© 1997 bis heute / KD Mainlaw - Rechtsanwalt Tronje Döhmer, Grünberger Straße 140 (Geb 606), 35394 Gießen Tel. 06445-92310-43 oder 0171-6205362 / Fax: 06445-92310-45 / eMail / Impressum |
Ä - A - B - C - D - E - F - G - H - I - J - K - L - M - N - Ö - O - P - Q - R - S - T - Ü - U - V - W - X - Y - Z |
- Stand: 19. September 2003 - Volltextsuche - Datenschutz - Sicherheit - News and more! - Suchmaschinen - Google (Test 2/2003 - gut - 2,1)
LG Berlin, Urteil vom 31.07.2001 - 55 S 369100 *
Tatbestand: Der Kl., der von der Bekl., einem Stromversorgungsunternehmen, im Zeitraum von 1992 bis zum 30.10.1999 Strom für
seinen Privathaushalt bezog, verlangt Rückzahlung von 30% der ihm jeweils in Rechnung gestellten Kosten. Er vertritt die
Auffassung, der Stromlieferungsvertrag mit der Bekl. halte einer Inhaltskontrolle gem. § 315 BGB nicht stand. Das AG hat die
Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.
Entscheidungsründe: Aus den Gründen: Dem Kl. steht gegen die Bekl. ein Anspruch auf Rückerstattung von 30% der ihm im
Zeitraum von 1992 bis zum 30.10.1999 in Rechnung gestellten Stromkosten in Höhe von insgesamt 6017,20 DM aus § 812 I 1 Alt.
1 BGB i. V. mit § 315 BGB zu, so dass die Bekl. unter Verrechnung mit einer ihrerseits noch offenen Forderung in Höhe von
969,60 DM zur Zahlung in Höhe von 5047,60 DM zu verurteilen war.
Entgegen der Auffassung des AG erfolgten die Zahlungen des Kl. im streitgegenständlichen Zeitraum ohne Rechtsgrund. Zwar
bestand zwischen den Parteien ein Versorgungsvertrag, auf Grund dessen die Bekl. den Privathaushalt des Kl. nach ihren
allgemeinen Tarifpreisen anzuschließen und mit elektrischer Energie zu versorgen hatte. Allerdings unterliegen nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, auch Tarife für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf die der
Vertragspartner angewiesen ist, einer Kontrolle gem. § 315 BGB (BGH, NJW-RR 1992,183 [185] = LM H. 5/1992 § 315 BGB Nr.
44). Dabei steht die Tatsache der behördlichen Genehmigung der Tarife durch die Senatsverwaltung der Anwendbarkeit des § 315
BGB nicht entgegen. Trotz einer derartigen Genehmigung unterliegen einseitige Leistungsbestimmungen der richterlichen
Inhaltskontrolle mit dem möglichen Ergebnis, dass der einseitig bestimmte und von der zuständigen Behörde gebilligte Preis die von
§ 315 BGB gesetzten Grenzen überschreitet (BGH, NJW-RR 1992, 183 = LM H. 5/1992 § 315 BGB Nr. 44; OLG Celle, NJW-RR
1993, 630; AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, NJW 199 8, 2540).
Die Bekl., der die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Stromtarife obliegt (BGHZ 41, 271 [279] = LM § 315 BGB Nr.
5; BGHZ 97, 212 [223] = LM § 315 BGB Nr. 38), hat nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie bei der Festlegung der
Strompreise die Schranken des § 315 I BGB eingehalten hat.
Ausgehend von der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 1992,183 [1841 = LM H. 5/1992 § 315 BGB Nr. 44) hat sich die
Preisbestimmung unter Beachtung des Prinzips, dass die Energieversorgung so preiswürdig wie möglich zu gestalten ist, an den
Kosten für- die Erzeugung und Weiterleitung der elektrischen Energie sowie an der Erzielung eines Gewinns zu orientieren, der in
angemessenem Umfang die Bildung von Rücklagen, die Vornahme von Investitionen und die Verzinsung des Eigen- und
Fremdkapitals erlaubt. Die Substantiierung der Billigkeit einer Preisbestimmung erfordert daher regelmäßig, dass der Stromlieferant
seine Preiskalkulation offen lege (BGH, NJW-RR 1992,183 [186] = LM H. 5/1992 § 315 BGB Nr. 44). Danach oblag der Bekl., im
Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihr durch die Belieferung
des Kl. mit elektrischer Energie entstanden waren, abzudecken waren; ferner, welchen Gewinn sie zur Bildung von Rücklagen, zur
Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des aufgenommenen Kapitals bzw. der Einlagen ihrer Aktionäre mit dem dem
Kl. berechneten Preis erzielen wollte (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 183 [1861 = LM H. 5/1992 § 315 BGB Nr. 44). Nur eine solche
Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen vermag zu verhindern, dass in den Strompreisen unzulässige Abgaben enthalten sind (vgl.
Schwintowski, BB 1996, 1673 [1674]). Diesen notwendigen Vortrag hat die Bekl. im vorliegenden Rechtsstreit unterlassen. Auf
Grund ihres Vorbringens konnte die Kammer nicht beurteilen, ob die Ermessensentscheidung der Bekl. bei der Bestimmung der
Strompreise der Billigkeit i. S. des § 315 I BGB entsprach.
Mit Schriftsätzen vom 10.04.2000 und 11.01.2001 hat die Bekl. lediglich vorgetragen, sie kalkuliere ihre Preise
betriebswirtschaftlich ordnungsgemäß auf der Grundlage von Kostenträgerrechnungen, deren Daten ordnungsgemäß ermittelt
worden seien. Diese Kostenträgerrechnungen würden entsprechend den Vorgaben des § 12 III 2 der Bundestarifordnung
Elektrizität (BT0Elt) erstellt. Sie habe jeweils auf der Grundlage ihrer Kostenträgerrechnungen und unter Darstellung der
unternehmerischen Hintergründe der Tariffestlegung die Genehmigung ihrer Tarife, auch der hier streitgegenständlichen
Haushaltstarife, beantragt. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft- und Technologie des Landes Berlin habe diese Tarife jeweils
genehmigt. Zusammen mit dem Schriftsatz vom 10.04.2000 hat die Bekl. eine umfangreiche Anlage bestehend aus den Anträgen auf
Genehmigung der Einführung eines neuen Tarifes, den dazugehörigen Antragsunterlagen und den jeweiligen Genehmigungen für
den streitgegenständlichen Zeitraum ohne nähere Erläuterung eingereicht.
Unabhängig davon, dass Anlagen den Vortrag nicht ersetzten und es insbesondere dem Gericht auch nicht zugemutet werden kann,
sich "das Passende" aus umfangreichen Anlagen selbst herauszusuchen (BVerfG, NJW 1994, 2683), lässt sich den Unterlagen eine
Billigkeit der beantragten und genehmigten Tarife auch nicht entnehmen. So weist z. B. die Kostenträgerrechnung 1990/1991
lediglich fünf Positionen betreffend die Kosten auf, die zudem gänzlich unerläutert sind und deshalb völlig offen lassen, worauf die
Rechenergebnisse beruhen. Aus den Unterlagen folgt insbesondere auch nicht, welche Maßnahmen unternommen wurden, um
preisgünstig zu produzieren bzw. welche Kostenauswirkungen die Widrigkeiten in Berlin, wie z. B. alte/neue Werke, hatten.
Entsprechendes gilt für die weiteren eingereichten Kostenträgerrechnungen. Für die Kammer ist nicht nachvollziehbar, wie die
Genehmigungsbehörde unter diesen Umständen von einer Billigkeit der Tarife ausgehen konnte. Eine ernsthafte Kontrolle im
Interesse auch des Verbrauchers ließ das Rechenwerk jedenfalls kaum zu. Soweit die Bekl. in der mündlichen Verhandlung
vorgetragen hat, dass die Mitarbeiter der Genehmigungsbehörde Fachleute seien, die die Angaben in den Kostenträgerrechnungen
ohne weitere Erläuterungen auf Grund ihrer Kenntnisse verstehen würden, mag dies zutreffend sein, entspricht indessen nicht den
Anforderungen an einen substantiierten Vortrag. Die Ausführungen in einem Rechtsstreit dürfen nicht nur für Experten
nachvollziehbar sein, sondern müssen sowohl vom Gericht als auch von der gegnerischen Partei jedenfalls dem Grunde nach
verstanden werden können. Insbesondere kann sich die Kl. auch nicht zum Beweis dafür, dass die Kostenträgerrechnungen nach
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ordnungsgemäß erstellt worden seien, und dass die Ansätze für kalkulatorische
Abschreibungen, Zinsen und Gewinne den Vorgaben der BT0Elt entsprächen und angemessen gewesen seien, auf ein
Sachverständigengutachten berufen. Dies würde mangels des erforderlichen substantiierten Vortrages einen unzulässigen
Ausforschungsbeweis darstellen.
Entgegen der Auffassung des AG muss die Bekl. ihre gesamten, der Tariffestsetzung zu Grunde liegenden Berechnungen auch nicht
deshalb nicht offen legen, weil die Tarife behördlich genehmigt worden sind. Zwar wird die Ansicht vertreten, dass das Vorliegen
einer behördlichen Genehmigung ein Indiz für die Ordnungsmäßigkeit des behördlichen Genehmigungsverfahrens und die Billigkeit
des genehmigten Tarifs sei (vgl. Ludwig/Odenthal-Hempel, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, Loseblatt Stand
Mai 2001, Bd. 1, § 30 AVBEltV Rdnr. 56). Ein Stromversorgungsunternehmen komme daher seiner Darlegungs- und Beweislast
für die Angemessenheit der Preisgestaltung schon durch Vorlage der nach § 12 a BT0Elt erforderlichen Unterlagen nach (OLG
Celle, NJW-RR 1993, 630). Denn es sei regelmäßig davon auszugehen, dass die für die Stromtarife zuständige genehmigende
Behörde ihre Kontrollfunktion als außenstehende und objektive Dritte den Vorgaben der Bundestarifordnung Elektrizität gemäß
ausübe (AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, NJW 1998, 2540). Vorliegend vermag die Kammer die erteilten Genehmigungen nach § 12
BT0Elt nicht als ein Indiz für die Billigkeit der Tarife anzusehen. Zum einen lassen sich den Genehmigungsunterlagen - wie
ausgeführt - die konkreten Berechnungsgrundlagen nicht entnehmen, so dass nicht ersichtlich ist, auf welcher Grundlage die
Genehmigung erteilt werden konnte und der Kl. letztlich keine Möglichkeit hat, sich mit den unerläuterten Kostenträgerrechnungen
auseinanderzusetzen, um so eine mögliche Indizwirkung zu widerlegen. Zum anderen handelte es sich in der vorliegenden
Konstellation bei der genehmigenden Behörde, der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie bzw. der Senatsverwaltung für
Wirtschaft und Betriebe, dem ersten Anschein nach nicht um eine außenstehende und objektive Dritte. Denn die Bekl. stand im
streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend mehrheitlich im Eigentum des Landes Berlin, so dass der Eigentümer sich selbst im
Rahmen der Genehmigung kontrollierte.
Nach alledem war der Vortrag der Bekl. nicht geeignet, einen rechtlichen Grund gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB für die Zahlung der
Preise darzulegen, also darzulegen, dass die Vorgaben des § 315 I BGB eingehalten worden sind. Da die Kammer auf der
Grundlage de* s Vorbringens der Bekl. - wie ausgeführt - die Billigkeit der Stromtarife nicht beurteilen konnte, war es ihr auch
nicht möglich, das billige Entgelt abweichend vom Vortrag des Kl. gem. § 315 III 2 BGB im Urteil zu bestimmen. Das hat zur
Folge, dass die Behauptung des Kl., 30% des Preises seien wegen fehlender Billigkeit ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, als
unstreitig anzusehen ist.
Der Bekl. war die beantragte Erklärungsfrist zu dem Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, dass es der
Rechtsansicht des Vorgerichts zu der Indizwirkung der Genehmigungsunterlagen voraussichtlich nicht folge, nicht zu gewähren.
Weder liegen die Voraussetzungen des § 278 III ZPO noch des § 283 ZPO vor. Der Kl. hat in seinen Schriftsätzen mehrfach gerügt,
dass der Vortrag der Bekl. nicht den Anforderungen an die ihr obliegende Darlegungsund Beweislast entspreche.
* Quelle: NJW-RR 2002, 992 f