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LG Gießen, Urteil v. 4.7 2001 - 1 S 357/00 *
Nach einem Verkehrsunfall, bei dem der Pkw des Geschädigten total beschädigt wurde, wurde der beklagte Sachverständige von
dem Geschädigten beauftragt, den Restwert des Pkw zu ermitteln. Der Bekl. ermittelte einen Restwert von 1.750 DM, den der Bekl.
nach seinen Angaben durch Nachfrage bei zwei örtlichen Händlern und einem örtlichen Restwertaufkäufer erfragt hatte. Die
Unfallgegnerin des Versicherungsnehmers der Kl. veräußerte ihren beschädigten Pkw zu diesem Preis, woraufhin die Kl. die
Regulierung auf dieser Basis vornahm. Die Kammer bejahte abweichend von dem AG einen Schadensersatzanspruch der Kl. gegen
den Bekl. wegen von ihm angenommener Verletzung einer Sorgfaltspflicht des Bekl. bei der Ermittlung des Restwertes.
Aus den Gründen:"...Entgegen der von dem AG vertretenen Rechtsauffassung kann die Kl. von dem Bekl. wegen Außerachtlassung
der einem Sachverständigen obliegenden Sorgfalt Schadensersatz beanspruchen, jedoch nur in Höhe von 3.750 DM. Dies ergibt sich
aus folgenden Überlegungen:
Der Anspruch der Kl. auf Ersatz der Differenz zwischen dem anzunehmenden Restwert des begutachteten Unfallwagens in Höhe
von 5.500 DM und dem von dem Bekl. in seinem Gutachten angegebenen Restwert von 1.750 DM folgt aus positiver
Vertragsverletzung eines Werkvertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
Zwar bestehen zwischen den Parteien keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen. Die Kl. ist aber in den Schutzbereich des von
der Geschädigten erteilten Gutachterauftrages einbezogen worden. Dritte werden dann in den Schutzbereich eines Vertrages
einbezogen, wenn sie sich, für den Schuldner erkennbar, in Leistungsnähe eines schutzpflichtigen Gläubigers befinden (vgl.
Palandt/Heinrichs, 60. Aufl., § 328 BGB, Rn. 17/18 m. w. N.). Der zum Zwecke der Regulierung eines Schadens mit dem Bekl.
geschlossene Gutachtervertrag entfaltet in diesem Sinne Schutzwirkung zugunsten der regulierungspflichtigen
Haftpflichtversicherung (vgl. OLG München r + s 1990, 273 [2741, LG Stuttgart zfs 1992, 51). Die Kl. steht als
Haftpflichtversicherung in dem für eine vertragliche Haftung des Bekl. erforderlichen Näheverhältnis zu der von ihm zu
erbringenden Gutachterleistung. Sie mußte ihre Schadensabwicklung an dem von der Geschädigten vorgelegten Privatgutachten
orientieren, so daß der Bekl. für die Höhe der Leistungspflicht der Kl. Verantwortung trug. Das war dem Bekl. auch bekannt. Wer
als Kraftfahrzeugsachverständiger von dem Geschädigten mit der Bewertung eines unfallgeschädigten Fahrzeugs beauftragt wird,
weiß, daß dieses Gutachten zur Vorlage bei der gegnerischen Versicherung bestimmt ist und daß dieser aufgrund einer nicht
sorgfältigen Begutachtung bei der Abwicklung des Versicherungsfalls Vermögensschäden entstehen können.
Der Bekl. hat seine ihm aus dem Gutachtervertrag obliegenden Pflichten auch schuldhaft verletzt. Er hat einen im
Begutachtungszeitpunkt nicht der Marktlage entsprechenden Restwert angesetzt. Sollte der Bekl., wie die Kl. behauptet, keine
Restwertangebote eingeholt haben, ist schon dadurch eine Pflichtverletzung begründet. Hat der Bekl. aber, entsprechend seinem
Vortrag, dem Gutachten drei Restwertangebote, nämlich das eines Autohauses in G, das eines Autohauses in P sowie das eines
Restwertaufkäufers in H zugrunde gelegt, was allerdings in seinem Gutachten nicht kenntlich gemacht worden ist, liegt seine
Pflichtverletzung darin, daß er Angebote nur bei drei in unmittelbarer Nähe befindlichen Autoaufkäufern erfragt sowie unreflektiert
deren unangemessen niedrige Werte übernommen und nicht der Marktlage entsprechende Werte erforscht hat (vgl. OLG München r
+ s 1990, 273 [274]). Ein Sachverständiger, muß zur Bestimmung des Restwerts eines Unfallwagens aber auf den regionalen Markt
unter Einbeziehung der dort tätigen professionellen Restwertaufkäufer abstellen. Der Bekl. hätte unter Berücksichtigung der für das
geschädigte Fahrzeug bestehenden Marktlage und des Fahrzeugzustandes erkennen können und müssen, daß tatsächlich ein höherer
als der von ihm angegebene Restwert hätte erzielt werden können. Bei den Restwertangeboten von angeblich 1.200 DM, 1.250 DM
und 1.500 DM hätte sich dem Bekl. der Eindruck aufdrängen müssen, daß diese Preise für einen erst vier Jahre alten und auf dem
Markt gesuchten VW Golf III viel zu niedrig sind. Das gilt auch im Hinblick auf die Laufleistung von etwa 138.000 km und die
Unfallschäden. Es ist zwar auch zu berücksichtigen, daß sich ein Geschädigter nach der Rechtsprechung des BGH in aller Regel
nicht auf Angebote von spezialisierten räumlich entfernten Restwertaufkäufern einlassen muß (BGH NJW 1992, 903 [904]; NJW
1993, 1849 [1850/1851], NJW 2000, 800 [80]). Eine regionale Beschränkung ist mithin notwendig, weil keinem Geschädigten
zumutbar ist, sein Fahrzeug auf weite Distanz zu verkaufen. Diese Prämisse gilt auch für den Sachverständigen und die von ihm zu
verlangende Untersuchung der Marktverhältnisse. Der Sachverständige muß folglich die regional zu erzielenden Preise auch bei
Restwertaufkäufern ermitteln. Dem Bekl. war der Markt von Restwertaufkäufern auch zugänglich. Das wird bereits dadurch
deutlich, daß er nach seiner Behauptung ein Gebot eines Restwertaufkäufers erfragt haben will. Da nach den vorstehenden
Erwägungen aus der sog. Auto-Online- Produktbörse ohnehin nur regionale Anbieter abzufragen gewesen wären, kann dahingestellt
bleiben, ob der Bekl. dort hätte angeschlossen sein müssen und unter Veröffentlichung des Gutachtens möglicherweise überregional
höhere, unter Umständen aber doch nur als unverbindlich anzusehende Restwertangebote von Restwertaufkäufern hätte anfordern müssen.
Der Kl. ist durch das Verhalten des Bekl. ein Schaden in Höhe von 3.750 DM entstanden, weil sie verpflichtet war, die Regulierung
auf der Grundlage des als viel zu gering geschätzten Restwerts von 1.750 DM vorzunehmen. Der Restwert betrug indessen 5.500
DM. Dieser Betrag fußt auf den Feststellungen des von der Kammer beauftragten Sachverständigen (§ 287 ZPO). Soweit dieser die
Angebote von VAG-Vertragshändlern in seine Begutachtung einfließen ließ, waren diese aber zu vernachlässigen. Entscheidend ist,
daß heimische Restwertaufkäufer im Durchschnitt 5.500 DM für den Unfallwagen gezahlt hätten. Die dagegen erhobenen Einwände
des Bekl. lassen außer acht, daß es sich um ein marktgängiges Fahrzeug gehandelt hat, das unter Verwendung von Gebrauchtteilen
in Billiglohnländern wieder verkehrssicher aufgebaut werden könnte, so daß die von regionalen Restwertaufkäufern genannten
Angebote realistisch erscheinen..."
* Quelle: ZfS 2001, 496 f