MarkenG § 15, BGB § 12, UWG § 1

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OLG Frankfurt a. M., Urteil. v. 04.05.2000 - 6 U 81/99 *

Die Parteien streiten um das Recht, die Bezeichnung "Alcon" als Internet-Domain-Namen verwenden zu dürfen. Bei der Kl. handelt es sich um ein im Jahr 1980 in das Handelsregister des AG Freiburg eingetragenes Unternehmen, das Arzneimittel und Medizinprodukte aus dem Bereich der Augenheilkunde vertreibt. Nach der Handelsregistereintragung gehört zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben auch der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken, die Errichtung von Zweigniederlassungen, der Erwerb oder die Beteiligung an anderen Unternehmen sowie der Abschluss von loteressengemeinschafts- und Unternehmensverträgen. Die Kl. firmiert als "Alcon Pharma GmbH". Die Bekl. ist im Jahr 1985 zunächst unter der Firma "NOXCON Abgasentgiftungstechniken GmbH & Co. ins Handelsregister des AG Hamburg eingetragen worden. Im Jahr 1990 erfolgte die Umfirmierung zu ihrer heutigen Bezeichnung "ALCON Beteiligungsgesellschaft mbH & Co.". Sie beschäftigt sich mit der Vermögensverwaltung sowie dem Erwerb und der Veräußerung von Beteiligungsgesellschaften. Die Bekl. hat bei der für die Vergabe von Internet-Domain-Namen unter dem Oberbegriff (Top Level Domain) "dc zuständigen deutschen Stelle DENIC den Domain-Namen "alcon.de" für sich angemeldet, aber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Präsentation unter dieser Domain vorgenommen. Die Kl. hat - in erster Instanz zusammen mit der Aleon Pharmaceutical Ltd. - beantragt, (1) es der Bekl. zu untersagen, in dem weltweiten Datennetz Internet im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken den Domain Namen "alcon.de" zu verwenden, (2) festzustellen, dass die Bekl. den Kl. wegen der genannten Verletzungshandlung dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist. Klage und Berufung waren erfolglos.



Aus den Gründen: 1. Die Kl. hat keinen markenrechtlichen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch gegen die Bekl. Da nur die Kl. Berufung eingelegt hat, kommt es allein auf den Schutz von "Alcon" als Unternehmenskennzeichen an, nicht auf den Schutz der für die ehemalige Kl. zu 2 eingetragenen Marke.

a) Die Kl. hat keinen Anspruch aus §§ 5 II, 15 TI MarkenG gegen die für die Bekl. registrierte Internet-Domain "alcon.de". Die Bekl. leitet diesen Internet-Domain-Namen, gegen den allein die Klage gerichtet ist, aus ihrem Firmennamen ab. Zwischen diesem und dem Unternehmenskennzeichen der Kl. besteht keine Verwechslungsgefahr; die Kl. könnte einen kenozeichenrechtlichen Anspruch gegen den Firmennamen nicht erfolgreich geltend machen. Zwar besteht Kennzeichenidentität (vgl. dazu Fezer, MarkeoR, 2. Aufl., § 15 MarkenG Rdnr. 16 iV. mit § 14 MarkenG Rdnr. 76), da in der Firma beider Parteien "Alcon" der prägende Kennzeichenbestandteil ist. Auch verfügt die Kl. über das prioritätsältere Recht (§ 6 III MarkenG). Jedoch fehlt es - wie das LG zu Recht ausgeführt hat - trotz der Kennzeichenidentität wegen der fehlenden Branchennähe der Parteien an der Verwechslungsgefahr. Der Branchennähe kommt im Rahmen des § 15 MarkenG eine ähnliche Funktion zu wie der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit des § 14 TT Nr.2 MarkenG (vgl.BGHZ 120 103 - NJW 1993, 459 LM H. 4/1993 § 12 BGB Nr.60 = GRUR 1993, 404 [405] - Columbus; Ingeril Rohnke, MarkenG, § 15 Rdnr. 43; Fezer, § 15 MarkenG Rdnr. 17). Zwischen dem Tätigkeitsfeld der Kl. (Vertrieb von Pharmazeutika und Medizinprodukten für die Augenheilkunde) und dem der Bekl. (Vermögensverwaltung sowie der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungsgesellschaften) besteht absolute Branchenferne. Die Tatsache, dass die Kl. auch an einer anderen Firma beteiligt ist, macht sie nicht zu einer Beteiligungsgesellschaft. Das Ziel einer solchen Gesellschaft ist allein die Kapitalverwaltung für Kapitalanleger, während es sich bei der Unternehmensbeteiligung der Kl. an einem Unternehmen aus dem Medizin-/Pharmabereich um eine solche handelt, die ihre eigene unternehmerische Betätigung als Pharmaunternehmen fördern soll.



Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHZ 120, 103 NJW 1993, 404 = LM H. 4/1993 § 12 BGB Nr.60 = GRUR 1993, 404 [405] - Columbus mw. Nachw.), dass selbst bei identischen Bezeichnungen mit hoher Kennzeichnungskraft die Verwechslungsgefahr dann zu verneinen ist, wenn im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Branchen nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Verkehr Verwechslungen der bezeichneten Unternehmen erliegen oder wenigstens irrtümlich nicht bestehende wirtschaftliche Zusammenhänge zwischen ihnen annehmen werde. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der erkennende Senat (NJWE-WettbR 2000, 92 = BB 2000, 320 = MarkenRecht 2000, 101 = Jost) bereits entschieden, dass die für eine kennzeichenrechtliche Verwechslungsgefahr erforderliche Branchennähe nicht durch die Notierung zweier Unternehmen an der Börse hergestellt wird. Der vorliegende Fall ist vergleichbar. Allein der gemeinsame Auftritt im Internet vermag die Branchenferne ebenso wenig zu überbrücken wie die Börsennotierung (ähnlich Völker/Weidert, WRP 1997, 652 [6581). Es stellt keine neue, auf das Internet beschränkte Erfahrung dar, dass Namensgleiche in Nachschlagwerken neben-, über- oder untereinander aufgeführt werden. Auch bei einem Eintrag in Telefonbücher, Branchenverzeichnisse oder Wirtschaftslexika tritt diese Situation ein, ohne dass hierdurch eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr zwischen Branchenfremden ernsthaft erwogen wird. Wer die Kl. mittels einer Suchmaschine über ihr Firmenschlagwort "Aleon im Internet zu orten versucht, wird sie aus der Trefferliste mühelos auch dann herausfinden, wenn sie einen Domain-Namen verwendet, der aus ihrer kompletten oder weiteren Teilen der Firma (etwa "alcon-pharma.de") besteht.



Die Unternehmensgegenstände und Kunden der Parteien sind derart verschieden, dass der Verkehr, wenn er auf die Bekl. stößt, auch nicht der Fehlvorstellung unterliegen kann, es liege eine Expansion der Kl. in einen anderen Geschäftsbereich vor (s. dazu BGHZ 120, 103 = NJW 1993, 404 = LM H. 4/1993 § 12 BGB Nr.60 = GRUR 1993, 404 [405] -Columbus). Ebenso wenig besteht wegen der Branchenverschiedenheit die Gefahr, dass der Verkehr annehmen könnte, es bestünden geschäftliche Zusammenhänge - etwa lizenzvertragliche Beziehungen - zwischen den Parteien (Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, dazu BGHZ 120, 103 = NJW 1993, 459 = LM H. 4/1993 § 12 BGB Nr.60 = GRUR 1993, 404 [406] - Columbus). Fehlt es somit an einer kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr trotz des übereinstimmenden Zeichenbestandteils "alcon", steht der Kl. ein auf §§ 5 II, 15 II MarkenG gestützter Anspruch gegen den beanstandeten Internet-Domain-Namen "alcon.de" nicht zu. Mögliche Zuordnungsschwierigkeiten oder Fehlverweise im Internet, etwa bei der Einschaltung von Suchmaschinen, können die fehlende Anspruchsvoraussetzung einer kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht ersetzen.

b) Ein Anspruch aus §§ 5 II, 15 III MarkenG scheidet ebenfalls aus, selbst wenn der Senat die Bekanntheit des kl. Unternehmenskennzeichens unterstellt (vgl. dazu EuGH, NJW 2000, 1323 L = LM H. 8/2000 MarkenRL Nr. 2f = WRP 1999, 1130 [1132] - Chevy). Denn ein Anspruch aus § 15 III MarkenG setzt neben der Bekanntheit der Unternehmenskennzeichnung voraus, dass die Benutzung durch den Verletzer die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (vgl. dazu Völker/Weidert, S.659). Daran fehlt es hier. Allein die Tatsache, dass eine bekannte Unternehmensbezeichnung von einem Dritten als Domain-Name verwendet wird, begründet die Unlauterkeit noch nicht. Vielmehr muss das Fehlen des rechtfertigenden Grundes und die Unlauterkeit im Einzelfall an Hand der unstreitigen oder bewiesenen weiteren Umstände festgestellt werden.



Für das Fehlen eines rechtfertigenden Grundes ist nichts ersichtlich. Die Bekl. führt "Aleon" seit 1990 als Firmenschlagwort im Namen, ohne dass es nach dem Vortrag der Parteien zu einem Imagetransfer oder einer Rufbeeinträchtigung gekommen ist. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Bekl. sich den Namen "ALCON" in Anlehnung an die Kl. zugelegt hat. Immerhin lässt er sich aus den Vornamen des persönlich haftenden Gesellschafters Alexander Garlos und ihrem alten Namen NOXCON herleiten.

Die Anmeldung als Internet-Domain-Namen lässt auch keine unlauteren Absichten erkennen. Die Bekl. hat auf Grund ihres Firmennamens ein eigenes, nachvollziehbares Interesse daran, unter dem Firmenschlagwort "ALCON" im Internet aufzutreten. Die Anmeldung der Domain wäre vielleicht gleichwohl unlauter, wenn sie allein in der Absicht erfolgt wäre, um andere Namensinhaber zu behindern und sich von denen die Domain abkaufen zu lassen. Davon kann nach dem Vortrag der Parteien aber nicht ausgegangen werden. Zwar mutet es auf den ersten Blick merkwürdig an, dass die Bekl. nach dem unstreitigen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sich unter der angemeldeten Domain im Internet nicht präsentiert und sie dies nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung aus Gründen der Diskretion auch in Zukunft nicht beabsichtigt. Gleichwohl macht das Halten des Domain-Namens insofern einen Sinn, als die Bekl. über die Domain als E-Mail-Adresse im geschäftlichen Verkehr kommuniziert. Von einer unlauteren Blockierung des Domain-Namens kann daher nicht ausgegangen werden. Der Annahme eines - unzweifelhaften unlauteren -Domain-Grabbings steht auch entgegen, dass die Bekl. nicht bereit ist, ihre Rechte an der Internet-Domain zu verkaufen. Dass diese mangelnde Verkaufsbereitschaft darauf beruht, den Preis in die Höhe zu treiben, hat die Kl. nicht vorgetragen. Diese Absicht kann der Senat auch nicht der beiläufigen Erklärung des im Termin anwesenden persönlich haftenden Gesellschafters entnehmen, alles im Leben sei käuflich.



2. Die Kl. kann ihren Anspruch auch nicht aus § 12 BGB unter dem Gesichtspunkt des Rechts der Gleichnamigen herleiten. Zunächst gilt, dass aus Gründen der Rechtssicherheit, und um einer Ausdehnung des Namensschutzes vorzubeugen, eine Verletzung des Namensrechts bei Abwesenheit von Verwechslungsgefahr oder Rufausbeutung nur angenommen werden kann, wenn besondere Unlauterkeitsgesichtspunkte die Annahme einer Tnteressenbeeinträchtigung rechtfertigen (Kur, in: Loewenheim/Koch, Praxis des Online-Rechts Kap. 8.3.4, S.362). Das ist vorliegend - wie oben ausgeführt - nicht der Fall.

Im Übrigen gilt im Anwendungsbereich des § 15 MarkenG, also wenn es um die Benutzung von Unternehmenskennzeichen im geschäftlichen Verkehr geht, dass die Rechtsfolgen nach § 12 BGB nicht über die Verletzungsansprüche nach § 15 MarkenG hinausgehen (vgl. Ingeril Robnke, MarkenG, nach § 15 Rdnn 5 m. w. Nachw.). Wenn also ein markenrechtlicher Anspruch mangels Verwechslungsgefahr ausscheidet, kann diese gesetzliche Wertung nicht ohne das Vorliegen weiterer Tatumstände über § 12 BGB ausgehebelt werden (so Ingerl/Robnke, nach § 15 Rdnr. 6). So betrafen die Fälle, in denen die Rechtsprechung einen Interessenausgleich bei Gleichnamigkeit vorgenommen hat, Sachverhalte, in denen Verwechslungsgefahr bestand (vgl. BGH, NJW 1986, 57 = LM § 16 UWG Nr.91 = WRP 1985, 210 [211] - Familienname; BGH, NJW 1991, 1352 = LM § 16 UWG § 124 = GRUR 1991, 393 - Ott International; BGH, NJW-RR 1993, 934 = LM H. 9/1993 § 16 UWG Nr.143 = GRUR 1993, 579 [580] - Römer; sowie die Beispiele bei Fezer; § 15 MarkenG Rdnr. 100).



3. Schließlich ist auch ein Anspruch nach § 1 UWG oder §§ 826, 226, 1004 BGB nicht gegeben. Ein solcher Anspruch scheidet wegen des Vorrangs des Markengesetzes aus. Der Schutz der bekannten Marke stellt sich als eine umfassende spezialgesetzliche Regelung dar, mit der der bisher von der Rechtsprechung entwickelte Schutz fixiert und ausgebaut werden sollte. Die neue Schutzmöglichkeit ist an die Stelle der bisherigen getreten und lässt jedenfalls in ihrem Anwendungsbereich für eine gleichzeitige Anwendung des § 1 UWG oder der §§ 823, 826 BGB keinen Raum (BGH, NJW 1998, 3781 = LM H. 1/1999 § 14 MarkenG Nr.7 = WRP 1998, 1181 [1182] = GRUR 1999, 161 [162] - MAC Dog; BGH, NJW-RR 1999, 992 = LM H. 2/2000 § 14 MarkenG Nr.9 = WRP 1999, 931 [935] - Big Pack; BGH, NJW-RR 1999, 1643 = LM H. 3/2000 § 5 MarkenG Nr.17 = WRP 1999, 1279 [1283] - SZENE; Senat, GRUR 1999, 591 - Kabelbinder). Diese Vorschriften können nur in den Fällen herangezogen werden, in denen der Schutz des Markengesetzes versagt. Das heißt aber nicht, dass immer dann, wenn kein Anspruch aus dem Markengesetz gegeben ist, ein Rückgriff möglich ist,sondern nur dann, wenn Schutz nach dem Markengesetz schon dem Grunde nach nicht zu erlangen ist, weil etwa keine kennzeichenmäßige Benutzung oder eine Verwendung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs vorliegt (Ingerl/Rohnke, § 14 Rdnrn. 524ff., auch BGH, NJW-RR 1999, 1643 = LM H. 3/2000 § 5 MarkenG Nr.17 = WRP 1999, 1279 [1283] - SZENE, zu § 15 III MarkenG; Senat, Urteil vom 25.11.1999 - 6 U 189/98 - Fuchsmarken). Vorliegend scheitert der markenrechtliche Anspruch der Kl. nicht an der fehlenden Einschlägigkeit des Markengesetzes, sondern daran, dass bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des Markengesetzes einzelne Tatbestandsmerkmale der Anspruchsnorm nicht erfüllt sind. Gesichtspunkte, die nicht bereits bei der matkenrechtlichen Beurteilung Berücksichtigung gefunden haben, sind nicht ersichtlich.



* Quelle: NJW-RR 2001, 547 ff