BGB §§ 145, 146 ff., 116

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ArbG Frankfurt am Main, Urteil v. 22.05.2001 - 4 Ca 389/00 *

Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin eine Vertragsstrafe und Schadensersatz schuldet.

Der Beklagte wurde von der Klägerin, einem Sicherheitsunternehmen, am 08.11.1999 als Sicherheitsmitarbeiter eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen Anwendung.

Am 08.11.1999 erhielt der Beklagte einen vom Geschäftsführer der Klägerin unterzeichneten Arbeitsvertrag, welcher unter XIX eine Schriftformklausel und am Schluss eine Unterschriftszeile für den Arbeitnehmer enthält. Wegen des gesamten Inhalts dieses Vertrages wird auf BI. 16-25 d. A. Bezug genommen. Dieser Arbeitsvertrag ist vom Beklagten nicht unterzeichnet worden. In der Zeit vom 08.11. bis zum 10.11.1999 arbeitete der Beklagte für die Klägerin. Die Klägerin zahlte an den Beklagten die Vergütung für diesen Zeitraum in Höhe von DM 336,-- brutto, was DM 162,32 netto entspricht, nicht aus. Am 11.11.1999 rief der Beklagte bei der Klägerin an und teilte mit, dass er ab sofort nicht mehr zur Arbeit kommen werde.

Mit Schreiben vom 19.11.1999 hat die Kläger gegenüber dem Beklagten Schadensersatz und eine Vertragsstrafe in der Gesamthöhe von DM 1.683,50 geltend gemacht.

Mit am 27.12.1999 bei Gericht eingegangenem, dem Beklagten am 12.01.2000 zugestellten Mahnbescheid hat die Klägerin einen Vertragsstrafeanspruch und Schadensersatz gegenüber dem Beklagten in Höhe von DM 1.683,50 eingeklagt. Mit Schriftsatz vom 10.02.2000, dem Beklagten zugestellt am 21.02.2000, hat die Klägerin die Klage um einen Gesamtbetrag in Höhe von DM 1.783,50 erweitert und mit Schriftsatz vom 14.09.2000 die Klage in Höhe von DM 162,32 zurückgenommen.



Die Klägerin ist der Ansicht, ihr sei durch die fristlose Kündigung des Beklagten ein Schaden entstanden. Sie behauptet, der Einsatzleiter habe wegen der fristlosen Kündigung drei Stunden mit der Umorganisation der Einsatzplanung zugebracht und entsprechend länger gearbeitet; die reinen Lohnkosten einer Einsatzleiterstunde betrügen abgerundet DM 38,50. Darüber hinaus hätten die 18 geänderten Dienstpläne kopiert und die vorgesehenen Änderungen mit den Mitarbeitern telefonisch abgesprochen werden müssen; dadurch seien DM 7,-- an Telefonkosten und DM 18,-- für die Erstellung von Fotokopien angefallen. Der Beklagte müsse zudem nach dem Arbeitsvertrag sowie als Schadensersatz die Kosten der Zuverlässigkeitsprüfung in Höhe von DM 75,-- übernehmen. Der Arbeitsvertrag sei durch die vorbehaltlose Aufnahme der Tätigkeit durch den Beklagten am 08.11.1999 konkludent angenommen worden. Entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelung schulde der Beklagte der Klägerin eine Vertragsstrafe und zwar einen Schichtlohn in Höhe von DM 112,-- pro Tag bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von zwei Wochen, was DM 1.568,-- entspricht. Unter Aufrechnung der Nettovergütung des Beklagten für die Zeit vom 08.11. bis zum 10.11.1999 ergäbe sich daher ein Anspruch in Höhe von DM 1.621,18.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin DM 1.621,18 nebst 4 % Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Bedingungen des schriftlichen Arbeitsvertrages seien zwischen den Parteien nicht vereinbart worden, da dieser Vertrag ihm zwecks Prüfung übergeben und von ihm nicht unterschrieben worden sei. Der Beklagte behauptet, zwischen den Parteien sei offen gewesen, in welcher Höhe die erheblichen Fahrt- oder Parkkosten des Beklagten von der Klägerin übernommen würden. Am 11.11.1999 habe er der Klägerin mitgeteilt, dass er das Arbeitsverhältnis als nicht zu Stande gekommen betrachte, da eine Fahrtkostenregelung nicht getroffen worden sei. Der Beklagte behauptet, die Gebühr für die Zuverlässigkeitsprüfung betrage DM 30,--. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.



Entscheidungsgründe: Die Klage ist nicht begründet, denn der Klägerin stehen Schadensersatz- und Vertragsstrafeansprüche gegen den Beklagten nicht bzw. nicht mehr zu.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Vertragsstrafeanspruch weder dem Grunde nach noch in der geltend gemachten Höhe von DM 1.568,-- zu. In der geltend gemachten Höhe steht der Klägerin der Vertragsstrafeanspruch bereits deshalb nicht zu, da die Klägerin innerhalb der Ausschlussfrist des § 21 Abs.1 Satz 1 Manteltarifvertrag für die Betriebe des Wach- und Sicherheitsgewerbes im Land Hessen, wonach beiderseits alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vier Kalenderwochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlöschen, sofern sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht werden, lediglich einen Betrag in Höhe von DM 1.683,50 geltend gemacht hat. Wegen der Aufrechnung mit dem Nettovergütungsanspruch des Beklagten ist dieser Betrag um DM 162,32 zu reduzieren, so dass allenfalls ein Betrag in Höhe von DM 1.521,18 zu Gunsten der Klägerin offen sein kann.

Doch auch in dieser Höhe steht der Klägerin kein Vertragsstrafeanspruch zu. Es kann dahinstehen, was ggf. zwischen den Parteien hinsichtlich der Fahrtkosten des Beklagten von seinem Wohnort zur Arbeitsstelle besprochen oder vereinbart war. Das Arbeitsverhältnis der Parteien, das durch die Arbeitsaufnahme des Beklagten am 08.11.1999 begründet wurde, ist jedenfalls nicht zu den Bedingungen des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 08.11.1999 zu Stande gekommen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte diesen vom Geschäftsführer der Beklagten bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag nicht unterschrieben hat. Allein durch die Entgegennahme dieses Vertrages, der erkennbar von beiden Seiten unterschrieben werden sollte, ist kein Vertragsabschluss zu Stande gekommen.



Auch die Arbeitsaufnahme und die Arbeitsdurchführung in der Zeit vom 08.11. bis zum 10.11.1999 ist keine konkludente Annahme des schriftlichen Arbeitsvertragsangebots der Klägerin. Eine Willenserklärung durch konkludentes Verhalten liegt vor, wenn das Gewollte nicht unmittelbar in einer Erklärung seinen Ausdruck findet, der Erklärende vielmehr Handlungen vornimmt, die mittelbar den Rückschluss auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zulassen (vgl. Palandt BGB Einf. v. § 116 m. w. N.). Wird einem Arbeitnehmer ein mehrseitiger Arbeitsvertrag ausgehändigt, welcher erkennbar schriftlich abgeschlossen werden soll und vom Arbeitgeber bereits unterzeichnet worden ist, so mag eine konkludente Annahme dieses Angebots dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer längere Zeit ohne Unterzeichnung dieses Vertrages seine Arbeitsleistung erbringt und die Leistungen aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag unwidersprochen entgegennimmt. Nicht ausreichend ist insoweit jedoch die Erbringung von Arbeitsleistung an lediglich drei Tagen. Der Arbeitgeber weiß, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt, ohne dass der Arbeitsvertrag unterschrieben ist. Der Arbeitgeber muss auch damit rechnen, dass der Arbeitnehmer den schriftlichen Arbeitsvertrag nach eingehender Prüfung ggf. nicht unterzeichnet und das Arbeitsverhältnis damit allein nach den gesetzlichen oder - wie hier - allgemeinverbindlichen, tarifvertraglichen Regelungen abgewickelt werden muss. Der kurze Zeitraum von drei Tagen, an denen der Beklagte die Arbeitsleistung erbracht hat und die er zugleich zur Überprüfung des Inhalts des Arbeitsvertrages nutzen konnte, vermag auf Seiten der Klägerin keinen Vertrauenstatbestand dahingehend zu erzeugen, dass der schriftliche Arbeitsvertrag vom Beklagten auch unterzeichnet wird. Zwar hat der Beklagte ohne Zweifel, als er am 11.11.1999 der Klägerin mitteilte, dass er das Arbeitsverhältnis als nicht zu Stande gekommen betrachtet, einen Vertragsverstoß begangen, da er die gesetzliche bzw. die tarifvertragliche Kündigungsfrist von 14 Tagen nicht eingehalten hat und ein Anfechtungsrecht oder ein sonstiges Recht, sich mit sofortiger Wirkung vom Arbeitsverhältnis zu lösen, nicht ersichtlich ist. Einen Vertragsstrafeanspruch kann die Klägerin darauf jedoch nicht stützen, da die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag zwischen den Parteien nicht Vertragsbestandteil geworden ist.



Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung und aus § 628 BGB in Höhe von DM 115,50 zu, denn dieser Anspruch ist nicht hinreichend substantiiert dargetan. Grundsätzlich gilt zwar, dass ein zeitlicher und finanzieller Mehraufwand des Arbeitgebers, der durch ein schuldhaftes, vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers verursacht wird, als Schadensersatz geltend gemacht werden kann. Nach der Differenztheorie, die im Schadensersatzrecht gilt, können allerdings nur tatsächliche Vermögenseinbußen, nicht ein rein zeitlicher Mehraufwand als dann abstrakt berechneter Schaden liquidiert werden. Die Klägerin hat nicht hinreichend vorgetragen, dass und inwiefern der Einsatzleiter exakt drei Stunden mit der Umorganisation durch das Verhalten des Beklagten befasst war. Es ist zudem nicht dargetan, dass die Klägerin den Einsatzleiter mit drei zusätzlichen, sonst nicht angefallenen Arbeitsstunden oder ggf. auch Überstunden vergütet hat. Soweit der Einsatzleiter den Ausfall des Beklagten durch erhöhte Arbeitsleistung und Arbeitsverdichtung abgewickelt hätte, läge jedenfalls ein Schaden im zivilrechtlichen Sinne nicht vor.

Es kann dahinstehen, was es mit den Kopier-, Telefonkosten und mit der Gebühr für die Zuverlässigkeitsprüfung auf sich hat. Das Gericht unterstellt zu Gunsten der Klägerin, dass insoweit ein erstattüngsfähiger Schaden entstanden ist. Dieser Schaden ist jedoch durch Aufrechnung in Höhe von DM 182,32 erloschen.



* Quelle: eigene