LG Konstanz, 28.07.2004, 11 S 31/04, BGB, 156, 312b, d IV Nr. 5, 357, 823 I, 1004, eBay-Bewertungssystem, unwahre, Tatsachenbehauptung, negativer, Einfluss, Geschaefte, eBay-Handel , Widerruf - Unterlassung, Kaufvertraege, Fernabsatzvertraege, Versteigerungen, Belehrung , Widerrufsrecht, free, Giessen, Wetzlar, Marburg, Limburg, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Muenchen, Koeln, Leverkusen, Bochum, Dortmund, Essen, Dresden, Leipzig, Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Daenemark, Irland, Grossbritannien, Nordirland, Griechenland, Portugal, Spanien, Finnland, Oesterreich, Schweden, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakien, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern
BGB §§ 156, 312b, d IV Nr. 5, 357, 823 I, 1004

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LG Konstanz, Urteil v. 28.07.2004 - 11 S 31/04 *

Tatbestand: Der Kl. macht gegen die Bekl. einen Zahlungsanspruch nach Rückabwicklung eines Kaufvertrages sowie Widerruf und Unterlassung einer Äußerung geltend. Der Kl. schloss mit der Bekl. am 28. 7. 2003 einen Kaufvertrag über eine B & 0 Beosystem 2300 Stereoanlage. Der Kaufvertrag kam über den Marktplatz eBay bei einer Internetauktion zu Stande. Der Kaufpreis betrug 1525 Euro inkl. Versandkosten. Der Kl. nahm an der Internetauktion unter dem Namen "v", die Bekl. unter dem Namen "x" teil. Die Bekl. nutzt nunmehr den Namen "h". Die Bekl. betreibt in M. unter der Firma "A" einen Warenhandel und nimmt als sog. "Powerseller" an Internetauktionen über eBay teil. "Powerseller" sind nach den von eBay aufgestellten Kriterien nur solche Verkäufer, die auf dem Marktplatz eBay in den vergangenen drei Monaten jeweils mindestens ein durchschnittliches Handelsvolumen in Höhe von 3000 Euro erreicht haben. Die streitgegenständliche Stereoanlage traf in der ersten Augustwoche 2003 beim Kl. ein, der sich sogleich per E-Mail an die Bekl. wandte und Beschädigungen an der Stereoanlage mitteilte. Es handelte sich bei den festgestellten Beschädigungen um einen Bruch der Glasabdeckung sowie um eine Beschädigung an der Verkleidung der Lautsprecherboxen. Die eingeschaltete Transportversicherung der Deutschen Post lehnte eine Schadensregulierung unter Hinweis auf unzureichende Verpackung ab. Der Kl., bei dem sich die Stereoanlage nach wie vor befindet, widerrief mit Schreiben vom 2. 9. 2003 gegenüber der Bekl. den Kaufvertrag und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises bis 19. 9. 2003. Die Auktionsplattform eBay gibt ihren Nutzern gem. § 6 Nr. 2 ihrer AGB die Möglichkeit, sich nach Durchführung einer Transaktion gegenseitig zu bewerten. Der Kl. schrieb am 19. 8. 2003 eine Beschwerde im Bewertungsprofil für "h": "Totalschaden w. und zur. Verpackung/Transp. Vers. lehnt Reg. ab. Rechtsanwalt einges.". Die Bekl. antwortete: "Echter Unfug. ... Wohl eine große Kunst" mit mir nicht zufrieden zu sein". Die Bekl. bewertete außerdem den Kl. im Bewertungsprofil für "v" am 8. 9. 2003 mit der Beschwerde: "Hat wegen Kaufreue Transportschaden vorgetaeuscht. AUFPASSEN!!!" und ergänzte: "Meine Bew. stimmt völlig, gebe gern Auskunft, alles so zutreffend." Die Bekl. wurde mit Schreiben vom 17. 09. 2003 aufgefordert, die Äußerungen zu widerrufen und in Zukunft zu unterlassen. Eine Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie ein Widerruf der beanstandeten Äußerungen ist nicht erfolgt. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat die Berufung der Bekl. hinsichtlich des Widerrufs- und Unterlassungsanspruchs überwiegend und hinsichtlich des Anspruchs auf Rückabwicklung des Kaufvertrags - insoweit unter Zulassung der Revision - in vollem Umfang zurückgewiesen.



Entscheidungsgründe: Soweit das AG die Bekl. verurteilt hat, die Antwort im eBay-Bewertungsprofil für "h" vom 19. 8. 2003 17.40 Uhr zu widerrufen, beruht das erstinstanzliche Urteil auf einem Rechtsfehler (§§ 513 I 1 Alt. 1, 546 ZPO). Insoweit war das amtsgerichtliche Urteil daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Im Übrigen beruht die erstinstanzliche Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Somit war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

1. Ein Anspruch des Kl. auf Widerruf der Antwort im eBay-Bewertungsprofil für "h" vom 19. 8. 2003 besteht nicht. Der Kl. schrieb am 19. 8. 2003 eine Beschwerde im genannten Bewertungsprofil mit dem Inhalt, dass der Totalschaden wegen unzureichender Verpackung entstanden sei, die Transportversicherung eine Regulierung abgelehnt habe und ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden sei. Darauf antwortete die Bekl.: "Echter Unfug ... wohl eine große Kunst, mit mir nicht zufrieden zu sein." Bei der angegriffenen Äußerung handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, die dem Beweis zugänglich wäre, sondern um eine Meinungsäußerung. Daher kommt ein Widerruf nicht in Betracht.

2. Zu Recht hat das AG entschieden, dass der Kl. einen Anspruch auf Widerruf und zukünftige Unterlassung der im Bewertungsprofil für "v" vom 8. 9. 2003, 23.05 Uhr abgegebenen Erklärungen nach den §§ 823 1, 1004 BGB analog hat. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil, denen sich das BerGer. nach eigener Prüfung anschließt, verwiesen werden. Soweit die Bekl. erklärt hat, der Kl. habe aus Kaufreue einen Transportschaden vorgetäuscht, liegt eine Tatsachenbehauptung vor, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kl. in seiner Ausprägung im Rahmen der Individualsphäre verletzt.

Das AG ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass diese Verletzung widerrechtlich erfolgt ist. Dabei hat es eine ausreichende Würdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und eine Güter- und Interessenabwägung vorgenommen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 823 Rdnr. 95). Auch insoweitkann daher auf die Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil verwiesen werden. Von Relevanz ist dabei insbesondere die vom AG ausgeführte Tatsache, dass entsprechende Bewertungen geeignet sind, negativen Einfluss auf weitere Geschäfte über "eBay" zu nehmen. Das AG ist bei seiner Entscheidung auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Äußerung der Bekl. als unwahr zu behandeln ist. Die Bekl. hat im Schreiben vom 20. 8. 2003, also vor der streitgegenständlichen Bewertung, dem Prozessbevollmächtigten des Kl. gegenüber erklärt, dass es sich unter beidseitigem Einvernehmen um einen Transportschaden handelte. Dem entsprach auch die der Bekl. bekannte Niederschrift der Postfiliale Konstanz, die ebenfalls einen Transportschaden festhielt. Im Hinblick darauf traf die Bekl. als Äußernde einer ehrenrührigen Tatsachenbehauptung, deren Wahrheit zum Zeitpunkt der Äußerung ungewiss war, eine erweiterte Darlegungslast, auf Grund welcher tatsächlichen Erkenntnisse und Grundlagen sie ihre Äußerungen getätigt hat (vgl. Palandt/Sprau, § 823 Rdnr. 101). Da sie dieser Darlegungslast nicht nachgekommen ist, sondern ihre Behauptung offenbar "ins Blaue hinein" aufgestellt hat, hat sie den Sachvortrag des Kl., dass es sich hierbei um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelte, nicht ausreichend bestritten. Ihre Behauptung ist daher als unwahr zu behandeln. Der Kl. hat somit einen Anspruch auf Widerruf der Bewertung und im Hinblick auf die durch die Rechtsgutverletzung indizierte Wiederholungsgefahr zudem einen Anspruch auf Unterlassung entsprechender Äußerungen in der Zukunft. 3. Das AG hat zu Recht entschieden, dass dem Kl. ein Anspruch gegen die Bekl. auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache nach den §§ 346 1, 357 1, 355 1, 312 d I 1, 348 BGB zusteht. Auch insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der amtsgerichtlichen Entscheidung, denen sich das BerGer. nach eigener Prüfung anschließt, verwiesen werden.



Der Kl. hat den vorliegenden Kaufvertrag, der unter die Regelung des § 312 b 1 und II BGB über Fernabsatzverträge fällt, wirksam nach den §§ 312 d I, 355 I BGB widerrufen. Das Widerrufsrecht war nicht nach § 312 d IV Nr. 5 BGB ausgeschlossen. Der vorliegende Kaufvertrag wurde nicht in Form einer Versteigerung nach § 156 BGB geschlossen. Vielmehr kam der Kaufvertrag durch Angebot und Annahme zu Stande, wobei offen bleiben kann, ob die Willenserklärung der Bekl. als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Kl. als dessen Annahme zu qualifizieren ist oder ob die Willenserklärung der Bekl. eine vorweg erklärte Annahme des vom Kl. abgegebenen Höchstgebots darstellte. Mangels Zuschlags scheidet jedenfalls ein Vertragsschluss nach § 156 BGB aus (vgl. AG Kehl, NJW-RR 2003,1060; LG Hof, Urt. v. 26. 4. 2002 - 22 S 10/02; a. A. wohl Wendeborst, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 312 d Rdnr. 46).

Der Zeitablauf allein stellt keinen Zuschlag i. S. von § 156 BGB dar. Vielmehr handelt es sich dabei nur um den Ablauf einer Annahmefrist i.S. von § 148 BGB. Ein Zuschlag i.S. von § 156 BGB würde ein willentliches Handeln durch einen Auktionator voraussetzen. Ein solches liegt bei der vorliegend zu entscheidenden Konstellation nicht vor. eBay stellt lediglich die Plattform zur Verfügung, die zu einem entsprechenden Vertragsschluss führen kann, will aber gerade nicht in den Vertragsschluss zwischen den Parteien eingreifen (vgl. § 9 der AGB von eBay).

Auch eine analoge Anwendung des § 312 d IV Nr. 5 BGB kommt nicht in Betracht. Inwiefern die Einschränkung einer verbraucherschützenden Regelung durch die analoge Anwendung einer Ausnahmevorschrift überhaupt möglich ist, kann offen bleiben, da sich eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie nicht feststellen lässt. In der Drucksache 14/3195 des Deutschen Bundestags wird ausdrücklich auf den Zuschlag und dessen Endgültigkeit als entscheidendes Wesensmerkmal einer Versteigerung abgestellt. Im Übrigen ist der Grund für die Einschränkung des Verbraucherschutzes nicht, dass bei einer Versteigerung keine Schutzbedürftigkeit der Verbraucher besteht, sondern dass echte Versteigerungen aus wirtschaftlichen Gründen nicht behindert werden sollen. eBay hat sich aber gerade durch die gewählte Konstruktion der vertraglichen Beziehungen gegen ein echtes Versteigerungsmodell entschieden. Im Ergebnis bestehen daher keine Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke.

Zudem bestehen auch nicht unerhebliche Unterschiede zu einer echten Versteigerung, die eine analoge Anwendung ebenfalls ausschließen. Bei Versteigerungen i. S. des § 156 BGB wird der Zuschlag in der Regel kurz nach dem höchsten Gebot erteilt. Bei eBay hingegen ist der Zeitablauf entscheidend. Ein Überbieten ist danach nicht mehr möglich. Selbst wenn andere Bieter noch ein höheres Gebot abgeben wollten, wäre dies nicht mehr möglich. Bei einer Versteigerung i. S. des § 156 BGB wartet der Auktionator hingegen solange, bis kein höheres Gebot mehr eingeht, um somit das möglichst beste Ergebnis zu erzielen. Eine Versteigerung i. S. des § 156 BGB ist daher gerade dadurch gekennzeichnet, dass es in der Regel kein zeitliches Limit gibt, an welches der Zuschlag geknüpft wird.



* Quelle: NJW-RR 2004, 1635 ff