BGB §§ 1309, 1310, 1314

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KG, Beschluss vom 27.03.2001 - 1 VA 36/99 *

Tatbestand: Der Ast. ist nach seinen Angaben libanesischer Staatsangehöriger. Wie sich aus den von der Ag. beigezogenen Ausländerakten ergibt, reiste er im Jahre 1995 ohne gültige Ausweispapiere in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, der abschlägig beschieden wurde. Die nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens im Oktober 1998 an ihn ergangene Aufforderung der Ausländerbehörde zur Passbeschaffung lehnte er ab. Er verfügt über eine Duldung mit räumlicher Beschränkung der Aufenthaltsgestattung auf den Landkreis Uckermark, wo er in einem Wohnheim lebt. Im März 1999 hat der Ast. die Eheschließung mit einer in Berlin wohnhaften deutschen Staatsangehörigen angemeldet und zu diesem Zweck die Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses beantragt. Zum Nachweis seiner Identität und seiner Staatsangehörigkeit hat er einen in Beirut am 6. 4. 1996 ausgestellten, von ihm nicht unterschriebenen Reisepass der Republik Libanon vorgelegt. Darüber hinaus hat er vom Oktober 1998 datierende Zivilregisterauszüge der Republik Libanon und eine Ledigkeitsbescheinigung des jaafaritischen Scharia-Gerichts in Beirut eingereicht. Der im Reisepass und in den weiteren Dokumenten enthaltene Familienname und das Geburtsdatum des Ast. weichen von seinen im Asylverfahren angegebenen Personalien ab, die er gegenüber der Ausländerbehörde bisher nicht korrigiert hat. Zur Anmeldung der Eheschließung wurde ein Dolmetscher für die arabische Sprache hinzugezogen, da der Ast. nach einem Vermerk des Standesbeamten der deutschen Sprache nicht mächtig war. Die Verlobten unterschrieben ferner Erklärungen, dass sie die Ehe zum Zwecke einer ehelichen Lebensgemeinschaft eingingen.



Im Befreiungsverfahren vor der Ag. hat der Ast. eine Bescheinigung der Botschaft des Libanon, Außenstelle Berlin, in Verbindung mit einer Kopie der nunmehr unterschriebenen Seite des Passes vorgelegt, wonach der Pass echt und er dessen ordentlicher Inhaber sei. Auf Schreiben der Ag., mit denen die Verlobte des Ast. unter Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtsprechung zur Möglichkeit der Versagung der Befreiung bei Verfolgung ausschließlich ehefremder Ziele um Angaben zum Zeitpunkt des Kennenlernens und des Entschlusses zur Eheschließung, zu etwaigen Besuchen des Ast. und dessen finanzieller Unterstützung durch sie gebeten wurde, hat diese nicht reagiert. Die Ag. hat den Antrag zurückgewiesen. Aus der fehlenden Reaktion der Verlobten auf ihre Schreiben sei zu folgern, dass sie an der Eheschließung nicht mehr festhalte, zudem stünden die Identität und damit auch die Staatsangehörigkeit des Ast. nicht fest. Gegen diesen Bescheid hat der Ast. gerichtliche Entscheidung beantragt. Der Senat hat die Botschaft des Libanon, Außenstelle Berlin, um Auskunft gebeten, woraufhin ihm mitgeteilt worden ist, dass die Unterschrift des Passinhabers zu dessen Gültigkeit nicht erforderlich ist und der Pass vor einem ihrer Konsularbeamten unterschrieben wurde. Darüber hinaus hat er den Ast. und seine Verlobte zu der Frage angehört, ob die beabsichtigte Eheschließung der Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft dienen soll oder ob sie damit andere Ziele verfolgen. Das KG hat den Antrag des Ast. zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe: II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Er ist gern. § 23 I 1 EGGVG an sich statthaft und gern. § 26 EGGVG form- und fristgerecht gestellt worden. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg. Denn die Ag. hat die Erteilung der Befreiung gern. § 1309 11 BGB mit Recht abgelehnt.

Nach dem Ergebnis der Anhörung der Verlobten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die beabsichtigte Eheschließung nicht der Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft dienen soll, sondern mit ihr ausschließlich andere Ziele verfolgt werden. Die Absicht der Eheschließenden, keine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, stellt gern. § 1310 112 Halbs. 2 i. V. mit § 1314 11 Nr. 5 BGB ein materiell-rechtliches Ehehindernis nach dem für die Verlobte maßgebenden deutschen Recht dar, das die Erteilung der Befreiung nach § 1309 Il BGB hindert. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die begehrte Befreiung auch wegen fortbestehender Zweifel an der Identität und der Staatsangehörigkeit des Ast. zu versagen wäre.



1. Im vorliegenden Befreiungsverfahren ist nach Maßgabe der § 1310 12 Halbs. 2 i. V. mit § 1314 11 Nr. 5 BGB zu prüfen und zu entscheiden, ob die beabsichtigte Eheschließung deshalb offenkundig aufhebbar wäre, weil die Verlobten die Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht beabsichtigen.

a) Es entsprach bereits vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung des Eheschließungsrechts zum 1. 7. 1998 der einhelligen Rechtsprechung der Obergerichte dass der Standesbeamte unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Institution der Ehe befugt war, seine Mitwirkung an einer Eheschließung zu versagen, wenn diese offenkundig dem alleinigen Zweck der Schaffung einer Aufenthaltsberechtigung diente und die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht beabsichtigt war (vgl. OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1995, 771 = StAZ 1995, 139 [140] m. w. Nachw.). Auch für das Befreiungsverfahren nach § 10 EheG a. E wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses wegen Rechtsmissbrauchs bzw. fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig und die Befreiung zu versagen war, wenn die Ehe von beiden Eheschließenden offenkundig ausschließlich zu ehefremden Zwecken, wie der Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis für den Ausländer, geschlossen werden sollte (vgl. OLG Celle, StAZ 1996~ 366; OLG Jena, StAZ 1998, 177; OLG Hamburg, FGPrax 1996, 61 = StAZ 1996, 139; KG [25. Zivilsenat, Beschl. v. 15. 2. und 31. 5. 1999 - 25 VA 5/98; Präsident des KG, StAZ 1996, 84; Präsident des OLG Celle, FamRZ 19f98, 1108; zum neuen Recht ebenso OLG Dresden, NJW-RR 2001, 1 = StAZ 2001, 35; a. A. OLG Düsseldorf, FGPrax 1996, 100 = FamRZ 1996, 1145: im Befreiungsverfahren seien lediglich nach materiellem Recht bestehende Ehehindernisse zu prüfen, während die Frage der Scheinehe das formelle Eheschließungsverfahren betreffe und daher allein vom Standesbeamten zu prüfen und gegebenenfalls im gerichtlichen Verfahren nach §§ 45 ff. PStG zu klären sei).



b) Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der so genannten Scheinehe erfolgte im Rahmen der zum 1. 7. 1998 in Kraft getretenen Neuregelung des Eheschließungsrechts. Gern. § 1314 11 Nr. 5 BGB ist eine Ehe nunmehr aufhebbar, wenn sich die Ehegatten bei der Eheschließung einig waren, keine Verpflichtung aus § 1353 1 BGB begründen zu wollen. Nach § 1310 12 Halbs. 2 BGB muss der Standesbeamte seine Mitwirkung verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Ehe nach § 1314 11 BGB aufhebbar wäre. Für den Fall des Bestehens konkreter Anhaltspunkte für eine Aufhebbarkeit gewährt ihm § 5 IV PStG die Befugnis, die Verlobten zu befragen, ihnen die Beibringung geeigneter Nachweise aufzugeben und eine eidesstattliche Versicherung zu verlangen. Durch die vorstehende, auf entsprechende Prüfbitte des Bundesrats vom Rechtsausschuss eingefügte Regelung sollte die Praxis, dem Standesbeamten bei offenkundig rechtsmissbräuchlicher Eheschließung ein Recht zur Verweigerung seiner Mitwirkung einzuräumen, auf eine klare gesetzliche Grundlage gestellt werden (vgl. die Stellungnahme des Bundesrats und den Bericht des Rechtsausschusses, abgedr. bei Wagenitz1Bornhofen, Hdb. des EheschließungsR, S. 379f., 428 u. 430 f.).

Durch die Regelung des § 13 10 12 Halbs. 2 i. V. mit § 1314 11 Nr. 5 BGB, wonach der Standesbeamte bei offen kundigem Vorliegen eines Aufhebungsgrundes wie der übereinstimmend nicht beabsichtigten ehelichen Lebensgemeinschaft die Mitwirkung an der Eheschließung verweigern muss, wird der Aufhebungsgrund zugleich als materiellrechtliches Ehehindernis normiert, dessen Vorliegen die Eheschließung hindert. Da gern. Art. 13 1 EGBGB die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung dem Heimatrecht jedes Verlobten unterliegen, greift das genannte Ehehindernis jedenfalls dann ein, wenn deutsches materielles Eheschließungsrecht für einen der Verlobten maßgebend ist (vgl. zu Vorstehendem Hepting/Gaaz, Personenstands11, Bd. 2, 111-401-3; Palandt1Heldrich, BGB, 60. Aufl., Art. 13 EGBGB Rdnr. 11; Coester, in: MünchKomm, 3. Aufl., Art. 13 EGBGB Rdnr. 43). Ansonsten stellt sich die Frage, ob gern. § 1310 12 Halbs. 2 BGB die Mitwirkung an der Eingebung einer offenkundig beabsichtigten so genannten Scheinehe unabhängig vom Heimatrecht der Verlobten zu versagen ist. Dies könnte mit der Erwägung zu bejahen sein, dass der Mitwirkung an einer solchen Eheschließung der zum deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) gehörende, in Art. 6 1 GG vorausgesetzte Grundsatz, dass eine Ehe zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet, aber auch weiterhin das allgemeine Verbot des Rechtsmissbrauchs entgegenstünde, oder aber die Vorschrift des § 1310 12 Halbs. 2 BGB als Annex zur Eheschließungsform gern. Art. 13 111 1 EGBGB bzw. als verfahrensrechtliche Regelung na ' ch dem Grundsatz der lex fori generell Anwendung findet (vgl. dazu etwa Henrich, in: Festschr. f. Rolland, S. 167 [172]; Hepting/Gaaz, 111-409; Müller-Gindullis, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 1310 Rdnr. 15). Da vorliegend hinsichtlich der Verlobten des Ast.
deutsches Recht Anwendung findet, kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben.



c) Bereits aus der gesetzlichen Neuregelung der beabsichtigten Eingebung einer Scheinehe im Sinne eines materiellrechtlichen Ehehindernisses folgt, dass dessen Vorliegen bereits im Befreiungsverfahren gern. § 1309 11 BGB zu berücksichtigen ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Befreiung nur erteilt werden darf, wenn auch nach dem anwendbaren deutschen Recht kein Ehehindernis besteht (vgl. Senat, FamRZ 1976, 353; OLG Düsseldorf, StAZ 1980, 239 [240]; Müller-Gindullis, in: MünchKomm, § 1309 Rdnr. 13; Hepting/Gaaz, § 5 a PStG Rdnr. 90). Das Vorliegen eines nach deutschem Recht bestehenden Ehehindernisses ist daher grundsätzlich ebenfalls Gegenstand des Befreiungsverfahrens, soweit deutsches materielles Eheschließungsrecht für einen der Verlobten gilt oder das Ehehindernis als zum deutschen ordre public gehörend generell zu beachten ist. Es ist kein Grund ersichtlich, aus dem dies für das hier fragliche Ehehindernis nicht gelten sollte (ebenso: Palandt1Brudermüller, § 1309 Rdnr. 13; Henrich, S. 172; Müller-Gindullis, in: MünchKomm, § 1309 Rdnr. 19; Lohmann, in: RGRK, 12. Aufl.,- § 1309~Rdnr. 88; Staudinger/Strätz, BGB, 13. Aufl., § 1309 Rdnr. 52).


Allerdings wird demgegenüber die Auffassung vertreten, nach der Neuregelung sei dem Standesbeamten nunmehr die alleinige Kompetenz zugewiesen, die Frage einer beabsichtigten Scheinehe zu prüfen und zu entscheiden. Im Befreiungsverfahren aufgetretene Zweifel seien ihm mitzuteilen. Die Erteilung der Befreiung könne aber nicht mehr unter Hinweis auf die beabsichtigte Scheinehe abgelehnt werden. Da der Präsident des OLG an die Stelle der ausländischen inneren Behörde trete, habe er nur die Ehefähigkeit allgemein zu prüfen, während der Standesbeamte für die Feststellung zur Aufhebbarkeit führender Willensdefizite bei der Eheschließung zuständig sei, für die er allein die Verantwortung trage und wozu er die erforderlichen Befugnisse erhalten habe (vgl. zu Vorstehendem Hepting/Gaaz, § 5 a PStG Rdnrn. 92 f.; 111-185 u. 403).



Dem kann nicht gefolgt werden. Zunächst steht schon die Gesetzgebungsgeschichte der Annahme entgegen, im Gegensatz zur bisherigen Rechtspraxis sei eine Einschränkung der bisher herrschend angenommenen Prüfungskompetenz der Instanzen des Befreiungsverfahrens beabsichtigt gewesen. Denn mit der Neuregelung sollte gerade eine klare gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtspraxis geschaffen werden.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Befreiungsverfahren gern. § 1309 BGB im Rahmen des Verfahrens der Anmeldung der Eheschließung selbst stattfindet und Teil dieses Verfahrens ist. Der Standesbeamte hat grundsätzlich selbst abschließend zu ermitteln und darf auch den Antrag auf Befreiung nach § 1309 BGB gern. § 5 a PStG erst dann vorlegen, wenn die Sache nach seiner Auffassung entscheidungsreif ist (vgl. Hepting/Gaaz, § 5 PStG Rdnr. 15). Soweit er die gern. § 5 IV PStG bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Scheinehe gebotenen Ermittlungen vornimmt und diese die Offenkundigkeit des Ehehindernisses ergeben, kommt es auch gar nicht mehr zur Vorlage nach § 1309 BGB, weil ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erteilung der Befreiung dann nicht gegeben ist.

Legt der Standesbeamte aber vor, so tritt der Präsident des OLG (und entsprechend das OLG) als Tatsacheninstanz an dessen Stelle. Beide sind ebenfalls von Gesetzes wegen verpflichtet, den Sachverhalt umfassend aufzuklären (nach entsprechenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts bzw. § 29 11 EGGVG i. V. mit § 12 FGG). Ergeben erst die hier für notwendig gehaltenen ergänzenden Ermittlungen (oder auch nur eine andere Würdigung der bisher bekannten Umstände) konkrete Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Scheinehe, so sind auch die Instanzen des Befreiungsverfahrens als zu weiterer Nachprüfung befugt anzusehen. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen des Instanzenzuges. Wie etwa der gern. § 29 11 EGGVG auch hier geltende § 23 FGG zeigt, tritt die höhere Instanz grundsätzlich in vollem Umfang an die Stelle der Vorinstanz; Aufhebung und Zurückverweisung sind grundsätzlich auf Ausnahmefälle beschränkt.



Schließlich stellt sich das Problem der Feststellbarkeit eines Willens zur bloßen Schließung einer Scheinehe als innerer Tatsache dem Standesbeamten in gleicher Weise wie den Instanzen des Befreiungsverfahrens. Dabei stehen jedoch gerade dem OLG weiter gehende Möglichkeiten zur Sachaufklärung zur Verfügung, als sie dem Standesbeamten gegeben sind. Insbesondere kann das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen eine förmliche Beweisaufnahme gern. §§ 12, 15 FGG anordnen (vgl. OLG Jena, FGPrax 2000, 112 = FamRZ 2000, 1365). Zudem ist das Gericht zur Vornahme einer entsprechenden Willenserforschung nicht weniger geeignet als der Standesbeamte (vgl. Wolf FamRZ 1998, 1477 [1484]).

d) jedoch sind nach Auffassung des Senats die in § 5 IV PStG und § 1310 12 Halbs. 2 BGB normierten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Ermittlung und Feststellung von Aufhebungsgründen durch den Standesbeamten im Befreiungsverfahren entsprechend anzuwenden. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Instanzen des Befreiungsverfahrens in weiter gehendem Umfang als der Standesbeamte selbst zur Berücksichtigung von Aufhebungsgründen befugt sein sollen. Daher sind Ermittlungen nur bei konkreten Anhaltspunkten für das Vorliegen von Aufhebungsgründen geboten. Die Befreiung kann nur versagt werden, wenn deren Vorliegen offenkundig ist.
In Bezug auf den hier in Frage stehenden Aufhebungsgrund fehlenden Willens zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1314 11 Nr. 5 BGB) sind daher auch im Befreiungsverfahren Ermittlungen dann zulässig und geboten, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Fehlen des Willens der Verlobten zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft vorliegen, da nach dem Gesetz ein solcher Wille vermutet wird. Erforderlich sind tatsächliche Umstände in der Person eines oder beider Verlobter oder in der Beziehung zueinander; bloße Vermutungen genügen nicht (vgl. Hepting/Gaaz, § 5 PStG Rdnr. 48; 111-215). Mögliche Indizien sind etwa in der Entschließung des Rates der Europäischen Union vom 4. 12. 1997 über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen (Amtsblatt v. 16. 12. 1997, C 382/1) genannt (vgl. dazu Hepting/Gaaz, § 5 PStG Rdnrn. 48 ff.; Wagenitz/Bornhofen, Rdnr. 127; Finger, FuR 1998, 289 [291]; s. a. Rundschreiben des Hess. Ministeriums des Innern v. 6. 4. 1995, StAZ 1995, 253 [254]). Sind solche konkreten Anhaltspunkte gegeben, kommt neben den in § 5 IV PStG genannten Ermittlungsmöglichkeiten die Beiziehung von Akten anderer Behörden, insbesondere der Ausländerbehörde, im Wege der Amtshilfe in Betracht. Dem stehen datenschutzrechtliche Bestimmungen regelmäßig nicht entgegen (vgl. dazu Hepting/gaaz, § 5 PStG Rdnr. 55).
Das Ergebnis der Ermittlungen muss die "Offenkundigkeit" fehlenden Willens zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft sein (§ 1310 12 Halbs. 2 BGB). Das Erfordernis der "Offenkundigkeit" ist hier jedoch nicht im Sinne einer sofortigen Erkennbarkeit (wie etwa in § 291 ZPO) zu verstehen, da sie regelmäßig erst das Ergebnis der nach § 5 IV PStG geführten Ermittlungen sein wird (so wohl aber Wagenitz1Bornhofen, Rdnrn. 120 f.). Zur Auslegung des Begriffs der "Offenkundigkeit" ist vielmehr die oben unter a) zitierte obergerichtliche Rechtsprechung heranzuziehen, der der Gesetzgeber - wie dargelegt - mit der am 1. 7. 1998 in Kraft getretenen Neuregelung eine klare gesetzliche Grundlage verschaffen wollte. Da in den genannten Entscheidungen als Voraussetzung für die Versagung der Mitwirkung an der Eheschließung wie auch der Befreiung einhellig Offenkundigkeit bzw. Evidenz des Rechtsmissbrauchs gefordert wurde, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Begriff der "Offenkundigkeit" im Sinne dieser Rechtsprechung verwenden wollte. Wie aus den Gründen dieser Entscheidungen deutlich wird, bedeutete "Offenkundigkeit" nicht, dass der Rechtsmissbrauch ohne Ermittlungen bereits feststehen musste. Denn es wurden regelmäßig Indizien bewertet, die sich insbesondere aus Akten der Ausländerbehörden und Angaben der Verlobten bei ihrer Anhörung ergaben. Erst das Ergebnis dieser Feststellungen musste zweifelsfrei (zum Teil bezeichnet als evident) den Schluss rechtfertigen, dass die Verlobten eine Lebensgemeinschaft nicht beabsichtigten, sondern die Eheschließung allein der Aufenthaltssicherung des ausländischen Verlobten diente.



Nach alledem ist davon auszugehen, dass der fehlende Wille zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft entsprechend der dem Standesbeamten bzw. den Instanzen des Befreiungsverfahrens obliegenden Beweislast für das Vorliegen des Aufhebungsgrundes im Sinne eines Hauptbeweises bewiesen sein muss. Dies setzt die persönliche Überzeugung von der Wahrheit der behaupteten Tatsache voraus, wobei ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der restlichen etwaigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen, ausreicht (vgl. BGHZ 53, 245 [256] = NJW 1970, 946, BGH, NJW-RR 1994, 567 [5681). Dies gilt auch dann, wenn das Gesetz die "Offenkundigkeit" eines Tatbestandsmerkmals verlangt, da die erforderliche Überzeugung nicht mehr steigerbar ist (vgl. zu Vorstehendem Hepting/gaaz, 111-219 m. w. Nachw.). Dem Erfordernis der "Offenkundigkeit" kommt darüber hinaus insofern Bedeutung zu, als es Art und Umfang der anzustellenden Ermittlungen auf solche Erkenntnisse beschränkt, die in dem Sinne "offenkundig" sind, dass sie "auf der Hand liegen" bzw. verhältnismäßig leicht zugänglich sind, so dass eine übermäßige Beeinträchtigung der Privatsphäre der Eheschließenden vermieden wird (vgl. Hepting/gaaz, 111-220 f.).
2. Vorliegend lagen konkrete Anhaltspunkte für die Absicht beider Eheschließender vor, die Ehe ausschließlich zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltsrechts für den Ast. zu schließen. Der Ast. verfügt als rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber über kein gesichertes Aufenthaltsrecht im Inland. Nach dem Vermerk des Standesbeamten war er bei Anmeldung der Eheschließung der deutschen Sprache nicht mächtig. Die Verlobten leben räumlich weit voneinander entfernt. Die Verlobte hat auf die schriftliche Bitte der Ag. um - inhaltlich nicht zu beanstandende - Angaben im Hinblick auf die hier erforderliche Prüfung einer möglicherweise beabsichtigten Scheinehe nicht reagiert, obwohl bei bestehendem Interesse an der Eheschließung eine Äußerung ihrerseits zu erwarten war.



Auf Grund der daraufhin vor dem erkennenden Senat durchgeführten Anhörung ist der Senat davon überzeugt, dass die Verlobten die Eingebung einer bloßen Aufenthaltsehe ohne Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft beabsichtigen. Diese Überzeugung hat der Senat vor allem aus dem Umstand gewonnen, dass die Verlobten nach ihren Angaben seit mindestens 3 1/2 Jahren befreundet und seit etwa 2 1/2 Jahren verlobt sind, gleichwohl nicht einmal über minimales Wissen über die nächsten Verwandten des anderen verfügen und auch kein Interesse daran haben, die in Berlin lebenden Verwandten des anderen kennen zu lernen oder den Verlobten mit diesen bekannt zu machen, obwohl jeweils regelmäßige persönliche Kontakte zu den eigenen Verwandten bestehen.

Dem Ast. war nicht bekannt, dass seine Verlobte einen Bruder hat. Die Eltern seiner Verlobten hat er bisher nicht kennen gelernt, obwohl er sich etwa alle drei Wochen bei ihr aufhält. Seine Verlobte hat jedoch gewissen, wenn auch nicht besonders engen, Kontakt zu ihren Eltern und besucht sie gelegentlich zu familiären Anlässen. Auch wird sie von ihrer Mutter besucht, wobei sie den Ast. bei einem zufälligen Zusammentreffen nicht vorgestellt hat. Unter diesen Umständen sprechen das Verschweigen der seit mehreren Jahren bestehenden Verlobung gegenüber den Eltern wie auch das fehlende Interesse beider Verlobter, den Ast. mit ihnen bekannt zu machen, für die Annahme, dass die Verlobten die Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht beabsichtigen.

Die Verlobte weiß zwar, dass der Ast. eine größere Zahl (einen "Haufen") im Libanon lebende Geschwister hat. Von seinen in Berlin lebenden Cousins kennt sie nur einen (ehemaligen) Arbeitskollegen aus ihrem Stammcafé, über den sie auch mit dem Ast. bekannt wurde. Der Ast. hat jedoch drei weitere Cousins in Berlin (Brüder), die Pizzerien betreiben. Bei seinen etwa alle drei Wochen stattfindenden Besuchen in Berlin, die inzwischen jeweils drei Wochen dauern, wohnt er regelmäßig auch bei einem dieser Cousins. Trotz des daraus ersichtlichen engen Verhältnisses des Ast. zu seinen Cousins waren der Verlobten deren Existenz wie auch die Tatsache, dass er sich bei seinen Besuchen in Berlin nicht nur bei ihr, sondern regelmäßig auch bei einem dieser Cousins aufhält, nicht einmal bekannt. Zudem wurde in der Anhörung deutlich, dass der Ast. auch gar nicht daran interessiert ist, seine Verlobte mit seinen Cousins bekannt zu machen und sie auf diese Weise in sein Lebensumfeld einzubeziehen. Ebenso wenig ist ein solcher Wunsch bei ihr vorhanden.



Bereits die aufgeführten Umstände vermitteln dem Senat die Überzeugung, dass die Verlobten die Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft tatsächlich nicht beabsichtigen. Demgegenüber sind keine Umstände hervorgetreten, die diese Überzeugung erschüttern könnten. Gemeinsame Interessen der Verlobten wurden nicht deutlich. Auch eine gemeinsame Zukunftsplanung war nicht erkennbar. So äußerte der Ast. spontan die Vorstellung, Kinder haben zu wollen. Die Verlobte gab dagegen an, vorerst keine Kinderpläne zu haben und mit dem Ast. noch nicht über Kinder gesprochen zu haben. Bei einer tatsächlich bestehenden Absicht zur Eingehung einer Lebensgemeinschaft ist jedoch zu erwarten, dass gerade über eine elementare Frage des Zusammenlebens wie die des Kinderwunsches zumindest einmal gesprochen wird. Auch in beruflicher Hinsicht wurden keine gemeinsamen Vorstellungen geäußert, obwohl beide über eine Friseurausbildung verfügen und der Ast. in diesem Beruf auch arbeiten will.

Nach alledem steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Verlobten die Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft tatsächlich nicht beabsichtigen. Damit steht das Vorliegen des sich aus den Bestimmungen des § 1310 12 Halbs. 2 i.V. mit § 1314 11 Nr. 5 BGB ergebenden Ehehindernisses fest mit der Folge, dass die beantragte Befreiung nicht zu erteilen und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen ist.



3. Der Senat ist nicht verpflichtet, die Sache gern. § 29 11 EGGVG i. V. mit § 28 11 FGG vor einer Entscheidung dem BGH vorzulegen. Denn die in Betracht kommende Vergleichsentscheidung de~ OLG Düsseldorf vom 2. 2. 1996 (FGPrax 1996, 100 = FamRZ 1996, 1145) betraf die Rechtsfrage, ob die Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen wegen Rechtsmissbrauchs bzw. fehlenden Rechtsschutzinteresses versagt werden kann, wenn die Absicht zur Eingebung einer Scheinehe hinreichend evident feststeht, wobei zudem offen blieb, ob Letzteres in der zu entscheidenden Sache der Fall war. Die vorliegende Entscheidung beruht dagegen auf den Bestimmungen der §§ 1310 12 Halbs. 2, 1314 11 Nr. 5 BGB, durch die die Absicht zur Eingehung einer Scheinehe als materiell-rechtliches Ehehindernis positiv geregelt worden ist, und betrifft daher eine andere Rechtsfrage (vgl. BGH, NJW 1993, 3069).




* Quelle: NJW-RR 2001, 1373 ff