BGB § 162, BeamtVG § 61

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Hess. VGH, Urteil vom 21. Februar 2001 - 2 UE 855/00

Tatbestand: Der aufgrund rechtskräftigen Urteils vom 31. Januar 1995 gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Kläger begehrt Witwergeld (§ 28 BeamtVG) nach seiner am 1. Juni 1993 von ihm selbst getöteten Ehefrau, die als Beamtin auf Lebenszeit im Schuldienst des Beklagten gestanden hatte. Wegen eines Anspruchs seiner Tochter, der Beigeladenen, in Höhe von rund 100.000,00 DM (Hauptforderung) aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Gießen - 2 0 323/93 - vom 4. November 1993 ist der angebliche Anspruch des Klägers auf Witwerversorgung durch einen der zuständigen Behörde am 6. März 1995 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Gießen - 41 M 862/95 - gepfändet und der Beigeladenen zur Einziehung überwiesen.

Mit Schreiben an die Pensionsregelungsbehörde vom 17. Februar 1994 machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erstmals geltend, dieser habe nach dem Tod seiner Ehefrau Anspruch auf eine bisher nicht ausgezahlte Witwerpension. In einem Bericht an das Hessische Ministerium des Innern vom 11. August 1994 vertrat das Regierungspräsidium in Kassel insoweit die Ansicht, dem Kläger stehe gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeamtVG ungekürztes Witwergeld zunächst noch bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen ihn durchgeführten Strafverfahrens zu; eine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen nach § 103 HBG scheide aus, da der Kläger sowohl Dritter als auch Hinterbliebener im Sinne dieser Vorschrift sei. Demgegenüber stellte sich das Hessische Ministerium des Innern am 9. September 1994 auf den Standpunkt, dass dem Kläger aufgrund des eigenen Geständnisses, seine Ehefrau getötet zu haben, eine beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung wegen Verletzung allgemeiner Rechtsprinzipien ab sofort zu versagen sei. Die Rechtskraft eines Strafurteils brauche hier nicht abgewartet zu werden, weil ein Fall des § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr.4 BeamtVG nicht vorliege. Der Grundsatz von Treu und Glauben als Grenze eines Leistungsanspruchs sei auch im öffentlichen Recht zu berücksichtigen. Ausfluss dieses Rechtsgedankens sei § 162 Abs. 2 BGB, wonach sich derjenige nicht auf den Eintritt einer Bedingung berufen könne, der den Eintritt dieser Bedingung wider Treu und Glauben herbeigeführt habe. Dieser Rechtsgedanke gelte auch im Beamtenversorgungsrecht. Dieses wolle die Hinterbliebenen eines Beamten finanziell gegenüber den schicksalhaften Risiken des Todes des unterhaltspflichtigen Beamten absichern. Töte dagegen der, "Hinterbliebene" den Versorgungsurheber (in strafrechtlich relevanter Weise), so verwirke er den Schutz des Versorgungsrechts; er sei unwürdig, eine Hinterbliebenenversorgung zu erhalten, weil seine Tat erst den Hinterbliebenenfall herbeigeführt habe.

Durch Bescheid vom 11. Oktober 1994 lehnte daraufhin das Regierungspräsidium Kassel die Gewährung von Witwergeld mit vorstehender Begründung ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies es durch Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 1996 mit im Wesentlichen gleichlautenden Erwägungen zur Verwirkung des Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung als unbegründet zurück.

Am 8. Februar 1996 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Gießen Klage erhoben. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. November 1995 - L-2/An-80/95 - hat er ausgeführt, dem Beklagten stehe im Hinblick auf das streitige Witwergeld ein Leistungsverweigerungsrecht nicht zu; die dort für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 54 Abs. 1 Satz 2 AVG, jetzt § 105 SGB VI) entwickelten Grundsätze müssten nämlich im Beamtenversorgungsrecht entsprechend angewendet werden. Auch er habe seinerzeit wie die Klägerin jenes sozialgerichtlichen Verfahrens im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) gehandelt; mangels vorsätzlicher Herbeiführung des Todes seiner Ehefrau komme deshalb ein Ausschluss seines gesetzlichen Anspruchs auf das Witwergeld nicht in Betracht.



Der Kläger hat sinngemäß beantragt, den Bescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 11. Oktober 1994 und den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 30. Januar 1996 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihm, dem Kläger, Witwergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Beklagte hat die von ihm erlassenen Bescheide verteidigt und beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Durch am 18. März 1999 beratenes Urteil, das den Beteiligten am 31. März bzw. 7. April 1999 zugestellt worden ist, hat das Verwaltungsgericht dem Klageantrag entsprochen Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem nach den gesetzlichen Vorschriften bestehenden Anspruch des Klägers auf Witwergeld stehe keiner der in § 61 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG enumerativ aufgeführten Erlöschenstatbestände entgegen. Insbesondere sei der Kläger nicht im Sinne der Nr.4 dieser Vorschrift zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, sondern das Strafgericht habe mit der Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach den §§ 61 Nr.1, 63 StGB angeordnet. Die durch eine abschließende Regelung gekennzeichnete Rechtslage lasse einen Rückgriff auf allgemeine Rechtsprinzipien, die sich als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben darstellten, nicht zu. Aber selbst wenn dies mit dem Beklagten als zulässig erachtet werde, führe dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Dem Kläger könne nämlich, da er im Zeitpunkt der Tötung seiner Ehefrau nicht in der Lage gewesen sei, sein Handeln zu steuern und zu kontrollieren, rechtsmissbräuchliches Handeln im Sinne des § 242 BGB bzw. unzulässige Rechtsausübung nicht vorgeworfen werden; denn er leide nach dem Inhalt des psychiatrischen Gutachtens vom 20. Dezember 1993 an einem organisch bedingten Persönlichkeitssyndrom, welches dem Gesetzesmerkmal der, krankhaften seelischen Störung" im Sinne des § 20 StGB zuzuordnen sei. Müsse jedoch von der Schuldunfähigkeit des Klägers ausgegangen werden, so könne rechtsmissbräuchliches Handeln im Sinne des § 242 BGB nicht angenommen werden.



Auf den am 29. April 1999 eingegangenen Antrag des Beklagten hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 7. März 2000 - 1 UZ 1483/99 die Berufung gegen dieses Urteil im Hinblick auf besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr.2 VwGO) zugelassen.

Mit am 22 März 2000 bei dem Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 18. März 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass neben der von ihm als abschließend erachteten Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr.4 BeamtVG ein Rückgriff auf die Grundsätze von Treu und Glauben nicht in Betracht komme. Als allgemeiner - auch im öffentlichen Recht geltender - Rechtsgrundsatz sei das Prinzip von Treu und Glauben an den geltenden Anforderungen der Gerechtigkeit orientiert; es besage, dass niemand das Vertrauen, welches die unerlässliche Grundlage aller menschlichen Beziehungen bilde; enttäuschen oder missbrauchen dürfe. In Anwendung dieses den einzelnen Rechtsvorschriften übergeordneten Prinzips könne sich der Kläger, der durch Tötung seiner Ehefrau den Versorgungsfallselbst herbeigeführt habe, auf den Eintritt dieser Voraussetzung für die Gewährung von Witwergeld nicht berufen. In einem derartigen Fall müsse nämlich § 162 Abs. 2 BGB entsprechend angewendet werden. Das Handeln des Klägers erweise sich dadurch, dass er seine Ehefrau vorsätzlich getötet habe, als jedenfalls mit Blick auf seine Versorgung als Hinterbliebener grob rechtsmissbräuchlich. Das beanspruchte Witwergeld könne ihm deshalb rechtens nicht zustehen, woran auch die Regelung des § 61 Abs. 1 BeamtVG nichts ändere. Bei der Formulierung dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber ersichtlich nicht den Fall vor Augen gehabt, dass der Hinterbliebene den Versorgungsfall selbst widerrechtlich herbeiführe; er habe diesen Fall auch nicht, wie sich am Beispiel der Verwirkung zeige, regeln müssen, weil sich in einem derartigen Fall der Leistungsausschluss bereits aus den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben ergebe. Ferner habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht entschieden, dass der bei dem Kläger eingreifende Schuldausschließungsgrund (§ 20 StGB) auch der Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegenstehe. Der Verschuldensbegriff sei im Strafrecht ein anderer als im öffentlichen Recht, wo die selben Maßstäbe wie im Zivilrecht zur Anwendung kommen müssten. Dort aber komme es hinsichtlich des Verschuldenselements der Zurechnungsfähigkeit unter Berücksichtigung der gemäß § 276 Abs. 1 Satz 3 BGB anzuwendenden §§ 827 und 828 BGB - anders als im Strafrecht - allein auf die Einsichtsfähigkeit an; nicht erforderlich sei dagegen, dass der Betroffene sein Verhalten auch entsprechend seiner Einsicht steuern könne. Ebenso wenig erforderlich sei das Vorliegen einer Absicht des Hinterbliebenen, durch die Tötung des Versorgungsurhebers in den Genuss einer Hinterbliebenenversorgung zu gelangen. Nach den im Urteil des Landgerichts Gießen vorn 31. Januar 1995 wiedergegebenen Feststellungen des psychiatrischen Sachverständigen sei aufgrund der krankhaften seelischen Störung des Klägers dessen Einsichtsfähigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt, der Kläger allerdings nicht mehr in der Lage gewesen, nach dieser nicht wesentlich verminderten Einsicht zu handeln. Danach habe der Kläger sehr wohl zwischen einem von der Rechtsordnung gebilligten und einem missbilligten Verhalten unterscheiden können, wenn auch seine Steuerungsfähigkeit nicht gegeben gewesen sei. Damit erfülle er aber den Verschuldensvorwurf, wie ihn das öffentliche Recht kenne, so dass, ihm sehr wohl ein Rechtsmissbrauch bei der Auslösung des Versorgungsfalls vorgeworfen werden könne. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass ,,Rechtsmissbrauch" letztlich ein der materiellen Gerechtigkeit verpflichteter Begriff sei, der rein objektiv - unabhängig von subjektiven Elementen und Vorstellungen - betrachtet werden müsse.

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil mit näheren Ausführungen und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beigeladene tritt, ohne einen Antrag zu stellen, den Ausführungen des Beklagten entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der bei Gericht eingereichten Schriftsätze sowie der folgenden Beiakten verwiesen, die zum Gegenstand der Beratung gemacht worden sind: ...

Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung des Beklagten, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist in der Sache nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der auf Gewährung von Witwergeld (in der sich aus § 20 BeamtVG ergebenden Höhe) gerichteten Klage zu Recht stattgegeben.

Gemäß § 28 i.V.m. dem entsprechend geltenden § 19 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erhält der Witwer einer Beamtin auf Lebenszeit Witwergeld. Dies gilt nur in den Fällen nicht, die in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BeamtVG ausdrücklich aufgeführt sind; zu den dort geregelten Fallgestaltungen gehört nicht die Tötung des Versorgungsurhebers durch seinen eigenen Ehepartner. Die weiteren Vorschriften des die Hinterbliebenenversorgung betreffenden III. Abschnitts des Gesetzes enthalten ebenfalls keine Bestimmung, durch die der Anspruch auf Witwergeld in derartigen Fällen ausgeschlossen wäre; insbesondere ist dort nicht - wie aber in § 105 SGB VI hinsichtlich des Anspruchs auf Rente wegen Todes - geregelt, dass der Anspruch nicht für die Personen besteht, die den Tod vorsätzlich herbeigeführt haben (vgl. hierzu das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. November 1995 - L - 2/An - 80/95-).

Eine den gesetzlichen Anspruch des Klägers auf Witwergeld vernichtende Regelung enthalten auch die Gemeinsamen Vorschriften des VII. Abschnitts nicht. Zwar erlischt gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr.4 BeamtVG dieser Anspruch für jeden Berechtigten, der durch ein deutsches Gericht im Geltungsbereich dieses Gesetzes im ordentlichen Strafverfahren u.a. wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist mit der Rechtskraft des Urteils. Die Voraussetzungen dieses Erlöschenstatbestandes (vgl. hierzu im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1997 - 2 C 39.96-, Buchholz 239.1 § 61 BeamtVG Nr.6 = ZBR 1997, 323 ff.) sind aber im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Kläger ist nämlich durch Urteil des Landgerichts Gießen vom 31. Januar 1995 - 5 Ks 8 Js 11556.7/93 - wegen der Tötung seiner Ehefrau (sowie seiner Mutter und Schwiegermutter) gerade nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, vielmehr ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet worden. Von der Nichtanwendbarkeit des § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr.4 BeamtVG im Falle des Klägers geht - insoweit in zutreffender Einschätzung der Rechtslage - deshalb auch der Beklagte selbst aus.



Bei der hier gegebenen Ausgangslage, die durch die Schuldunfähigkeit des Klägers wegen einer krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB, nämlich durch seine Unfähigkeit gekennzeichnet ist, nach seiner - nicht wesentlich beeinträchtigten Einsicht in das Unrecht der Taten zu handeln (mangelnde Steuerungsfähigkeit), kommt nach dem geltenden Beamtenversorgungsrecht eine Versagung des begehrten Witwergeldes nicht in Betracht. Dies folgt aus dem abschließenden Charakter der in den §§ 19 Abs. 1 Satz 2 und 61 Abs. 1 BeamtVG getroffenen Regelungen, deren Anwendungsbereich als anspruchsvernichtende Normen nicht unter Rückgriff auf allgemeine Verwirkungsgesichtspunkte zu Lasten des Berechtigten ausgedehnt werden darf. Insoweit nimmt der erkennende Senat Bezug auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung (§ 130b Satz 2 VwGO).

Dass weder die Verwaltungsbehörden noch die Gerichte befugt sind, entsprechend der sich letztlich nur auf den Grundsatz von Treu und Glauben stützenden Rechtsauffassung des Beklagten eine von der gesetzlichen Gewährung der Hinterbliebenenversorgung zum Nachteil der Berechtigten abweichende Regelung zutreffen, ergibt sich darüber hinaus aus dem verfassungsrechtlich verankerten, nämlich zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG gehörenden Grundsatz der strikten Gesetzesbindung der Regelung von Besoldung und Versorgung. Dieser Grundsatz, wonach neben der Besoldung auch die Versorgung der Beamten sowie ihrer Hinterbliebenen unmittelbar und ausschließlich der Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers vorbehalten und von ihm abstrakt-generell durch Gesetz zu regeln ist, hat seine einfach-rechtliche Konkretisierung in den § 2 BBesG und § 3 BeamtVG gefunden. Die dem Gesetzgeber danach obliegende, im Beamtenbesoldungs- und -versorgungsrecht besonders eingehend und grundsätzlich abschließend wahrgenommene Entscheidung darf weder durch Rechtsverordnung, Satzung, Verwaltungsakt öffentlich-rechtlichen Vertrag noch durch private Absprachen abgeändert oder ersetzt werden (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 19. Juni 1996 - 1 UE 1395/93-, HessVGRspr. 1997, 41 ff.). Dies gilt ebenso zu Lasten wie zu Gunsten des Beamten bzw. seiner Hinterbliebenen. Die ausdrücklichen gesetzlichen Verbote des Verzichts auf die gesetzlich zustehende Besoldung und Versorgung einerseits und ihrer Erhöhung durch Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche andererseits (§ 2 Abs. 2 und 3 BBesG, § 3 Abs. 2 und 3 BeamtVG) sind besonders hervorgehobene Ausprägungen dieses Grundsatzes (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. November1992 - 2 C 11.92-, DVBI. 1993, 558 f., und vom 20. Juni 1996 - 2 C 5.96 - sowie BVerfG, Beschluss vom 16. November 1993 - 2 BvR 1587/92-). Nach einhelliger Auffassung (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 TE 1317/92-, ZBR 1993, 271 f. m.w.N.) bedeutet der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes in § 2 Abs. 1 BBesG bzw. § 3 Abs. 1 BeamtVG auch, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 92 Abs. 1 Satz 1 HBG) und der Gleichheitssatz des Art. 3 GG/Art. 1 HV keine "Gesetze" im Sinne der genannten Vorschriften sind und damit keine selbständige Rechtsgrundlage für die Zahlung von Besoldung bzw. Versorgung darstellen.



Auch der Grundsatz von Treu und Glauben, der in § 162 Abs. 2 BGB eine nähere Konkretisierung erfahren hat, ist kein "Gesetz" im Sinne der vorgenannten Vorschriften und stellt deshalb keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Versagung eines nach dem Beamtenversorgungsgesetz zu gewährenden Witwergeldes dar. Entsprechendes gilt hinsichtlich des den Kläger von dem Beklagten vorgehaltenen ,,Rechtsmissbrauchs". Insoweit bedarf es keiner abschließenden Beantwortung der Frage, ob dem Kläger, von dessen Schuldunfähigkeit im Zeitpunkt der Tötung seiner Ehefrau wegen einer krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB auszugehen ist, die Herbeiführung einer zu seinem Vorteil gereich enden Bedingung "wider Treu und Glauben" im Sinne des § 162 Abs. 2 BGB bzw. ein "rechtsmissbräuchliches Verhalten" mit anspruchsvernichtender Rechtsfolge entgegengehalten werden könnte.

Schließlich bildet auch der von dem Beklagten noch herangezogene Gedanke der Anspruchsverwirkung bei Tötung des im Beamtenverhältnis stehenden Ehegatten keine ausreichende Grundlage für das Nichtentstehen oder das Erlöschen des Anspruchs des Täters auf Witwergeld. Auf diesem (Verwirkungs-)Gedanken beruht allerdings die Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr.4 BeamtVG, wonach derjenige, der die in der Strafrechtsordnung verankerten elementaren Regeln zum Schutz der staatlichen Gemeinschaft gravierend verletzt hat,nicht erwarten können soll, dass sein angemessener Lebensunterhalt aufgrund eines Rechtsanspruchs auf beamtenrechtliche Versorgung finanziert wird. Ferner spricht die Systematik des Beamten- und Beamtenversorgungsrechts ebenfalls dafür, dass jemand, der in erheblicher Weise straffällig geworden ist, keinen Rechtsanspruch auf Versorgungsbezüge erwirbt oder beibehält (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1997, a.a.O.). Dies ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der in § 105 SGB VI für den Fall der Tötung eines Angehörigen getroffenen Regelung - das Erlöschen des Anspruchs auf Witwergeld weiterhin nur von dem Vorliegen der in § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeamtVG aufgeführten Voraussetzungen abhängig macht; diese Voraussetzungen sind hier indessen unstreitig nicht erfüllt.

Über diese (abschließende) gesetzliche Regelung bestimmter Verwirkungstatbestände hinaus kann der allgemeine Gedanke der Anspruchsverwirkung nicht zu Ungunsten eines Versorgungsberechtigten herangezogen werden. Davor schützt ihn nicht nur der Gesetzesvorbehalt des § 3 Abs. 1 BeamtVG, sondern auch das Verbot des Abs. 3 dieser Vorschrift, wonach auf die gesetzlich zustehende Versorgung weder ganz noch teilweise verzichtet werden kann. Anspruchsverwirkung kommt nämlich grundsätzlich allenfalls dann in Betracht, wenn auch ein Verzicht des Berechtigten auf den Anspruch möglich wäre; denn Verwirkung setzt allgemein voraus, dass das betreffende Recht längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist und besondere Umstände vorliegen, die die ,verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BVerwG, Beschluss vom 28. September 1994 - 11 C 3.93-, NVwZ 1995, 703, 706 m.w.N.). Ein derartiger Verstoß scheidet aber jedenfalls bei Geltendmachung des Anspruchs auf die gesetzlich zustehende Versorgung schon deshalb aus, weil der kraft Gesetzes zur Versorgung verpflichtete Dienstherr das Verzichtsverbot des § 3 Abs. 3 BeamtVG positiv kennt (bzw. zumindest kennen muss) und deshalb die - rechtzeitige - Geltendmachung des Versorgungsanspruchs nicht als treuwidrig angesehen werden kann. Deshalb ist für eine Anspruchsverwirkung im Beamtenversorgungsrecht nur insoweit Raum, als sie der Gesetzgeber selbst zum Gegenstand einer ausdrücklichen Regelung - wie etwa in § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr.4 BeamtVG - gemacht hat.



Soweit, der Beklagte darüber hinaus noch der Ansicht ist, dass der Anspruch auf Witwergeld, falls Verwirkung nicht eingreife, aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit zumindest in einem Fall wie dem vorliegenden gar nicht erst entstehen dürfe, vermag sich der Senat dieser Auffassung im Hinblick auf die in den §§ 19 und 28 BeamtVG abschließend getroffene Regelung aus den oben dargelegten Gründen nicht anzuschließen. Keiner abschließenden Beantwortung bedarf deshalb auch die Frage, ob es allgemeinen Gerechtigkeitsanforderungen entspricht, einem Hinterbliebenen das Witwen- bzw. Witwergeld zu versagen, wenn er bei Tötung seines Ehegatten, des Versorgungsurheber, wegen einer krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB nicht in der Lage war, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Dies zu entscheiden, ist allein Sache des parlamentarischen Gesetzgebers. Nach allem ist die Berufung des Beklagten mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergeben den Kostenfolge zurückzuweisen. ... Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.