Rechtsprechung des BGH zum Strafrecht 2000

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Rechtsprechung zum Strafrecht - 1998 - 1999 - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005

BGH, 21.12.2000, 4 StR 499/00 (StV 2001, 571)

Nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der Intimpartner vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, beruht zwangsläufig schon auf niedrigen Beweggründen. Vielmehr können in einem solchen Fall tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Enttäuschung und "ungerechter" Behandlung sein, die einer Wertung als "niedrig" entgegenstehen. Dies gilt auch dann, wenn der Täter den Grund für die Trennung selbst herbeigeführt hat.

BGH, 14.12.2000, 4 StR 327/00 (StV 2001, 162)

Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 226 II StGB reicht es aus, dass der Täter die schwere Körperverletzung als sichere Folge seines Handelns voraussicht. Die Vorschrift ist - etwa nach strafbefreiendem Rücktritt vom Tötungsversuch - auch bei direktem Tötungsvorsatz anwendbar; die entgegenstehende frühere Rechtsprechung (BGH, NStZ 1997, 233, 234) ist überholt.

BGH, 14.12.2000, 3 StR 414/00 (StV 2001, 232 L)

Ein Gebäude ist teilweise zerstört, wenn ein Teil (hier: die Wohnung der Geschädigten) nicht mehr ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch dienen kann.



BGH, 12.12.2000, 1 StR 184/00 (BGHSt 46, 212)

Stellt ein Ausländer von ihm verfasste Äußerungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung i. S. des § 130 I oder des § 130 III StGB erfüllen ("Auschwitzlüge"), auf einem ausländischen Server in das Internet, der Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, so tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg (§ 9 I, Alt. 3 StGB) im Inland ein, wenn diese Äußerungen konkret zur Friedensstörung im Inland geeignet sind.

BGH, 12.12.2000, 4 StR 464/00 (StV 2001, 160)

§ 177 IV Nr. 2 lit. b StGB ist kein erfolgsqualifiziertes Delikt, sondern setzt auch hinsichtlich des Eintritts der Gefahr Vorsatz aus.

Der Täter verwendet ein gefährliches Werkzeug gem. § 177 IV Nr. 1 StGB auch dann, wenn er es ausschließlich zur Vornahme der sexuellen Handlung einsetzt.

BGH, 7.12.2000, 3 StR 382/00 (NStZ-RR 2001, 107)

Die Vernehmung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft steht grundsätzlich seinem weiteren Einsatz in der Hauptverhandlung entgegen, insbesondere ist ihm verwehrt, das Schlussplädoyer zu halten. Dies gilt jedoch nicht, wenn seine Aussage nur die Durchführung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens betraf und sich in der Schilderung einer schlichten Übergabe eines angeblichen Beweisstückes erschöpfte. Der Staatsanwalt hat sich in diesem Falle lediglich der Würdigung seiner eigenen Aussage zu enthalten.

BGH, 6.12.2000, 1 StR 500/00 (NStZ 2001, 333)

Geht der Tatrichter von einem tatsächlich nicht bestehenden Erfahrungssatz aus, so liegt darin ein Mangel, den das Revisionsgericht auf die Sachrüge berücksichtigt.

BGH, 1.12.2000, 2 StR 379/00 (NStZ 2001, 247)

Dem Täter eines Menschenraubs muss es in der Tatbestandsalternative des Aussetzens in hilfloser Lage i. S. zielgerichteten Wollens darauf ankommen, das Opfer in eine Lage zu bringen, in der es - zur Selbsthilfe unfähig - auf fremde Hilfe angewiesen und konkret an Leib oder Leben gefährdet ist.



BGH, 30.11.2000, 4 StR 493/00 (StV 2001, 274)

Einer Anwendung des § 250 II Nr. 1 StGB steht nicht entgegen, dass die eingesetzte Waffe noch nicht durchgeladen ist.

Eine Schreckschusspistole kann nach ihrer objektiven Beschaffenheit und ihrer Verwendung im konkreten Einzelfall geeignet sein, erhebliche Verletzungen zuzufügen und deshalb eine Waffe i.S. des § 250 II Nr. 1 darstellen. Dies ist dann der Fall, wenn sie dem Opfer unmittelbar an den Körper gehalten wird, da ein aufgesetzter Schuss mit einer Platzpatrone auf Grund der austretenden Explosionsgase und der mitgerissenen Munitionspartikel regelmäßig zu erheblichen Verletzungen führt. Wird jedoch eine geladene Schreckschusspistole dem Opfer aus einer Entfernung von zwei Metern vorgehalten so versteht sich dies - selbst wenn sie auf das Gesicht gerichtet ist - nicht von selbst. Die objektive Gefährlichkeit dieses Einsatzes bedarf vielmehr der näheren tatrichterlichen Darlegung.

BGH, 28.11.2000, 5 StR 327/00 (StV 2001, 436)

Mit dem Einwand sachwidriger Einengung der Beweisbehauptung kann die Revision dann nicht gehört werden, wenn nicht vorgetragen ist, dass eine entsprechende Beanstandung bereits in der Hauptverhandlung vorgebracht wurde; dies ist als Reaktion auf den verkündeten ablehnenden Gerichtsbeschluss unerlässlich.

BGH, 23.11.2000, 3 StR 225/00 (wistra 2001, 105)

Für eine Beihilfe im besonders schweren Fall ist nicht entscheidend, dass sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist; zu prüfen ist vielmehr das Gewicht der Beihilfehandlung selbst.

BGH, 22.11.2000, 3 StR 331/00 (StV 2001, 568)

Wer durch ein rechtswidriges Vorverhalten die Gefahr einer tödlichen Auseinandersetzung mit tödlichem Ausgang herbeigeführt hat, kann auch dann wegen fahrlässiger Tötung bestraft werden, wenn er den zum Tode führende Schuss in Notwehr abgibt.

BGH, 21.11.2000, 1 StR 300/00 (wistra 2001, 103)

Ein Schaden der Auftraggeber ist bei Submissionsabsprachen "zur Verhinderung eines ruinösen Wettbewerbs" nur zu verneinen, wenn sie diesen niedrigeren ("ruinösen") Angeboten den Zuschlag nicht hätten erteilen dürfen. Voraussetzung hierfür wäre nicht nur ein (offensichtliches) Mißverhältnis zwischen Preis und Leistung, sondern es müßte darüber hinaus zu erwarten sein, dass der Auftragnehmer wegen dieses Mißverhältnisses in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag deshalb nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführt. Dagegen besteht für die öffentliche Hand kein Hindernis, auch so genannte Unterkostenpreise zu akzeptieren, sofern der Anbieter zu diesen Preisen zuverlässig leisten kann.

BGH, 8.11.2000, 5 StR 387/00 (StV 2001, 95)

Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache ist nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter bei der Prüfung, ob die unter Beweis gestellte Tatsache für den Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung beeinflussen könne oder nicht, weder die Wahrheit der Beweistatsache noch den Wert des angebotenen Beweismittels in Frage stellt. Bei dem Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen muss die Beurteilung der Zeugenqualität dem Gebrauch des Beweismittels in der Hauptverhandlung - also der Befragung des Zeugen - vorbehalten bleiben.

BGH, 8.11.2000, 5 StR 433/00 (StV 2001, 163)

In der Einreichung eines Überweisungsauftrags liegt nicht zwingend die Erklärung, dass dem Überweisenden ein entsprechendes Guthaben auch materiell zusteht. Der Erklärungswert eines Überweisungsauftrags erschöpft sich - jedenfalls soweit keine besonderen Umstände hinzutreten - in dem Begehren auf Durchführung der gewollten Transaktion.

Im Hinblick auf die für die Betrugsstrafbarkeit durch Vorlage eines Überweisungsformulars allein relevante Frage, ob im Zeitpunkt der Überweisung aus der Gutschrift ein entsprechendes Guthaben besteht, überzeugt die bislang in Rechtsprechung und Literatur vorgenommene Differenzierung zwischen Fehlbuchung und Fehlüberweisung nicht.

Maßgeblich für die Frage der Täschungshandlung bei der Vorlage eines Überweisungsformulars kann nicht die Art des zugrundeliegenden Fehlers sein, sondern die Wirksamkeit der aus dem Fehler entstandenen Gutschrift. Doch nicht nur die Fehlüberweisung, sondern auch die Fehlbuchung löst zunächst Ansprüche mit der Vornahme der Gutschrift aus.

Eine Garantenpflicht zur Offenlegung der Fehlbuchung gegenüber der Bank trifft den Überweisenden i. d. R. nicht. Dies ist nur bei verraglich konkret vereinbarter Aufklärungspflicht zwischen Kontoinhaber und Bank der Fall.

BGH, 7.11.2000, 5 StR 326/00 (NStZ 2001, 85)

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH begründet die Abhängigkeit von Suchtmitteln nur ausnahmsweise eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Eine solche Ausnahme wird u.a. für den Fall angenommen, dass die Angst des Abhängigen vor Entzugserscheinungen diesen unter ständigen Druck setzt und ihn zu Straftaten treibt, die unmittelbar oder mittelbar der Beschaffung des Suchtmittels dienen sollte. Begeht ein Abhängiger Vermögensdelikte unterschiedlichen Charakters, die nach seinen Angaben mittelbar der Befriedigung seiner Sucht dienen, liegt die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Täters jedenfalls bei langfristiger Planung zukünftigen Suchtmittelzugriffs dagegen eher fern.

BGH, 7.11.2000, 1 StR 303/00 (wistra 2001, 150)

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass sich der Tatrichter in den Urteilsgründen grundsätzlich nicht ausdrücklich mit als wahr unterstellten Tatsachen auseinandersetzen muss. Feststellungen und Beweiswürdigung dürfen der Wahrunterstellung lediglich nicht widersprechen; sie müssen sich mit ihr in Einklang bringen lassen. Die in der Wahrunterstellung liegende Zusage kann es aber im Einzelfall ausnahmsweise und weitergehend gebieten, die als wahr unterstellte Tatsache im Rahmen der Beweiswürdigung ausdrücklich mit zu erwägen. Das ist dann der Fall, wenn sich dies angesichts der im übrigen gegebenen Beweislage aufdrängt und die Beweiswürdigung sich sonst als lückenhaft erwiese.

BGH, 3.11.2000, 2 StR 354/00 (BGHSt 46, 189)

Verweigert eine Tatzeugin in der Hauptverhandlung das Zeugnis, dürfen ihre Angaben, die sie bei der Exploration für die Glaubhaftigkeitsprüfung zum Tatgeschehen gemacht hat (Zusatztatsachen), nicht für Feststellungen zum Tathergang verwertet werden, indem die Sachverständige als Zeugin gehört wird; das gilt auch für die erneute Hauptverhandlung nach der Wiederaufnahme des Verfahrens.

BGH, 26.10.2000, 3 StR 6/00 (StV 2001, 1)

Art. 6 III lit. e EMRK räumt dem der Gerichtssprache nicht kundigen Angeklagten (Beschuldigten) unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers ein, auch wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung i. S. des § 140 II StPO oder des Art. 6 III lit. c EMRK gegeben ist.

Einem Angeklagten ist nicht allein deswegen ein Pflichtverteidiger beizuordnen, weil er die deutsche Sprache nicht beherrscht und wegen seiner Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, die Kosten für einen Dolmetscher aufzubringen.

BGH, 25.10.2000, 5 StR 408/00 (StV 2001, 3)

Einem zeitgerecht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines von ihm benannten Rechtsanwalts ist grundsätzlich auch dann zu entsprechen, wenn zuvor nach Unterlassen der gebotenen Anhörung ein anderer Pflichtverteidiger bestellt worden war.

BGH, 19.10.2000, 1 StR 439/00 (NStZ 2001, 161)

Wenn Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgen, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Das gilt besonders, wenn sich sogar die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt. Dann muss der Tatrichter jedenfalls regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es im ermöglichen, der Zeugenaussage im Übrigen dennoch zu glauben.


BGH, 19.10.2000, 4 StR 411/00 (NStZ-RR 2001, 81)

Bei Beschaffungskriminalität eines Heroinabhängigen kann die Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen, die er schon "grausamst" erlitten hat, die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit rechtfertigen. Entscheidend kommt es dabei darauf an, ob die Tatbegehung maßgeblich von der Angst vor Entzugserscheinungen bestimmt gewesen ist.

BGH, 11.10.2000, 3 StR 336/00 (NStZ 2001, 155)

Ehe der Tatrichter bei dem Vorwurf der Untreue den Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der Nachteilszufügung verneinen kann, muss er das objektive Tatgeschehen zutreffend beurteilen und genau darlegen, welche Handlung des Angeklagten er als Missbrauch der ihm eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, ansieht. Erst wenn feststeht, was der Angeklagte nicht (mehr) tun durfte, kann geprüft werden, ob bereits diese Handlung zu einem Nachteil für das betreute Vermögen geführt und welche Vorstellungen sich der Angeklagte in Bezug auf diese Handlung und ihre Folgen gemacht hat.

BGH, 10.10.2000, 1 StR 420/00 (NStZ 2001, 243)

Nicht jedes abweichende Sexualverhalten in Form einer "Pädophilie" ist ohne weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichzusetzen, die als Merkmal des § 20 StGB einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zuzuordnen ist und zu einer Schuldminderung nach §§ 21, 49 I StGB führen muss.

BGH, 10.10.2000, 5 StR 185/00 (StV 2001, 95)

Die Erwartung des Tatrichters, dass durch eine Aussage des benannten Zeugen die Beweisbehauptung nicht bestätigt werden und die bisherige Beweislage unverändert bleiben würde, rechtfertigt eine Ablehnung des Beweisantrages wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit nicht.

BGH, 5.10.2000, 3 StR 357/00 (NStZ 2001, 106)

Die Pflicht, nach Wiedereintritt in die Verhandlung vor der Urteilsverkündung erneut - gegebenenfalls durch eine kurze Verständigung - zu beraten, besteht auch dann, wenn der Wiedereintritt in die Verhandlung keinen neuen Prozessstoff ergeben hat.

BGH, 21.9.2000, 1 StR 634/99 (StV 2001, 4)

Dem Tatgericht, das während, aber außerhalb der Hauptverhandlung verfahrensbezogene Ermittlungen anstellt, erwächst aus dem Gebot der Verfahrensfairneß die Pflicht, dem Angeklagten, der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft durch eine entsprechende Unterrichtung Gelegenheit zu geben, sich Kenntnis von den Ergebnissen dieser Ermittlung zu verschaffen. Der Pflicht zur Erteilung eines solchen Hinweises ist das Tatgericht auch dann nicht enthoben, wenn es die Ergebnisse der Ermittlungen selbst für nicht entscheidungserheblich erachtet. Entsprechendes gilt auch, wenn während der Hauptverhandlung Urkunden oder andere Beweismittel, deren Erheblichkeit nicht ausgeschlossen ist, ohne Veranlassung durch das Gericht zu den Akten gelangen.

BGH, 20.9.2000, 2 StR 186/00 (StV 2001, 14)

Ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, kann nicht nur dann Täter eines Bandenraubes sein, wenn es am Tatort an der Ausführung des Raubes unmittelbar beteiligt ist. Es reicht aus, dass es auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt und der Raub von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird (Fortführung von BGH, NJW 2000, 3364 = NStZ 2000, 645).

BGH, 19.9.2000, 1 StR 310/00 (StV 2001, 564)

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können der Betäubungsmittelkonsum, aber auch die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln nur ausnahmsweise erheblich verminderte Schuld begründen, wenn langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch namentlich unter Verwendung "harter" Drogen zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder Täter durch starke Entzugserscheinungen oder bei Heroinabhängigen aus Angst davor dazu getrieben wird, sich durch eine Straftat Drogen zu verschaffen oder wenn er die Tat im Zustand eines aktuellen Drogenrausches begeht.

BGH, 12.9.2000, 4 StR 305/00 (StV 2000, 656)

Der Zweifelsgrundatz gilt uneingeschränkt auch für die Feststellung der Strafzumessungstatsachen.

BGH, 6.9.2000, 3 StR 326/00 (NStZ-RR 2001, 41)

Ein Vermögensschaden kann auch dann anzunehmen sein, wenn der Getäuschte erworbene Sache nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck gebrauchen und sie auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden, namentlich sie wieder veräußern kann.

Der Grundsatz der Individualisierung des Schadensbegriffs bedeutet nicht, dass es allein auf die persönliche Einschätzung des Schadens durch den Getäuschten ankommt. Der Betrug darf nicht vom Vermögensschädigunsdeklikt zum Vergehen gegen die Wahrheit im Geschäftsverkehr umfunktioniert werden.

BGH, 6.9.2000, 2 StR 190/00 (StV 2000, 655)

Wird ein nicht verlesenes Gutachten im Urteil ohne einen Hinweis auf eine seinen Inhalt bestätigenden Erklärung des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Sachverständigen auszugsweise wörtlich wiedergegeben, so deutet dies in der Regel darauf hin, dass der Wortlaut selbst zum Zwecke des Beweises verwertet worden ist und nicht eine gegebenenfalls auf einen Vorbehalt abgegebene Bekundung des Sachverständigen.

BGH, 31.8.2000, 5 StR 349/00 (StV 2000, 667)

Die Verwendung einer umprogrammierten Bankkarte stellt ein Gebrauchen einer Zahlungskarte als sonstiger Karte i. S. des § 152a I Nr. 2, IV StGB dar.

BGH, 28.8.2000, 5 StR 300/00 (StV 2001, 108)

Die Ankündigung eines Rechtsanwalts, er werde bei einem andauernden Verdacht strafvereitelnden Verhaltens durch ihn die Verteidigung eines Beschuldigten nicht fortführen, wenn dieser nicht eine den Verdacht ausräumende Erklärung unterzeichne, erfüllt nicht den Tatbestand der Drohung mit einem empfindlichen Übel, da die Mandatsniederlegung der strafverfahrens- und standesrechtlichen Rechtslage entspricht.

BGH, 25.8.2000, 2 StR 314/00 (StV 2000, 666)

Verschafft sich der Täter gefälschte Zahlungskarten in der Absicht, sie zu gebrauchen, dann bildet die Beschaffung (als Vorbereitungsakt mit dem Gebrauch (als Ausführungsakt) eine einzige Tat der Fälschung von Zahlungskarten. Das Verhältnis zwischen den beiden tatbestandsmäßigen Handlungsformen bestimmt sich hier ebenso wie das Verhältnis zwischen dem Sichverschaffen und dem Inverkehrbringen von Falschgeld bei der Geldfälschung.



BGH, 23.8.2000, 2 StR 162/00 (StV 2001, 565)

Die Internationale Klassifikation ICD (International Classification of Deseases), die vor allem der internationalen fachlichen Verständigung dient, zählt lediglich Erkrankungen und Verhaltensstörungen auf und ordnet sie ein, trifft aber keine Aussage darüber, ob und inwieweit die beschriebenen Defekte die Schuldfähigkeit des Täters beeinträchtigen.

BGH, 23.8.2000, 3 StR 224/00 (NStZ 2001, 82)

Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit gegeben, wenn langjähriger Betäubungsmittelgenuss zu schwerster Persönlichkeitsveränderung geführt hat oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu beschaffen, ferner unter Umständen dann, wenn er das Delikt im Zustand eines akuten Rausches verübt hat.

BGH, 23.8.2000, 3 StR 234/00 (NStZ-RR 2001, 14)

Maßgebend für die Beurteilung, ob der Täter, der die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung bewusst zur Tötung ausnutzt, somit heimtückisch gehandelt hat, ist grundsätzlich der Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs und damit der Eintritt der Tat ins Versuchsstadium.

Ein der Tat vorangegangener bloßer Wortwechsel oder eine nur feindselige Atmosphäre schließt Heimtücke jedenfalls dann nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat. Dies gilt ebenso für längere Zeit zurückliegende Aggressionen und Tätlichkeiten. Auch ein generelles Misstrauen des Opfers schließt die Arglosigkeit nicht aus.

Das Ausnutzbewusstsein kann bei einer offen zu Tage liegenden Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers nicht zweifelhaft sein.

BGH, 17.8.2000, 4 StR 245/00 (NJW 2000, 3293)

Eine Änderung der in der Anklageschrift angegebenen Tatzeiten, durch die bisher von der Anklage nicht erfasste Straftaten in die Strafverfolgung einbezogen werden sollen, ist nach Zulassung der Anklage auch dann nicht zulässig, wenn es sich bei den Angaben in der Anklageschrift um ein Versehen der Staatsanwaltschaft gehandelt hat und diese der Änderung zustimmt.

Ist eine nicht angeklagte Tat abgeurteilt worden, so unterliegt auch das freisprechende Urteil auf zulässige Revision der Staatsanwaltschaft der Aufhebung. Das beim Landgericht geführte Verfahren ist einzustellen. Der Grundsatz des "Vorrangs des Freispruchs vor der Einstellung" gilt hier nicht.

Hält der Tatrichter rechtsirrig eine Tat für nicht angeklagt und sieht er dabei von einer Entscheidung über diese Tat ab, so ist das Verfahren in diesem Umfang weiterhin bei ihm anhängig; eine Entscheidungsbefugnis des Revisionsgerichts in der Sache besteht insoweit nicht.



BGH, 16.8.2000, 2 StR 279/00 (NStZ 2001, 85)

Die Umstände, die eine Verurteilung wegen bandenmäßiger Tatbegehung begründen, dürfen bei der Strafzumessung nicht nochmals straferschwerend berücksichtigt werden.

BGH, 15.8.2000, 5 StR 223/00 (wistra 2000, 432)

Zur Notwendigkeit, in der Hauptverhandlung Widerspruch gegen die beanstandete Verwertung der Erkenntnisse aus einer Telefonüberwachung zu erheben.

BGH, 9.8.2000, 3 StR 176/00 (NStZ-RR 2001, 215)

Das Mitsichführen einer nicht funktionsfähigen Schusswaffe bei der Tat darf - für sich genommen - nicht als Umstand gewertet werden, der für die Annahme eines minder schweren Falles i. S. von § 250 III StGB n. F. sprechen kann.

BGH, 9.8.2000, 3 StR 339/99 (StV 2000, 675)

Ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, kann nicht nur dann Täter eines Bandendiebstahls sein, wenn es am Tatort an der Ausführung des Diebstahls unmittelbar beteiligt ist. Es reicht aus, dass es auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird.

BGH, 3.8.2000, 1 StR 283/00 (StV 2001, 441 L)

Werden in einem Verfahren mehrere Angeklagte abgeurteilt, so könnten nicht Feststellungen, die nach dem Zweifelssatz zu Gunsten eines Angeklagten getroffen sind, Grundlage für Feststellungen zum Nachteil eines anderen Angeklagten sein. Ebensowenig können Feststellungen, die in einem früheren Verfahren gegen den damaligen Angeklagten auf der Grundlage des Zweifelssatzes getroffen wurden, in einem späteren Verfahren Grundlage für Feststellungen zum Nachteil des Angeklagten dieses Verfahrens sein.



BGH, 2.8.2000, 3 StR 218/00 (StV 2001, 13)

Transportiert ein Lkw-Fahrer im Auftrag seiner Firma Ware über eine längere Entfernung, ohne dass die Transportfirma Vorkehrungen zur Ausübung einer tatsächlichen Sachherrschaft über die Ladung während dieser Fernfahrt getroffen hat, ist grundsätzlich von Alleingewahrsam des Lkw-Fahrers auszugehen.

BGH, 2.8.2000, 5 StR 234/00 (StV 2000, 662)

Auch eine mit der Strafe verbundene Nebenfolge kann die Sanktion empfindlicher machen und für den Tatrichter Anlass zu einer Milderung sein. Zu solchen mit einer Bestrafung verbundenen Nebenfolgen gehört insbesondere auch der Verlust des Arbeitsplatzes. Gerade der Verlust eines gesicherten Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst oder der Verlust einer entsprechenden nwartschaft stellen in Zeiten erheblicher Arbeitslosigkeit eine besondere Härte dar, so dass dies ein für die Strafzumessung wesentlicher Gesichtspunkt ist.

BGH, 27.7.2000, 1 StR 263/00 (NJW 2000, 3015)

Die Erwartung des Tatgerichts, der Angeklagte werde Rauschgift portionsweise nur an erwachsene und schon betäubungsmittelabhängige Abnehmer veräußern, steht der Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht entgegen.

Das Absehen von der Anordnung von Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erfordert ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit. Die hinreichend konkrete Aussicht eines Therapieerfolgs reicht hierfür nicht ohne weiteres aus.

BGH, 27.6.2000, 1 ARs 6/00 (NJW 2000, 2907)

Der 1. Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung zum Bandenbegriff fest. Danach genügt für das Handeln "als Mitglied einer Bande" hinsichtlich der Zahl der Bandenmitglieder eine Verbindung von zwei Personen. Das gilt namentlich auch für die so genannte Diebesbande (§§ 244 I Nr. 2, 244a I StGB). Die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds beim Bandendiebstahl setzt zudem die Tatbegehung durch wenigstens zwei Bandenmitglieder voraus, die zeitlich und örtlich, wenn auch nicht notwendig körperlich zusammenwirken müssen.

BGH, 14.6.2000, 3 StR 94/00 (NJW 2000, 2829)

Zur Unterbrechungswirkung der Anordnung der ersten Vernehmung des Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren wegen serienmäßig begangenen sexuellen Missbrauchs eines Kindes.

BGH, 14.6.2000, 3 StR 26/00 (NJW 2000, 2830)

Die Fortsetzung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nach § 231 II StPO setzt nicht voraus, dass der Angeklagte über diese Möglichkeit zuvor belehrt worden ist.

BGH, 29.5.2000, II ZR 280/98 (DB 2000, 1609)

Es handelt sich um einen rechtlich relevanten Prospektmangel, wenn der Anleger aus dem Prospekt über die Beteiligung an einer Publikumsgesellschaft nicht ersehen kann, dass das von ihm aufgebrachte Kapital zu wesentlichen Teilen an den Initiator zurückfließt und für die beworbene Investition nicht zur Verfügung steht. Das gilt erst recht, wenn sich vor Prospektherausgabe die Marktverhältnisse derart geändert haben, dass mit der zeitgerechten Umsetzung des Projekts nicht gerechnet werden kann und deswegen Investitionsmittel für die Honorierung von Funktionsträgern verwendet werden müssen.

BGH, 18.5.2000, 4 StR 647/99 (NJW 2000, 2517)

Die audiovisuelle Vernehmung eines am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhinderten Auslandszeugen ist dann nicht erforderlich, wenn von ihr keine weiter gehende oder bessere Sachaufklärung zu erwarten ist als durch das Verlesen eines bereits vorliegenden richterlichen Vernehmungsprotokolls.

BGH, 16.5.2000, VI ZR 90/99 (NJW 2000, 2993)

Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung können auch dann i. S. des § 266a I StGB vorenthalten sein, wenn für den betreffenden Zeitraum kein Lohn an die Arbeitnehmer ausgezahlt worden ist.

BGH, 9.5.2000, 1 StR 106/00 (StV 2000, 426)

Zur Frage der Strafvereitelung des Verteidigers bei der Vermittlung der Zusage einer Schmerzensgeldzahlung an den Geschädigten für eine entlastende Aussage, die nur möglicherweise richtig ist.

BGH, 3.5.2000, 2 StR 69/00 (NJW 2000, 2597)

Durch das unberechtigte Einfügen der Kontonummer in der Kodierzeile gestohlener Euroscheckvordrucke wird i. S. von § 152a I StGB ein falscher Vordruck hergestellt.

BGH, 26.4.2000, 3 StR 573/99 (NStZ-RR 2000, 278)

Zur Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eines Beteiligten, der dem Drogenkurier übergeordnet ist, diesen anleitet und überwacht.

BGH, 19.4.2000, 5 StR 80/00 (NStZ-RR 2000, 266)

Auch wenn vollendete Hehlerei in der Begehungsform des Absetzens oder der Absatzhilfe nicht notwendig voraussetzt, dass ein Förderungserfolg eingetreten ist, muss andererseits das Bemühen um Absatz geeignet sein, die rechtswidrige Vermögenssituation aufrechtzuerhalten oder zu vertiefen. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn der Hehler ausschließlich mit einem - von ihm nicht als solchen erkannten - Polizeibeamten verhandelt und ihm das Diebesgut ausliefert. Gleiches gilt, wenn die Verhandlungen nicht von einem verdeckten Ermittler, sondern von einer nicht im Polizeidienst stehenden Vertrauensperson geführt werden.

BGH, 11.4.2000, 1 StR 55/00 (NStZ 2000, 436)

Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Indiztatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesensens die Entscheidung nicht beeinflussen könnten.

Es gibt keine empirisch abgesicherten Erfahrungssätze über das Anzeigeverhalten von Vergewaltigungsopfern, die es verbieten, die feststellbaren Umstände zur Aussagegenese und - entwicklung zu bewerten und im Einzelfall Schlüsse zu ziehen.

BGH, 11.4.2000, 1 StR 638/99 (NJW 2000, 2286)

Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei Abgabe von Heroin und Tod des Rauschgiftkonsumenten.

BGH, 6.4.2000, IX ZR 442/98 (NJW 2000, 2027)

Die Arrestpfändung des durch eine Straftat Verletzten in einen von der Staatsanwalt gem. § 111b StPO beschlagnahmten Vermögensgegenstand des Täters setzt zu ihrer Wirksamkeit nicht voraus, dass innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 II ZPO die Arrestvollziehung gem. § 111g II 1 StPO zugelassen oder ein darauf gerichteter Antrag gestellt wird.

Wird auf die gesonderten Anträge mehrerer Verletzter deren Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung zugelassen, bestimmt sich ihre Rangfolge nicht nach dem Zeitpunkt der Beschlagnahme gem. § 111b StPO.

BGH, 6.4.2000, 1 StR 502/99 (NJW 2000, 2217)

Der Tatbestand der Volksverhetzung in der Handlungsalternative des Verharmlosens des Holocaust (§ 130 III StGB) ist grundsätzlich auf Verteidigerhandeln nicht anzuwenden, wenn dem verteidigten Mandanten seinerseits Volksverhetzung i.S. des Tatbestands zur Last liegt. Insoweit greift die Tatbestandsausschlussklausel des § 86 III StGB (i.V. mit § 130 V StGB).

Der Tatbestand der Volksverhetzung in der Handlungsalternative des Verharmlosens des Holocaust (§ 130 III StGB) ist auf Verteidigerhandeln ausnahmsweise anzuwenden, wenn die Erklärung des Verteidigers ohne jeden Bezug zur Verteidigung ist oder sich als verteidigungsfremdes Verhalten erweist, das sich lediglich den äußeren Anschein der Verteidigung gibt, tatsächlich aber nach den Maßstäben des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts nichts zu solcher beizutragen vermag.

BGH, 6.4.2000, 1 StR 280/99 (NJW 2000, 2364)

Die Wertung des Tatrichters, eine Kreditvergabe sei pflichtwidrig i.S. des § 266 StGB, setzt eine umfassende Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers, der beabsichtigten Verwendung des Kredits und der Einschätzung der Risiken durch die Entscheidungsträger voraus.

BGH, 5.4.2000, 3 StR 114/00 (NStZ-RR 2000, 265)

Zur Frage, wann aussagekräftige psychodiagnostische Indizien gegen eine erhebliche alkoholbedingte Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit vorliegen.

BGH, 5.4.2000, 5 StR 226/99 (NStZ 2000, 427)

Wenn in einem Verfahren wegen mehrerer Taten im prozessualen Sinn ermittelt wird, erstreckt sich die Unterbrechungswirkung von Untersuchungshandlungen grundsätzlich auf alle verfahrensgegenständlichen Taten. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Verfolgungswille des tätig werdenden Strafverfolgungsorgans erkennbar auf eine oder mehrere Taten beschränkt ist.

Für die Bestimmung des Verfolgungswillens der Strafverfolgungsorgane ist maßgeblich, was mit der jeweiligen richerlichen Handlung bezweckt wird. Dabei sind neben dem Wortlaut der Verfügung auch der Sach- und Verfahrenszusammenhang entscheidend. Sofern sich die Reichweite nicht aus der Handlung selbst ergibt, ist der sonstige Akteninhalt zur Auslegung heranzuziehen. Bleiben dann immer noch Zweifel, ist davon auszugehen, dass die betreffende richterliche Handhabung die Verjährung nicht unterbrochen hat.

Nennen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen weder die dem Beschuldigten zur Last liegenden Taten, noch bezeichnen sie die beweiserheblichen Unterlagen hinreichend konkret, sondern sprechen nur von den Unterlagen, die zur Aufklärung des - nicht näher bezeichneten - Sachverhalts dienlich sind, können sie die Verfolgungsverjährung nicht unterbrechen.

BGH, 5.4.2000, 2 ARs 83/00, 2 AR 32/00 (NStZ 2000, 446)

Durch § 462a StPO wird die Zuständigkeit eines Gerichts für nachträgliche Entscheidungen in allen Verfahren begründet, auch wenn die Zuständigkeit in dem Einzelverfahren, in dem die Entscheidungen zu treffen sind, an sich nicht gegeben wäre.

BGH, 4.4.2000, 5 StR 103/00 (StV 2000, 307)

Verwirft der Tatrichter trotz Vorliegens des Regelbeispiels der Vergewaltigung wegen erheblicher schuldmildernder Umstände den Strafrahmen des § 177 II S. 2 StGB, ist es nicht ausgeschlossen, die Tat bei schuldmildernden Umständen von ganz außergewöhnlichem Ausmaß sogar als minder schweren Fall gem. § 177 V 1. Halbs. StGB zu beurteilen.

BGH, 30.3.2000, 4 StR 80/00 (NStZ 2000, 440)

Die Verhandlung über die Vereidigung gehört nach ständiger Rechtsprechung des BGH ebenso wie die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen nicht mehr zur Vernehmung, sondern bildet einen selbständigen Verfahrensabschnitt. Deshalb ist i. d. R. der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben, wenn der Angeklagte während dieser Verhandlungsteile von der Hauptverhandlung ausgeschlossen war.

BGH, 29.3.2000, 2 StR 71/00 (NStZ 2000, 441)

Eine Bezugnahme auf Feststellungen, die mit einem früheren Urteil aufgehoben worden sind, ist unzulässig. Sie wird auch nicht dadurch zulässig, dass sie mit dem Hinweis verbunden wird, die neue Hauptverhandlung habe zu denselben Feststellungen geführt.

BGH, 28.3.2000, 1 StR 637/99 (NStZ 2000, 439)

Zu den Voraussetzungen, unter denen eine schriftliche Erklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu verlesen ist.

Für eine Verurteilung wegen Vorteilsgewährung gem. § 333 StGB a. F. kommt es nicht darauf an, ob die Beeinflussung Erfolg hat. Ebenso wenig ist erforderlich, dass der Amtsträger den Zusammenhang zwischen Zuwendung und Amtshandlung erkannt hat und es tatsächlich zum Abschluss der Unrechtsvereinbarung kommt. Der Unrechtsgehalt der Tat liegt allein darin, dass der Täter mit seinem Angebot auf eine Unrechtsvereinbarung abzielt und damit das geschützte Rechtsgut gefährdet:

BGH, 23.3.2000, 4 StR 650/99 (NJW 2000, 1878)

Versuchter Raub mit Todesfolge und Körperverletzung mit Todesfolge stehen in Tateinheit nicht in Gesetzeskonkurrenz.

BGH, 22.2.2000, 5 StR 573/99 (NStZ-RR 2000, 165)

Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs rechnet. Die Billigung des Todeserfolgs bedarf jedoch wegen der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung der sorgfältigen Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Auch insoweit stellt die Lebensbedrohlichkeit gefährlicher Gewalthandlungen ein gewichtiges Indiz dar. Ferner sind die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation bei der Beweiswürdigung miteinzubeziehen.

BGH, 11.2.2000, 3 StR 377/99 (NJW 2000, 1661)

Ein "in camera"-Verfahren, wie es nach der Entscheidung des BVerfG (NJW 2000, 1175 = NStZ 2000, 151) zu § 99 I 2 VwGO zulässig ist, kommt im Bereich des Strafverfahrens zu § 96 S. 1 StPO nicht in Betracht.

BGH, 10.2.2000, 4 StR 616/99 (NJW 2000, 1277)

Macht der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, dürfen Angaben, die er zuvor bei einer "Vernehmung" durch den Verteidiger gemacht hat, nicht verwertet werden.

BGH, 9.2.2000, 3 StR 392/99 (NStZ-RR 2000, 166)

Nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung, selbst wenn sie zu einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führt, hindert einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen. Es bedarf aber in der Regel der Darlegung der Beweisanzeichen, aus denen der Tatrichter folgert, dass der Täter trotz seiner Erregung die für die Heimtücke maßgeblichen Umstände in sein Bewusstsein aufgenommen hat.

Es ist rechtsfehlerhaft, bei der Strafrahmenwahl der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit deswegen ein geringeres Gewicht beizumessen, weil sie nicht erwiesen ist, sondern nach dem Zweifelssatz lediglich unterstellt wurde. Bei der konkreten Strafzumessung ist es zulässig, zu erwägen, ob die erheblich verminderte Schuldfähigkeit mehr oder weniger verschuldet ist oder welchen Grad sie erreicht hat.

BGH, 8.2.2000, 5 StR 310/99 (NStZ-RR 2000, 171)

Erkennt das Tatgericht auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es in seiner Beweiswürdigung die ersichtlich wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen. An seine Überzeugungsbildung darf es keine überhöhten Anforderungen stellen.

BGH, 27.1.2000, 5 StR 646/99 (NStZ 2000, 262)

Bei Umgang mit verschiedenen Rauschgiften scheidet eine etwaige Zusammenfassung von Einzeltaten unter dem Gesichtspunkt der Bewertungseinheit aus.

BGH, 26.1.2000, 3 StR 410/99 (NStZ 2000, 267)

Negativtatsachen können nur im Ausnahmefall als hinreichend konkrete, von dem in Betracht kommenden Zeugen selbst wahrgenommene Beweistatsachen angesehen werden.

Der Beschluss, durch den ein Beweisantrag gem. § 244 III 2 StPO mit der Begründung abgelehnt wird, die Beweisbehauptung sei für die Entscheidung ohne Bedeutung, muss es Prozessbeteiligten ermöglichen, sich auf die Gründe der Ablehnung der beantragten Beweiserhebung einzustellen, und das Revisionsgericht in die Lage versetzen, die Ablehnung als rechtsfehlerfrei oder rechtsfehlerhaft beurteilen zu können. Deshalb muss sich aus dem Ablehnungsbeschluss nicht nur ergeben, ob das Gericht die Beweistatsache aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen als bedeutungslos ansieht, diese Wertung ist vielmehr auch zu begründen.

BGH, 19.1.2000, 3 StR 531/99 (NJW 2000, 1962)

Auch bei einem Angeklagten, der sich zur Sache eingelassen hat, darf aus der aktiven Verweigerung der Mitwirkung an der Sachaufklärung jedenfalls dann kein ihm nachteiliger Schluss gezogen werden, wenn dieses Prozessverhalten nicht in einem engen und einem einer isolierten Bewertung unzugänglichen Sachzusammenhang mit dem Inhalt seiner Einlassung steht (hier: Nichtentbindung des Verteidigers von der Schweigepflicht, Abgrenzung zu BGHSt 20, 298 = NJW 1966, 209).

Erscheint eine Person, die von der Polizei zu einem Speicheltest für eine molekulargenetische Untersuchung geladen wird, - anders als andere, ebenfalls vorgeladene Personen - im Beistand eines Anwalts, so darf dies in einem späteren Strafverfahren gegen sie nicht als belastendes Indiz verwertet werden.

BGH, 18.1.2000, 4 StR 583/99 (NZV 2000, 213)

Das Gericht darf die Bewertung eines Sachverständigengutachtens nicht übernehmen, ohne sie kritisch zu hinterfragen (hier: Auswertung eines psychiatrischen (psychologischen) Gutachtens.

Auffälligkeiten in der Persönlichkeit eines Angeklagten und ihr Einfluss auf die Tat muss das Gericht - unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles - umfassend prüfen.

BGH, 5.1.2000, 3 StR 473/99 (NStZ 2000, 269)

Wenn der Angeklagte im Laufe des gegen ihn gerichteten Verfahrens mehrere sich möglicherweise inhaltlich nicht deckende Einlassungen abgegeben hat, muss der Tatrichter, wenn er aus einer bestimmten Einlassung oder aber dem zeitweisen Schweigen des Angeklagten für diesen nachteilige Schlüsse zeiht, das gesamte Aussageverhalten in den Urteilsgründen wiedergeben.