StGB § 348

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BGH, Urt v. 25.5.2001 - 2 StR 88/01 *

Zum Sachverhalt: Der marokkanische Staatsangehörige R beabsichtigte 1995 zusammen mit seiner Ehefrau K eine Eigentumswohnung zu erwerben. Da ihm eine von A gezeigte Musterwohnung gefiel, schlug ihm dieser vor; eine zum sicheren Erwerb erforderliche Vollmacht bei dem Angekl., einem Notar, protokollieren zu lassen. Es wurde ein Beurkundungstermin bei dem Angekl. für den 19.6.1995 in dessen Notariat vereinbart. Der Angekl. ließ eine Vollmachturkunde vorbereiten. Darin erteilten die Zeugen R und K der L-GmbH Vollmacht zum Erwerb der Eigentumswohnung. Bei der in der Vollmacht genannten Wohnung handelte es sich nicht um die besichtigte Wohnung, sondern um eine Dachgeschosswohnung. Nach den Angaben zu den Personalien der Zeugen R und K enthielt die Vollmachtsurkunde ferner folgende Feststellung: "Die Erschienenen sind marokkanische Staatsbürger und der deutschen Sprache hinreichend mächtig, um dieser Beürkundung folgen zu können, wovon sich der amtierende Notar überzeugt hat." Am 19.6.1995 erschien der Zeuge R in Begleitung der Zeugin K im Notariat des Angekl. Bevor der Angekl. mit der notariellen Protokollierung der Vollmacht begann, wandte er sich der Zeugin K zu und fragte sie, ob sie deutsch verstehe. Daraufhin nickte sie mit dem Kopf. Der Angekl. gab sich mit dieser Geste zufrieden und fragte sie noch ergänzend, ob sie denn wisse, warum sie hier sei. Auf diese Frage antwortete die Zeugin auf arabisch, dass es um einen Wohnungskauf gehe, wobei der Zeuge R diese Antwort für den Angekl. ins Deutsche übersetzte. Da der Angekl. auf Grund dieser Äußerung annahm, dass die Zeugin K über den Gegenstand der Vollmacht Bescheid wisse, richtete er keine weiteren Fragen mehr an sie und begann mit der Beurkundung. Darüber; ob die Hinzuziehung eines Dolmetschers nötig sei, machte er sich keine weiteren Gedanken. Zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung vom 19.6.1995 verfügte die Zeugin K lediglich über bruchstückhafte passive Kenntnisse der deutschen Sprache. Sie war weder in der Lage, sich über alltägliche, einfache Lebenssachverhalte auf deutsch zu unterhalten, noch war es ihr möglich, der notariellen Beurkundung der Vollmachtsurkunde auch nur in Ansätzen zu folgen. Die Beurkundung endete mit der Unterzeichnung durch alle Beteiligten, darunter auch der Zeugin K. Als der Zeuge R wenig später feststellte, dass es sich bei der erworbenen Eigentumswohnung um eine Dachgeschosswohnung handelte, "fühlte er sich betrogen" und erreichte schließlich, dass er die Eigentumswohnung umtauschen konnte, was eine weitere notarielle Beurkundung erforderlich machte. Am 14.8.1995 fand daher ein zweiter Beurkundungstermin bei dem Angekl. statt, zu dem der Zeuge R wieder in Begleitung der Zeugin K erschien. Der Entwurf der Vertragsurkunde enthielt wiederum die Klausel zur hinreichenden Sprachkunde des Ehepaars R und K..



Zur Beurkundung am 14.8.1995 begrüßte der Angekl. die Zeugen R und K wiederum kurz und fragte die Zeugin K, ob sie deutsch verstehe. Nachdem sie diese Frage auf deutsch mit einem "ja" beantwortet hatte, gab er sich damit zufrieden und begann sogleich, den Beteiligten die Vertragsurkunde vorzulesen. Die Hinzuziehung eines Dolmetschers hielt er nicht für erforderlich. Die Zeugin K war auf Grund ihrer unzureichenden passiven Deutschkenntnisse jedoch nicht in der Lage, den Inhalt der verlesenen Urkunde zu verstehen. Die Beurkundung endete mit der Vertragsunterzeichnung durch alle Beteiligten, darunter auch der Zeugin K. Das LG hat den Angekl. wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Von dem Vorwurf, am 19.6.1995 und am 14.8.1995 (Fälle 2 und 3) jeweils eine Falschbeurkundung im Amt sowie am 23.3.1996 (Fall 4) einen Betrug in Tateinheit mit Falschbeurkundung im Amt begangen zu haben, hat es ihn freigesprochen. Die Revision der StA richtete sich gegen den Freispruch in den Fällen 2 und 3. Sie rügte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.



Aus den Gründen: 3. Der Freispruch durch das LG in den Fällen 2 und 3 der Urteilsgründe ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend ist der Tatrichter davon ausgegangen, dass der Angekl. keine Falschbeurkundungen im Amt (§ 348 StGB) begangen hat. Der Angekl. hat nicht eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet. Allerdings sind die errichteten Urkunden öffentliche Urkunden i. S. der §§ 415 ff. ZPO. Nicht jede falsche Angabe in einer Urkunde ist aber Gegenstand einer Straftat nach § 348 StGB. Falsch beurkundet i. S. dieser Vorschrift sind nur diejenigen rechtlich erheblichen Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube der Urkunde, das heißt die "volle Beweiswirkung für und gegen jedermann", erstreckt (vgl. BGH, wistra 2000, 266; BGHSt 44, 186 [187] = NJW 1998, 3790 = NStZ 1998, 620; BGHSt 22, 201 [203] = NJW 1968, 2153; bereits RGSt 39, 370 [373]; BayOBLG, NJW 1992, 1841 [1842]). Welche Angaben im Einzelnen diese Voraussetzung erfüllen, ergibt sich in erster Linie aus den gesetzlichen Bestimmungen, die für Errichtung und Zweck der öffentlichen Urkunde maßgeblich sind. Dabei sind auch die Anschauungen des Rechtsverkehrs zu beachten. Die Beurkundung einer Tatsache, die weder nach dem Gesetz noch nach einer anderen Vorschrift (zwingend) angegeben werden braucht und deren unwahre Kundgabe die Wirksamkeit der Beurkundung nicht berührt, kann grundsätzlich nicht als Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache angesehen werden (vgl. auch BGHSt 22, 32 [35] = NJW 1968, 607). Danach enthält die Angabe über die vermeintliche Sprachkunde der Zeugin K keine vom Strafschutz des § 348 StGB umfasste Beurkundung, denn ihr kommt keine öffentliche Beweiskraft zu. Die von einem Notar aufgenommenen Urkunden begründen vollen Beweis nur für die vor der Urkundsperson abgegebenen Erklärungen (§ 415 ZPO) und die von ihr bezeugten Tatsachen (§ 418 ZPO). Da es sich hier nicht um die Abgabe einer Erklärung handelt, scheidet § 415 ZPO aus. § 418 ZPO findet aber ebenfalls keine Anwendung. Denn eine Tatsache ist von dem Urkundsbeamten nur dann beurkundet, wenn er sie zum Zwecke des Beweises für und gegen jedermann in der Urkunde festgestellt hat. Dies trifft auf einen Vermerk über die "Sprachkunde" aber nicht zu. Denn er bezeugt keine von dem Notar wahrgenommene Tatsache, wie etwa das Erscheinen einer bestimmten Person, sondern bringt nur seinen subjektiven Eindruck über die sprachliche Fertigkeit des Erschienenen zum Ausdruck. Deshalb hat die Rechtsprechung bereits in vergleichbaren Fällen (vgl. 0GHZ 2 [1949], 45 [54] zur Testierfähigkeit; BayObLG, DNotZ 1975, 555, zur Geschäftsfähigkeit) verneint, dass ein derartiger Vermerk vollen Beweis erbringt. Bewiesen wird hierdurch nur die Überzeugung des Notars und damit lediglich ein Indiz für die Sprachkunde. Auch der BGH (GA 1964, 9 [10]) hat daher eine Strafbarkeit gem. § 348 StGB hinsichtlich eines Vermerks über die Geschäftsfähigkeit des Erklärenden verneint, da der Beurkundung insoweit keine öffentliche Beweiskraft zukommt.



Demgemäß wird auch von der Literatur zutreffend festgehalten, dass die Beweiskraft der so genannten Zeugnisurkunden (§ 418 ZPO) sich weder auf Vermerke, die eine rechtliche Beurteilung enthalten, erstreckt, noch auf solche, von denen nicht gewährleistet ist, dass die Urkundsperson sie zuverlässig festgestellt hat (vgl. u. a. Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 418 Rdnr. 3; Zöller/Geimer, ZPO, 22. Aufl., § 418 Rdnr. 3; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 418 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 418 Rdnr. 4). Im vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten. Dies ergibt sich insbesondere auch aus folgenden Überlegungen:

Es ist bereits zweifelhaft (vgl. hierzu u. a. Huhn/v. Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 7 m.w. Nachw.), was unter Sprachunkundigkeit zu verstehen ist. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Beteiligte die Sprache so wenig versteht, dass er dem Vorlesen der Niederschrift nicht folgen kann. Nach weiter gehender Meinung ist aber auch derjenige der Sprache nicht hinreichend kundig, der nicht hinreichend sprechkundig ist (vgl. u. a. Erman/Schmidt, BGB, 9. Aufl., § l6 BeurkG Rdnr. 1).

Letzteres ist für einen Notar durch ein Gespräch leichter festzustellen. Hingegen ist es wesentlich schwieriger, sich von der passiven Sprachkunde eine Überzeugung zu verschaffen. Auch dies belegt, dass eine zuverlässige Beurteilung nicht ohne weiteres möglich ist und deshalb dem Vermerk über die Sprachkunde keine Beweiskraft zukommen kann, zumal das Element "hinreichend" kundig ohnehin zusätzlich eine Wertung enthält.

Hinzu kommt, dass die Beurkundung der Sprachkunde eines Beteiligten nicht zwingend vorgeschrieben ist. Nach § 16 I Beurkundungsgesetz soll in der Niederschrift festgestellt werden, dass ein Beteiligter der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig ist, wenn er dies angibt oder es nach Überzeugung des Notars der Fall ist. Dass ein Beteiligter der deutschen Sprache dagegen hinreichend mächtig ist, fällt als Normalfall noch nicht einmal unter die Sollvorschrift (vgl. u. a. Huhn/v. Schuckmann, § 16 Rdnr. 21; Keidel/Winkler, BeurkG, 14. Aufl., § 16 Rdnr. 29; ebenso bei der Geschäftsfähigkeit: Keidel/Winkler BeurkG, § 11 Rdnrn. 3 u. 12; Erman/Schmidt, § 11 BeurkG Rdnr. 2). Da es sich bei § 16 I BeurkG lediglich um eine Sollvorschrift handelt, die zudem für die Feststellung der Sprachkunde nicht gilt, berührt eine unrichtige Angabe über die Sprachkunde die Wirksamkeit der Urkunde nicht (vgl. u.a. Huhn/v. Schuckmann, § 16 Rdnr. 3).



Auch die Berücksichtigung der Verkehrsanschauung legt keine andere Beurteilung nahe. Denn der Vermerk über die Sprachkunde ist für die Beweiskraft der Urkunde und für den Nachweis der sich aus ihr ergebenden Rechte und Pflichten regelmäßig ohne Bedeutung. Ob die Angabe des Beteiligten zu seiner Sprachkunde richtig war, ob sich der Notar zu Recht überzeugt oder ob er sich geirrt hat oder getäuscht wurde, beeinflusst - wie erwähnt - die Wirksamkeit der Beurkundung nicht (vgl. u. a. Keidel/Winkler, § 16 Rdnr. 10). Nur wenn die Sprachunkunde in der Niederschrift festgestellt ist, sich also aus der Niederschrift selbst ergibt, greifen die Mussvorschriften des § 16 II und III BeurkG ein. Fehlt dagegen eine Feststellung, obwohl ein Beteiligter Sprachunkunde behauptet oder der Notar davon überzeugt ist, und verfährt der Notar mit ihm wie mit einem Sprachkundigen, so ist die Beurkundung trotzdem wirksam (vgl. u. a. Soergel/Harder, BGB, 12. Aufl., § 16 BeurkG Rdnr. 4; Keidel/Winkler, § 16 Rdnrn. 11, 31). Aus alldem ergibt sich, dass der Tatrichter ohne Rechtsfehler den Angekl. in den Fällen 2 und 3 vom Vorwurf der Falschbeurkundung freigesprochen hat.



* Quelle: NJW 2001, 3135 ff und eigene