von der JVA, sondern von einem unabhängigen Gericht getroffen wird und der JVA insoweit auch keine Entscheidungsprärogative zusteht.

4. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat versagt. Zwar deutet aufgrund der bislang mitgeteilten Tatsachen nichts darauf hin, daß die aufgehobene Entscheidung des früheren Anstaltsleiters rechtswidrig oder gar eine »offensichtliche Fehlentscheidung« war, die JVA ist aber nicht gehindert, die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 StVollzG neu zu prüfen und dabei etwaige bislang nicht vorgetragene Tatsachen zu berücksichtigen, § 115 Abs. 4 S. 2 StVollzG (OLG Frankfurt am Main, Beschluß v. 31. 3. 2000 - 3 Ws 36/00 - StV 2001, 36 ff.)



Tatprovokation

Siehe unter „Lockspitzeleinsatz".

Transport von Haschisch - Fahrerlaubnis

... Denn die pauschale Würdigung, mit der das LG die Annahme der Ungeeignetheit i. S. d. § 69 Abs. 1 StGB begründet, trägt die Maßregelanordnung schon nach der bisherigen Rspr. nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Anlaßtaten schon von ihrem Gewicht her die in der bisherigen Rspr. zum Teil angenommene Indizwirkung für die Annahme fehlender Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfalten. Zwar war in allen Transportfällen der Verbrechenstatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt, doch handelte es sich bei den Mengen, die der Angekl. jew. von seinem Lieferanten in Paderborn abholte, um bis zu 350 g der »weichen« Droge Haschisch und in einem Fall von zusätzlich 17 g Marihuana. Schon angesichts dieser Mengen spielte die Benutzung des Fahrzeugs für das dem Angekl. angelastete Handeltreiben nur eine völlig untergeordnete Bedeutung. Ein Erfahrungssatz, daß jeder Täter, der - wie der Angekl. - Btm mit einem Kfz transportiert, deshalb zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen ist, um sich im Zweifel auch um den Preis der Gefährdung anderer durch Flucht seiner Feststellung zu entziehen, besteht in dieser Allgemeinheit nicht. Die Urteilsfeststellungen ergeben auch nicht, daß der Angekl. bei den Fahrten unter der Wirkung des von ihm früher konsumierten Haschischs stand. Sonstige Umstände, die auf eine unzureichende Bereitschaft des Angekl., den Konsum von Haschisch von dem Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen (vgl. hierzu BVerfG, a. a. O.; zu diesem Gesichtspunkt BGH bei Tolksdorf DAR 1998, 169 Nr. 15 und BGH NStZ 2000, 26, 27) oder in anderer Weise Verkehrssicherheitsinteressen zu vernachlässigen, schließen lassen, sind ebenfalls nicht hervorgetreten. In diesem Zusammenhang hätte das LG zudem bedenken müssen, daß die Ungeeignetheit i. S. d. § 69 StGB noch im Zeitpunkt des Urteils gegeben sein muß (st. Rspr.; BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 4 m. w. N.). Dazu bestand um so mehr Anlaß, als sich das LG ausdrücklich die Überzeugung verschafft hat, daß der Angekl. mittlerweile keine Btm mehr konsumiert. Angesichts dessen schließt der Senat aus, daß sich aufgrund neuer Hauptverhandlung noch Umstände ergeben könnten, die eine Ungeeignetheitsprognose i. S. d. § 69 Abs. 1 StGB rechtfertigen und deshalb den Maßregelausspruch tragen könnten. Dieser entfällt daher. ... (BGH, Beschluss v. 05.11.2002 - 4 StR 406/02 - StV 2003, 69 f).

***

Der Umstand, daß ein Angeklagter ein Kraftfahrzeug nutzt, um damit Betäubungsmittel zum Zwecke des Handeltreibens zu transportieren, weist nicht zwingend auf eine mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hin (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.11.2001 - 2 b Ss 309/01, StV 2002, 261 f.).



Wirkstoffgehalt bei Anbau

Darüberhinaus spricht ein weiterer Gesichtspunkt für eine einschränkende Auslegung des Besitztatbestands des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegenüber dem Anbautatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Während in den Fällen des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG die Menge bzw. der Wirkstoffgehalt des Rauschgifts exakt bestimmt werden kann, ist dies im Fall des Anbaus von Cannabis nicht möglich, da sich der Wirkstoff THC erst in der Pflanze entwickeln muß. Die Anwendung des erhöhten Strafrahmens würde letztlich davon abhängen, ob eine bestimmte Wirkstoffmenge in den Pflanzen im Hinblick auf biologischbotanische Prozesse bei der Entwicklung mit Sicherheit nachzuweisen ist und der Täter von dem Vorhandensein dieser Menge Kenntnis hat oder dies billigend in Kauf nimmt. So ist die Bestimmung des in den Pflanzenblättern enthaltenen Wirkstoffs mit zahlreichen Unwägbarkeiten belastet. Einerseits gilt als anerkannt, daß der Wirkstoff bereits kurze Zeit nach der Ernte wieder abgebaut wird, ohne daß insoweit gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über Abbauwerte und Abbaugeschwindigkeit bestehen. Andererseits unterliegen der Wuchs von Pflanzen und die Ausbildung bestimmter Bestandteile und Inhaltsstoffe nach biologischen Erkenntnissen einer Vielzahl von nicht beeinflußbaren Faktoren, so daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Wirkstoff THC in allen Blättern in einer vergleichbaren Konzentration vorhanden ist. Gerade die Ergebnisse der chemischen Untersuchung im vorliegenden Fall zeigen die Problematik erkennbar abweichender Wirkstoffkonzentrationen deutlich auf. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen kann nach Auffassung des Senats eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes nicht geringer Mengen i. S. d. § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht in Betracht kommen, wenn der Täter eine geringe Anzahl von Cannabispflanzen anbaut und sich erst im Laufe der vom Täter nicht kontrollierten Wachstumsperiode eine nicht geringe Menge THC in den Pflanzenbestandteilen aufgebaut hat (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30. 9. 1998 - 2 Ss 298/98 - StV 1999, 438, 439).



Wirkstoffgehalt im Grenzbereich zur nicht geringen Menge

... 1. Die Verurteilung beider Angekl. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Btm in nicht geringer Menge (Fall II.2. der Urteilsgründe) kann nicht bestehen bleiben, weil die Annahme des LG, die Angekl. hätten mit Haschisch »in nicht geringer Menge« i. S. d. § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG Handel getrieben, einer ausreichenden Tatsachengrundlage entbehrt. Dieser auf die Revision des Angekl. E. zu beachtende Rechtsfehler führt gem. § 357 StPO zur Aufhebung auch der den Angekl. F., der insoweit keine Revision eingelegt hat, betreffenden Verurteilung.2001sr

Nach den Feststellungen kaufte der Angekl. F. mit dem hierfür von dem Mitangekl. E. zur Verfügung gestellten »Startkapital« 500 g Haschisch zur gewinnbringenden Weiterveräußerung. Feststellungen zu dem Wirkstoffgehalt dieser Rauschgiftmenge hat das LG nicht getroffen. Gleichwohl nimmt es das Vorliegen einer »nicht geringen Menge« an, wobei auf die »Gesamtmenge abzustellen« sei. Insoweit beschränkt es sich auf den Hinweis, »selbst wenn die Qualität des Haschischs schlecht gewesen sein sollte, (sei) die Grenzgewichtsmenge der nicht mehr geringen Menge deutlich überschritten«. Dies genügt für die Feststellung, daß das Haschisch mindestens 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) enthielt und damit die Grenze der nicht geringen Menge erreicht hat (BGHSt 33,8 [= StV 1985, 59]; 42, 1 [= StV 1996, 95]) nicht. Angesichts der Häufigkeit, mit der bei Cannabisprodukten eine sehr schlechte oder schlechte Qualität mit einem Wirkstoffgehalt von lediglich bis zu 2 % auftritt (1994: 4,1 %, BGHSt 42, 1, 13; 1997: 11 %, Weber, BtMG, Anh. E S. 1004), kann entgegen der Auffassung des GBA nicht ohne weiteres von einem Wirkstoffgehalt von nicht unter 2,5 % ausgegangen werden. Auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt, die - unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes - mit hinreichender Genauigkeit auch dann möglich sind, wenn Btm nicht sichergestellt werden konnten und daher für eine Untersuchung durch Sachverständige nicht zur Verfügung stehen (vgl. BGH NJW 1994, 1885, 1886; BGH, Beschl. v. 29. 6. 2000 - 4 StR 202/00, m. w. N.), konnte hier deshalb nicht verzichtet werden. ... (BGH, Beschluss v. 07.11.2000 - 4 StR 456/00 - StV 2001, 461).

***
Von genaueren Feststellungen zu dem für den Schuldumfang maßgebenden Wirkstoffgehalt von Btm darf ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn auszuschließen ist, daß eine genauere Angabe des Wirkstoffs das Strafmaß beeinflußt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sich wegen der geringen Gewichtsmengen ein Absehen von Strafe nach § 29 Abs. 5 BtMG aufdrängt (OLG Köln, Beschluss v. 12.01.1999 - Ss 2/99 - StV 1999, 440 f.).



Wirkstoffgehalt von Marihuana durchschnittlicher Qualität

Nach allgemeiner Erfahrung liegt der Wirkstoffgehalt von Marihuana durchschnittlicher Qualität bei 2 bis allenfalls 5 % THC. Die Zugrundelegung eines höheren Wirkstoffgehalts bei Schuld- und Rechtsfolgenausspruch ist daher rechtsfehlerhaft (BGH, Beschluss vom 09.06.2004 - 3 StR 166/04, (StV 2004, 602).



Zeitsoldat - fristlose Entlassung

Fristlose Entlassung eines Zeitsoldaten wegen Dienstpflichtverletzung durch Cannabiskonsum (OVG NRW, Urteil vom 29.08.2012 - 1 A 2084/07):

„... bb) In dem nach alledem feststehenden gelegentlichen Drogenkonsum des Klägers auf der Stube 215 liegt ein Verstoß gegen Dienstpflichten. Es ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass ein Soldat, der - sei es wiederholt oder auch nur einmalig - innerhalb der Kaserne Cannabis-Produkte oder andere Betäubungsmittel (wie etwa die hier auch in Rede stehenden Amphetamine) konsumiert, seine Dienstpflichten verletzt. Ein solches Verhalten verletzt die Pflicht des Soldaten, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Ferner verletzt es die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) im militärischen Kernbereich, weil es unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Truppe gefährdet. Regelmäßig liegt in ihm auch ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG), wenn der Soldat - wie der Kläger - über das Verbot des unbefugten Besitzes sowie des Konsums von Betäubungsmitteln in militärischen Anlagen belehrt worden ist.

So BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 -, BVerwGE 140, 199 = NVwZ-RR 2011, 986 = juris, Rn. 14, m.w.N.; vgl. ferner den Senatsbeschluss vom 20. Januar 2005 - 1 B 2009/04 -, a.a.O., juris, Rn. 16 f., auch zu der Frage eines Verstoßes gegen § 7 SG und mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; dazu, dass das in Rede stehende Verhalten gegen das in der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 10/5 Nr. 404 ausgesprochene Verbot unbefugten Besitzes und/oder Konsums von Betäubungsmitteln für Soldaten im und außer Dienst und bereits damit gegen die Gehorsamspflicht verstößt, vgl. das Senatsurteil vom 23. Juli 2009 - 1 A 2084/07 -, juris, Rn. 106.

Ob es sich - etwa nach disziplinarrechtlichen Maßstäben - um einen "schweren" oder "leichten" Fall einer Dienstpflichtverletzung handelt und ob in dem jeweils zu beurteilenden Einzelfall verschärfende oder mildernde Umstände hinzutreten, ist im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal der Verletzung von Dienstpflichten in § 55 Abs. 5 SG ohne Belang.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 2 C 17.91 -, BVerwGE 91, 62 = NVwZ-RR 1993, 501; Senatsbeschluss vom 20. Januar 2005 - 1 B 2009/04 -, a.a.O., juris, Rn. 18 f.

cc) Der Kläger hat die festgestellten Dienstpflichtverletzungen auch schuldhaft, und zwar offensichtlich vorsätzlich, begangen. Aufgrund der aktenkundigen Belehrung, die der Kläger ausweislich seiner beigefügten Unterschrift am 5. April 2002 zur Kenntnis genommen hat, war ihm bewusst, dass "der unbefugte Besitz und/oder Konsum von Betäubungsmitteln und Drogen und Drogenmißbrauch ... für Soldaten im und außer Dienst (auch innerhalb militärischer Anlagen) verboten" ist (Nr. 3 der Belehrung). Ferner war er unter Nr. 3 der Belehrung auch darüber unterrichtet worden, dass das Vergehen u.a. des unbefugten Besitzes von Betäubungsmitteln bei Soldaten auf Zeit in der Regel mit der Entlassung aus der Bundeswehr geahndet werde. Der in tatsächlicher Hinsicht zutreffende Einwand des Klägers, zum Zeitpunkt der Belehrung noch Grundwehrdienstleistender und nicht Soldat auf Zeit gewesen zu sein, lässt den Schuldvorwurf nicht entfallen. Denn für die Annahme einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung ist nicht das Wissen des Soldaten von Bedeutung, welche Rechtsfolgen ein bestimmtes Verhalten im Einzelnen nach sich ziehen kann oder wird; maßgeblich ist insoweit vielmehr allein der Umstand, ob dem Soldaten bewusst ist, etwas ihm Verbotenes zu tun. Hieran kann im Falle des Klägers unabhängig von der Belehrung schon mit Blick auf seinen früheren Drogenkonsum und die sich daran anschließenden Vorgänge im Rahmen seiner Aufnahme in die Bundeswehr kein Zweifel bestehen, zumal ihn die Drogentests beständig an das Verbot erinnern mussten. Abgesehen davon war dem Kläger auch aus anderen Gründen völlig klar, dass er mit seinem Drogenkonsum seine dienstlichen Pflichten verletzte. Denn nach der Schilderung des OG U2. in der Vernehmung vom 22. März 2006 hatten die an dem Drogenkonsum beteiligten Soldaten besondere Vorkehrungen getroffen, um nicht entdeckt zu werden: Die Stube wurde abgeschlossen, und außerdem wurde Cannabis nur bei eingeschaltetem Ventilator am geöffnetem Fenster geraucht, so dass möglichst wenig Rauch in den Raum eindringen konnte. Diese "Sicherheitsmaßnahmen" konnten auch dem Kläger bei seiner gelegentlichen Teilnahme am Konsum von Cannabis bzw. anderer Drogen auf der Stube 215 nicht verborgen geblieben sein. Im Übrigen hat, ohne dass dies nach den vorstehenden Ausführungen erforderlich wäre, der Kläger auch offenbart, dass ihm unabhängig von seiner Belehrung bewusst war, dass sich ein Drogenmissbrauch auf den Status als Soldat auf Zeit auswirken konnte. Denn in der Klageschrift vom 14. Mai 2006 hat er selbst vorgetragen, dass sein der Bundeswehr bekannt gewordener Drogenkonsum vor der Bundeswehrzeit der Grund dafür gewesen sei, dass er nicht bereits nach dem Ende seines neunmonatigen Grundwehrdienstes, sondern erst nach insgesamt 23 Monaten Wehrdienst als Zeitsoldat übernommen worden sei.

c) Schließlich würde ein Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis (jedenfalls) die militärische Ordnung ernstlich gefährden. Ob dies der Fall ist, haben die Verwaltungsgerichte in einer (objektiv) nachträglichen Prognose (selbst) nachzuvollziehen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 -, a.a.O., juris, Rn. 10; Senatsbeschlüsse vom 17. September 2008 - 1 B 670/08 -, juris, Rn. 44 f., und vom 20. Januar 2005 - 1 B 2009/04 -, a.a.O., juris, Rn. 21 f., Letzterer m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung ist regelmäßig zu bejahen, wenn die Einsatzbereitschaft der Soldaten erheblich vermindert und im Gefolge dessen die Verteidigungsbereitschaft der Truppe, d.h. der einzelnen betroffenen Einheit bzw. letztlich auch der Bundeswehr im Ganzen, in Frage gestellt wird. Dabei ist anerkannt, dass gerade ein sich in der Bundeswehr unkontrolliert verbreitender Konsum von Betäubungsmitteln (auch von Cannabis-Produkten) geeignet ist, diese Gefährdung in dem gesetzlich geforderten Gefährdungsgrad herbeizuführen. In diesem Zusammenhang kann schon der jeweilige Einzelkonsum ausreichen, um als Teilstück einer allgemeinen und überdies schwer zu bekämpfenden Erscheinung disziplinlosen Verhaltens - etwa vor dem Hintergrund eines zu erwartenden Nachahmungseffekts - die in Rede stehende Tatbestandsvoraussetzung zu erfüllen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 2 C 17.91 -, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 20. Januar 2005 - 1 B 2009/04 -, a.a.O., juris, Rn. 23 f., m.w.N.; für das lediglich zweimalige Ziehen an einer Haschischzigarette wohl "großzügiger": Bayerischer VGH, Beschluss vom 31. Januar 2000 - 3 ZB 99.1315 -, NVwZ 2000, 1203 = NZWehrr 2000, 130.

Die Qualifizierung des wie hier in mehr als einem Fall nachgewiesenen Betäubungsmittelkonsums eines bestimmten Soldaten im Kameradenkreis und dessen Auswirkungen auf das Verhalten und die innere Einstellung anderer Soldaten als die militärische Ordnung der Bundeswehr ernstlich gefährdend steht im Einklang mit der in bisherigen Verfahren vergleichbarer Thematik vorgenommenen Bewertung des erkennenden Gerichts. Zudem ist nach allgemein bekannter Tatsachenlage schon seit Jahren eine Tendenz zu einem steigenden Betäubungsmittelkonsum unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verzeichnen bzw. hat sich dieser Konsum jedenfalls auf einem besorgniserregenden Niveau stabilisiert.

Vgl. auch die Kurzmeldung des Bundesministeriums des Innern vom 3. März 2009: "Drogen-Statistik 2008 alarmierend: Zahl der Drogentoten und der erstauffälligen Konsumenten harter Drogen gestiegen", in der auch auf einen Trend weg von Heroin hinzu Lifestyledrogen wie Amphetaminen, Ecstasy und Kokain hingewiesen wird (www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/ DE/2009/03/drogenstatistik.html?nn=366856, Ausdruck vom 21. Juli 2009); vgl. ferner den Artikel in Spiegel-online vom 26. März 2012 "Zahl der Drogentoten sinkt rapide", nach dem die Zahlen der Drogen-Erstkonsumenten im Jahr 2011 gegenüber 2010 stellenweise stark angestiegen sind, so etwa bei Crystal, Ecstasy, Kokain und Amphetamin (http://www.spiegel.de /wissenschaft/medizin/zahl-der-drogentoten- stark-gesunken-a-823763.html).

Dieser Befund spiegelt sich trotz fortbestehender Verbote auch in der Bundeswehr wider. Vor diesem Hintergrund muss grundsätzlich auch aus Anlass des vorliegenden Falles mit einem deutlich zunehmenden Nachahmungsverhalten gerechnet werden, wenn die Ausbreitung dieser Erscheinung in der Bundeswehr lediglich disziplinarrechtlich und nicht auch mit dem (in der Regel "schärferen") Mittel der fristlosen Entlassung bekämpft werden würde. Die konkreten Umstände des zu entscheidenden Falles legen nicht wegen etwaiger Besonderheiten (z.B. Affekthandlung) von vornherein eine hiervon (ausnahmsweise) abweichende Bewertung nahe. Eine bloße Affekthandlung mit geringer Vorbildwirkung

- vgl. hierzu - insoweit wohl einen Ausnahmefall annehmend - BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 2 C 17.91 -, a.a.O., juris, Rn. 15 -

liegt hier schon mit Blick auf die wiederholte Beteiligung des Klägers am Drogenkonsum ersichtlich nicht vor. Ebenso offensichtlich war, wie die Feststellungen des Senats zeigen, auch nicht lediglich ein von Dritten völlig unbeobachteter Eigenkonsum gegeben.

Dazu, dass das Verbleiben eines Soldaten im Dienst, der in militärischen Unterkünften Betäubungsmittel konsumiert hat, wegen der negativen Vorbildwirkung in der Regel eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung darstellt, vgl, BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 -, a.a.O., juris, Rn. 14.

2. Sind - wie für den vorliegenden Fall wie vorstehend begründet - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG erfüllt, so steht die Entscheidung über die fristlose Entlassung nach dem Wortlaut der Norm im pflichtgemäßen Ermessen der Entlassungsbehörde. Dieses Ermessen ist hier fehlerfrei ausgeübt worden. Mit dem Wort "kann" in § 55 Abs. 5 SG ist der Entlassungsbehörde nach ständiger Rechtsprechung des Senats kein umfassendes Ermessen eingeräumt, das sie - ähnlich wie in einem Disziplinarverfahren - verpflichten würde, alle für und gegen den Verbleib des Zeitsoldaten im Dienst sprechenden Gesichtspunkte im Rahmen einer Gesamtwürdigung zusammenzutragen, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Frage der Angemessenheit der Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck in der Art einer Vorabbewertung im Wesentlichen bereits auf der Tatbestandsebene des § 55 Abs. 5 SG selbst konkretisiert. Demgemäß ist die Befugnis der zuständigen Behörde, bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift von einer fristlosen Entlassung abzusehen, im Sinne einer sog. "intendierten Entscheidung" auf besondere (Ausnahme-)Fälle beschränkt, und zwar auf solche, die der Gesetzgeber in seine vorweggenommene Verhältnismäßigkeitsabwägung nicht schon einbezogen hat bzw. einbeziehen konnte, weil sie beispielsweise gerade den jeweils in Rede stehenden Fall völlig "atypisch" prägen. In Konsequenz dessen gibt es auch keine generelle Verpflichtung der Behörde, in jedem einzelnen Falle im Rahmen der Begründung der Entlassungsverfügung bzw. des Beschwerdebescheides (zusätzliche) Ermessenserwägungen anzustellen.

Vgl. insbesondere Beschlüsse des Senats vom 1. März 2006 - 1 B 1843/05 -, a.a.O., und vom 20. Januar 2005 - 1 B 2009/04 -, a.a.O., juris, Rn. 31 ff., jeweils m.w.N.; ferner Beschluss vom 17. September 2008 - 1 B 670/08 -, juris, Rn. 51 f.; so auch Sohm, a.a.O., § 55 Rn. 62.

Es reicht vielmehr aus, dass sich die Behörde den Umständen nach des in atypischen Fällen gesetzlich eingeräumten Ermessens bewusst gewesen ist und sie etwa bestehende Besonderheiten (im obigen Sinne) zutreffend geprüft und verneint hat. Insoweit lassen die angefochtenen Bescheide keine durchgreifenden Mängel erkennen. Die Begründung jedenfalls des Beschwerdebescheides verdeutlicht, dass die Beklagte nicht etwa von einer rechtlich strikt gebundenen Entscheidung ausgegangen ist. Auf Seite 6 des Bescheides hat sie nämlich die o.g. Grundsätze ausdrücklich dargelegt und sodann ausgeführt, dass ein atypischer Fall hier nicht vorliege. Darüber hinaus hat sie - ebenfalls auf Seite 6 des Beschwerdebescheides - noch eine (in dieser Form nicht einmal gebotene) allgemeine Güter- und Folgenabwägung vorgenommen, und zwar unter Einbeziehung folgender Umstände: Beeinträchtigung der Lebensplanung des Klägers, Grad seines Fehlverhaltens ("gravierend"), Verantwortung für die Ursache, erforderliche Kompromisslosigkeit bei der Anwendung der Vorschrift, um auf diese Weise die mit ihr verfolgte präventive Wirkung zu erreichen. Diese Ausführungen wären ersichtlich unterblieben, wenn die Beklagte angenommen hätte, eine strikt rechtsgebundene Entscheidung treffen zu dürfen.

Der Kläger hat weder durchgreifend Ermessensfehler der angefochtenen Verfügung dargelegt noch seinen Fall prägende "atypische" Umstände, welche die gesetzlich intendierte Entlassung ausnahmsweise als unangemessen erscheinen lassen würden; solche Umstände sind auch sonst nicht ersichtlich.

Insbesondere ergeben sich atypische Umstände bzw. eine Unverhältnismäßigkeit der Verfügung nicht daraus, dass die Entlassung des Klägers erst zwei Tage vor Ablauf des in § 55 Abs. 5 SG als Tatbestandsvoraussetzung genannten Zeitraums der ersten vier Dienstjahre erfolgt ist.

Zum einen hat das Gesetz mit der Begrenzung der Entlassungsmöglichkeit auf die ersten vier Jahre selbst die maßgebliche Grenzziehung vorgenommen, womit naturgemäß - ähnlich wie auch im Falle sog. Stichtagregelungen - gewisse Härten verbunden sein können. Die Ausschöpfung dieser Frist durch die Bundeswehr bedarf hiervon ausgehend regelmäßig keiner besonderen Erwägungen; dies gilt besonders dann, wenn die Pflichtverletzung erst kurz oder unmittelbar vor Ablauf der Dienstzeit erfolgt bzw. entdeckt worden ist.

Vgl. schon den Senatsbeschluss vom 20. Januar 2005 - 1 B 2009/04 -, a.a.O., in juris Rn. 42.

Zum anderen und vor allem entfällt bei solchen Dienstpflichtverletzungen, von denen - wie hier - eine negative Vorbildwirkung ausgeht, diese nicht durch das reguläre Ausscheiden des Soldaten aus dem Dienst, sondern kann nur durch eine disziplinarische oder anderweitige Reaktion des Dienstherrn beseitigt werden.

So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 -, a.a.O., juris, Rn. 12; nach dieser Entscheidung kann eine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auch unmittelbar vor dem Ende der Dienstzeit allenfalls in atypischen Fallkonstellationen an dem Verbot unverhältnismäßiger Grundrechtseingriffe scheitern. ..."

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Washington erlaubt Marihuana - Zweiter Bundesstaat in Amerika legalisiert Verkauf (FAZ 08.07.2014)

pwe. WASHINGTON, 8 Juli. In den Vereinigten Staaten breitet sich langsam die Bewegung fur eine Legalisierung von Marihuana aus. Mit Washington, dem Bundesstaat im Nordwesten hat jetzt nach Colorado der zweite Staat den Verkauf des Rauschgifts an Erwachsene für den privaten Verbrauch zugelassen Eine Regulierungsbehörde erteilte gerade die ersten 24 Verkaufslizenzen und 90 Lizenzen an Hersteller. Darunter fallen Geschäfte wie „Main Street Marihuana" in Vancouver oder „Cannabis City" in Seattle Weitere Bundesstaaten könnten folgen. Die Wähler in Washington und Colorado hatten in Volksabstimmungen im Jahr 2012 den Verkauf von Marihuana genehmigt. In Alaska stimmen die Wähler im November parallel zur Kongresswahl darüber ab, auch in Oregon gibt es Bemühungen um eine Volksabstimmung noch in diesem Jahr.

Die Debatte um die Legalisierung zeigt die Besonderheiten eines föderalen Staates, in dem die Bundesstaaten ihre Geschicke selbst im Wettbewerb bestimmen. Nach Bundesrecht ist der Verkauf von Marihuana nach wie vor verboten. In Washington gekauftes Marihuana, das nur an Erwachsene abgegeben wird, muss deshalb in dem Bundesstaat konsumiert werden - was sich schwer überprüfen lasst. 23 der Bundesstaaten und der District of Columbia erlauben schon die Nutzung von Marihuana für den medizinischen Gebrauch. Die Erfahrungen on Colorado in dem Marihuana seit Januar legal verkauft wird, lassen die Hoffnungen auf eine Steuerbonanza verebben. Colorado dürfte die Verkaufsteuer auf Marihuana in diesem Jahr nach aktuellen Schätzungen weniger als

50 Millionen Dollar einbringen Das ist weit weniger als die zunächst erwarteten Einnahmen. Auch in Washington, das eine Steuer von 25 Prozent erhebt, sind die Hoffnungen gesunken Vor zwei Jahren wurden die Steuereinnahmen auf Sicht von vier Jahren noch mit 1,9 Milliarden Dollar geschatzt. Nun ist von knapp 590 Millionen Dollar über vier Jahre die Rede.

Auch im anderen Washington, in der Hauptstadt im District of Columbia, gibt es Bestrebungen für eine Legalisierung von Marihuana Die Befürworter haben nach eigenen Angaben 57 000 Unterschriften gesammelt und eingereicht. Das ist mehr als das Doppelte der benötigten Unterschriften, um eine Volksabstimmung im November zu erzwingen. In Washington, D.C., geht es nicht um einen legalen Verkauf, sondern allein darum, den Besitz von 2 Unzen (56 Gramm) Marihuana für den persönlichen Gebrauch zu entkriminalisieren und den Besitz von wenigen Pflanzen für den Eigenanbau. Sollten die Wähler dem zustimmen, wäre das für den Stadtrat nicht bindend.

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