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BGB §§ 12, 823

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OLG Hamm, Urteil vom 18.02.2003 - 9 U 136/02 *

Tatbestand: Die Kl. ist Inhaberin der am 26. 11. 1991 eingetragenen Marke. Ihr Geschäftsbereich sind der Vertrieb von Abschirmtransport- und Lagerbehältern für radioaktive Gegenstände sowie Planung, Errichtung, der Erwerb und Betrieb von Einrichtungen zur Entsorgung von Kernkraftanlagen. Die Bekl. ist Inhaberin der Internet-Domain www.castor.de. Unter dieser Domain betreibt sie eine Homepage, deren Inhalt im Wesentlichen in Beiträgen besteht, die sich gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie und den Transport von abgebrannten Brennelementen mittels Castorbehältern richten. Sie nutzt die Homepage ausschließlich zu politischen Zwecken. Die Kl. verlangt Freigabe der Domain www.castor.de. Seit Juni 2001 ist das Tochterunternehmen der Kl., die G-GmbH, Mitinhaberin der Marke "Castor". Während die Kl. zunächst den Vertrieb der Castor-Behälter im Inland und ihre Tochtergesellschaft den Vertrieb im Ausland übernommen hatte, ist Letztere seit Juni 2002 allein zuständig für den Vertrieb der Castor-Behälter im In- und Ausland. Der inländische Kundenkreis für Castor-Behälter ist auf sechs Kunden beschränkt. Von diesen sechs Kunden sind fünf direkt oder indirekt an dem Unternehmen der Kl. beteiligt; lediglich ein Unternehmen weist keine gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zur Kl. auf. Neben den Castor-Behältern hat die Kl. seinerzeit eine Vielzahl weiterer Produkte vertrieben, bzw. vertreibt diese auch heute noch, so u. a. die Hochdruckpresse "Fakir", die Schrottzerkleinerungsanlage "Mars", sowie die weiteren Behältertypen "Mosaik" und "Pollux". Derzeit sind für die Bezeichnung "Castor" allein in Deutschland rund 20 Marken für ganz unterschiedliche Waren eingetragen. Die Klage (LG Essen, NJW-RR 2002, 1470) und die Berufung der Kl. hatten keinen Erfolg.



Entscheidungsgründe: ... Der Kl. steht gegen die Bekl. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Freigabe der Domain "castor.de" bei der DENIC (Deutsches Network Information Center) zu.

1. Die Kl. kann einen Freigabeanspruch nicht auf § 12 BGB als des im außergeschäftlichen Verkehr bei der Beeinträchtigung geschäftlicher Kennzeichen allein in Betracht kommenden namensrechtlichen Abwehranspruchs stützen.

Es bestehen auf Grund der ergänzenden Feststellungen des Senats schon erhebliche Zweifel daran, ob der Markenbezeichnung "CASTOR" überhaupt Namensfunktion zukommt. Voraussetzung wäre, dass diese Markenbezeichnung im Verkehr als Hinweis auf die Kl. verstanden wird (BGHZ 43, 245 [252] = NJW 1965, 859). Bedenken hieran sind nicht nur deshalb begründet, weil die Kl. nicht (mehr) Alleininhaberin dieser Markenbezeichnung ist. Darüber hinaus spricht gegen eine derart eindeutige Zuordnung durch den Verkehr auch das breit gefächerte Warenangebot der Kl., die eine Vielzahl weiterer Produkte unter gänzlich anderen Markenbezeichnungen vertreibt. Vor diesem Hintergrund ist wenig wahrscheinlich, dass die her. Verkehrskreise gerade die Markenbezeichnung "CASTOR" als namensmäßigen Hinweis auf eben die Kl. verstehen.



Selbst wenn der Markenbezeichnung "Castor" Namensschutz zukäme, fehlte es jedenfalls an der Verletzung schutzwürdiger Interessen der Kl. Als einen Abwehranspruch begründende Namensanmaßung i. S. des § 12 BGB ist bei den im Geschäftsleben geführten Namen nicht jede Form der Verwendung eines fremden Namens anzusehen, sondern grundsätzlich nur ein solcher Namensgebrauch, der geeignet ist, eine namensmäßige Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung hervorzurufen (vgl. etwa BGHZ 119, 237 = NJW 1993, 918 = LM H. 3/1993 § 12 BGB Nr. 59; BGHZ 126, 208 = NJW-RR 1994, 1323 = LM H. 11/1994 § 1 UWG Nr. 660). Nur ausnahmsweise ist eine Namensbezeichnung über eine Verwechslungsgefahr hinaus auch gegen Verwässerungsgefahr geschützt, wenn sie überragende Verkehrsgeltung für sich beanspruchen kann (vgl. etwa BGHZ 114, 111 = NJW 1991, 3218).

Im Streitfall ist zunächst eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Dass innerhalb des Wirkungskreises der Kl. die Gefahr einer Verwechslung ihres Unternehmens mit der Gesellschaft der Bekl. besteht, ist bereits deshalb äußerst unwahrscheinlich, weil die hochspezialisierten Castor-Produkte - wie es der zahlenmäßig höchst beschränkte Kundenkreis zeigt - nur Branchenkundige ansprechen, deren Sachkunde sie davon abhält, das Unternehmen der Kl. in eine Verbindung mit einer Gruppierung von Atomkraftgegnern zu bringen. Nimmt man hinzu, dass mit Ausnahme einer einzigen Firma alle anderen Abnehmer der Castor-Lagerbehälter mit dem Unternehmen der Kl. gesellschaftsrechtlich verbunden sind und auch aus diesem Grund um den Geschäftsgegenstand der Kl. genauestens wissen, ist eine derartige Verwechslungsgefahr darüber hinaus ausgeschlossen.




Gegen eine Verwässerungsgefahr schließlich wäre die Markenbezeichnung der Kl. - so ihr denn Namensfunktion zukäme - nicht geschützt. Denn eine überragende Verkehrsgeltung der Markenbezeichnung "CASTOR", welche Voraussetzung für einen Schutz gegen Verwässerungsgefahr wäre, kann der Senat aus eigener Sachkunde ausschließen. Unstreitig existiert nicht nur eine einzige Markeneintragung für die Bezeichnung "Castor" für den Lagerbehälter der Kl., sondern vielmehr weist das Markenregister mehr als 20 derartige Eintragungen für ganz unterschiedliche Produkte auf. Überdies sprechen die hochspezialisierten Castor-Behälter nur einen äußerst beschränkten Abnehmerkreis an. Vor diesem Hintergrund ist es auszuschließen, dass die Bezeichnung "CASTOR" für die breite Öffentlichkeit zum Synonym für die Kl. geworden ist, was Voraussetzung für deren Berühmtheit wäre (hierzu OLG Hamm, NJW-RR 1998, 909).

2. Aus den vorgenannten Gründen ist auch ein Freigabeanspruch der Kl. aus § 823 I BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb abzulehnen. Da die Registrierung der Domain "castor.de" für die Bekl. weder die Gefahr der Verwechslung des Unternehmens der Kl. mit der Gesellschaft der Bekl. begründet noch die Kl. sich auf einen Schutz ihrer Markenbezeichnung gegen Verwässerungsgefahr berufen kann, sind durch das Recht zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützte geschäftliche Interessen der Kl. nicht verletzt.



* Quelle: NJW-RR 2003, 759