StGB §§ 156, 163

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- Stand: 19. September 2003 - Volltextsuche - Datenschutz - Sicherheit - News and more! - Suchmaschinen - Google (Test 2/2003 - gut - 2,1)

BayObLG, Beschluss vom 06.03.2003 - 5 St RR 18/03 *

„ ... Der Angekl. ist freiberuflich als Verkäufer für Haussanierungen tätig. Er erhält dafür von der Firma seiner Ehefrau eine monatliche Pauschalprovision in Höhe von 750 Euro brutto. Am 29. 8. 2001 gab der Angekl. vor der Gerichtsvollzieherin S in N. die eidesstattliche Versicherung ab. Dabei gab er unter Nr. 11 "monatliche Einkünfte - Arbeitseinkommen" an, dass er monatlich brutto 1500 DM und netto ca. 1300 DM verdiene. Unter der Frage nach der genauen Bezeichnung und Anschrift des Arbeitgebers gab er seine Ehefrau U an. Die Frage unter Nr. 12 "Ansprüche aus selbstständiger Erwerbstätigkeit und aus Nebenverdienst" verneinte er. Das Merkblatt zur eidesstattlichen Versicherung wurde ihm ausgehändigt, der Angekl. hat es jedoch nicht gelesen. Das AG verurteilte den Angekl. am 15. 10. 2002 wegen fahrlässiger falscher Versicherung an Eides statt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 15 Euro. Nach Auffassung des AG hätte der Angekl. bei Anwendung der ihm zumutbaren und erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen, dass er die von der Ehefrau erhaltene Fixprovision als "Ansprüche aus selbstständiger Erwerbstätigkeit" hätte eintragen müssen. Die (Sprung-)Revision des Angekl. führte zum Freispruch. ...

Die tatrichterlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angekl. nicht. Das AG hat die Reichweite der Wahrheitspflicht i. S. des § 156 StGB verkannt.



Im Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO ist der Schuldner nur zu solchen Angaben verpflichtet, die § 807 1 ZPO vorschreibt. Das heißt, er hat sein zum Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorhandenes Ist-Vermögen, also Gegenstände mit zu diesem Zeitpunkt greifbarem Vermögenswert, anzugeben. Die Erklärungspflicht richtet sich nach dem Zweck der Versicherung, nämlich dem Gläubiger eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 156 Rdnr. 7; BGH, GA 1958, 86-, GA 1966, 243; Bay0bLG, NStZ 1999,563 (5641). Dem Gläubiger soll Kenntnis derjenigen Vermögensstücke verschafft werden, die möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen können (BGHSt 8, 399 [400] = NJW 1956, 599). Auf sonstige Angaben, mögen sie auch für den Gläubiger von Interesse sein und nach dem amtlichen Vordruck des Vermögensverzeichnisses verlangt werden, bezieht sich die Erklärungspflicht nicht (BGH, GA 1958, 86; BayObLG, NStZ 1999, 563). Nach dieser Maßgabe sind die dem Urteil zu Grunde liegenden Angaben des Angekl. nicht unrichtig i. S. des § 156 StGB.

Zunächst hat der Angekl. seine Ansprüche auf monatliche "Fixprovision" zu Recht unter Nr. 11 des Vermögensverzeichnisses -Arbeitseinkommen - angegeben. Als Arbeitseinkommen sind Vergütungen in Geld, die dem Schuldner aus Arbeits- oder Dienstvertrag zustehen, zu verstehen. Dies sind zwar in der Regel Einkünfte aus unselbstständiger Yätigkeit (Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 850 Rdnr. 2). Unter diesen Begriff fallen aber auch sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen (§ 850 II ZPO), gleichgültig, ob es sich um selbstständige oder unselbstständige Dienste handelt. Insbesondere fallen darunter Ansprüche des Handelsvertreters auf Fixum und Provision (Zöller/Stöber, § 850 Rdnr. 9; Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rdnr. 886). Folgerichtig führt auch das Merkblatt zur eidesstattlichen Versicherung (ZP 325 bzw. GV 35) als Erklärung zu Nr. 11 "Provisionen" auf. Nach den Feststellungen des Tatgerichts ist davon auszugehen ' dass es sich um die einzige Arbeitstätigkeit des Angekl. handelte, so dass sein Einkommen als "Arbeitseinkommen" nach § 850 11 ZPO gilt (vgl. Stöber, Rdnr. 887).

Die eidesstattliche Versicherung des Angekl. wäre deshalb nur dann falsch, wenn der Angekl. unter Nr. 12 des Vermögensverzeichnisses bei der Frage nach "Ansprüchen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit und aus Nebenverdienst" erneut auf den bereits unter Nr. 11 angegebenen Anspruch auf Fixprovision hinzuweisen hätte.



Dies ist nach Ansicht des Senats zu verneinen. Der Schutzzweck des § 807 ZPO ist es, wie oben ausgeführt, dem Gläubiger Zugriffsmöglichkeiten auf Vermögensgegenstände zu verschaffen. Forderungen sind so bestimmt zu bezeichnen, dass die Feststellung ihrer Identität für die Pfändung gesichert ist. Zu diesem Zweck sind deshalb Name und Anschrift des Drittschuldners, der Grund des Anspruchs und der Betrag, wobei die Größenordnung allgemein genügen kann, anzugeben (ZöllerlStöber, § 807 Rdnr. 22; Ruß, in: LK-StGB, 11. Aufl., § 15 6 Rdnr. 23 a. E.). Die Angaben müssen so genau und vollständig sein, dass der Gläubiger anhand des Vermögensverzeichnisses sofort die seinen Zugriff erschwerenden Umstände erkennen und Maßnahmen zu seiner Befriedigung treffen kann (Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 807 Rdnr. 16). Was darunter zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Zweck der eidesstattlichen Versicherung, nämlich dass sie dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers dient. Dies bedeutet aber nicht, dass der Schuldner alles, woran der Gläubiger ein Interesse haben könnte, angeben muss (BGHSt 14, 345 [346 f.] = NJW 1960, 1820). Daraus ist zu folgern, dass der Schuldner zur Offenbarung nur soweit verpflichtet ist, dass dem Gläubiger die Vollstreckung ohne weiteres möglich ist. Diesem Erfordernis ist er durch die Angabe des Drittschuldners (seiner Ehefrau), der Höhe des Betrags und der Bezeichnung als Arbeitseinkommen hinreichend nachgekommen. Zwar könnte dadurch, dass die Frage 12 verneint wurde, der Eindruck erweckt werden, es handle sich bei dem Arbeitseinkommen um ein solches aus unselbstständiger Tätigkeit, dies ist jedoch nicht zwingend. Wie oben ausgeführt, bezeichnet der Begriff Arbeitseinkommen sowohl Einkünfte aus selbstständiger wie aus unselbstständiger Arbeit. Die Frage 12 kann deshalb so verstanden werden, dass sie sich auf sonstige Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, die nicht bereits unter Nr. 11 angegeben worden sind, bezieht. Dass unter Nr. 11 der genaue Grund des Anspruchs, nämlich "Fixprovision aus selbstständiger Tätigkeit", nicht angegeben worden ist, sondern nur ein monatliches "Arbeitseinkommen" schadet nicht. Zwar können Angaben in einer eidesstattlichen Versicherung unter Umständen auch dann unrichtig sein, wenn sie geeignet und bestimmt sind, dem betreibenden Gläubiger den Zugriff auf pfändbares Einkommen zu erschweren (BGHSt 10, 149 [1501 = NJW 1957, 718), jedoch liegt dieser Fall hier nicht vor. Unabhängig davon, dass das angegebene Einkommen wegen der Pfändungsfreigrenzen nach § 850 c ZPO bei Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen schon nicht als pfändbar erscheint, da § 850c ZPO für jedes Arbeitseinkommen nach § 850 11 ZPO gilt, reicht es für den Pfändungsantrag des Gläubigers aus, wenn dieser den zu pfändenden Anspruch als "Arbeitseinkommen" bezeichnet. Auch bei einem Pfändungsantrag ist die Forderung hinreichend bestimmt, wenn sie als "Arbeitseinkommen" bezeichnet wird, obwohl es sich um wiederkehrende Bezüge aus selbstständiger Tätigkeit handelt. Mit dieser Bezeichnung ist alles gepfändet, was die ZPO nach den §§ 850 ff. unter Arbeitseinkommen versteht (Stöber, Rdnr. 925). Damit bedarf es aus Gründen der Wahrheitspflicht keiner erneuten Angabe des Anspruchs unter der Frage Nr. 12.

Bei dieser Sachlage kann es offen bleiben, ob der Angekl. tatsächlich freier Handelsvertreter gem. § 84 1 HGB ist, oder als Angestellter nach § 84 11 HGB gilt, so wie sich der Angekl. selbst sieht. Nähere Feststellungen dazu enthält das Urteil nicht, sie sind danach aber auch entbehrlich.



* Quelle: NJW 2001, 2891 ff