VVG § 12

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BGH, Urteil v. 19.09.2001 - IVZR 224/ 00 (Hamburg) - *

Tatbestand: Die Kl. nimmt die Bekl. aus einer Elektronik - Pauschalversicherung in Anspruch, die neben einer Sachversicherung eine Daten/Datenträgerversicherung und eine Betriebsunterbrechungsversicherung umfasst. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Fernmelde- und sonstige elektrotechnische Anlagen (AVFE 76, Fassung Dezember 1986, VerBAV 1986, 381 [433]) und Zusatzbedingungen der Bekl. für die Elektronik-Pauschalversicherung für Büro-, Verwaltungs- , Handels- und Gewerbebetriebe (ZEPV) zu Grunde. Am 2. 2. 1996 kam es zu einem Brand in den Geschäftsräumen der Kl. Diese meldete der Bekl. mit Schadensanzeige vom 6. 2. 1996 einen Totalschaden an den versicherten Geräten. Mit Schreiben vom 10. 4. 1996 lehnte die Bekl. Versicherungsleistungen ab und forderte einen bereits gezahlten Vorschuss zurück, weil die Kl. nach Eintritt des Versicherungsfalls an den Geräten manipuliert und sie als Versicherer über den Umfang des eingetretenen Schadens getäuscht habe. Das Schreiben endet:

"Wir machen darauf aufmerksam, dass ein Anspruch auf Entschädigung innerhalb einer Frist von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden muss, anderenfalls tritt nach Ablauf der Frist Leistungsfreiheit auf Grund eingetretener Verjährung ein. Im Einzelnen verweisen wir hierzu auf § 12 III des Versicherungsvertragsgesetzes."

Noch im April 1996 machte die Kl. die Kosten für die Neuanschaffung der zerstörten Geräte gerichtlich geltend und beantragte darüber hinaus die Feststellung, dass die Bekl. den Vorschuss nicht zurückverlangen könne sowie ihr den weiter gehenden Schaden aus dem Versicherungsfall auf Neuwertbasis zu ersetzen habe. Der Rechtsstreit endete im Juni 1997 durch Vergleich. Die Bekl. verpflichtete sich darin, einen weiteren Betrag auf den Sachschaden zu zahlen. Im Dezember 1997 reichte die Kl. Klage auf Ersatz ihres Schadens aus dem Verlust von Daten in Höhe von 137 750 DM und auf Feststellung ein, dass die Bekl. ihr Versicherungsschutz für die durch den Vorfall vom 2. 2. 1996 bedingte Betriebsunterbrechung zu gewähren habe.

Das LG hat die Klage abgewiesen, da die Bekl. gern. § 12 III VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden sei. Die Berufung der Kl. ist ohne Erfolg geblieben. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Entscheidungsgründe: ... I. Nach Ansicht des BerGer. umfasst das Versicherungsleistungen ablehnende Schreiben der Bekl. vom 10.4.1996 schon seinem Wortlaut nach sämtliche Ansprüche aus der Elektronik-Pauschalversicherung. Diese Ansprüche habe die Kl. zuvor umfassend erhoben; ihre Schadensanzeige vom 6.2.1996 sei nicht auf Ansprüche aus der Sachversicherung beschränkt. Die streitgegenständlichen Ansprüche habe die Kl. erstmals mit der Klageschrift vom 11.12.1997 geltend gemacht, als die im Schreiben vom 10.4.1996 gesetzte Frist von sechs Monaten bereits verstrichen gewesen sei. Der Vorprozess habe zu keiner Fristunterbrechung geführt. Denn jene Klage, die nicht als Teilklage gekennzeichnet gewesen sei, habe allein die Ansprüche aus der Sachversicherung zum Gegenstand gehabt, was die Kl. in ihrem dortigen Schriftsatz vom 12.8.1996 selbst eingeräumt habe. Eine Erweiterung der Klage sei erst mit Schriftsatz vom 17.2.1997 in der Form erfolgt, dass der Feststellungsantrag sich auf den Schaden insgesamt habe beziehen sollen. Das sei wiederum außerhalb der Frist des § 12 111 VVG geschehen.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. 1. Der Revision ist allerdings nicht darin zu folgen, dass die Kl. mit ihrer Schadensanzeige vom 6.2.1996 nur die Ansprüche erhoben hat, die aus dem an den versicherten Geräten entstandenen Sachschaden resultierten. Vielmehr ist das BerGer. zutreffend von einer umfassenden Anspruchserhebung ausgegangen. Dafür reicht es, dass der Versicherungsnehmer sein Verlangen nach Versicherungsschutz dem Grunde nach äußert, ohne dass er die Ansprüche im Einzelnen schon genau bezeichnen oder beziffern müsste (Senat, NJW 1978, 1583 unter 12 = LM § 12 VVG Nr. 26 = VersR 1978, 313). Ein Versicherungsnehmer, der Ersatzansprüche wegen eines Versicherungsfalls geltend macht, will sich regelmäßig nicht auf einzelne Ansprüche beschränken. Das gilt hier vor allem deshalb, weil auf Grund des brandbedingten Totalschadens an der Computeranlage alle durch die einheitliche Elektronik-Pauschalversicherung abgedeckten Risiken betroffen waren. Die Annahme einer Beschränkung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich ein entsprechender Wille eindeutig dem Inhalt der Schadensanzeige entnehmen ließe. Einen solchen Beschränkungswillen hat das BerGer. verneint; die tatrichterliche Interpretation der Schadensanzeige lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Waren mithin die Ansprüche aus der Elektronik -Pau-schalversicherung sämtlich erhoben, konnte die Bekl. diese in ihrem Schreiben vom 10. 4. 1996 auch insgesamt zurückweisen.

2 . Dennoch ist durch das Schreiben der Bekl. die Frist des § 12 III 1 VVG nicht in Lauf gesetzt worden. Schon deshalb geht die Auffassung des BerGer. fehl, die Kl. habe Ansprüche aus der Daten- und der Betriebsunterbrechungsversicherung nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht.

Die Frist zur Klageerhebung beginnt gern. § 12 III 2 VVG erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolgen schriftlich abgelehnt hat. An die Rechtsfolgenbelehrung sind strenge Anforderungen zu stellen, denen das Schreiben der Bekl. nicht genügt. Die Belehrung muss den Versicherungsnehmer klar und deutlich darüber aufklären, dass er durch bloßen Zeitablauf seinen materiellen Versicherungsanspruch verliert, wenn er ihn nicht vor Fristende gerichtlich geltend macht (Senat, IM § 12 VVG Nr. 29 unter 11 A = VersR 1981, 180). Formulierungen, die diese Rechtsfolgen verdunkeln oder in einem minder gefährlichen Licht erscheinen lassen, machen die Belehrung unwirksam (Senat, NJW 1978, 1583 unter 112 = LM § 12 VVG Nr. 26 = VersR 1978, 313). Wenn die Bekl. in ihrem Schreiben vom 10. 4. 1996 auf "Leistungsfreiheit auf Grund eingetretener Verjährung" hinweist, so ist dies geeignet, den Versicherungsnehmer irrezuführen. Denn bei ihm kann in unzulässiger Weise der Eindruck erweckt werden, die für ihn nachteiligen Rechtsfolgen der Leistungsfreiheit des Versicherers träten nicht ein, wenn ein die Verjährung hemmender oder sie unterbrechender Tatbestand gegeben sei. Die Klagefrist nach § 12 111 1 VVG stellt jedoch anders als die Fristen des § 12 1 VVG - keine Verjährungsfrist dar. Daher sind die für den Anspruchsteller vorteilhaften Bestimmungen der §§ 201 ff. BGB auf sie weder direkt noch entsprechend anwendbar (BGHZ 98, 295 [2981 = NJW 1987, 255 = LM § 12 VVG Nr. 37). Traf aber die seitens der Bekl. erteilte Belehrung in diesem wesentlichen Punkt nicht zu, war sie insgesamt unwirksam. Sie konnte die Klagefrist nicht in Gang setzen mit der weiteren Folge, dass die Verwirkungsfolgen des § 12 111 1 VVG nicht herbeigeführt sind (vgl. Senat, NJW 1978, 1583 unter 11 = LM § 12 VVG Nr. 26 = VersR 1978, 313).

3. Aber auch die von der Revision erhobene Rüge, das BerGer. habe die fristwahrende Wirkung der im April 1996 erhobenen Teilklage für die weiter gehenden Ansprüche verkannt, greift durch. Eine ordnungsgemäße Belehrung unterteilt sind alle Ansprüche aus dem Versicherungsfall rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht worden.

Grundsätzlich kann eine Teilklage zur Wahrung der Klagefrist des § 12 III VVG für den gesamten Leistungsanspruch ausreichen, wenn sich jedenfalls aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Versicherungsnehmer eine solche erheben wollte, und der Versicherer dadurch erkennen kann, dass der Kl. auf seinem Gesamtanspruch beharrt (Senat, NJW-RR 2001, 1244 unter 11 1 = NVersZ 2001, 452 = VersR 2001, 1013 im Anschl. an Senat, NJW 1969, 696 = LM § 12 VVG Nr. 15 = VersR 1969, 171 [172]; Senat, NJW-RR 2001, 525 unter 11 1 = NVersZ 2001, 179 = VersR 2001, 326). Davon ist hier auszugehen.

Im Vorprozess hatte die Kl. zwar zunächst nur ihren Sachschaden eingeklagt. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass sie ausschließlich die bereits entstandenen und künftig noch entstehenden Kosten für die Neuanschaffung der zerstörten Geräte ersetzt verlangte. Daraus allein wurde für die Bekl. nicht deutlich, dass die Kl. daneben auch ihren Schaden aus dem Verlust der Daten und aus der Betriebsunterbrechung weiterhin verfolgen wollte, zumal eine besondere Kennzeichnung als Teilklage fehlte. Dass die Kl. aber über die begehrten Leistungen hinaus auch auf dem Ersatz der weiteren versicherten Schäden beharren wollte, ergibt sich - entgegen der Auffassung des BerGer. - mit hinreichender Deutlichkeit aus ihrem Schriftsatz vom 12.8.1996. Darin wird zwar zunächst klargestellt, Ansprüche aus der Betriebsunterbrechungs- und der Datenträgerversicherung nicht zum Gegenstand des damaligen Rechtsstreits machen zu wollen. Das beruhte jedoch auf der zugleich offen gelegten Rechtsauffassung der Kl., die Leistungsablehnung der Bekl. vom 10.4.1996 erstrecke sich ohnehin nur auf den Sachschaden. Im Anschluss daran heißt es jedoch: "Sollte das Ablehnungsschreiben der Bekl. tatsächlich so verstanden werden, dass damit die Regulierung sämtlicher Ansprüche der Kl. abgelehnt worden ... (ist), so müsste die Klage entsprechend erweitert werden." Damit hat die Kl. noch innerhalb der Frist des § 12 III VVG klar zum Ausdruck gebracht, dass sie auf der Geltendmachung des gesamten Anspruchs aus dem Versicherungsverhältnis beharren wollte, ihre Klage also, sollte der Anspruch von der Bekl. insgesamt abgelehnt worden sein, nur eine Teilklage darstellte. Einer Bezifferung oder auch nur größenordnungsmäßigen Angabe des Gesamtschadens bedurfte es dabei nicht. Da die Kl. einen Totalschaden der versicherten Geräte gemeldet hatte, konnte die Bekl. die voraussichtliche Schadenshöhe selbst einschätzen. Auf Weiteres kommt es nicht an.

Entgegen der Auffassung des BerGer. ist zudem unschädlich, dass die angekündigte Klagerweiterung nicht binnen der Frist des § 12 III 1 VVG vorgenommen worden ist. Denn anderenfalls hätte es sich von vornherein um eine innerhalb der sechsmonatigen Frist umfassend erhobene Klage gehandelt. Die Problematik einer fristwahrenden Teilklage hätte sich dann gar nicht erst gestellt.

III. Da die Bekl. nicht gern. § 12 Ill 1 VVG leistungsfrei geworden ist, wird das BerGer. die erforderlichen Feststellungen zum Grund und zur Höhe des von der Kl. geltend gemachten Anspruchs nachzuholen haben.



* Quelle: NJW-RR 2002, 88 f