BGB § 839, GG Art. 34

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OLG Frankfurt/M., Urteil vom 31.01.2003 - 2 U 35/02 *

Gründe: I. Die Parteien streiten um die Haftung für die Beschädigung eines Kraftfahrzeugs anlässlich einer gesetzlich vorgeschriebenen Abgassonderuntersuchung.

Im Mai 2000 erwarb der Kläger einen Pkw, Marke Citroen, Typ XM-TRD, beim Kilometerstand von 126.000 km. Am 11. Mai 2001 brachte der Schwiegersohn des Klägers den Pkw mit einer Laufleistung von rund 150.000 km bei der Dekra AG in Gießen zur einer Abgassonderuntersuchung. Der zuständige Prüfingenieur erkundigte sich, wann die letzte Inspektion bei dem Fahrzeug durchgeführt worden war. Sodann nahm er das Fahrzeug in Augenschein und stellte keine die Abgassonderuntersuchung beeinträchtigende Defekte fest. Eine Überprüfung des zu diesem Zeitpunkt bereits austauschbedürftigen Zahnriemens fand nicht statt. Im Rahmen der Untersuchung wurde der Motor auf hohe Drehzahl gebracht. Dabei sprang der Zahnriemen ab und verursachte einen schweren Motorschaden. Der Wagen des Klägers wurde instandgesetzt. Der Kläger begehrt nunmehr Ersatz des ihm entstandenen und näher aufgeschlüsselten Schadens.

Der Kläger hat - in erster Instanz unbestritten - behauptet, der letzte Zahnriemenwechsel sei bereits im Dezember 1998 bei einer Laufleistung von ca. 98.000 km vorgenommen worden. Das Fahrzeug habe im Januar 2001 bei rund 145.000 km die letzte technische Inspektion durchlaufen. Zum diesem Zeitpunkt habe sich der Zahnriemen in ordnungsgemäßem Zustand befunden. Er hat die Ansicht vertreten, der Prüfingenieur sei verpflichtet gewesen, vor Durchführung der Abgassonderuntersuchung eine Sichtkontrolle auch des Zahnriemens vorzunehmen. Auch hätte er darauf hinweisen müssen, dass bei einer derart extremen Motorbelastung während der Untersuchung die Möglichkeit eines Motorschadens bestehe. Jedenfalls seien zu Gunsten des Klägers enteignungsrechtliche Grundlagen anzuwenden.

Die Klage hat sich zunächst auch gegen die Dekra AG (Bekl. zu 1.) gerichtet und ist insoweit in der ersten Instanz zurückgenommen worden.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.708,14 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte zu 2. hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2. hat behauptet, der zuständige Prüfingenieur habe darauf hingewiesen, dass der Zahnriemen bei der Abgassonderuntersuchung besonders wichtig sei und auf Nachfrage die Antwort erhalten, dieser sei bei einer Laufleistung von 130.000 km ausgetauscht worden. Die Beklagte zu 2. hat die Ansicht vertreten, die ASU sei ordnungsgemäß durchgeführt worden, insbesondere habe keine Verpflichtung bestanden, im Vorfeld den Zahnriemen zu prüfen.



Das Landgericht Gießen hat die Klage durch Urteil vom 08.0l.2002 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, gegen die Beklagte zu 2. seien Ansprüche des Klägers weder aus amtshaftungs- noch aus enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten gegeben. Zum einen fehl e es an der Verletzung einer den Prüfingenieur treffenden Amtspflicht, da dieser zu einer Prüfung des Zahnriemens nicht verpflichtet gewesen sei. Zum anderen komme ein Schadensersatzanspruch aus einem enteignenden Eingriff nicht in Betracht, weil der dem Kläger durch die hoheitliche Maßnahme zugefügte Nachteil nicht die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschritten habe. Dies folge bereits daraus, dass der Vorfall auf eine Vorbeschädigung des Zahnriemens zurückzuführen sei.

Gegen dieses ihm am 31.01.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 28.02.2002 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit am 08.04.2002 eingegangenen Schriftsatz innerhalb, verlängerter Frist begründet hat. Die Dekra AG ist dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin beigetreten.

Der Kläger behauptet nunmehr, ein erneuter Austausch des Zahnriemens sei nach Herstellervorgaben erst bei einer Laufleistung von 180.000 km vorgesehen. Er ist der Ansicht, die Anwendung der Grundsätze zum enteignenden Eingriff durch das Landgericht leide an einem Rechtsfehler. Denn es sei nicht auf die Austauschbedürftigkeit des Zahnriemens, als solche abzustellen, sondern auf die Tatsache, dass der Kläger mit einem derartigen Defekt wegen der ordnungsgemäßen Wartung des Fahrzeuges nicht habe rechnen müssen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 08.01.2002 verkündeten Urteils des Landgerichts Gießen(Az.: 5 0 190/2001) das beklagte Land Hessen zu verurteilen, an ihn 5.708,14 DM (2.918,53 _) nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (07.03.2002) zu zahlen. Die Beklagte zu 2. beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte zu 2. verteidigt das mit der Berufung angegriffene Urteil. Die Nebenintervenientin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung die Berufung sei mangels hinreichender Begründung bereits unzulässig. Jedenfalls sei neuer Vortrag des Klägers nicht zuzulassen.



Der Rechtsstreit ist durch Senatsbeschluss vom 20.08.2002 (Bl. 125 d.A.) dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden. Zum Zwecke der weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstandes sei auf das Urteil des Landgerichts Gießen vom 08.01.2002 (Bl. 63 ff d.A.) sowie die Schriftsätze vom 21.02.2002, 28.02.2002, 04.04.2002, 08.04.2002, 18.04.2002, 06.05.2002 Bezug genommen.

II. Die statthafte Berufung ist auch im übrigen zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 516 ZPO) und entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin den Erfordernissen des § 520 ZPO genügend begründet worden. Es mag in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers, nach Herstellerangaben sei ein Zahnriemenwechsel grundsätzlich erst wieder bei einer Laufleistung von 180.000 km erforderlich gewesen, als Novum oder bloße Konkretisierung des bereits erstinstanzlich erfolgen Vorbringens anzusehen ist. Denn in jedem Falle beschränkt sich der Kläger nicht auf eine tatsächliche Ergänzung seines Vorbringens, sondern rügt auch einen vermeintlichen Fehler in den rechtlichen Schlussfolgerungen des Landgerichts: Bei genauer Betrachtung der Berufungsbegründung rügt der Kläger nicht, dass das Landgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, der Zahnriemen sei austauschbedürftig gewesen. Er greift vielmehr die rechtliche Schlussfolgerung an, in der das Landgericht hinsichtlich des "enteignungsrechtlich Zumutbaren" ausschließlich auf die Austauschbedürftigkeit des Zahnriemens abgestellt hat. Abzustellen sei, so die Auffassung des Klägers, nicht auf diesen Aspekt, sondern auf die Tatsache, dass der Kläger sein Fahrzeug ordnungsgemäß gewartet habe und er die Austauschbedürftigkeit des Zahnriemens daher nicht habe kennen können.

Keiner Überprüfung bedarf das landgerichtliche Urteil, soweit auch die gegen die DEKRA AG als vormalige Beklagte zu 1. gerichtete Klage abgewiesen worden ist, obgleich in der mündlichen Verhandlung vom 08.01.2002 (Bl. 59 f d.A.) insoweit unter Zustimmung (Kostenantrag) eine Klagerücknahme erklärt worden ist. Denn unbeschadet der Frage, ob eine diesbezügliche Beschwer des Klägers vorliegt, ist eine Korrektur des Urteils in diesem Bereich nicht Gegenstand des Berufungsantrages (§ 528 S.2 ZPO).



In der Sache kann die Berufung indes keinen Erfolg haben. Denn dem Kläger ist weder ein Ersatz- noch ein Entschädigungsanspruch zuzuerkennen.

Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB, Art. 34 GG hat das Landgericht zutreffend an dem Fehlen eines pflichtwidrigen Verhaltens des Prüfingenieurs scheitern lassen. Der Umfang der vorzunehmenden Prüfung handelt es sich um eine hoheitliche Maßnahme (OLG Schleswig, NJW 96, 1218), deren Ablauf sich nach § 47a StVZO in Verbindung mit dessen Anlage XI a (Bl. 57 f d.A.) bestimmt. Diese Vorschriften legen dem Prüfer eine Sichtuntersuchung der schadstoffrelevanten Bauteile auf, nicht jedoch weitergehende Maßnahmen bzgl. anderer Aggregate. Aus diesem Regelungsgefüge ist zu entnehmen, dass der Fahrzeugeigentümer für den betriebstauglichen Zustand seines Fahrzeuges im übrigen in eigener Verantwortung Sorge zu tragen hat. Vor diesem Hintergrund war der Fahrzeugprüfer weder verpflichtet, den Zahnriemen des Klägerfahrzeuges aus eigenem Antrieb einer Untersuchung zu unterziehen, noch hatte er ohne konkreten Anhaltspunkt Erkundigungen bei dem Fahrer einzuholen - die angesichts des Klägervortrages ohnedies keinen Anlass zu Bedenken gegeben hätten.

Auch die Art und Weise der Prüfungsdurchführung ist nicht geeignet, einen Fehler des Prüfers annehmen zu lassen. Das wiederholte Hochfahren der Motordrehzahl hat unstreitig im Rahmen des ordentlichen Prüfungsverfahrens durchgeführt zu werden. Soweit der Kläger erstinstanzlich vorgetragen hat, der Prüfingenieur hätte die Prüfung abbrechen müssen, als die Abregeldrehzahl nicht erreicht worden sei (Schriftsatz vom 12.11.2001, Bl. 32 d.A.), ist dieser Vortrag im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht zu berücksichtigen. Denn er ist weder Gegenstand des erstinstanzlichen Urteilstatbestandes noch wird er in zweiter Instanz aufgegriffen. Nur am Rande sei erwähnt, dass ein dahingehender Fehler des Prüfingenieurs auch zu verneinen sein dürfte. Denn wie sich aus den Gründen des klägerseits vorgelegten Urteiles des Landgerichts Bremen vom 13.03.1998 (Az.: 3 0 851/97) ergibt, kann es durchaus erforderlich sein, bis zu 10 Versuche zum Erreichen der Abregeldrehzahl durchzuführen.



Auch enteignungsrechtlichen Aspekten folgende Ansprüche können nicht zugesprochen werden. Zutreffend hat das Landgericht seiner Bewertung die in der Rechtsprechung anerkannten, aus §§ 74, 75 EinlALR hergeleiten Grundsätze zum sog. enteignenden Eingriff herangezogen (Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., S. 270 f). Denn bei der ASU handelte es sich sowohl grundsätzlich als auch angesichts des oben Gesagten in der Art der konkreten Vornahme um eine rechtmäßige Maßnahme, als deren unbeabsichtigte Nebenfolge sich der streitbefangene Schaden einstellte. Spezialgesetzliche Regelungen bestehen ebenso wenig wie vorrangige Rechtsbehelfe.

Soweit die Rechtsprechung zur Vermeidung einer allgemeinen Gefährdungshaftung der öffentlichen Hand einschränkend fordert, dass sich der eingetretene Schaden nicht nur als adäquate Folge des hoheitlichen Handelns* darzustellen hat, sondern als die Verwirklichung einer besonderen Gefahr, die in der Maßnahme selbst bereits angelegt ist (BGH NJW 87, 2574 m.w.N.) dürfte dieses eingrenzende Merkmal zu bejahen sein. Denn mit der Abgasuntersuchung sind nach dem unstreitig vorzunehmenden Prozedere hohe Motorbelastungen verbunden, die grundsätzlich geeignet sind, die Beschädigung eines in die Motorbewegung einbezogenen Bauteiles zu verursachen. Inwieweit dem im Hinblick darauf Bedenken entgegenstehen, dass der streitbefangene Schaden auch während der Fahrt mit hoher Drehzahl hätte eintreten können, bedarf keiner Vertiefung.

Denn dem Landgericht ist jedenfalls dahingehend zu folgen, dass ein dem Kläger abverlangtes "Sonderopfer", d.h. die Überschreitung des ihm enteignungsrechtlich Zumutbaren, verneint zu werden hat (dazu Ossenbühl, a.a.0, S. 276 f; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 372 f). Ein derartiges Sonderopfer mag mit der klägerseits in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Bremen (siehe oben) angenommen werden können, wenn der zur ASU vorgeführte Wagen sich in einem technisch einwandfreien Zustand befindet und sich bauartbedingt den drehzahlbedingten Anforderungen nicht gewachsen zeigt. In diesem Falle mag dem Fahrzeugeigentümer bei Absehen von einer Entschädigung eine Belastung aufgebürdet werden, die anderen Eigentümern nicht zugemutet wird.



Anderes hat allerdings jedenfalls dann zu gelten, soweit sich bei der Durchführung der ASU der Defekt eines Verschleißteiles auswirkt. Denn in diesem Falle realisiert sich eine in dem Fahrzeug bereits konkret angelegte Schadensursache, die durch die Prüfungsbelastung des Motors lediglich aktualisiert, nicht jedoch als solche hervorgerufen wird. Diese Bewertung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch dann aufrecht zu erhalten, wenn sich das Fahrzeug in einem ordnungsgemäßen Wartungszustand befindet und mit einem vorzeitigen Ausfall des Verschleißteiles nicht gerechnet werden muss. Wäre letzteres der Fall, müsste bereits der Rechtsgedanke des § 254 BGB herangezogen werden (Ossenbühl, a.a.O., S. 284). Wie sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur sog. Situationsgebundenheit von Grundeigentum aufzeigen lässt (BGHZ 87, 66 [71]), werden dem Eigentümer im Interesse der Allgemeinheit weitergehende Beeinträchtigungen abverlangt, soweit sich diese als Konkretisierung der dem Gegenstand bereits immanenten Einschränkungen darstellen - dies unabhängig von der Verschuldensfrage. Wohnt dem Gegenstand des Eigentums eine sich durch das hoheitliche Handeln lediglich konkretisierende Schadensanlage inne, kann es für das Herausarbeiten der Zumutbarkeitsgrenze gleichermaßen nicht vordergründig auf die Frage ankommen, ob die Schadensursache durch den Eigentümer im Vorfeld hätte erkannt und beseitigt werden können. Maßgeblich ist vielmehr der Aspekt einer Verlagerung des grundsätzlich von dem Eigentümer zu tragenden Schadensrisikos. Zu einer solchen besteht in der an Zumutbarkeitsgesichtspunkten orientierten Betrachtungsweise bei einer durch Verschleiß oder Defekt in dem Fahrzeug bereits angelegten Schadensursache keine Veranlassung.

Als unterlegene Partei hat der Kläger nach §§ 97 I, 101 I ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5413 II ZPO, 26 Ziff.7 EGZPO ist die Revision nicht zuzulassen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO.



* Quelle: eigene