BGB §§ 2058, 2059, 2306

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Landgericht Gießen, Urteil v. 12.3.2001 - 4 0 598/00

Die Beklagten werden verurteilt, die im Raumeigentumsgrundbuch des Amtsgerichts W. ... eingetragene Eigentumswohnung an die Klägerin aufzulassen und die Eintragung der Klägerin in das Grundbuch zu bewilligen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu je 1/3.

TATBESTAND: Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Erben des am 4. Januar 2000 verstorbenen H. Auflassung einer Eigentumswohnung und Einwilligung in die entsprechende Eintragung der Klägerin in das Grundbuch.

Die Klägerin war Lebensgefährtin des Verstorbenen. In seinem notariell beurkundeten Testament vom 22.12.1993, welches am 24.01.2000 eröffnet wurde, vermachte er ihr seine Eigentumswohnung in R. ... . Für die Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Kopie des Testaments (Blatt 10 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte zu 1) macht gegenüber der klägerischen Forderung ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Die Klägerin wurde von der Beklagten zu 1) zur Auskunftserteilung darüber aufgefordert, welche Erbschaftsgeschäfte sie geführt hat und was ihr über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände bekannt ist. Eine entsprechende Auskunft durch die Klägerin erfolgte bisher aber nicht. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung (Blatt 44 d.A.) verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2001 haben die Beklagten zu 2) und 3) den Anspruch der Klägerin anerkannt. Die Klägerin beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die im Raumeigentumsgrundbuch des Amtsgerichts W. ... eingetragene Eigentumswohnung an die Klägerin aufzulassen und in die entsprechende Änderung des Grundbuches einzuwilligen sowie ein Teilanerkenntnisurteil gegen die Beklagten zu 2) und 3) zu erlassen. Die Beklagte zu 1) beantragt, die Klage abzuweisen.



Die Beklagte zu 1) bestreitet mit Nichtwissen, dass die Niederschrift des Testaments vollständig vorgelesen worden sei. Des weiteren ist die Beklagte zu 1) der Ansicht, die Anordnung des Vermächtnisses sei nicht wirksam, da der ihr hinterlassene Erbteil geringer sei als der ihr zustehende Pflichtteil. Insoweit wird auf die Klageerwiderung (Blatt 44 f. d.A.) Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: Die Klage ist zulässig und begründet. Der Antrag der Klägerin, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Eigentumswohnung an die Klägerin aufzulassen und in die entsprechende Änderung des Grundbuches einzuwilligen, war dahingehend auszulegen, dass sie eine Gesamthandsklage i.S.d. § 2059 Abs. 2 BGB erhoben hat. Für diese Auslegung spricht, dass die Klägerin - wie aus ihrem Klageantrag und den Klagegründen ersichtlich - mit der Klage die Übertragung des Eigentums an der Wohnung und demgemäß die Abgabe der für diese Verfügung erforderlichen Willenserklärungen erstrebt. Dies ist allein im Wege einer Gesamthandsklage gegen die Erbengemeinschaft möglich, da die einzelnen Miterben wegen § 2040 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich verfügen können (vgl. BGH NJW 1963,1611,1612; Wolf, in: Soergel, BGB, Bd. 9, 12. Auflage, § 2058 Rn 11).

Gegen die einzelnen Miterben kann hingegen im Wege einer Gesamtschuldklage i.S.d. § 2058 BGB lediglich die Herbeiführung der Auflassung, nicht aber auch der unmittelbare Vollzug der Auflassungserklärung und der Bewilligung erreicht werden (vgl. Edenhofer, in: Palandt, BGB, 60. Auflage, § 2058, Rn 2).

Dem Antrag der Klägerin auf Teilanerkenntnisurteil gegen die Beklagten zu 2) und 3) war nicht zu entsprechen, weil der Erlass eines Teilurteiles vorliegend unzulässig wäre. Über die Klage kann nur einheitlich entschieden werden, da es sich bei den Beklagten wegen ihrer allein gemeinschaftlichen Verfügungsbefugnis über das Miteigentum an der Wohnung um notwendige Streitgenossen i.S.d. § 62 ZPO handelt.



Der Klägerin steht der Anspruch gegen die Beklagten auf Auflassung der Eigentumswohnung und Bewilligung der Eintragung in das Grundbuchs aus § 2174 BGB aufgrund eines wirksamen Vermächtnisses zu.


Das Testament ist nicht wegen Verstoßes gegen § 13 BeurkG unwirksam, da die Niederschrift des Testaments und alle seine Bestandteile vorgelesen wurden. Dafür spricht die Vermutung des § 13 Abs. 1 S.3 BeurkG, denn die Niederschrift wurde sowohl von dem Notar als auch von dem Verstorbenen eigenhändig unterschrieben. Diese Vermutung erstreckt sich nach § 9 Abs. 1 S.2 BeurkG auch auf die Blätter 1 bis 3 - 5/95 und 1 bis 12 - VVI/93, auf welche in den Seiten 1 bis 7 des Testaments verwiesen wurde. Die Beklagte zu 1) hat diese Vermutung nicht entkräftet; sie hat keine Tatsachen dargelegt, die dafür sprechen, dass das Testament mit allen seinen Bestandteilen nicht vorgelesen wurde.

Des weiteren steht dem Anspruch der Klägerin auch nicht § 2306 Abs. 1 S.1 BGB entgegen. Der Einwand der Beklagten zu 1), sie erhalte wegen der Belastungen ihres Erbteils weniger als ihren Pflichtteil, ist wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 ZPO unbeachtlich. Der Vortrag erscheint als eine ohne greifbare Anhaltspunkte ausgesprochene, willkürliche Vermutung, gleichsam ,,ins Blaue hinein". Die Beklagte zu 1) hat nicht dargelegt, auf welcher Tatsachengrundlage ihre diesbezügliche Vermutung beruht. Der unstreitige Inhalt des Testaments stützt ihre Behauptungen jedenfalls nicht. Zudem hat sie selbst vorgetragen, keinerlei Erkenntnisse über den Wert des Nachlasses zu haben und sich damit zu ihren Behauptungen über das Quotenverhältnis i.S.d. § 2306 BGB in Widerspruch gesetzt.



Darüber hinaus kann die Beklagte zu 1) auch nicht mit Erfolg einwenden, sie habe keine Kenntnis über die Wertverhältnisse des Nachlasses haben können. Sie ist im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Mitinhaberin sämtlicher Rechte und Pflichten des Verstorbenen geworden. Es ist nicht ersichtlich, warum sie, wie sie behauptet, weder Kenntnis von Anhaltspunkten für ihre Behauptungen hatte noch rechtzeitig hätte erlangen können, da es sich doch um tatsächliche Umstände aus dem Bereich ihrer eigenen Rechtssphäre handelt. Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung dessen, dass das Testament schon Ende Januar 2000 eröffnet wurde.

Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts der Beklagten zu 1) wegen ihrer Ansprüche aus §§ 2027, 2028 BGB auf Auskunftserteilung ist gegenüber dem Anspruch der Klägerin ausgeschlossen. Die Klage richtet sich nicht gegen sie als Gesamtschuldnerin, sondern gegen die Miterben im Wege einer Gesamthandsklage. Gegen Gesamthandsklagen können hingegen nur Einwendungen und Einreden geltend gemacht werden, welche gerade einer Haftung des Nachlasses entgegenstehen (vgl. Dütz, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Auflage, § 2059, Rn 23). Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch die Beklagte zu 1) berührt die Haftung der Miterben mit dem ungeteilten Gesamtnachlass als solchem aber nicht, denn das Zurückbehaltungsrecht besteht lediglich in der Person der Beklagten zu 1) und bewahrt nur deren persönliches Vermögen vor Haftung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Kostenfolge des § 93 ZPO war nicht auszusprechen, weil die Beklagten Veranlassung zur Klage gegeben haben. Anders als durch die erhobene Klage hätte die Klägerin nicht zu ihrem Recht gelangen können. ...