Döhmer - Die Fiktionen des § 5a VVG

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OLG Köln, Urt. v. 4.8.1998, 9 U 17/98 (zfs 1999, 64 f.)
Anmerkung zur Entscheidung des OLG Köln

OLG Köln, Urt. v. 4.8.1998, 9 U 17/98 (zfs 1999, 64 f.)

Leitsätze der KD-Redaktion:

1. § 5a VVG ist in der seit dem 01.01.1995 gültigen Fassung auch auf Vertragsänderungen anwendbar.

2. Ein Widerspruch bleibt unbeachtlich, wenn das Ergebnis den Besonderheiten des Falles nicht gerecht wird und der Versicherer in einem Nachtrag zum Versicherungsschein auf den veränderten Leistungsumfang ausdrücklich hingewiesen hat.

Aus den Gründen: ,, ... Auch im Hinblick auf den von der Bekl wegen fehlender Wegfahrsperre vorgenommenen Abzug in Höhe von 10 % der Gesamtentschädigungssumme

hat das IG im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Kl verneint. Der Begründung des IG vermag der Senat jedoch nicht in vollem Umfang zu folgen. Es hat angenommen, daß aufgrund des Schreibens des Kl v. 21.6.1995, in dem es heißt: ,Hiermit kündige ich die Vollkaskoversicherung für das oben genannte Fahrzeug', die bisherige Fahrzeugversicherung insgesamt, also einschließlich der Teilkaskodeckung, erloschen und anschließend eine neue Teilkaskoversicherung abgeschlossen worden sei, so daß die Bekl der neuen Fahrzeugversicherung auch die aktuelle Fassung der AKB mit der neuen Bestimmung des § 13 Abs. 4 über den 10%igen Abzug bei fehlender Wegfahrsperre habe zugrunde legen dürfen. Dabei ist das IG davon ausgegangen, daß die Bekl das Kündigungsschreiben des Kl v. 21.6.1995 als umfassende Kündigung der Fahrzeugversicherung einschließlich des Teilkaskobereichs habe auffassen dürfen; wenn sie nach Rücksprache mit dem für die Versicherungsangelegenheiten des Kl zuständigen Versicherungsagenten im unterstellten Einverständnis des Kl dennoch einen Nachtrag zum Versicherungsschein über die Fortführung einer Teilkaskoversicherung ausgestellt habe, habe sie bereits mehr getan, als sie an sich tun mußte, was ihr nicht zum Nachteil gereichen könne.

Dieser Auffassung des IG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Ob die Bekl aus ihrer Sicht das Schreiben des Kl v. 21.6.1995 zu Recht als Kündigung der ,Fahrzeugversicherung' (das Gegenteil wäre: Haftpflichtversicherung) auffassen durfte, obwohl ausdrücklich die ‚Vollkaskoversicherung' (das Gegenteil wäre: Teilkaskoversicherung) gekündigt wurde, kann dahinstehen. Unstreitig hat die Bekl dieses Schreiben nicht als Kündigung der Fahrzeugversicherung (einschließlich Teilkaskobereich) aufgefasst; sie war sich vielmehr unsicher, wie das Schreiben aufzufassen war. Das geht zweifelsfrei aus der Tatsache hervor, daß die Beklagte dem zuständigen Versicherungsagenten W, wie dieser bei der Vernehmung vor dem IG bekundet hat, Rückfrage gehalten hat, ob es denn tatsächlich gewollt sei, dass das

relativ teure Fahrzeug (ein Mercedes-Benz 300 SL) auch nicht mehr teilkaskoversichert sei. Nachdem der Zeuge W daraufhin erklärt hat, der Kl wünsche wohl weiterhin eine Teilkaskoversicherung, hat die Bekl unter dem 28.6.1995 einen Nachtrag zum Versicherungsschein ausgestellt, der neben einer Haftpflichtversicherung eine Teilkaskoversicherung mit 300 DM Selbstbeteiligung auswies. Zugleich teilte sie dem Kl mit Schreiben v. 28.6.1995 mit: ,Nach Rücksprache mit unserem zuständigen Mitarbeiter, Herrn W haben wir aufgrund Ihres o. Schreibens ab 1.7.1995 die Fahrzeugvollversicherung aus Ihrem Vertrag ausgeschlossen. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, haben wir ab diesem Zeitpunkt die Fahrzeugteilversicherung mit 300 DM Selbstbeteiligung berücksichtigt. Sollten Sie dies nicht wünschen, bitten wir Sie, sich mit Herrn W in Verbindung zu setzen! Daraus folgt, daß die Bekl das Kündigungsschreiben des Kl v. 21.6.1995 tatsächlich als bloßen Antrag auf Änderung des Deckungsumfangs der Fahrzeugversicherung von der Volldeckung in eine Teildeckung aufgefasst und entsprechend bearbeitet hat.

Dennoch muß sich der Kl aber letztlich den 10%igen Abzug wegen fehlender Wegfahrsperre entgegenhalten lassen. Dabei kann offenbleiben, ob die neue Fassung der AKB von der Bekl allein schon dadurch wirksarn in das Vertragsverhältnis einbezogen werden konnte, dass sie im Nachtrag zum Versicherungsschein v. 28.6.1995 vermerkte, hinsichtlich der Fahrzeugversicherung lägen die ,AKB 1.95' zugrunde. Dem stehen schon insoweit Bedenken entgegen, als gem. § 5a VVG in der seit dem 1. 1. 1995 gültigen Fassung, der auch auf Vertragsänderungen der vorliegenden Art anwendbar sein dürfte, Allgemeine Versicherungsbedirigungen nur dann Vertragsinhalt werden, wenn sie dem VN bereits bei Antragstellung ausgehändigt werden oder, im Falle der späteren Aushändigung, wenn er den Bedingungen nicht widerspricht, was aber voraussetzt, dass er zuvor über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist (vgl. dazu auch Römer/Langheid, VVG, Rn. 24/25 zu § 5a). Ob dem Kl jemals die ,AKB 1.95' übersandt worden sind, ist streitig. Weder aus dem Vermerk der Versicherungsagentur W auf der Kopie des Kündigungsschreibens des Kl v. 21.6.1995, wo es heißt: ,AKB 1/95 und',l,B 1/95 wurden VN per Post zugeschickt', noch aus der entsprechenden Bekundung des Zeugen W vor dem LG kann sicher hergeleitet werden, dass die neuen Bedingungen tatsächlich dem Kl zugegangen sind. Gem. § 5a Abs. 2 S.2 VVG hat der VR den Nachweis über den Zugang zu erbringen. Im übrigen fehlte es auch an der Belehrung des Kl über sein Widerspruchsrecht. Die neuen AKB könnten daher nur dann Vertragsinhalt geworden sein, wenn das Recht des Kl, ihnen zu widersprechen, heute nicht mehr bestünde, unabhängig davon, ob die AKB ihm zur Kenntnis gebracht sind oder nicht (vgl. Römer/Langheid, Rn. 46 zu § 5a). Gem. § 5a Abs. 2 S. 4 VVG erlischt das Widerspruchrecht in jedem Falle ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie. Nach Ablauf dieser Frist wären die neuen AKB daher auch ohne ihre Übersendung an den Kl Vertragsinhalt geworden. Die erste Präie nach der Vertragsänderung wurde unstreitig am 6.7 1995 vom Kl gezahlt (mit nicht nachgelassenem Schriftsatz teilt die Bekl jetzt mit, daß das Konto des Kl sogar schon am 4.7. 1995 belastet worden ist). Das Widerspruchsrecht des Kl wäre also spätestens am 6. 7. 1996 erloschen gewesen. Allerdings dürfte in dem Klagevorbringen in der Klageschrift v. 20.5.1996 ein konkludenter Widerspruch gegen die neuen AKB zu sehen sein, jedenfalls soweit es um den Abzug von 10 % wegen fehlender Wegfahrsperre geht. Dies hätte zur Folge, daß es nicht nur nicht zur Einbeziehung der neuen AKB gekommen wäre, sondern daß die bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist bzw. bis zum Erlöschen des Widerspruchsrechts schwebend unwirksame Vertragsänderung insgesamt nicht wirksam geworden wäre mit der Folge, daß die ursprüngliche Vollkaskoversicherung auf der Grundlage der alten AKB fortbestünde (vgl. dazu Römer/Langheid, Rn. 25 und 46 zu § 5a).

Dieses Ergebnis würde jedoch den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht gerecht. Die Bekl hat indern Nachtrag zum Versicherungsschein v. 28.6.1995, mit dem sie den Antrag des Kl auf Änderung des Versicherungsvertrages angenommen hat, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich die Höchstentschädigung bei Zerstörung und Verlust des Fahrzeugs durch Diebstahl um 10% vermindere, da das Fahrzeug nicht mit einer anerkannten qualifizierten Diebstahlssicherung ausgestattet sei.

Dem hat der Kl seinerzeit nicht widersprochen, sondern unstreitig die im Nachtrag zum Versicherungsschein v. 28.6. 1995 errechnete neue Prämie, wie oben bereits erwähnt, alsbald gezahlt. Dies durfte die Bekl zu Recht als konkludentes Einverständnis mit der im Nachtrag ausdrücklich erwähnten Regelung über einen 10%igen Abzug der Höchstentschädigung bei fehlender Wegfahrsperre auffassen, so daß jedenfalls insoweit eine wirksame individualvertragliche Vereinbarung vorliegt, ohne daß es darauf ankommt, ob die neuen AKB Vertragsgrundlage geworden sind und die Änderung des Deckungsumfangs bei der Fahrzeugversicherung von Vollkasko- in Teilkaskoschutz wirksam zustandegekommen ist.

Soweit der Kl bestreitet, den Nachtrag zum Versicherungsschein erhalten zu haben, ist dieses Vorbringen nicht plausibel, da er die wegen der Änderung der Fahrzeugversicherung im Nachtrag selbst und in einer auf den Nachtrag bezug nehmenden Beitragsrechnung errechnete reduzierte Prämie gezahlt hat und nicht etwa die zur gleichen Zeit fällige ursprüngliche Prämie ...

Anmerkung zur Entscheidung des OLG Köln:

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Köln vom 04.08.1998 hält einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Es war der Meinung, daß das durch die konsequente Anwendung des § 5a VVG erzielte Ergebnis den Besonderheiten des Falles nicht gerecht wird. Diese ergebnisorientiere Betrachtung, ist eine unjuristische Methode und führt immer wieder zu Fehlentscheidungen.

Richtig ist allerdings der Ansatz des Gerichts, daß nämlich § 5 a VVG in der ab 01.01.1995 geltenden Fassung auch für Vertragsänderungen gilt (vgl. P/M-Prölss, VVG, 26. A., Rz. 27 zu § 5 a).

Die Annahme, wonach die für den Versicherungsnehmer nachteiligen Versicherungsbedingungen aufgrund einer Individualvereinbarung Vertragsgegenstand geworden sind, stößt jedoch auf erhebliche rechtliche Bedenken.

Im entschiedenen Fall muß davon ausgegangen werden, daß der Kläger weder Allgemeine Versicherungsbedingungen noch eine Verbraucherinformation erhalten hat. Selbst wenn eine einzelne Vertragsbestimmung zum Gegenstand des Versicherungsscheins gemacht worden ist, hat dadurch der Kläger sein Widerspruchsrecht noch nicht verloren.

Wenn dem Oberlandesgericht Köln das Ergebnis aufgrund einer korrekten Anwendung des

§ 5 a VVG nicht gefallen hat, hätte es zumindest Ausführungen darüber machen müssen, ob und in welchem Umfang § 5 a VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers überhaupt disponible Regelungen enthält.

Der Wortlaut der Bestimmung spricht dafür, daß § 5 a VVG grundsätzlich nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abbedungen werden kann. Dies ergibt sich aus § 5 a III 1 VVG. Dort ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Verzicht auf die Überlassung der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation vereinbart werden kann. Dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn der Versicherer auf besonderen Antrag des Versicherungsnehmers sofortigen Versicherungsschutz gewährt. Daß diese besondere Ausnahmesituation der Entscheidung vom 04.08.1998 zugrunde liegt, läßt sich nicht erkennen.

Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die Bestimmungen des § 5 a VVG den europarechtlichen Vorgaben nicht genügen (z.B. Döhmer, zfs.1997, 281 ff.) Die Rechtsprechung tut nun ein übriges, in dem § 5 a VVG über den Weg von Individualvereinbarungen ausgehebelt wird.