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MarkenG § 14 II Nr. 2 V

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KG, Urteil vom 05.02.2002 - 5 U 178/01 *

Tatbestand: Der Kl. zu 1 ist Inhaber der seit dem 13. 2. 1997 mit Priorität zum 23. 12. 1996 eingetragenen Wortmarke „Bandit", u.a. für Motorradsturzhelme, Fahrradsturzhelme, Lederjacken und Motorradschutzkleidung aus Leder. Die am 10. 9. 1998 in das Handelsregister eingetragene Kl. zu 2 vertreibt Motorradhelme unter der Marke "Bandit". Gemäß einem Gesellschafterbeschluss der Kl. zu 2 vom 21. 7. 1998 sollten dem Kl. zu 1 hinsichtlich der für ihn eingetragenen Marke Lizenzgebühren, berechnet nach einem Prozentsatz des Netto-Jahresumsatzes, gezahlt werden. Die Bekl. hat sich über 2000 Domains registrieren lassen, worauf sie im Internet hinweist. Zu diesen Domains zählt auch die für sie seit dem 8. 6. 1997 bei der Denic registrierte Internetadresse "bandit.de". Unter dieser Domain sind Inhalte in das Netz gestellt für Dienstleistungen in Form eines Informationsmagazins und Begriffsportals (Katalog von Webadressen mit Bezug zu dem Begriff "Bandit"). Diese Domain wurde in den Jahren 1998 und 1999 einem Dritten zur Nutzung unentgeltlich überlassen. Die Kl. haben die Auffassung vertreten, die Bekl. verstoße gegen Marken- und Firmenrecht sowie auch gegen § 1 UWG; es handele sich um eine erkennbar unlautere Reservierung. Nachdem die Kl. ihr Begehren auf Unterlassung in der Klageschrift auch auf mit dem „Zeichen Bandit" „verwechslungsfähige Zeichen" gerichtet hatten, haben sie dann beantragt (1) die Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, das Zeichen Bandit, insbesondere in der Form des Domainnamens bandit.de, zu benutzen sowie die Bekl. zu verpflichten, auf ihre bestehen den Rechte aus der von der Denic erfolgten Eintragung für den Domain-Namen bandit.de zu verzichten und bei Denic die Löschung der Eintragung des Domainnamens bandit.de zu beantragen. Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Bekl. hatte Erfolg.



Entscheidungsgründe: A. I. Den Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch zu, die Verwendung des Zeichens "Bandit" zu unterlassen.

1. Einen firmenrechtlichen Anspruch aus § 15 II, IV MarkenG hat das LG mangels Priorität der Kl. zu 2 zutreffend verneint. Darauf wird Bezug genommen. Dem sind die Kl. auch nicht mehr entgegengetreten. Damit scheiden auch namensrechtliche Ansprüche der Kl. zu 2 aus § 12 BGB aus.

2. Zutreffend hat das LG ebenso einen markenrechtlichen Anspruch aus § 14 II Nr. 2, V MarkenG ausgeschlossen. Denn es fehlt an einer Verwechslungsgefahr.

a) Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH, NJW 1999, 933 - Canon; BGH, NJW-RR 2000,1202 = WRP 2000,529 [531] - ARD1; BGH, NJW-RR2000,856 =WRP2000,535 -Attaché/Tisserand).



b) Vorliegend besteht zwar - abgesehen von dem nicht kennzeichnungskräftigen Bestandteil "de" Zeichenidentität. Das LG ist aber schon nur von einer sehr schwachen Kennzeichnungskraft des Wortes "Bandit" ausgegangen. Einwendungen hierzu haben die Kl. nicht konkret erhoben. Selbst wenn im Hinblick auf die gekennzeichneten Waren (Motorradhelme usw.) und ungeachtet eines etwaigen legendären Motorrades" der Firma Suzuki "Bandit 600 S" ein beschreibender Inhalt weitgehend fehlen würde, könnte nur von normaler Kennzeichnungskraft ausgegangen werden. Auch dann stünde der Annahme einer Verwechslungsgefahr aber der weite Abstand der Branchen der Parteien entgegen. Das Angebot von Motorrad- und Fahrradbekleidung und Schutzhelmen hat aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs keine sachlichen Bezugspunkte zu den unter der Domain angebotenen Dienstleistung eines Internet-Führers bzw. eines Begriffsportals und eines Domain-Sharings für sonstige Unternehmen und Privatpersonen. Einer solchen Verwendung in der Domain sind die Kl. nicht näher entgegengetreten und sie wird auch durch den mit Schriftsatz der Bekl. vom 18. 1. 2001 überreichten Ausdruck des Inhalts ihrer Domain belegt. Eine Domain der Kl. kann dies aus der Sicht des Verkehrs offensichtlich nicht sein, zumal die Domain als eine solche des "internetführers.de" ausdrücklich gekennzeichnet ist. Auch die Annahme verbundener Unternehmen scheidet unter diesen Umständen aus. Zudem weiß ein Internet-Nutzer zwar, dass nicht selten die Domain-Namen Firmen- oder Markenkennzeichen nachgebildet sind, er weiß aber ebenso um den nicht seltenen gattungsmäßigen Gebrauch eines - auch genetischen, beschreibenden Begriffs wie vorliegend "Bandit", der vielfältig und ebenso in einem weiteren und übertragenen Sinn eingesetzt werden kann.



Soweit die Kl. darauf verweisen, die Kl. zu 2 wolle als Großhändlerin für Motorradfahrerbekleidung ihren Einzelhändlern eine Werbeplattform für ihre Produkte anbieten, so ist nicht ersichtlich, dass dies schon im Zeitpunkt der Aufnahme des Kennzeichengebrauchs der Bekl. der Fall oder dies auch nur absehbar war. Letztlich charakterisieren derartige Werbemaßnahmen auch nicht den Geschäftsbetrieb der Kl., sondern sie stellen nur einen begleitenden, in fast allen Branchen ein-gesetzten Annex der geschäftlichen Tätigkeit dar.

c) Soweit die Kl. darauf verwiesen, dass Unternehmen eine Subdomain erhalten könnten, die Branchennähe zur Kl. zu 2 aufwiesen, haben die Kl. einen solchen bereits erfolgten Kennzeichengebrauch nicht vorgetragen. Eine etwaige Begehungsgefahr ist mit der ausdrücklichen Erklärung der Bekl. entfallen, dass sie insoweit verwechslungsfähige Inhalte verhindern werde. Im Übrigen wäre die Bekl. diesbezüglich auch nur im eingeschränkten Umfang verantwortlich und es bliebe den Kl. unbenommen, unmittelbar gegen den Inhaber der Subdomain vorzugehen.

3. Ein Unterlassungsanspruch aus § 14 II Nr. 3 MarkenG scheidet schon deshalb aus, weil die Marke der Kl. keine im Inland bekannte ist. Dies behaupten selbst die Kl. nicht.

4. Die Domainreservierung und -benutzung seitens der Bekl. stellt auch keine sittenwidrige Behinderung i. S. des § 1 UWG oder der §§ 826, 226, 1004 BGB dar.



a) Voraussetzung eines Behinderungswettbewerbs nach § 1 UWG ist stets eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber. Da eine solche Beeinträchtigung jedem Wettbewerb eigen ist, muss freilich noch ein weiteres Merkmal hinzutreten, damit von einer wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung und - eine allgemeine Marktbehinderung oder Marktstörung steht im Streitfall nicht zur Debatte - von einer unzulässigen individuellen Behinderung gesprochen werden kann: Wettbewerbswidrig ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, den Mitbewerber in seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen. Ist eine solche Zweckrichtung nicht festzustellen, muss die Behinderung doch derart sein, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (Brandner/Bergmann, in: Großkomm. z. UWG, § 1 Rdnr. A 3). Dies lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der Einzelumstände unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Wettbewerber beurteilen (Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 22. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 208; Köhler, in: Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 Rdnr. 285), wobei sich die Bewertung an den von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen orientieren muss (BGH, NJW 2001, 3262 = WRP 2001, 1286 [1288] - Mitwohnzentrale).

b) Ein unlauteres "Abfangen" von Kunden der Kl. ist nicht ersichtlich. Insoweit kann auf die Ausführungen oben zu 2 verwiesen werden. Die jedenfalls durch den Inhalt der Homepage erfolgende Aufklärung ist insoweit (auch angesichts des eingesetzten beschreibenden Begriffs) ausreichend (BGH, NJW 2001, 3262 = WRP 2001, 1286 [1289 f.]).



c) Eine sittenwidrige Behinderung kann vorliegen, wenn der Zweck der Reservierung darin besteht, Dritte zu behindern bzw. zur Zahlung zu veranlassen und ein eigenes schützenswertes Interesse des Reservierenden nicht greifbar ist (OLG München, NJW-RR 1998, 984; NJWE-WettbR 2000, 70 = GRUR 2000, 518 [519]'und OLG München, MMR 2000,104 = GRUR 2000,519 [5201; OLG Karlsruhe, MMR 1999, 171 = WRP 1998, 900; OLG Dresden, NJWE-WettbR 1999, 133 [135]; OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2001, 547 = WRP 2000, 772 [774]; Köhler/Piper, § 1 Rdnr. 327 m. w. Nachw.). Als missbräuchlich kann es sich erweisen, wenn der Anmelder die Verwendung eines Gattungsbegriffs durch Dritte dadurch blockiert, dass er gleichzeitig andere Schreibweisen des registrierten Begriffs unter derselben Top-LevelDomain oder dieselbe Bezeichnung unter anderen Top-Level-Domains für sich registrieren lässt (BGH, NJW 2001, 3262 = WRP 2001, 1286 [1290]).

aa) Vorliegend hat die Bekl. unstreitig nicht bewusst in Kenntnis der Marke der Kl. die Domain-Anmeldung vorgenommen. Die Kl. sollen ebenso wenig zielgerichtet von der Domain ausgeschlossen werden, denn sie können sich an der Domain beteiligen.

bb) Die Idee der Bekl. von einem "Internet-Führer" bzw. einem "Domain-Sharing" ist auch nicht von vornherein sittenwidrig und unbeachtlich, selbst wenn für die Beteiligung an der Domain eine "Lizenzgebühr" erhoben wird.

Der Bekl. sind aus der Registrierung und weiteren Vorhaltung der Domain Kosten entstanden und sie entstehen auch weiterhin. Der beschreibende Begriff Bandit wird vielfach in den verschiedensten Branchen kennzeichnend verwendet, wie der mit Schriftsatz der Bekl. vom 18. 1. 2001 überreichte Ausdruck des Inhalts ihrer Domain belegt. Dann ist es nahe liegend, diesen Unternehmen eine gemeinsame Werbeplattforrn unter dieser Domain anzubieten. Dies kann für Unternehmen von besonderem Interesse sein, wenn ihren Kunden weniger ihre Firma bekannt ist als gerade die Produktbezeichnung mit der Wendung „Bandit". Viele Kunden werden dann im Internet unter Eingabe dieses Schlagwortes suchen. Insoweit kann die Bekl. allen interessierten Unternehmen einen gleichen Zugang bieten.



cc) Soweit berühmte Namen und Kennzeichen "vorsorglich" zur Weiterlizenzierung von Dritten angemeldet werden, kann dies unter dem Gesichtspunkt einer gezielten Behinderung eine Sittenwidrigkeit begründen (OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2001, 547 = WRP 2000, 77; OLG Karlsruhe, MMR 1999, 171 = WRP 1998, 900; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 626). Vorliegend geht es aber - wie erörtert weder um eine gezielte Behinderung noch um eine berühmte Marke, sondern um einen beschreibenden Begriff, der in unterschiedlichen Branchen verwendet wird.

dd) Die Bekl. hat auch nicht den Begriff „Bandit" durch Anmeldung abgewandelter Formen umfänglich blockiert. Es ist den Kl. ohne weiteres möglich, mit nahe liegenden Zusätzen sich eine eigene Domain unter dem Kernbestandteil "Bandit" zu erschließen, wie auch ihre nunmehr verwendete Domain "Bandit Info" belegt. Den Kl. hat die Bekl. sogar einen kostenlosen Link angeboten.

II. Unter diesen Umständen ist die Bekl. auch nicht verpflichtet, gegenüber der Denic auf ihren Domain-Namen zu verzichten und die Löschung zu beantragen.



* Quelle: NJW-RR 2003, 1407 ff