OLG Duesseldorf, 15.07.2004, 20 U 43/03, Domainrecht, Namensrecht, Registrierung, fremd, Name, Domain-Name, Gemeinde, solingen.de, solingen.info, top-level-domain, namensrechtlich, Schutz, Verwender,
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BGB § 12
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- Stand: 23. September 2004 - Volltextsuche - Datenschutz - Sicherheit - News and more! - Suchmaschinen - Google (Test 2/2003 - gut - 2,1)
OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.07.2004 - 20 U 43/03 *
Tatbestand: Die Kl., die Stadt Solingen, ist Inhaberin der Domain "solingen.de". Die Bekl. ist Inhaberin der Domain
"solingen-info.de", auf der sie ein so genanntes "Regional-Portal" betreibt, sowie seit dem 21. 1. 2001 Inhaberin der Domain
"solingen.info", die mit der erstgenannten Domain verlinkt ist. Die Kl. beanstandet die Registrierung und Verwendung der
letztgenannten Domain als Verletzung ihres Namensrechts. Das LG hat die Bekl. antragsgemäß verurteilt, 1. a) es bei Meidung
näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, den Domainnamen "solingen.info" zu verwenden b) und/oder an einen Dritten zu
übertragen, 2. gegenüber der Registrierungsstelle Afilias Ltd. auf den Domainnamen "solingen.info" zu verzichten.
Mit ihrer Berufung macht die Bekl. geltend, eine Zuordnungsverwirrung trete jedenfalls bei einem aus dem Namen einer deutschen
Stadt und der Top-Level-Domain "Info" bestehenden Domainnamen nicht ein. Zudem werde aus ihrer, der Bekl., Homepage
hinreichend klar, dass es sich nicht um eine Domain der Kl. handele. Die Berufung der Bekl. hatte lediglich hinsichtlich Nr. 1 b des
Tenors Erfolg.
Entscheidungsgründe: II. ... 2. Ansprüche aus § 15 MarkenG, die nach der Rechtsprechung des BGH vorrangig zu prüfen sind (vgl.
BGH, NJW 2002, 3551 = GRUR 2002, 898 [unter 11.1.caa] - defacto; NJW 2002, 2031 = GRUR 2002, 622 [unter 11.1.a] -
shell.de; NJW 2002, 2096 = GRUR 2002, 706 [unter 11.1.a] - vossius.de), werden von den Parteien zu Recht nicht erörtert. Sie
stehen der Kl. nicht zu. Sie begehrt nicht den Schutz eines Unternehmenskennzeichens i. S. des § 5 11 MarkenG. Dass die Bekl. das
Wort im geschäftlichen Verkehr nutzt, reicht zur Anwendung des Markengesetzes nicht aus (vgl. Fouquet, GRUR 2002, 35 [unter II]).
3. Der Kl. steht jedoch ein Anspruch aus § 12 S. 2 BGB zu. Auch eine juristische Person kann Namensschutz für sich in Anspruch
nehmen (vgl. zuletzt BGH, NJW RR 2002, 1401 GRUR 2002, 917 - Düsseldorfer Stadtwappen).
a) Zwar handelt es sich nicht um eine "Namensleugnung" i. S. des § 12 S. 1 Alt. 1 BGB (so bereits Senat, GRUR 2003, 25 = WRP
2002, 1085 - duisburg-info.de; ebenso BGH, NJW 2002, 2031 [unter 11 2 b bb] - shell.de). Die Bekl. leugnet nämlich mit der
Registrierung und Nutzung der Domain nicht das Recht der Kl., unter der Bezeichnung "Solingen" bzw. Stadt Solingen aufzutreten.
b) In Fällen der vorliegenden Art kommt jedoch grundsätzlich eine Namensanmaßung i. S. des § 12 S. 1 Alt. 2 BGB in Betracht.
aa) Benutzt ein Nichtberechtigter einen fremden Namen ohne jeden Zusatz - als Domain, geht der Verkehr im Allgemeinen davon
aus , dass es sich um die Domain eines Namensinhabers handelt; es tritt mithin eine Zuordnungsverwirrung ein (vgl. zu diesem
Erfordernis BGH, NJW-RR 2002, 1401 = GRUR 2002, 917 - Düsseldorfer Stadtwappen; Senat, GRUR-RR 2003, 25 = WRP
2002, 1085 - duisburginfo.de; zu einer Zuordnungsverwirrung bei Domains s. BGH, NJW 2002, 2031 [unter II.2.b bbl = GRUR
2002, 622 - shell.d,e).
Dies gilt grundsätzlich auch für den Namen von Gebietskörperschaften (aus der Rechtsprechung s. LG Mannheim, NJW 1996, 2736
- heidelberg.de; LG Braunschweig, NJW 1997, 2687 - braunschweig.de; LG Ansbach, NJW 1997, 2688 - ansbach.de; OLG
Karlsruhe, CR 1999, 783 - badwildbad.com; OLG Köln, NJW-RR 1999, 622 -herzogenrath.de; OLG Brandenburg, K & R 2000,
406 - luckau.de; OLG Köln, GRUR 2000, 798 - alsdorf.de; ÖstOGH, GRUR Int 2003, 260 - galtuer.at; s. auch ÖstOGH bei
WiltScheck, WRP 2001, 750 [7631 - bundesheer.at; aus der Literatur nur Kur, CR 1996, 591; Bottenschein, MMR 2001, 286;
Scbönberger, GRUR 2002, 478; Fezer, MarkenG RR, 3. Aufl., § 3 MarkenG Rdnr. 330).
Soweit die Bekl. für ihre gegenteilige Auffassung auf die Entscheidung des Senats (GRUR-RR 2003, 25 = WRP 2002, 1085) zur
Domain "duisburg-info.de" verweist, ist klarzustellen, dass sich die Entscheidung auf einen Fall bezieht, bei dem es sich um eine aus
einem Städtenamen und einem Zusatz zusammengesetzten Second-Level Domain handelte. Der Senat hat damals nicht in Frage
gestellt, dass die lediglich aus dem Namen einer Stadt bestehende Second-Level-Domain vom Verkehr der betreffenden Stadt
zugeordnet wird. Die in der Entscheidung angesprochene" dem Verkehr bekannte Neigung, kurze und prägnante Domains zu
benutzen, geht nicht so weit, dass aus Städtenamen bestehende Second-Level-Domains ohne jeden Zusatz Dritten zugewiesen
würden. Die Bekl. kann auch nicht auf Entscheidungen verweisen, in denen das anders gesehen worden wäre.
bb) Die Frage, ob eine Zuordnungsverwirrung unabhängig von der Top-Level-Domain eintritt, mag insbesondere bei Domains von
Gebietskörperschaften zweifelhaft sein (vgl. Kur, CR 1996, 591 [5931; Reinbart, WRP 2002, 628; BottenSchein MMR 2001, 286).
Diese Zweifel wirken sich bei der Top-Level-Domain "Info" jedenfalls nicht aus.
Bei in sich widersprüchlichen Domains (Beispiel: "Karlsruhe.at") mag der Verkehr in der Tat, wie die Bekl. geltend macht, eine
Zuordnung der Domain zur betreffenden Gebietskörperschaft nicht vornehmen. Ähnliches könnte auch für die Top-Level-Domain
"com" gelten. Insoweit mag die Top-Level-Domain von Belang sein.
Anders liegt die Sache jedoch bei der allgemeinen T op-Level-Domain "Info". Sie ist nicht auf bestimmte Branchen oder Staaten
begrenzt. Der Verkehr hat also auf Grund der Top-Level-Domain keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht um die Domain des
Namensträgers handelt. Dass es infolge der weltweiten Vergabe von "Info"-Domains gegenüber geografischen Top-Level-Domains
vermehrt zu Konfliktfällen kommen mag, spricht nicht dagegen. Sollte es anderwärts Orte oder Personen namens Solingen geben,
so wären diese gleichfalls berechtigt, den Namen "Solingen" zu nutzen.
In diesem Falle gälte - ebenso wie bei aus Marken oder Unternehmenskennzeichen nichtähnlicher Branchen gebildeten Domains
(vgl. BGH, NJW 2002, 3551 [unter II.1.cbb] =GRUR 2002, 898 - defacto) grundsätzlich der Prioritätsgrundsatz.
4. Die Bekl. kann auch nicht einwenden, im Streitfall sei auf Grund des Inhalts der Homepage eine etwaige Zuordnungsverwirrung ausgeräumt.
a) Die aktuell bestehende Homepage reicht dazu entgegen der Auffassung der Bekl. von vornherein nicht aus. Daraus geht, wie die
Kl. zu Recht geltend macht, nicht hinreichend klar hervor, dass es sich nicht um eine Webseite der Kl. handelt. Das Kästchen
"Powered by X" ist inhaltlich unklar, besagt jedenfalls nicht zur Inhaberschaft der Seite. Auch der Link auf die "Informationen der
Stadt Solingen" lässt dazu nichts erkennen; auch innerhalb eigener Seiten sind Links möglich.
b) Allerdings kann eine einschränkungslose Unterlassung der Benutzung der Domain nur dann verlangt werden, wenn mildere Mittel
nicht in Betracht kommen, wobei als milderes Mittel unter bestimmten Umständen auch die Umgestaltung der Homepage in
Betracht kommt (vgl. BGH, NJW 2002, 2096 [unter 11. I.b cc (2)1 = GRUR 2002, 706 - vossius.de).
Inwieweit bei der Benutzung von aus einem Ortsnamen bestehenden Domains durch Dritte, die über den Ort berichten wollen, eine
Zuordnungsverwirrung durch die Homepage ausgeschlossen werden kann, ist durch die Rechtsprechung bisher nicht abschließend
geklärt. Der Senat ist der Auffassung, dass diese Möglichkeit aus Rechtsgründen ausscheidet.
aa) Die ältere Rechtsprechung (LG Mannheim, NJW 1996, 2736 - heidelberg.de; LG Braunschweig, NJW 1997, 2687 -
braunschweig.de; LG Ansbach, NJW 1997, 2688 ansbach.de; OLG Karlsruhe, CR 1999, 783 - badwildbad.com; OLG Köln,
NJW-RR 1999, 622 - herzogenrath.de; OLG Brandenburg, K & R 2000, 406 - luckau.de; OLG Köln, GRUR 2000, 798 -
alsdorf.de) ist auf diesen Gesichtspunkt nicht eingegangen, hat vielmehr den Inhaber der Domain ohne Rücksicht auf den Inhalt und
die Ausgestaltung der Seite zur Unterlassung verurteilt.
bb) Demgegenüber hat die Rechtsprechung in jüngerer Zeit in bestimmten Fällen angenommen, es reiche aus, Fehlvorstellungen
über die Zuordnung oder den Inhalt einer Domain auf der Homepage klarzustellen.
So hat der BGH im wirtschaftlichen Verkehr bei Gleichnamigkeit ' in dem einer Partei hinsichtlich des Unternehmenskennzeichens
die zeitliche Priorität zukam, es dennoch dem Prioritätsjüngeren gestattet, das Unternehmenszeichen als Domain zu nutzen, wenn
auf der Homepage ausreichend auf die fehlende Identität mit dem Prioritätsälteren hingewiesen werde (BGH, NJW 2002, 2096
[unter II.1.bcc (2)1 = GRUR 2002, 706 - vossius.de). In diesem Zusammenhang kann auch auf die Rechtsprechung des BGH zu
genetischen Domains hingewiesen werden, derzufolge eine etwaige Fehlvorstellung eines Internet-Nutzers bei "Aufschlagen" dieser
Homepage sofort korrigiert werde; jedenfalls dadurch werde der Gefahr einer Irreführung hinreichend begegnet (BGH, NJW 2003,
504 [unter 2 c] - rechtsanwaeltenotar.de; BGH, NJW 2003, 662 [unter II.2. a ccl - presserecht.de).
Das KG (MMR 2002, 686 m. zust. Anm. Graf, CR 2002, 760 - oil-of-elf.de) hat es einer Umweltschutzorganisation gestattet, ein
Unternehmenskennzeichen als Domain zu benutzen, um darunter kritisch über dieses Unternehmen zu berichten, wenn sich aus der
Homepage sofort ergebe, dass es sich nicht um die Domain des Unternehmens handele. Ähnliches hat der ÖstOGH für eine aus
einer Behördenbezeichnung bestehende Domain angenommen (vgl. bei WiltScheck, WRP 2001, 750 [7631 - bundesheer.at).
Schließlich hat der ÖstOGH (GRUR Int 2003, 260 galtuer.at) es einem Unternehmen, das Berichte über eine Gemeinde brachte,
gestattet, den Namen der Gemeinde als Domain zu nutzen, wenn die fehlende Identität mit Organisationen, die der Verkehr
möglicherweise hinter der Domain vermute, auf der Homepage klargestellt sei.
cc) Der Senat sieht keinen Anlass dafür, den Namensschutz von Gebietskörperschaften in vergleichbarer Weise einzuschränken.
Zwar wäre die beim Verkehr eintretende Zuordnungsverwirrung bei sofortiger hinreichender Klarstellung auf der Homepage nur
sehr kurz. Das mag in bestimmten Fällen hinzunehmen sein. Dies ändert aber nichts daran, dass die Kl. trotz dieser Klarstellung von
einer eigenen Nutzung der Domain ausgeschlossen bleibt. Die Argumentation des BGH (NJW 2002, 2031 [unter 11.2.b bbl =
GRUR 2002, 622 - shell.de), "die den Berechtigten ausschließende Wirkung setz(e) bei der Verwendung eines Namens als Internet
Adresse bereits mit der Registrierung ein", gilt auch für die Top-Level-Domain "Info", wenn auch die Kl. nicht gehindert wird, die
Domain "solingen.de" zu benutzen. Soweit der BGH diese Lösung bei Gleichnamigen herangezogen hat (NJW 2002, 2096 = GRUR
2002, 706 - vossius.de), beruht dies auf den Besonderheiten der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme bei Gleichnamigen.
"Genetische" Domains, wie sie Gegenstand der Entscheidungen des BGH (NJW 2003, 504 [unter 2.c] -rechtsanwaelte-notar.de;
BGH, NJW 2003, 662 [unter II.2.acc] ~ GRUR 2002, 706 - presserecht.de) waren, "gehören" an sich niemandem, können also
keine absoluten Rechte Dritter, wie hier z. B. ein Namensrecht, verletzen. Den berechtigten Belangen Dritter, Namen zu
beschreibenden Zwecken zu benutzen, kann auch durch Zusätze Genüge getan werden (vgl. die Fallgestaltung Senat, GRUR-RR
2003, 25 = WRP 2002, 1085 - Domain "duisburg-info"). Dementsprechend nimmt die Kl. die Verwendung der Domain
"solingen-info.de" durch die Bekl. hin. Für die Notwendigkeit auf Seiten der Bekl. zu einer weiteren Verkürzung der Domain ist
nichts ersichtlich. Ihr steht zudem das Interesse der Kl. entgegen, als Namensträger nicht vollständig von der Verwendung der ihrem
Namen entsprechenden Domain verdrängt zu werden.
5. Dementsprechend stehen der Kl. Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung der Domain sowie auf Abgabe einer
Verzichtserklärung zu.
Demgegenüber besteht für einen Anspruch auf Unterlassung der Übertragung der Domain bereits deswegen keine Grundlage, weil
nichts dafür ersichtlich ist, dass die Domain überhaupt übertragbar ist. Auch auf Nachfrage im Termin vom 24. 6. 2003 hat die Kl.
eine Übertragbarkeit nicht behauptet.
* Quelle: NJW-RR 2003, 1687 ff