OLG Muenchen, 05.12.2002 - 6 U 5770/01, BGB, 675, Vertrag, Besorgen, Domain, Angebot, Annahme, Erwerber, Uebertragung, Anmeldung, Domaininhaber, Schuld, Geschaeftsbesorgung, ritter.de, Inhaber, Eigentum, free, Giessen, Wetzlar, Marburg, Limburg, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Muenchen, Koeln, Leverkusen, Bochum, Dortmund, Essen, Dresden, Leipzig, Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Daenemark, Irland, Grossbritannien, Nordirland, Griechenland, Portugal, Spanien, Finnland, Oesterreich, Schweden
BGB 675

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OLG München, Urteil vom 05.12.2002 - 6 U 5770/01 *

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Domain „ritter.de". Die Kl. betreibt ein Unternehmen für Apparatebau. Sie wurde am 2. 3. 1993 unter ihrem jetzigen Namen ins Handelsregister eingetragen. Der Bekl. ist Internetprovider. Die Parteien kamen Mitte 1997 in Kontakt, nachdem die Kl. ihre Zusammenarbeit mit dem Unterprovider des Bekl., L, gekündigt hatte. Mit E-Mail vom 7. 3. 1997 stellte sich der Bekl. vor und informierte die Kl. über seine Tätigkeit. Dabei führte er u. a. Folgendes aus: "Wie Sie hoffentlich verständlich aus den vorherigen Zeilen erfahren haben können, ist der springende Punkt die Sache "Eigentümer der Internetadresse". In der Regel ist es bei uns so, dass wir grundsätzlich der Auffassung sind, eine Internetadresse gehört dem Kunden, sprich in ihrem Falle mit der http://www.ritter-app.com gehört diese Internetadresse der Firma R. L hat uns mitgeteilt, dass in Bezug auf die Registrierung der ritter-app.com dies auf seinen Namen erfolgen soll. Wir haben L aufgeklärt, dass dies nicht möglich ist, weil L nicht die Firma R ist, sondern Sie". Die Kl. schloss daraufhin unmittelbar mit dem Bekl. einen Providervertrag über die Domain "ritter-app.com" ab. Der Bekl. hatte dabei auch mitbekommen, dass die Kl. an der Domain "ritter.com" interessiert war. Diese war jedoch schon anderweitig vergeben. Der Bekl. bemühte sich um die Domain "ritter.de" und stellte sie der Kl. in Rechnung. Die Kl. nutzte die Domain "ritter.de" für ihren Geschäftsbetrieb und bezahlte die vom Bekl. hinsichtlich der Domain ".de" gestellten Rechnungen. Am 28. 1. 2000 sprach die Kl. gegenüber dem Bekl. die fristlose Kündigung hinsichtlich des ihm erteilten Auftrags aus, die Version 2.0 der Webseite der Kl. zu erstellen. In der Folge stellte sie fest, dass die Domain "ritter.de" nicht mehr konnektiert war. Die Domain "ritter.de" war ausweislich der Denic History zunächst auf einen R registriert, wurde am 24. 6. 1997 an die Firma T-GmbH übertragen und schließlich am 13. 2. 2000 auf den Bekl. umgeschrieben. Die Kl. trägt vor, sie habe dem Bekl. den Auftrag erteilt, die Domain "ritter.de" für sie zu besorgen. Dabei sei sie von Anfang an davon ausgegangen, dass die Domain "ritter.de" für sie als Domaininhaberin angemeldet werden würde. Gegenteiliges sei ihr nicht bekannt gewesen. Der Bekl. habe den Auftrag, die Domain "ritter.de" für die Kl. zu besorgen, bei einer Besprechung mit dem Geschäftsführer der Kl. am 15. 6. 1997 im Hause des Bekl. erhalten. Der Bekl. habe hierbei erklärt, er habe im Internet recherchiert und halte es für möglich, die Domain für die Kl. zu besorgen. Der Geschäftsführer der Kl. habe zugestimmt und den Auftrag erteilt. Wenig später habe der Bekl. mitgeteilt, dass es ihm gelungen sei, die Domain "ritter.de" zu beschaffen. Für den Geschäftsführer der Kl. sei aus den Äußerungen des Bekl. und aus dessen schriftlichen Unterlagen von Anfang an klar gewesen, dass der Auftrag zur Beschaffung der Domain beinhaltet habe, dass diese im Erfolgsfall auf die Kl. übertragen werden sollte. Erst im zeitlichen Zusammenhang mit der am 20. 1. 2000 ausgesprochenen Kündigung habe die Kl. bemerkt, dass als Domaininhaberin die Firma T-GmbH eingetragen gewesen sei. Die Kl. hat beantragt, den Bekl. zu verurteilen, die Internet-Domain "ritter.de" auf die Kl. zu übertragen und der Umschreibung auf die Kl. gegenüber der Denic zuzustimmen, hilfsweise, den Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, die Bezeichnung "ritter.de" als Domainnamen im Internet für eine auf den Bekl. registrierte Homepage oder auf sonstige Weise im geschäftlichen Verkehr für ein Angebot im Internet in Deutschland zu nutzen oder nutzen zu lassen, insbesondere es zu unterlassen, die Registrierung und Konnektierung der Domain "ritter.de" im Internet aufrechtzuerhalten. Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Bekl. hatte keinen Erfolg.



Entscheidungsgründe: Das LG hat mit eingehender und zutreffender Begründung den mit der Klage geltend gemachten Anspruch bejaht.

1. Der Kl. steht ein vertraglicher Anspruch auf Übertragung der Domain "ritter.de" zu. Nach Auffassung des Senats haben die Parteien einen Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB hinsichtlich der Domain "ritter.de" geschlossen.

a) Der Senat geht weiter davon aus, dass die Parteien bereits im Juni/Juli 1997 einen Vertrag über die Übertragung der Dornain "ritter.de" geschlossen haben und der Bekl. infolgedessen diese Domain für die Kl. einrichtete und ihr seine Leistungen in Rechnung stellte. Dies ist aus den Umständen erkennbar und geht nach Meinung des Senats auch daraus hervor, dass der Bekl. keine Veranlassung hatte, ohne von der Kl. dazu beauftragt zu sein, diese weitere Domain für sie einzurichten. Bezüglich des Inhalts des Vertrags besteht zwischen den Parteien Streit. Ein schriftlicher Vertrag liegt nicht vor.

Ein Vertrag kommt durch Antrag (§ 145 BGB) und Annahme des Vertrags (§ 147 BGB) zu Stande. Dabei setzt das Zustandekommen eines Vertrags eine Willenseinigung voraus. Durch die beiderseitigen Willenserklärungen legen die Parteien gemeinsam fest, was zwischen ihnen rechtens sein soll. Es ist daher auf die beiderseitigen Willenserklärungen bei Vertragsschluss abzustellen. Dabei ist der Empfängerhorizont maßgeblich. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Auf seinen Horizont und seine Verständnismöglichkeit ist bei der Auslegung abzustellen und zwar auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte. Entscheidend ist im Ergebnis nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert seines Verhaltens (Palandt/Heinrichs, BGB, § 133 Rdnr. 9).



Bei der Auslegung sind auch die außerhalb der Erklärungsakte liegenden Begleitumstände mit einzubeziehen. Dabei können sich wichtige Anhaltspunkte für die Auslegung aus der Abwicklung früherer Geschäfte und des gegenständlichen Geschäfts ergeben. Von Bedeutung ist dazu im vorliegenden Fall, dass der Kl. unstreitig die Inhaberschaft der Domain "ritter-app.com" übertragen worden ist. Die Kl. wurde als Domaininhaberin eingetragen. Hinsichtlich der Domain "ritter.de" macht der Bekl. geltend, im Gegensatz zur Domain "ritter-app.com" sei hier nur die zur Verfügungstellung der Nutzung des hosts "www.ritter.de" vereinbart gewesen, während die Kl. vorträgt, es sei nichts anderes als bei der Domain "ritter-app.com" vereinbart worden.

In der E-Mail vom 7. 3. 1997 des Bekl. an die Kl. führt der Bekl. u. a. aus, dass der springende Punkt die Sache "Eigentümer der Internetadressee" sei. Weiter führt er aus, dass es in der Regel so sei, dass er grundsätzlich der Auffassung sei, eine Internetadresse gehöre dem Kunden, sprich im Falle "R" mit der http://www.ritter-app.com gehöre diese Internetadresse der Firma R.

Weiter ist für den Empfängerhorizont die Internetwerbung des Bekl. im Juni 1997, also dem entscheidenden Zeitraum, maßgeblich. In dieser Werbung bietet der Bekl. verschiedene Pakete an, u. a. das Paket Virtual LD sowie Virtual COM. Im Gegensatz zu den Paketen Easy und Easy Plus beinhalten die Virtualpakete eine Domain http://www.IhrName.de bzw. com. In der Erläuterung der Werbung heißt es: "Selbstverständlich können Sie auch sofort mit dem Paket Virtual starten, da u. a. bei der Vergabe von IN-Adressen das Motto ‚Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!' große Bedeutung in der Namenswahl einer URL hat. Gerne schlagen wir Ihnen mehrere und freie IN-Adressen für Sie als Möglichkeit vor, natürlich kostenlos".



Aus diesen Begleitumständen ergibt sich, dass die für den Vertragsschluss maßgebliche Willenserklärung des Bekl. nach dem Empfängerhorizont der Kl. dahin gehend auszulegen war, dass der Vertrag mit dem Inhalt geschlossen wurde, die Domain "ritter.de" für die Kl. registrieren zu lassen, d. h. der Kl. die Stellung einer Domaininhaberin einzuräumen.

b) Folgt man der Meinung nicht, dass bereits vor Einrichtung der Domain "ritter.de" ein entsprechender Vertrag zwischen den Parteien geschlossen worden ist, so ist jedenfalls ein Vertrag durch die Einrichtung der Domain seitens des Bekl. und die Inrechnungstellung durch ihn sowie die Nutzung der Domain und die Bezahlung der Rechnung durch die Kl. zu Stande gekommen. Dabei stellt die Einrichtung der Domain und die Rechungsstellung den Antrag nach § 145 BGB dar und die Nutzung der Domain und Bezahlung der Rechnung die Annahme der Kl. nach § 147 BGB.

Hinsichtlich des Inhalts des Vertrags gilt das unter a) Ausgeführte. Hierzu kommt, dass auch aus den Rechnungen bezüglich der Domain "ritter.de" nichts anderes hervorgeht.

In der Rechnung vom 4. 7. 1997 wird der Kl. das Paket Virtual DE in Rechnung gestellt. In der Rechnung vom 18. 12. 1997 wird ebenfalls von einem Paket Virtual 1998 zu RITTER-Servern gesprochen. (Wird ausgeführt.)

Die beiden Domains werden in der Rechnung gemeinsam aufgeführt und sozusagen "in einem Atemzug" genannt. Eine Unterscheidung zwischen beiden Domains -außer dem Namen - lässt sich der Rechnung nicht entnehmen. Vielmehr kann man annehmen, es handle sich um dasselbe Geschäft hinsichtlich zweier Domains.



Der Kl. wurde sowohl für die Domain "ritter.de" als auch für die Domain "ritter-app.com" gleichermaßen das Paket Virtual in Rechnung gestellt. Dieses beinhaltet eine Domain http://www.lhrName.de bzw. com für den Kunden als Domaininhaber. Die Behauptung des Bekl., hinsichtlich der Domain "ritter.de" sei anderes vereinbart worden, findet in keinem Begleitumstand einen Anhaltspunkt. Vielmehr sprechen die vorgelegten Unterlagen für eine Gleichbehandlung beider Domains. Diese wird von dem Bekl. selbst in der Rechnung vom 18.12.1997 durchgeführt. Auch die E-Mail vom 7. 3. 1997 spricht davon, den Kunden die Domaininhaberschaft zu übertragen. Da die Kl. den Bekl. so verstehen durfte, dass ihr die Domain "ritter.de" ebenso wie die Domain "ritter-app.com" als Domaininhaber übertragen wurde, bleibt ein etwa entgegenstehender, nicht zum Ausdruck gebrachter Wille des Bekl., der Kl. nur ein Nutzungsrecht an der Domain einzuräumen, unberücksichtigt und rechtlich ohne Belang.

2. Dieser zwischen den Parteien geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag wurde von der Kl. auch nicht gekündigt. Die Parteien haben mehrere selbstständige Verträge geschlossen u. a. über die Beschaffung und Registrierung der Domain "ritter-app.com", die Übertragung der Domain "ritter.de" sowie über die Erstellung des Webdesigns. Die Kl. erteilte dem Bekl. 1998 den Auftrag, die Version 2.0 der Webseite zu gestalten. Da der Bekl. diesbezüglich untätig blieb, kündigte die Kl. diesen Auftrag mit Schreiben vom 28. 1. 2000. Diese Kündigung bezog sich eindeutig nur auf den Auftrag zur Erstellung der Version 2.0 der Webseite sowie der Funktion als Provider. Dies wurde in der Kündigung ausdrücklich erklärt. Der Geschäftsbesorgungsvertrag bezüglich der Domain "ritter.de" wurde davon ebenso wenig berührt wie der bezüglich der Domain "ritter-app.com". Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kl. auch davon ausging, dass beide Verträge bereits erfüllt waren und sie hinsichtlich beider Domains bereits als Inhaberin eingetragen sei. Die Kündigung konnte sich-auf Grund der eindeutigen Formulierung auch aus Sicht des Bekl. nur auf den Auftrag zur Erstellung der Version 2.0 der Webseite beziehen.



* Quelle: NJW-RR 2003, 1423 ff